Klartext
Public Viewing und Bäume
von: Prof. Dr. habil. Hartmut BalderDie Fussball-Europameisterschaft 2024 ist vorüber und der Alltag hat für Akteure und Fans schnell wieder das Zepter übernommen. Noch haben viele die Bilder der Spiele und die emotionalen Gesichter der Fans in Erinnerung. Dazu beigetragen haben auch die Fernsehbilder der in Szene gesetzten Public Viewing Orte der Städte, die aus Marketinggründen ihre überregional bekannten Wahrzeichen mit Wiedererkennungswert in den Blickpunkt setzten. Das Brandenburger Tor und der Reichstag in Berlin in mitten des Gartendenkmals Großer Tiergarten und die mit erheblichem Aufwand erstellten Außenanlagen des Regierungsviertels stehen dafür symbolhaft. Mit großer Regelmäßigkeit finden dort Großveranstaltungen statt, die unter den Aspekten Sicherheit, Kosten, Verträglichkeit und Schadensbegrenzung im Vorfeld, aber insbesondere danach teils heftige Diskussionen auslösen. Also gedankenlos wieder zum Alltag übergehen oder doch lieber aus den Erfahrungen für verbesserte Konzepte die richtigen Schlüsse ziehen?
Aus Sicht vieler sensibler Baumstandorte kann es doch nur letzteres bedeuten. In Zeiten des Klimawandels, des Artenschwundes und der angespannten Finanzlage unserer Städte muss doch alle Kraft dafür verwendet werden, mit potenziellen Veranstaltern und Nutzern öffentlicher Freiräume effiziente Schutzmaßnahmen vorrangig für Gehölze durchzusetzen. Rückbau- und Pflegekonzepte mit Überwachung und Garantien müssen fester Bestandteil der Genehmigungsverfahren sein. Sicherheitskonzepte und ein zurückgelegtes Geldpfand in entsprechender Höhe sensibilisieren alle Akteure und mahnen zur Vorsicht und Rücksichtnahme. In der Praxis beeinträchtigen nach wie vor die großen Müllberge, Anfahrschäden an Bäumen, großflächige Bodenverdichtungen und menschlicher Urin die sensiblen grünen Orte unserer Städte. Die Vorstellung, dass mal eben schnell Bodenbelüftungen oder etwas Baumpflege die Folgen reduzieren kann, ist ein Irrglaube! Bäume sind Lebewesen mit Langzeitgedächtnis! Es helfen daher nur konsequente Schutzkonzepte, aber auch die Verlagerung von Veranstaltungen an geeignete Orte und die Ablehnung von Public Viewing Ideen mit schwer zu steuernden Menschenmassen.
Natürlich sind öffentliche Räume zur Nutzung grundsätzlich vorgesehen, sie müssen aber dafür geeignet sein. Auch kann nicht länger hingenommen werden, dass mit Steuermitteln finanzierte öffentliche Freiräume als Bühne für Akteure zur Verfügung gestellt werden, deren Interesse vorrangig kommerziell und deren Bereitschaft zu finanzieller Beteiligung an den Gesamtkosten eher gering ist. Folgerichtig sind Stadtplaner aufgefordert, derartige Orte künftig dafür besser auszustatten. Umsonst und draußen? Der alte Dorfplatz ist für Großveranstaltungen eben wenig urban. Aus Sicht der Bäume ist jetzt konsequentes Handeln angesagt!
Ihr Prof. Dr. Hartmut Balder
NL-Stellenmarkt
