Eine Fallstudie zu den Trockenjahren 2018 bis 2020

Trockenstresstoleranz-Bewertung anhand von Trieblängenmessungen

von:

Ming Liu, Ulrich Pietzarka, Andreas Roloff

Baumwachstum Baumforschung
Abb. 1: Triebbasisnarben zur Rekonstruktion der Trieblängenentwicklung der letzten sechs Jahre, links Langtrieb, rechts Kurztriebkette (Ausschnitt: Narben der Knospenschuppen mit exakter Position wie im Austriebsjahr). Grafik: Andreas Roloff

Die Messung der jährlichen Trieblängen des Wipfeltriebs eines Baumes anhand der Triebbasisnarben auf der Zweigoberfläche ist ein lange erprobtes und vollkommen zerstörungsfreies Verfahren zur Rekonstruktion des Höhenwachstums eines Baumes während der vergangenen fünf, mit Erfahrung und bei glattrindigen Baumarten bis zu 30 Jahre. Dabei wird von der Spitzenknospe beginnend die Länge des Triebes bis zur letzten Triebbasisnarbe bestimmt (Roloff 1986, 1989, 2018, Abb. 1).

Hierbei handelt es sich um die Narben der Knospenschuppen, welche ursprünglich dicht gedrängt auf der Triebachse saßen und die jungen Sprossanlagen eng schützend umhüllten. Diese Schuppen hinterlassen nach ihrem Abfallen während des Austreibens im Frühjahr dichtgedrängte "Rillen" auf der Trieboberfläche. Sie bleiben so lange erkennbar, bis sie im Zuge des Dickenwachstums mehr und mehr gedehnt und unkenntlich werden oder eine Borkebildung einsetzt. Einfluss auf die Dauer der Erkennbarkeit hat neben der Intensität des Dickenwachstums (bei jungen, sehr vitalen, starkwüchsigen Bäumen weniger lang als bei alten) auch die Anzahl der Knospenschuppen. Somit lässt sich das Trieblängenwachstum bei verschiedenen Bäumen und Baumarten unterschiedlich lange rekonstruieren. Fünf bis sieben Jahre sind bei nahezu jedem Baum problemlos möglich. Bei noch jungen Bäumen muss allerdings auf Johannistriebe geachtet werden.

Im Gegensatz zur Bohrkernentnahme, die noch als geringinvasiv anzusehen ist, werden dabei gar keine Verletzungen verursacht. Daher kann das Verfahren auch in kürzeren Abständen an denselben Bäumen wiederholt angewendet werden. Die Abfolge der Jahrestrieblängen ist ein ausgezeichneter Weiser für die Wuchspotenz eines Gehölzes und wird seit 1990 zur Vitalitätsbeurteilung herangezogen (FLL 2020). In derselben Weise kann die Trieblänge daher auch zur Beurteilung der Auswirkungen von Trockenstress auf verschiedene Baumarten verwendet werden (Roloff 2018, 2021).

Untersuchungsmaterial, -methoden und Klimasituation

Daher wurde das Trieblängenwachstum der Jahre 2015 bis 2020 von etlichen Baumarten in unterschiedlichen Altersklassen ermittelt. Für die Untersuchung standen jeweils 50 Bäume der folgenden Baumarten zur Verfügung (Nennung in alphabetischer Reihenfolge der wiss. Artnamen, vergl. Tab. 1): Feld-Ahorn (Acer campestre), Eschen-Ahorn (A. negundo), Spitz-Ahorn (A. platanoides), Silber-Ahorn (A. saccharinum), Rosskastanie (Aesculus hippocastanum), Götterbaum (Ailanthus altissima), Hainbuche (Carpinus betulus), Gemeine Esche (Fraxinus excelsior, Abb. 2), Vogel-Kirsche (Prunus avium), Kultur-Birne (Pyrus communis), Trauben-Eiche (Quercus petraea), Stiel-Eiche (Qu. robur), Robinie (Robinia pseudoacacia), Eberesche (Sorbus aucuparia), Winter-Linde (Tilia cordata) und Holländische Linde (T. x europaea).

Es handelte sich um junge und jugendliche Bäume in lichten Beständen aus Pflanzung oder Naturverjüngung (je 50 Bäume von je acht Baumarten, Tab. 1) sowie um jugendliche bis mittelalte gepflanzte Straßenbäume (je 50 Bäume von sechs Baumarten). Zusammen waren es 22 Probeflächen von 17 Baumarten mit insgesamt 1100 Bäumen und 6600 Trieblängenmessungen (da immer die sechs Jahre 2015-2020 gemessen wurden).


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Tab. 1: Untersuchte Baumarten: Messung von je 50 Bäumen (Erläuterung: jung: 15 Jahre; BHD: Brusthöhendurchmesser; ± Standardabweichung) Abbildung: Andreas Roloff
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Abb. 2a: Eschen-Probebäume, jung, in lichtem Bestand, aus Naturverjüngung. Foto: Andreas Roloff
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Abb. 2b: Eschen-Probebäume, mittelalt, entlang von Straße, aus Pflanzung. Foto: Ming Liu
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Abb. 3a: Monatliche Niederschlagssumme, monatliche Durchschnittstemperatur und maximale Temperatur der Monate März bis Oktober von 2014 bis 2020 (Station Dresden-Klotzsche). Vertikale Balken: Niederschlagssumme; schraffierte Balken: N Abbildung: Andreas Roloff
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Abb. 3b: Standardisierter Niederschlagsindex (SPI) für die Vegetationsperiode der Jahre 2014 bis 2020 (Station Dresden-Klotzsche). Abbildung: Andreas Roloff

Die Untersuchungen fanden in Sachsen im Raum Meißen und Tharandt statt. Klimadaten der Jahre 2014 bis 2020 standen von der Station Dresden-Klotzsche zur Verfügung. Abbildung 3a macht deutlich, dass die monatlichen Niederschlagssummen in der Vegetationsperiode der Jahre 2018 bis 2020 deutlich niedriger ausfielen als in den drei Vorjahren. Die Anzahl arider Monate (Niederschläge geringer als die Verdunstung) nahm in den letzten drei Jahren deutlich zu, man kann in diesen Jahren von ausgesprochenen Trockenperioden sprechen. Das macht auch Abbildung 3b deutlich, in welcher der Standardisierte Niederschlagsindex (Standardized Precipitation Index, SPI) dargestellt ist. Dieser zeigt Niederschlagsüberschüsse beziehungsweise -defizite im Vergleich zu einem langjährigen Normalwert an. Ein positiver SPI-Wert zeigt einen Zeitraum, der feuchter war als normal, ein negativer SPI-Wert einen solchen, der trockener war als normal. Dabei wird auch noch zwischen starker Dürre (SPI<-1,5) und extremer Dürre (SPI<-2) unterschieden. Starke Dürreereignisse sind im Mai 2015 zu erkennen, dann wieder im Juli/August 2018, im Juni 2019 sowie im April und Juli 2020. Die Dauer von Perioden mit geringeren Niederschlägen als normal nimmt somit zum Ende des betrachteten Zeitraumes zu. Es wird sehr deutlich, dass in den Jahren 2018 und 2019 ausgedehnte und ausgeprägte Trockenperioden vor allem im Sommer aufgetreten sind, im Jahr 2020 im Frühjahr und Sommer.

Messergebnisse Höhenzuwachs

Der Höhenzuwachs junger Pflanzen der untersuchten Baumarten zeigt ein differenziertes Bild (Abb. 4a: die ermittelten Zuwachswerte und ihre Verteilung werden als sogenannte Boxplots dargestellt; jede Box zeigt die mittleren 50 Prozent der Daten, die Linie, welche die Box quer durchschneidet, gibt den Median an; die "Antennen" oben und unten beschreiben die Streuung der restlichen Daten; Punkte außerhalb der Antennen werden als Ausreißer bezeichnet). Während junge Eschen und Stiel-Eichen auch in den Jahren 2018 und 2019 ihren Zuwachs noch steigern konnten, sind bei Feld-, Eschen- und Spitz-Ahorn, Hainbuche und Vogel-Kirsche signifikante Rückgänge des Trieblängenwachstums im Vergleich zu den Vorjahren festzustellen. Die Eberesche entwickelt sich indifferent. Die Boxplots zeigen aber auch, dass die Streuungen der Werte bei fast allen Baumarten im Untersuchungszeitraum deutlich zunehmen - die einzelnen Bäume einer Baumart verhalten sich also zunehmend uneinheitlicher.

Deutlich anders verlaufen die Zuwächse der jugendlichen und mittelalten Bäume, bei denen es sich vornehmlich um Straßenrandbepflanzungen handelte (Abb. 4b, c). Mit Ausnahme des Robinienbestandes liegt der Zuwachs dieser Altersklasse erwartungsgemäß generell deutlich unter dem junger Bäume. Alle untersuchten Arten, außer den mittelalten Eschen, zeigten signifikante Zuwachsrückgänge in den Trockenjahren 2018 und 2019 im Vergleich zu den Vorjahren bei abnehmenden Streuungen, also mit einer geringeren individuellen Variabilität. Bemerkenswert ist dabei, dass bei einigen Arten (Spitz-Ahorn und Winter-Linde) der Zuwachsrückgang auch zwischen den Jahren 2018 und 2019 wiederum signifikant ist.

Insbesondere die Kultur-Birne und die Gemeine Esche sind davon betroffen und wiesen im Jahr 2019 praktisch gar keinen Höhenzuwachs mehr auf, indem sie an den Wipfeltrieben nur noch sehr kurze Kurztriebe entwickelten (mit extrem geringer Streuung). Im Jahr 2020 waren dann im oberen Kronenbereich der Birnen deutliche Absterbeerscheinungen zu erkennen (Abb. 5), während sich der Zuwachs der Eschen etwas erholen konnte (Abb. 4c). Auch die Robinie zeigt den Rückgang der Trieblängen, vermag über alle Jahre aber ein deutlich höheres Zuwachsniveau zu realisieren als die anderen jugendlichen Baumarten.

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Abb. 4a: Trieblängenzuwachs junge Bäume 2015 – 2017 (Feuchtjahre) und 2018 – 2020 (Trockenjahre) Abbildung: Andreas Roloff
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Abb. 4b: Trieblängenzuwachs jugendliche Bäume 2015 – 2017 (Feuchtjahre) und 2018 – 2020 (Trockenjahre) Abbildung: Andreas Roloff
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Abb. 4c: Trieblängenzuwachs mittelalte Bäume 2015 – 2017 (Feuchtjahre) und 2018 – 2020 (Trockenjahre) (Erläuterung im Text). Abbildung: Andreas Roloff
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Abb. 5a: Jugendliche Kultur-Birnenallee mit deutlich reduzierten Trieblängen ... Foto: Andreas Roloff
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Abb. 5b: ... und absterbenden Wipfeltrieben, entlang eines Radweges im Sommer 2020 – Ursache dürften die Stammveredlungen sein. Foto: Andreas Roloff

Um die Dynamik der Kronenentwicklung noch besser zu veranschaulichen, wurden die Wipfeltrieblängen in drei Klassen eingeteilt: kurz < 10 Zentimeter; mittel 10 bis 60 Zentimeter; lang > 60 Zentimeter (Abb. 6a - c). Erwartungsgemäß zeigen junge Bäume aller Baumarten einen deutlich höheren Anteil an langen Trieben und praktisch kaum kurze Triebe, im Vergleich zu den mittelalten mit hohen Anteilen kurzer Triebe (wiederum mit der Ausnahme Robinie). Die geringen Anteile kurzer Triebe der jungen Bäume sind nur in den Trockenjahren festzustellen, in denen bei den meisten Arten die Anteile langer Triebe zurückgehen. Bei den mittelalten Bäumen sind mit Ausnahme der Robinie fast immer gewisse Anteile an kurzen Treiben festzustellen, die in den Trockenjahren dann deutlich zunehmen.

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Abb. 6a: Anteile von langen, mittleren und kurzen Trieben am Trieblängenzuwachs junger Bäume ( Abbildung: Andreas Roloff
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Abb. 6b: Anteile von langen, mittleren und kurzen Trieben am Trieblängenzuwachs jugendlicher Bäume (10-15 Jahre) in den Jahren 2015 bis 2020. Abbildung: Andreas Roloff
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Abb. 6c: Anteile von langen, mittleren und kurzen Trieben am Trieblängenzuwachs mittelalter Bäume (>15 Jahre) in den Jahren 2015 bis 2020. Abbildung: Andreas Roloff

Diskussion und Schlussfolgerungen

Um die Wachstumsreaktion der verschiedenen Baumarten in den drei Altersklassen noch genauer zu erklären, wurden Korrelationsanalysen mit zahlreichen Klimaparametern und Habitatfaktoren durchgeführt. Dazu zählen natürlich die Durchschnittstemperaturen der einzelnen Monate, Maximaltemperaturen, Minimaltemperaturen, Niederschlagssummen, Sonnenstunden, Regentage oder der Niederschlagsindex jeweils unterschiedlicher Perioden mit unterschiedlicher Länge. Angesichts der Kürze der Datenreihe von sechs Jahren in dieser Studie ist es nicht sehr wahrscheinlich, sehr enge und/oder übereinstimmende Beziehungen festzustellen. Bei so wenigen Datensätzen können einige signifikante Korrelationen rein zufällig sein oder sich einfach nicht biologisch erklären lassen. So ein Beispiel wäre eine Korrelation der Februar-Temperaturen mit dem Jahreszuwachs des nachfolgenden Jahres.

Zudem haben schon frühere Untersuchungen gezeigt, dass das Trieblängenwachstum schwächer mit Klimaparametern korreliert ist als das Durchmesserwachstum (Kniesel 2021). Dies liegt auch daran, dass das Trieblängenwachstum gerade bei jungen Bäumen oft von zwei Vegetationsperioden beeinflusst wird: Zumindest ein nennenswerter Teil ihres Wachstums wird in der Knospe präformiert, wird also von den Witterungsbedingungen des Vorjahres "geprägt". Nachdem dieser Teil ausgetrieben ist, zeigen junge Bäume häufiger sogenanntes "freies Wachstum" (Fortsetzung des Längenwachstums bis gegen Ende der Vegetationsperiode), oder es können Johannistriebe (ein 2. Austrieb) im Sommer auftreten. Somit wird das Wachstum also auch noch von den Witterungsbedingungen im laufenden Jahr beeinflusst. Als Ergebnis solcher Korrelationsanalysen und Plausibilitätsprüfungen erhält man hier eine ganze Reihe unterschiedlicher Beziehungen - dies für die verschiedenen Baumarten, für die Altersklassen und selbst für einzelne Probeflächen. Das ist plausibel, da die Baumarten natürlich verschiedene Strategien aufweisen (Gillner et al. 2017) und sich die Standorte zum Teil deutlich unterscheiden.

In der Zusammenschau ergeben diese Daten einen eher groben Eindruck davon, welche Perioden im Jahr wesentlichen Einfluss auf den Trieblängenzuwachs junger Bäume haben. Dies sind meist das späte Frühjahr und der Frühsommer des Vorjahres, also die Periode, in welcher die Knospen für das folgende Jahr angelegt werden. Hinzu kommt dann noch eine Periode hoher Produktivität im Juni und Juli des aktuellen Jahres, vor allem bei Pionierbaumarten. Auch diese Rhythmik muss berücksichtigt werden, wenn es um die Beurteilung der Auswirkungen von Dürreperioden auf verschiedene Baumarten geht. Langfristige Durchschnittswerte sind nicht aussagekräftig, denn Dürreereignisse in verschiedenen Perioden wirken sich folglich unterschiedlich aus.

Aus den Ergebnissen dieser Fallstudie lässt sich schlussfolgern, dass auch das Trieblängenwachstum der Baumarten eine gewisse Klimasensitivität zeigt, die jedoch von zahlreichen Einflussfaktoren überlagert wird. Dennoch treten mit dieser sehr einfachen und vollkommen zerstörungsfreien Methode wichtige und interessante Einflüsse zutage.

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Abb. 7a: Starkwüchsige junge Hainbuche (Hebelei aus Pflanzung) ... Foto: Andreas Roloff
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Abb. 7b: ... und junge Stiel-Eiche (Grumbach aus Naturverjüngung) im Spätsommer 2020. Foto: Andreas Roloff

Während die meisten Bäume signifikante Zuwachseinbußen infolge der Dürreperioden verzeichnen, profitieren andere scheinbar bzw. sind in der Lage, ihr Zuwachsniveau weitgehend aufrecht zu erhalten (Abb. 7). Dabei ist zu beachten, dass gerade die jungen Bäume in einem Alter untersucht wurden, in dem sie noch nicht das Maximum des jährlichen Höhenzuwachses erreicht hatten und also von Jahr zu Jahr eine altersbedingte Zuwachssteigerung zu erwarten war. Die sogenannte Kulmination des Höhenzuwachses ist bei den mittelalten Bäumen hingegen bereits erreicht, weshalb sie generell weniger lange Triebe zeigen als die jungen. Da kürzere Triebe auch weniger Blätter tragen, die besonders nach einem trockenen Frühjahr zudem auch noch kleiner bleiben, ist die produzierende Oberfläche geringer. Dies kann dazu beitragen, dass mittelalte Bäume mit sowieso kürzeren Trieben deutlichere Zuwachsrückgänge in Folge von Trockenstress zeigen als junge. Die allgemein starkwüchsige Robinie vermag dies in ihrem Alter noch eher auszugleichen.

Bei einer Überprüfung der "Habitatfaktoren" zeigte sich, dass die Wasser- und Nährstoffversorgung, Bodenverdichtung, Streusalzeinsatz und das Mikroklima (Beschattung) der verschiedenen Standorte der Probeflächen maßgeblich zur Erklärung der Trieblängen beitragen können. Zusätzlich spielen auch "interne Faktoren" wie Entwicklungsphase (jung, jugendlich, mittelalt), Lichtbedarf und Konkurrenz naher Nachbarbäume eine Rolle.

Als besonders kritisch haben sich in den Trockenjahren Veredlungsstellen erwiesen: Der Wassertransport in die Krone und der Zuckerlösungstransport zu den Wurzeln ist in diesem Stammbereich derartig behindert, dass er in solchen Stresszeiten zum Erliegen kommen kann und in der Folge die Krone "verdurstet" und/oder die Wurzeln "verhungern".

Es gibt bisher nur relativ wenige so detaillierte Untersuchungen zum jährlichen Jugendwachstum vieler verschiedener Baumarten im Vergleich, da dies in diesem Alter forstlich nicht primär von Interesse ist und in Waldbeständen von der Konkurrenz und ggf. Beschattung anderer Bäume stark beeinflusst wird. Eine der wenigen durchaus vergleichbaren Untersuchungen (an allerdings anderen Baumarten und auf einem anderen Standort) haben Forker et al. (2020 a, b) im sog. Klimawald Köln durchgeführt. Hier wurden Höhen- und Durchmesserzuwachs von zehn Baumarten über die ersten zehn Jahre nach der Pflanzung zurückverfolgt. Dabei kam es zum Teil zu erwarteten Reaktionen auf die Trockenjahre, zum Teil aber auch zu unerwarteten oder sogar unerklärlichen, obwohl diese Bäume alle in unmittelbarer Nähe voneinander auf einem ähnlichen Standort wachsen.

Für Straßenbäume sieht dies anders aus, dazu gibt es einige umfangreiche und zum Teil langjährige Erhebungen (bspw. GALK 2021, Schönfeld & Böll 2020, Stadtgrün 2021). Für die hier dargestellten Untersuchungen wurden nur freistehende Bäume ohne Beschattung durch Altbäume und gepflanzte Bäume mindestens fünf Jahre nach der Pflanzung ausgewählt (Abb. 2, Tab. 1). Zudem schränkt der Alterstrend in diesem Stadium und natürlich auch der (Mikro-)Standort eine einfache Vergleichbarkeit der Ergebnisse ein.

Die hier vorgestellte Fallstudie zeigt eindrucksvoll, wie vielfältig die Reaktions- und Anpassungsvorgänge der Bäume und Baumarten sind, was auch in anderer Hinsicht bedeutsam ist (Roloff 2021). Bei der Interpretation der Ergebnisse müssen natürlich die sehr unterschiedlichen Standorte von Bestandes- und Straßenbäumen beachtet werden, welche die Vergleichbarkeit einschränken. Trotzdem sind die Ergebnisse von hohem Interesse, da sie zusammengefasst zeigen, wie überraschend gut die meisten jungen Bestandesbäume mit den Trockenperioden 2018 und 2019 klargekommen sind. Viele haben sich sogar offensichtlich ein Stück weit angepasst, und ihre Prognose der weiteren Wachstumsentwicklung ist nicht kritisch zu sehen, trotz der Trockenjahre. Dies gilt nach unseren Erhebungen auch an anderen Standorten auf Freiflächen (Gostkowski 2021) und in Wald-Naturverjüngungen: dass die Jungbäume aus Naturverjüngung die Trockenjahre überwiegend gut bis sehr gut überstanden haben. Anders sieht es bei den Straßenbäumen aus, von denen eine Baumart (Birne) sogar Absterbeerscheinungen zeigt, was sich interessanter Weise bereits vorher durch extrem kurze Jahrestriebe angekündigt hat. Dies kann mit 15 Jahren noch kein altersbedingter Kronenrückzug sein kann (Roloff 2018). Es erfolgt vielmehr eine deutliche vorzeitige Alterung, insbesondere bei veredelten Bäumen (Birnbaum).

Diese Fallstudie, wie auch andere Untersuchungen an Baumarten unterschiedlicher Herkünfte an verschiedenen Standorten, macht sehr deutlich, dass es nicht einfach ist, daraus verallgemeinerbare Schlussfolgerungen zu ziehen - es gibt nicht nur Weiß und Schwarz, "geeignet" und "ungeeignet". Daher erscheint es auch nicht gerechtfertigt, gleich nach einem einzigen Misserfolg eine Baumart grundsätzlich abzulehnen - was sich an einem Standort bewährt, kann an anderen zum Fehlschlag führen. Zudem bedeutet das Absterben alter Bäume einer Baumart (wie bspw. derzeit vieler Altbuchen) nicht, dass es den jungen Bäumen derselben Baumart genauso schlecht geht - im Gegenteil: diese zeigen (zumindest bei Naturverjüngung) überwiegend sehr gutes Wachstum und haben sich offenbar bereits angepasst.

Angesichts der Herausforderungen des messbaren Klimawandels und der damit deutlich zunehmenden Unwägbarkeiten wird es zukünftig dringend erforderlich sein, noch mehr Vielfalt zu erproben und nicht auf Standardlisten zu setzen. Dabei sollten auch Fehlschläge einkalkuliert und unerwartete Erfolge ernst genommen und bekannt gemacht werden.

Literatur

  • FLL (Hrsg.), 2020: Baumkontrollrichtlinien - Richtlinien für Regelkontrollen zur Überprüfung der Verkehrssicherheit von Bäumen. 3. Aufl. Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V., Bonn, 59 S.
  • Forker, M.; Bouwman, M.; Roloff, A., 2020a: Baumarten für den Klimawandel - zehn Jahre Waldlabor Köln. Allg. Forstztschr./Der Wald 12, 12-15.
  • Forker, M.; Bouwman, M.; Roloff, A., 2020b: Eignung heimischer Baumarten für Stadtwälder im Klimawandel. ProBaum 03, 10-15.
  • GALK 2021: Straßenbaumliste. www.galk.de [Zugriff 1.1.2021].
  • Gillner, S.; Korn, S.; Hofmann, M.; Roloff, A., 2017: Contrasting strategies for tree species to cope with heat and dry conditions at urban sites. Urban Ecosystems 20, 853-865.
  • Gostkowski, A., 2021: Theoretische Anbauwürdigkeit ausgewählter nordamerikanischer Nadelholzarten auf trockenen Standorten innerhalb Deutschlands im Kontext des Klimawandels. Master-Arb. TU Dresden, Forstwiss. Tharandt, 218 S.
  • Kniesel, B., 2021: Wie kann man die Holzanatomie und Jahrringe als Informationsquelle nutzen? In: Roloff, A. (Hrsg.), 2021: Trockenstress bei Bäumen - Ursachen, Strategien, Praxis. Quelle & Meyer, Wiebelsheim, 87-103.
  • Roloff, A., 1986: Morphologie der Kronenentwicklung von Fagus sylvatica L. (Rotbuche) unter besonderer Berücksichtigung möglicherweise neuartiger Veränderungen. Ber. Forschungsz. Waldökosysteme Göttingen 18: 1-177 (Dissertation).
  • Roloff, A., 1989: Kronenentwicklung und Vitalitätsbeurteilung ausgewählter Baumarten der gemäßigten Breiten. Sauerländer's Verlag, Frankfurt a. M., 258 S. (Habilitationsschrift).
  • Roloff, A., 2018: Vitalitätsbeurteilung von Bäumen - Aktueller Stand und Weiterentwicklung. Haymarket Media, Braunschweig (205 S.).
  • Roloff, A. (Hrsg.), 2021: Trockenstress bei Bäumen - Ursachen, Strategien, Praxis. Quelle & Meyer, Wiebelsheim (288 S.).
  • Schönfeld, P.; Böll, S., 2020: Stadtbäume nach dem Trockensommer 2018. ProBaum 01, 18-26.
  • Stadtgrün 2021: Neue Bäume braucht das Land! www.lwg.bayern.de/landespflege/urbanes_gruen/085113/index.php [Zugriff 1.1.2021].

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