BIM-basierte Gestaltung eines Hausgartens

Virtual Reality in der Landschaftsarchitektur

von:

Stefan Gessert, Henk Bodmann, Robert Kaden

Building Information Modeling BIM
Gesamtheitliches BIM, Modell Bestand. Abbildung: Gessert

Die rasante Entwicklungsdynamik im Zusammenhang mit der Digitalisierung von Informationen und Prozessen stellt auch die Landschaftsarchitektur immer mehr vor Herausforderungen. So wird unter anderem Building Information Modeling (BIM) und Virtual Reality (VR) in den Planungsprozessen zukünftig eine wesentliche Rolle spielen. Gerade VR besitzt dabei großes Potential, Kunden- beziehungsweise Auftraggebergespräche zu unterstützen und entwurfsrelevante Potentiale und Defizite frühzeitig zu erkennen.

Studierende der Landschaftsarchitektur der Fachhochschule Erfurt führten unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Robert Kaden ein kollaboratives Forschungsprojekt mit dem Ziel durch, einen durchgängig digitalen Datenfluss, vom Entwurf bis zur Ausführungsplanung, unter Nutzung der auf dem Vormarsch befindlichen Technologien BIM und VR, zu realisieren. Gegenstand des Projektes ist eine vollständig BIM-basierte Gestaltung eines konventionellen Hausgartens unter durchgängiger Einbeziehung der Stakeholder mittels VR. Der Entwurf enthielt unter anderem einen mediterranen Aufenthaltsbereich, ein Sichtschutzelement zum Nachbargrundstück, ein Poolhaus, Terrassen sowie Pflanzungen und Materialitäten. Auf der Basis einer ausführlichen Grundlagenerfassung mittels digitaler Vermessungsverfahren wurde zunächst ein BIM-basiertes Bestandsmodell erstellt, gefolgt von einem Entwurfsmodell mit technischen Planteilen und den dazugehörigen Vergabeunterlagen. Ergänzend konnten baukonstruktive Details, ein Massenermittlungsplan und ein verpreistes Leistungsverzeichnis auf der Basis der digitalen Daten erstellt werden.

Die digitale BIM-Methode soll eine grundsätzliche Effizienz- und Qualitätssteigerung im gesamten Bauprozess herbeiführen. Statt ausschließlich zweidimensionaler Pläne wird ein digitales und zentrales Modell erstellt, welches zu einer grundlegend neuen Arbeitsweise in den allgemeinen Planungsprozessen führt. Sämtliche erforderliche Objektinformationen werden in einem parametrischen, dreidimensionalen Modell zusammengeführt und können so jederzeit abrufbereit zur Verfügung gestellt werden. Dieses Prinzip muss als eine Art Datenbank verstanden werden, welche alle notwendigen Informationen wie zum Beispiel Geometriedaten, Materialeigenschaften oder Kosten verknüpft und dadurch ein interdisziplinäres Arbeiten ermöglicht. Jedes einzelne Bauteil ist eindeutig im Raum platziert und gibt Auskunft über planungs-, ausführungs- und nutzungsrelevante Parameter, was das Gesamtmodell zu einem digitalen Abbild (Zwilling) des in Planung befindlichen Bauwerkes macht.

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Da ein Planungsprozess immer ein partizipatives Verfahren darstellt, sind verschiedene Individuen und Organisationen phasenbasiert in projektspezifische Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse einbezogen. Die Nutzung von VR in diesen Prozessen führt zwar zu einem gewissen Mehraufwand, jedoch bietet VR auch erhebliche Potentiale. Fraglich ist also, in welchen Entwicklungsphasen diese Technologie zum Tragen kommt. Ist das Verfahren im Hinblick auf zu erwartende Vorteile und eventuelle Nachteile überhaupt notwendig?

Der Bauherr, als einflussreichster Stakeholder, wurde bei der Planung von Beginn an in den gesamten Prozess der Ideenfindung, der Konzepterstellung und der planerischen Tätigkeiten einbezogen. Stakeholder sind sämtliche Anspruchsgruppen mit individuellen und berechtigten Interessen an einem jeweiligen Projekt. Diese können der Kunde/Auftraggeber an sich, die Politik, die Öffentlichkeit sowie Handelspartner oder Lieferanten sein. Hat ein Stakeholder die Befugnis den Projektverlauf aktiv mitzubestimmen, ist sein Einfluss dementsprechend hoch. Im Falle der Landschaftsarchitektur, bezogen auf den Privatgartenbereich, sprechen wir hier vom Auftraggeber an sich. Ziele und Interessen müssen erfragt werden, um anschließend entsprechende Maßnahmen ab- und einzuleiten. Durch die Umsetzung des Entwurfes in die virtuelle Realität sollte herausgefunden werden, ob diese Stakeholderprozesse verbessert beziehungsweise optimiert werden können und ob sich der dazugehörige Mehraufwand gewinnbringend äußert.

Zur Umsetzung des Forschungsanliegens galt es zunächst einen Weg zur adäquaten Datenaufbereitung und -übertragung herauszufiltern. Als Ausgabegerät fiel die Entscheidung auf das Virtual-Reality-Headset Oculus Quest. Die Oculus Quest wurde deshalb gewählt, da diese dem GEO-Design-Zentrum für Forschungsarbeiten zur Verfügung steht und die Möglichkeit des freien Bewegens und Interagierens im Raum ohne eine zwingende Notwendigkeit von Verbindungen zu Computer, Handy oder Tablet besteht. Dies macht sie zu einem sogenannten Standalone-Gerät und bringt den Vorteil eigens erstellte Applikationen, im Datenformat .apk (Android Package File), auf dem Headset zu speichern und ortsunabhängig sowie kabellos aufzurufen. Durch diese signifikante Eigenschaft besteht zukunftsorientiert die Option, mit der entsprechenden Anwendung direkt zum Kunden zu fahren und den Entwurf vor Ort vorzustellen.

Der gesamte Entwurf, als bauteildatengestütztes, dreidimensionales Volumenmodell, wurde im Rahmen der vorangegangenen Arbeit zur Thematik BIM bereits vollständig mit dem CAD-Programm (computer-aided design) Vectorworks modelliert. Aus diesem Grund erfolgten zunächst umfassende Recherchearbeiten und das Abwägen verschiedener Softwaremöglichkeiten für die Weiterbearbeitung. Ziel dabei war es eine effiziente und funktionierende Schnittstelle herauszufiltern, welche einen angemessenen Datenaustausch zwischen CAD-Software und dem VR-Headset ermöglicht beziehungsweise den gesetzten Ansprüchen gerecht wird. Dabei stößt man immer wieder auf die Anwendungen Unity3D und Unreal Engine als geeignete Möglichkeiten. Obwohl beide Softwaremöglichkeiten als Laufzeit- und Entwicklungsumgebung für Spiele dienen, bringen sie ebenso die entsprechenden Anforderungen zur Entwurfsumsetzung in die virtuelle Realität mit sich. Betrachtet man dabei die heutige Spieledynamik und grafische Klasse, lässt sich bereits erahnen, bis zu welchem Detailgrad auch ein landschaftsarchitektonischer Entwurf aufbereitet werden könnte. Aufgrund der höheren Benutzerfreundlichkeit und die deutlich breiter aufgestellte dynamische Community (Gemeinschaft) fiel die Wahl letztendlich auf Unity3D. Durch diese hohe Reichweite und die Flexibilität der Plattform fällt der Einstieg in die Software nicht schwer. Es gibt unter anderem bereits zahlreiche sogenannte Prefabs (Fertigteil), die oftmals kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Je nach Notwendigkeit, können diese zum Beispiel vorgefertigte Ausstattungsgegenstände, Grafiken oder auch Interaktionen enthalten. Die Möglichkeit verschiedenen Objekten entsprechende Komponenten wie Materialien, Klänge, Lichtquellen oder physikalische Eigenschaften zuzuordnen, bieten zahlreiche Optionen gewünschte Atmosphären und Dynamiken zu schaffen. Hierbei soll aber erwähnt sein, dass sich lediglich auf die grundlegendsten Bewegungsabläufe konzentriert wurde, da diese für die Anwendung eines landschaftsarchitektonischen Entwurfes ausreichen. Es geht dabei um das Raumgefühl und die Möglichkeit eine Vorstellung zu generieren. Also bleibt es beim Laufen in alle Richtungen, die Verknüpfung der Blickrichtung mit dem Laufen, das individuelle Teleportieren, um auch auf großer Fläche eine schnelle Fortbewegung zu ermöglichen sowie das Koppeln einer Skybox mit der Kamera. Letzteres dient zur Schaffung einer Atmosphäre unter freien Himmel, was für die Landschaftsarchitektur unabdingbar ist.

Zum softwareübergreifenden Datenaustausch musste anschließend ein geeignetes Dateiformat, welches die korrekte Übertragung des Modelles unterstützt, gefunden werden. Nach vorangegangener Recherche und einigen Versuchen, mit teils auch anderen Formaten wie .obj, erwies sich das Format .3ds als taugliche Variante. Hierbei ging es aber nicht unbedingt um die bauteilverknüpften Daten beispielsweise Informationen aus dem vorher erstellten BIM-Modell, sondern hauptsächlich um die korrekten Geometrien. Alle hinzugefügten Objekte sind dann also sogenannte "GameObjects". Inhalte dieser sind zunächst einmal nur Position, Größe, Rotation und Name. Die Eigenschaften sind dabei beliebig veränderbar, was stellenweise schnelle Anpassungen ermöglicht, welche anschließend in der Planung geändert werden können. Da jedes GameObject eine Art Container ist, können diese mit weiteren Inhalten gefüllt werden. Dazu zählen unter anderem Skripte, Texturen oder Komponenten, welche das Interagieren und Kommunizieren ermöglichen. Dabei ist es zum Beispiel essentiell wichtig, entsprechenden Objekten die richtigen Komponenten zur Erfassung von Kollisonen zuzuordnen. Nur dann wird ein importiertes Modell mit Bauteilen wie das einer Terrasse, eines Gebäudes oder eines Geländes undurchdringlich, sodass man darüber laufen kann - vergleichbar einer realen Oberfläche mit ihrer Topografie. Um einen Entwurf möglichst überzeugend und anschaulich zu präsentieren, ist neben den technischen Anforderungen insbesondere auch die grafische Aufbereitung entscheidend. Für das bearbeitete Projekt wurden die importierten Objekte und Modelle in erster Linie mit passenden Texturen belegt. Somit erhält die Szene bereits einen realen Charakter, hervorgerufen durch entsprechende Materialitäten.

Texturen können dabei Inhalt der Software sein, beispielsweise als herkömmliche Bildformate importiert werden. Bedingt durch die große Community, existiert eine hohe Diversität an bereits bestehenden Möglichkeiten, die zur Verfügung stehen. Somit bieten sich weitreichende und branchenübergreifende Anwendungslösungen, die sich deutlich über Computerspiele hinaus erstrecken. Das wird unter anderem durch die Inszenierung verschiedener Szenarien deutlich. Ähnlich wie es zum Beispiel bei Feuerwehren schon praktiziert wird, können in unserem Fachbereich Simulationen von biologischen Entwicklungsprozessen oder Hochwasserereignissen für Renaturierungsmaßnahmen zum Einsatz kommen. Unterschiedliche Jahreszeiten, Sonnenstände oder Witterungseinflüsse sind weitere essentielle Faktoren, welche vor allem im Klein- und Privatgartenbereich ihre Vorteile offerieren. Bietet ein Standort die optimalen Verhältnisse für die geplanten Pflanzen? Wird die Terrasse, mit ihrer Verortung, im Sommer ausreichende Schatten- und Sonnenzeiten haben? Funktionieren die Erdmodellierungen und ergibt sich dadurch letztendlich ein angenehmes Raumgefühl? Lediglich drei von unzähligen Fragen, die durch die Gestaltung und Umsetzung von Entwürfen in VR vorab eruiert, geklärt und gegebenenfalls angepasst werden können.

Im Rahmen des Projektes wurden neben dem Bauherrn weitere Grundstückseigentümer und erfahrene Bauherren einer neu entstandenen Eigenheimsiedlung befragt. Zu diesem Zweck wurde ein Fragebogen erstellt sowie den Probanden das Entwurfsmodell mittels VR-Headset Oculus Quest vorgeführt. Die Befragten konnten sich frei im Entwurf bewegen und die gestalterischen Elemente und Bauwerke erleben. Der im Anschluss auszufüllende Fragebogen enthielt die wichtigsten Aspekte in Bezug auf das virtuelle Erleben an sich und auf dessen Einfluss für den Entwurf. Zwar ist die Befragung aufgrund der zunächst geringen Teilnehmerzahl als nicht umfänglich repräsentativ anzusehen, jedoch konnte eine klare Tendenz ermittelt werden. Nahezu alle befragten Personen empfanden die virtuelle Begehung des Entwurfes als sehr gelungen, realitätsnah und vor allem Hilfreich bei der Nachvollziehbarkeit eines Entwurfes. Vor allem bei der Einschätzung von Höhen, speziell der Wirkung von Sichtschutz, Gefälle, Stützmauern, etc. konnte VR überzeugen. Entsprechend sind 95 Prozent der Befragten bereit, circa 1000 bis 1500 Euro für die Mehrleistung in Form eines erlebbaren virtuellen Entwurfes des eigenen Projektes zu zahlen. Das deutet insbesondere für kleine Unternehmen auf ein entsprechendes Markpotenzial und eine lukrative Erweiterung des Geschäftsmodells hin.

Die Nutzung von VR bietet das Potential in Zukunft zum Standard-Verfahren bei der Visualisierung von Entwürfen zu werden. Da konventionelle Planungen in Form von 2D-Plänen oder Ansichten für den Laien meist schwer zu verstehen und nachzuvollziehen sind, kann die virtuelle Realität eine optimale Ergänzung dazu sein. Die realistische Einschätzung von Größenverhältnissen und Dimensionierungen sind besonders bei großflächigen Landschaftsbeeinflussungen von wesentlichem Vorteil, da dort ein konkretes Raumgefühl entsteht.

Durch eine von Projektbeginn an aktive BIM-Planung ist ein erhöhter Modellierungsaufwand im Anschluss nicht mehr nötig. Das reduziert den weiterführenden Arbeitsaufwand in die virtuelle Realität auf ein Minimum und bietet zusätzliche interessante Aspekte. Unter anderem soll hier der Modellaustausch mit einer geeigneten Software des 3D-Druckens erwähnt werden. Somit kann die Entwurfsarbeit, in Ergänzung zu herkömmlichen Modellbauarbeiten, durch ein plastisch gedrucktes Modell unterstütz werden.

Anzunehmen ist, dass das BIM auch in der Landschaftsarchitektur zukünftig zum Standard werden wird, was einen großen Vorteil in Bezug auf die weiterführende Technologie der virtuellen Realität bietet. Insbesondere unter diesem Aspekt können auch fachbereichsübergreifende Verknüpfungen und erlebbare Funktionsweisen wie mit Bauingenieuren oder Architekten verwirklicht werden.

Interaktive Meetings mehrerer projektbetroffener Stakeholder, welche gleichzeitig an der "Begehung" eines Entwurfes teilnehmen und darüber aktiv und interaktiv diskutieren können, bieten vielversprechende und zukunftweisende Aussichten.

Literaturverzeichnis

Bormann, A. & Elixmann, R. & Eschenbruch, K &. Forster, C.& Hausknecht, K. & Hecker, D. & Hochmuth, M. & Klempin, C. & Kluge, M. & König, M. & Liebich, T. & Schäferhoff, G & Schmidt, I & Trezeciak, M. & Tulke, J. & Vilgertshofer, S. & Wagner, B. (2019). Datenaustauschformat mit Industry Foundation Classes (IFC). BIM4INFRA2020, Teil 9.

Schauppenlehner, T., Kugler, K., Muhar, A., Bautz, G., (2018). Anwendungserfahrungen von Virtual Reality als Kommunikationswerkzeug in partizipativen Planungsprozessen. Wien: BOKU (Universität für Bodenkultur Wien); Institut für Landschaftsarchitektur.

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