Anwendungshilfe für eine zielsichere Pflanzenwahl

Fassadenbegrünung mit Kletterpflanzen - ein Zwischenbericht

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Im Forschungsfeld der Vertikal-Begrünungssysteme sind die traditionellen bodengebundenen Begrünungstechniken heute umfassend untersucht und beschrieben. Zur praktischen Anwendung mangelt es jedoch an einer übersichtlichen Anwendungshilfe, die eine zielsichere Pflanzenauswahl zur Fassadenbegrünung mit Selbstklimmern und Gerüstkletterpflanzen ermöglicht. Der Artikel zeigt zusammenfassend eine praxisorientierte Systematisierung der bodengebundenen Begrünungssysteme in Form informationsgrafischer Schautafeln.

Die FLL-Richtlinie für die Planung, Ausführung und Pflege von Fassadenbegrünungen mit Kletterpflanzen (2000), Kiermeier/Althaus/ Schuppler (1991) und Ludwig (1994) haben zusammen mit den im Anhang aufgeführten Quellen präzise technische und botanische Grundlagen zu den Eigenschaften und Anwendungsbedingungen der Kletterpflanzen erarbeitet. Bedarf besteht jedoch weiterhin an einer nutzerfreundlichen, praxisorientierten Bereitstellung des zur Fehlervermeidung erforderlichen Wissens in der konkreten Entscheidungssituation. Ziel dieser neuen Systematik ist deshalb eine vollständige und übersichtliche Zusammenführung der relevanten Entscheidungskriterien für ein fachlich und gestalterisch stimmiges Begrünungsergebnis.

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Bauwerksbegrünung
Einteilung der Kletterpflanzen. Quelle: FLL 2000, S. 19, Abb. 8 - Ergänzungen: Pfoser

Da in der Praxis solche Entscheidungen oftmals unter Zeitdruck anhand einer unzureichenden Kriterien-Abwägung getroffen werden, kann eine multiinformativ basierte und grafisch auf leichte Datenerfassung gerichtete Gesamtübersicht zur System- und Pflanzenauswahl ein geeignetes Praxisinstrument zur Fehlervermeidung sein. In den mit dieser Arbeit vorgelegten Schautafeln sind 21 Auswahlkriterien zur Pflanzenfestlegung bei der bodengebundenen Begrünung übersichtlich erfasst. Diese sind:

  • Unterscheidung nach geeigneter Form des Klettergerüstes (Art, Bauweise und Rastermaße)
  • Unterscheidung nach Kletterverhalten in Selbstklimmer und Gerüstkletterpflanzen (Schlinger/Winder, Ranker, Spreizklimmer)
  • Lichtbedürfnis Sonne, Halbschatten, Schatten und Zwischenstufen
  • Belaubungsphasen (sommergrün, immergrün, fakultativ wintergrün)
  • durchschnittliche maximale Wuchshöhe
  • zu erwartende Wuchsleistung pro Jahr
  • zu erwartendes maximales Breitenwachstum
  • Blattfärbung im Verlauf der Belaubungsphase
  • Blattformen im Größenverhältnis
  • Blütenfarbe/Blühphase
  • Fruchtfarbe/Fruchtphase
  • Standard-Triebdurchmesser am Wurzelhals
  • erforderlicher Mindestabstand der Kletterhilfe zur Fassade in cm
  • Starkschlinger (bei Schlingern/Windern)
  • Schlingrichtung des Triebs rechts-windend/linkswindend (bei Schlingern)
  • negativ phototrope Eigenschaft der Haftorgane/Triebe
  • Giftigkeit von Pflanzenteilen
  • botanische Pflanzenbezeichnung
  • deutsche Pflanzenbezeichnung(en)

Zusätzlich zu beachtende Auswahl-Kriterien sind: Bodeneigenschaften (Zusammensetzung, Durchlässigkeit, pH-Wert), Wasserbedarf (Feuchtezahl), ggf. zusätzlich künstliche Wasser- und Nährstoffversorgung, Pflanzengewicht im ausgewachsenen Zustand sowie die Pflege- und Wartungsintensität.

Die Anwendung dieser Übersicht erlaubt eine mehrstufige zielführende Entscheidungsfindung:

1. Stufe

Vorklärung der individuellen Zielsetzung und des angestrebten Nutzens der Begrünung:

Zielsetzung A: Architektonische Gebäudegestaltung mit Grün sowie Nutzen der Begrünung (ökologische Vorteile der Verbesserung des Kleinklimas, des Lebensraumes für Tiere, der Luftqualität und des Gebäudeschutzes bzw. der Energieeinsparung wie Trockenhaltung und Schutz gegen Wärme/Kälte-Extreme).

Zielsetzung B: Neben Zielsetzung A angestrebte Funktionen der Begrünung (saisonale Verschattung von Verglasungen wie zum Beispiel Wintergärten, transparente Wärmedämmung TWD, Luftkollektoren oder Ähnliches).

Bauwerksbegrünung
Fassadenbegrünung in zweiter Ebene mit saisonaler Verschattungswirkung. Quelle: Pfoser

2. Stufe

Weitergehende Klärung zur Eingrenzung einer geeigneten Pflanzenauswahl:

Zu Zielsetzung A: Festlegung auf eine Begrünung mit Selbstklimmern (ohne Kletterhilfe) oder mit Gerüstkletterpflanzen. Bei einer Entscheidung für Selbstklimmer sind Individualkriterien zu berücksichtigen, wie die Außenwandeignung (rissfrei, pflanzenphysiologisch geeigneter Haftgrund) und das Schadenspotenzial an Bauteilen (Starkschlinger beziehungsweise negativer Phototropismus), notwendige Wuchsbegrenzungen, bis hin zu den späteren Bedingungen im Fall eines Rückbaus der Begrünung.

Bei einer Entscheidung für Gerüstkletterpflanzen ist der Bewuchs in seiner Ausbreitung leitbar. Hier steht die Auswahl von Art und Form der Kletterhilfe im Vordergrund - sie ist für das Gebäude architekturrelevant, bestimmt über Form und Bereich der Begrünungsausbreitung (horizontale, vertikale oder gerasterte Ausbildung) und korreliert mit ihrem Aufbau (Stäbe, Rohre, Seile, Gitter, Netze) stark mit der Pflanzenauswahl (Übereinstimmung mit deren Kletterstrategie, Wuchskräften, Pflanzeneigengewicht, Schnee- bzw. Eislast, Windlast, Brandlast) und muss den Pflanzenbedingungen Rechnung tragen (zum Beispiel Rasterabstände, bei linearen Bauweisen ausreichende Möglichkeiten zum Pflanzenhalt, Materialwahl und Vermeidung zu hoher Temperaturen durch eine helle Farbgebung).

Zu Zielsetzung B: Sonnenabgewandte Gebäudeseiten und besonnte Fassaden sind zu unterscheiden. Für eine saisonale Beschattungen ist die Gruppe der laubabwerfenden Pflanzen weiterführend. Begrünungseinsätze in Synergie mit energetischen Außenwandfunktionen (zum Beispiel Kühlung im Nahbereich von Photovoltaikanlagen, saisonale Beschattungsregelungen von solarwärmepassiven und -aktiven Gebäudeflächen) müssen interdisziplinär abgeklärt werden.

3. Stufe

Festlegung funktional geeigneter Pflanzen zu den Zielsetzungen der beiden Vorstufen: Entscheidungsfindung direkt in den entsprechend gegliederten Schautafeln. Im Ergebnis steht eine zweckgeeignete Breite unterschiedlicher Pflanzenarten zur Auswahl. Diese kann nun anhand persönlicher Vorlieben bezüglich der übrigen Kriterien zum Habitus der Pflanzen (Wuchsform, Blattform, Färbungen im Jahresverlauf usw.) zur Auswahl-Entscheidung genutzt werden. Ausschlüsse je nach Gebäudenutzung (zum Beispiel Pflanzen mit giftigen Bestandteilen) gehen ebenfalls unmittelbar aus der Systematik hervor.

Literatur

FLL - Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau (2000): Richtlinie für die Planung, Ausführung und Pflege von Fassadenbegrünungen mit Kletterpflanzen, Bonn

Gartenakademie - Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau: Einjährige Kletterpflanzen - bunte Himmelsstürmer, in: www.lwg.bayern.de/gartenakademie/ratgeber/131288/index.php (23.07.2012).

Kiermeier P., C. Althaus E. Schuppler (1991): Empfehlungen zur Fassadenbegrünung an öffentlichen Bauwerken. Düsseldorf.

Kiermeier P. in: Lorenz von Ehren. Pflanzenkatalog und Selektion. 3. Auflage, Hamburg.

Ludwig K. (1994): Kletterpflanzen. Auswahl, Planung, Pflege. München

Pfoser, N. et al./Hrsg.: Forschungsgesellschaft Land-schaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. - FLL (2014): Gebäude Begrünung Energie. Potenziale und Wechselwirkungen, Bonn.

Roth L./M. Dauner/K. Kormann (2012): Giftpflanzen. Pflanzengifte, Hamburg.

Taraba S.: Kletterpflanzen, in: www.fassadengruen.de/uw/kletterpflanzen/kletterpflanzen.htm (23.07.2012).

Dipl.-Ing. Nicole Pfoser
Autorin

Architektin, Innenarchitektin

Technische Universität Darmstadt

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