Obstbaumschnitt

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Baumschnitt
Jungbaum, Knospen brechen. Foto: Michael Grolm

Obstbäume sind ein Kulturgut. Hätte der Mensch sie nicht über Jahrhunderte hinweg kultiviert und veredelt, dann würden sie nur kleine, harte, nicht besonders schmackhafte Früchte tragen. Genau deshalb kann man einen jungen Obstbaum nicht einfach nur einpflanzen und dann sich selbst überlassen. In den ersten zwölf bis 15 Jahren seines Lebens muss er "erzogen" werden, mit einem "Erziehungsschnitt", der ihn zu einem prächtigen Baum mit stabiler Krone und reichem Fruchtbehang heranwachsen lässt.

Unerfahrenen Obstbaumbesitzern ist oft nicht klar, was für eine große Bedeutung dem jährlichen Erziehungsschnitt zukommt. Oft wird der junge Baum erst einmal frei wachsen gelassen, um dann den erwachsenen Baum radikal zu beschneiden - ein Fehler. Beim Jungbaum sollte man überlegt, aber beherzt schneiden und ihn dadurch zu stärkerem Wachstum anregen. Bei einem alten Baum hingegen muss man eher vorsichtig herangehen. Weil sein großes Wurzelwerk über die Blattmasse versorgt wird, darf man den Altbaum nur behutsam beschneiden, damit keine Wurzeln absterben.

Nun gibt es verschiedene Arten, einen Jungbaum zu erziehen. Der hier vorgestellte Schnitt ist der sogenannte "Oeschbergschnitt", der in den 1920er Jahren entwickelt wurde. In der Obstbaumschnittschule haben wir den Oeschbergschnitt weiterentwickelt und eine nachvollziehbare Lehrmethode dazu entworfen. In regelmäßig stattfindenden Einführungskursen sowie Baumwartausbildungen können Interessierte diese Fertigkeiten praxisnah erlernen. Der Oeschbergschnitt führt zu einer besonders harmonischen, licht- und luftdurchfluteten Krone aus vier ausgesuchten Leitästen und ihren Seitenästen mit dem Fruchtholz. Zudem sorgt der Schnitt dafür, dass die Stammmitte waagerechte Trittäste ausbildet, die das Abernten erleichtern.

Die Oeschberg-Krone hat als Vierast-Krone klare Vorteile gegenüber einer dreiästigen Krone.

Vier Leitäste, die gleichmäßig um den Stamm herum ansitzen, ermöglichen eine optimale Anpassung an den jeweiligen Standort. Sollte einer der Leitäste durch Ausbruch verlorengehen, bleiben immer noch drei weitere Äste, die für genügend Blattmasse sorgen. Zudem hat man mit drei verbleibenden Leitästen bessere Chancen, einen Ausgleich zu schaffen als mit nur zwei verbliebenen Leitästen. Auch lässt sich eine Leiter viel besser an die Leitäste einer Vierast-Krone anlegen. Ein weiterer Vorteil: Durch die klar gegliederte Leitastkrone und die S-förmige Stammverlängerung, besteht beim ausgewachsenen Baum nicht die Gefahr der Kronenüberbauung. Dadurch verlängern sich die Schnittintervalle bei der Erhaltungspflege.

Der Öschberg-Erziehungsschnitt wird jedes Jahr in der vegetationslosen Zeit zwischen Ende Oktober und Anfang April durchgeführt, um einen starken Austrieb für den gewünschten schnellen Aufbau der Krone auszulösen. Da der Baum in dieser Ruhephase kein Laub trägt, kann man alle Äste gut erkennen. Das ist wichtig, um zu entscheiden, welche vier Äste des jungen Obstbaumes als Leitäste das Baumgerüst bilden sollen. Idealerweise sind das Äste, die leicht höhenversetzt rund um den Stamm ansitzen und in einem angedeuteten Bogen nach oben weisen. Insgesamt strebt der Schnitt an, dass die Leitäste nicht durch Konkurrenztriebe behindert werden und Seitenäste entwickeln, an denen dann das Fruchtholz entsteht. Dabei arbeitet man unter Berücksichtigung der natürlichen Wuchsgesetze des Baumes, und kann so das Richtungswachstum kontrolliert beeinflussen.

Abbildung 1 zeigt das Idealbild eines Obstbaumes mit Öschbergkrone, das man vor Augen haben sollte, wenn man sein Bäumchen erzieht.

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Abb. 2: Jungbaum, idealer Baum. Abbildung: Michael Grolm
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Abb. 1: Stellung der Leitäste in der Draufsicht. Abbildung: Michael Grolm

Die vier Leitäste lassen genug Platz, um eine Leiter anzulegen und bilden später eine offene Krone in der Form eines Weinglases. An dieser Form orientiert man sich beim Schneiden. Das bedeutet auch: Man sucht in den meisten Fällen nach dem schwächsten Leitast und nimmt ihn als Maßstab für den Rückschnitt der stärkeren Leitäste. Nur dann bleiben die Äste in der Saftwaage und wachsen zu gleicher Höhe heran. Der Schnitt beginnt oben und von Außen an den Leitasten. Die Stammverlängerung passt sich im Dachwinkel von 120 Grad den Leitästen an (siehe Abb.2) Sie sollte möglichst eine leichte S-Form besitzen, damit sie nicht zu schnell nach oben wächst.

Angeschnitten werden Leitäste, Stammverlängerung und alle Seitenäste, die an der unteren Seite der Leitäste wachsen, und zwar immer auf Blattknospe. Alle anderen Bereiche leitet man ab, um ihr Wachstum auszubremsen. So entsteht Fruchtholz, auch an den zukünftigen Trittästen an der Stammverlängerung. Die Äste sollen einen Steigungswinkel von 43 Grad besitzen, damit sie sich bei Fruchtbehang auf einen Winkel von 45 Grad stabilisieren können und sowohl Statik und Lichteinfall gesichert sind. Wo an Leit- und Seitenästen Knospen sitzen, die in eine unerwünschte Richtung weisen, knippst man sie mit Schere oder Fingernagel ab.

Das klingt zunächst kompliziert, ist es aber gar nicht, wenn man dabei das Bild eines idealen Baumes vor Augen hat. Mit etwas Routine erkennt man, welche Äste angeschnitten, welche entfernt oder abgeleitet werden müssen. Wichtig ist, den Baum von oben nach unten zu schneiden, damit man nicht übereifrig zu viele untere Äste entfernt, gerade dort, wo man doch Früchte am besten abernten kann.

Nicht immer besitzt ein Baum auf Anhieb vier geeignete Leitäste. Doch gibt es Möglichkeiten, sich Leitäste heranzuziehen. Wachst ein prinzipiell geeigneter Ast in die falsche Richtung, kann man ihn durch Anbinden an einen stärken Ast in die richtige Richtung lenken. Wächst er zu steil nach oben, spreizt man ihn mit einem Hölzchen ab, damit er einen Winkel von 43 Grad erhält. Steht er unterhalb der Waagerechte, bindet man ihn hoch.

Äste, die so steil nach oben weisen, dass sie nicht fest mit dem Stamm verwachsen, könnten später unter der Last der Früchte ausbrechen. Diese Schlitzäste sollte man konsequent entfernen. Insgesamt geht es darum, in so kurzer Zeit wie möglich einen starken Obstbaum vor sich zu haben, der in jeder Beziehung seiner Aufgabe gewachsen ist. Einige, wenig aufwendige Handgriffe erzielen dauerhaft hohe Fruchtqualität bei guter Baumgesundheit.

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