Selbstinkompatibilitäts-Mechanismus
Pflanzen versuchen, Befruchtung durch eigene Pollen zu verhindern
Pflanzen nutzen genetische Mechanismen, um Inzucht zu vermeiden, indem sie den eigenen von fremdem Pollen unterscheiden. Forschende des Instituts für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften der Universität Zürich (UZH) wiesen nun nach, dass eine Gruppe von 18 männlichen Proteinen gemeinsam 40 weibliche Proteine erkennen - im Gegensatz zu der bis dahin untersuchten Eins-zu-eins-Erkennung. Dieser Selbsterkennungs-Mechanismus bei der Petunie ähnelt der Immunabwehr bei Wirbeltieren.
Selbsterkennung auf molekularer Ebene
Pflanzen versuchen eine Selbstbefruchtung durch ihre eigenen Pollen zu verhindern. So können sie Inzucht vermeiden, da beim Nachwuchs, der aus nur eigenem Erbgut entsteht, genetische Fehler in Form von Missbildungen oder Dysfunktionen auftreten können. Dabei erkennen Pflanzen ihren eigenen Pollen über den sogenannten Selbstinkompatibilitäts- oder SI-Mechanismus, der sich auf molekularer Ebene abspielt. Bisherige Studien zeigen, dass Pflanzen - und auch Tiere - eine so genannte Eins-zu-eins-Erkennung entwickelt haben: Ein männliches Protein ist in der Lage, ein weibliches Protein zu erkennen. Falls nötig wird dadurch eine Abwehrreaktion in Gang gesetzt. Pflanzenwissenschaftler der UZH rund um Prof. Kentaro Shimizu haben eine solche Eins-zu-eins-Identifizierung bei der Modellpflanze Arabidopsis, der Schrraumkresse, nachgewiesen. Nun doppeln die Forschenden des Instituts für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften der Universität Zürich mit Erkenntnissen aus der Welt der Petunien nach und beschreiben ein neues SI-System, welches anders als die bislang beschriebenen Eins-zu-eins-Systeme funktioniert. Dr. Timothy Paape und Kollegen aus Zürich sowie Dr. Ken-ichi Kubo und Kollegen aus Japan konnten mit Hilfe von modernsten Sequenzierungsmethoden als erste zeigen, wie komplex das System der Petunie ist. Bei den Nachtschattengewächsen sind nämlich nicht nur je ein männliches und ein weibliches Protein, sondern viele Proteine an der Selbsterkennung und der daraus folgenden Selbstinkompatibilität beteiligt. 18 männliche Proteine erkennen zusammen 40 weibliche Proteine, die schließlich giftig für den eigenen Pollen sind und dadurch eine Befruchtung verhindern. "Dieses umfassende Selbstinkompatibilitäts-System ist das größte, das bisher in einer Pflanze nachgewiesen wurde. Noch nie wurde eine so große Anzahl an unterschiedlichen genetischen Kopien in einer Art gefunden", sagt Timothy Paape. "Damit können wir mit dieser groß angelegten Studie viele bisher unbeantwortete Fragen über die Evolution auf genetischer Ebene klären."
Der Selbstinkompatibilitäts-Mechanismus funktioniert ähnlich wie die Erkennung eines Pathogenes, bei der eigene Proteine den Erreger identifizieren und dieser in der Folge außer Gefecht gesetzt wird. In die Selbsterkennung involviert sind Proteine, die von Selbstinkompatibilitäts-Genen (S-Genen) kodiert werden. Das exakte Zusammenspiel dieser männlichen so genannten SLF-Proteinen (S-locus-F-box proteins) und weiblichen Proteinen namens S-RNases (S-Ribonucleases) bei der Petunie ist hochkomplex: Mal erkennt ein einzelnes männliches Protein mehrere weibliche Proteine, während ein einzelnes weibliches Protein oft nur von wenigen männlichen erkannt wird.
Möglicher Nutzen für die Pflanzenzucht
"Der Selbstinkompatibilitäts-Mechanismus ist außerdem der Immunabwehr bei Wirbeltieren, zu denen ja der Mensch gehört, sehr ähnlich", so Paape. Komplexe Abwehrmechanismen seien schwierig in Tiermodellen zu untersuchen, da sowohl im Wirt wie auch im Pathogen die interagierenden Gene gefunden werden müssten. "Genau hier bringt unser System große Vorteile, um die Evolution von komplexen Abwehrmechanismen auf genetischer Ebene zu verstehen." brs/UZHs
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