Siedlungsentwässerung und Haustechnik stellen sich auf Extremwetter ein

von:
Hochwasserschutz
Gefährlich wird es, wenn Cumulonimbus-Wolken entstehen und in kurzer Zeit bis in eine Höhe von 12 km gelangen. Dort kommt es in kühler Atmosphäre zu schlagartiger Kondensation, was zu Hagel und Starkregen führt. Beim Deutschen Wetterdienst (DWD) erfolgt eine Warnung vor extremem Unwetter, der höchsten Warnstufe, ab einem zu erwartendem Starkregen von 40 l/m 2 /h, oder wenn über 6 Std. verteilt mehr als 60 l/m2 befürchtet werden. Foto: König

In der Vergangenheit traten Starkregenereignisse besonders kleinräumig und heftig auf. Trotz professioneller Wetterdienste, stündlicher Vorhersagen und lokaler Unwetterwarnungen konnten die Betroffenen nicht ausreichend vorsorgen. Sach- und Personenschäden waren erheblich. Das hat Auswirkungen auf die Siedlungsentwässerung und Haustechnik der Zukunft.

In Hamburg hat die Zukunft bereits begonnen. Bei Neubaugebieten und Bestandsquartieren werden neue Wege beschritten. Ein allmählicher Stadtumbau ist das Ziel.

Änderungen auf Quartiers- beziehungsweise Siedlungsebene

Die Behörde Umwelt und Energie sowie das Versorgungsunternehmen Hamburg Wasser haben gemeinsam das Projekt „Regen-Infrastruktur-Anpassung“ (RISA) 2009 gestartet und 2015 erfolgreich abgeschlossen. Absicht war, nachhaltige Ideen und Konzepte für den Umgang mit Regenwasser zu entwickeln. Ergebnis ist ein dezentrales Konzept, das Regenwasser dort, wo es anfällt, erfasst und – soweit möglich – an Ort und Stelle durch geeignete Anlagen wieder dem natürlichen Wasserkreislauf zuführt. Die übergeordneten Ziele des Projektes sind ein naturnaher lokaler Wasserhaushalt, weitergehender Gewässerschutz und Überflutungs-/ Binnenhochwasserschutz. Dies zu erreichen setzt eine interdisziplinäre Zusammenarbeit voraus, die sich in der Projektstruktur von RISA widerspiegelt: Wasserwirtschaftler sowie Stadt-, Landschafts- und Verkehrsplaner erarbeiteten gemeinsam mit wissenschaftlicher Unterstützung durch Universitäten und Ingenieurbüros zukunftsfähige Lösungen für das Leben mit Regenwasser in Hamburg, die im „RISA Strukturplan Regenwasser 2030“ zusammengefasst sind und gemeinsam mit Begleitdokumenten zum Download zur Verfügung stehen [1].

NL-Stellenmarkt

Relevante Stellenangebote
Mitarbeiter/in (m/w/d) für den Friedhofsbereich, Winnenden  ansehen
Mehrere Baumpfleger m/w/d, Frankfurt/Main  ansehen
Sachbearbeiter*in Gewässerbau in der Abteilung..., Giessen  ansehen
Alle Stellenangebote ansehen
Hochwasserschutz
Tiefgarage in Ditzingen/Landkreis Ludwigsburg am 4. Juli 2010. Überflutung nach intensivem Starkregenereignis. Die Niederschlagsmenge von 100 l/m2 ließ auch Regenrückhaltebecken in kürzester Zeit volllaufen. Die Kanalisation hatte keine Chance, das gesamte Wasser aufzunehmen. Foto: Deutscher Dachgärtnerverband
Hochwasserschutz
Lokaler Starkregen mit Überflutung in Frickingen/Bodenseekreis am 22.07.2016. Im Jahr 2016 war besonders, dass die bedrohliche Wettersituation mehrere Wochen andauerte und über einen längeren Zeitraum sehr viele einzelne Katastrophen in Kommunen verschiedener Bundesländer auslöste – ein meteorologisches Phänomen, das seinen Ursprung im sogenannten „Tief Mitteleuropa“ hatte. Foto: Jäckle
Hochwasserschutz
Prinzip der adiabaten Abluftkühlung in Klimatisierungsanlagen. Das von den Dächern gesammelte Regenwasser wird innerhalb eines Wärmeübertragers in die Abluft gesprüht und kühlt diese deutlich ab. Der Effekt überträgt sich auf die Zuluft. Grafik: Mall

Im Hamburger Projekt RISA ist die Hafen City Universität (HCU) Partner und liefert wissenschaftliche Unterstützung, zum Beispiel durch Publikationen über das Projekt KLIQ online [2], das die Behörde für Umwelt und Energie Hamburg finanziert hat. Das Wissensdokument für die Verwaltung und der Leitfaden für Eigentümer stellen die Konkretisierung des RISA-Ansatzes dar. Arbeitsschritte, Checklisten und Lösungsansätze sind auf andere Kommunen übertragbar. Professor Dr. Wolfgang Dickhaut leitet an der HCU das Fachgebiet „Umweltgerechte Stadt- und Infrastrukturplanung“ (USIP). Dr. Elke Kruse ist wissenschaftliche Mitarbeiterin. In ihrem Buch „Integriertes Regenwassermanagement für den wassersensiblen Umbau von Städten“ [3] empfiehlt sie:

  • ein „grünes Netzwerk“ (begrünte Versickerungsflächen) für Städte, deren Bodenbedingungen eine Versickerung ermöglichen;
  • ein „temporär blaues Netzwerk“ (multifunktional gestaltete Flächen, z. B. Stadtplätze, Spiel- und Sportplätze, die temporär überschüssiges Regenwasser speichern können) als Alternative dazu für Städte, deren innere Quartiere keinen Platz für Versickerungsflächen aufweisen oder die über größere, ehemals industriell genutzte Bereiche verfügen;
  • ein „blau-grünes Netzwerk“ aus Wasserläufen und -flächen in Kombination mit bisherverrohrten Gewässerabschnitten.

Änderungen auf Grundstücks- und Gebäudeebene

Obwohl dezentrale Maßnahmen auf privaten Grundstücken durch die Niederschlagswassergebühr direkt gefördert werden, könnte die Politik laut Kruse mit einem zusätzlichen finanziellen Förderprogramm Anreize schaffen, zum Beispiel für den Bau von Versickerungsmaßnahmen. „Es kommt darauf an, ob die gesplittete Abwassergebühr als alleiniger Anreiz genügt, damit eine ausreichende Anzahl an Maßnahmen in überflutungsgefährdeten Gebieten realisiert wird. Sollte dies nicht der Fall sein, müsste das Förderprogramm entweder stadtweit aufgestellt oder für ausgewählte Bereiche der Stadt zugeschnitten werden. Eine direkte Ansprache von Grundstücksbesitzern in den gefährdeten Gebieten würde die Wirksamkeit der Programme verstärken“, stellt sie fest. In Bestandsgebieten, vor allem im Zentrum der Städte und Gemeinden, kann es eng werden. Zu ebener Erde fehlt oftmals die Fläche für „grüne Maßnahmen“. Dann bietet sich an, Regenwasser auf dem Dach von Gebäuden zu sammeln und zu bewirtschaften. Zusätzliche Flächen, Rohre und Speicher werden so gespart. Bei großen Liegenschaften zeichnet sich mittlerweile die Verdunstung als Trend ab. Eine Variante ist das begrünte Flachdach mit zusätzlichem Retentionsvolumen als Starkregenpuffer. Im Nebeneffekt kühlt die Verdunstung aus dem Gründach die Umgebung – ideal für aufgeheizte Städte im Sommer. Eine andere Version ist das Nutzen des Niederschlags, im Regenspeicher bevorratet, für die energiesparende Kühlung des Gebäudeinnern. Das gelingt mit wenig Aufwand bei großen Bauten, die ohnehin mit Klimaanlage und Wärmeüberträger für Zu-/Abluft ausgestattet sind.

Adiabate Abluftkühlung mit Regenwasser

Meist wird im Plattenwärmeüberträger die Zuluft mit der Abluft vorgekühlt, ohne dass die sich begegnenden Luftströme direkt miteinander in Kontakt treten. Der Wärmeüberträger ist derselbe, der im Winter zur Wärmerückgewinnung dient. Im Sommer wird Regenwasser in den Abluftstrom gesprüht, wobei dieser durch den hohen Energiebedarf des Phasenübergangs flüssig/gasförmig um mehrere Kelvin abkühlt. Die dafür erforderliche Wärme wird permanent der entgegenströmenden Außenluft entzogen. Vorteil: In der konventionellen Kältebereitstellung treten in der Regel Zirkulationsverluste auf. Sie entfallen bei der adiabaten Abluftkühlung, da die Kälte mit hoher Effizienz direkt in der Lüftungsanlage erzeugt wird. Im Idealfall verlässt die Abluft den Wärmeüberträger im Temperaturniveau der Außenluft bei einer Luftfeuchte von 100 Prozent.

Weitere Vorteile dieser Technik: Regenwasser hat eine sehr geringe elektrische Leitfähigkeit als Indikator für einen minimalen Salzanteil. Gegenüber der Verwendung von Trinkwasser zur Erzeugung von Verdunstungskälte wird nur halb so viel Wasser benötigt und kein Abwasser erzeugt. Außerdem ist die Verdunstung von Wasser energetisch positiv zu bewerten, denn bei der Verdunstung eines Kubikmeters werden etwa 680 kWh an Verdunstungskälte erzeugt. Gegenüber der Verwendung von Strom oder Fernwärme zur Gebäudekühlung ergibt sich bis zu 90 Prozent Einsparpotenzial pro Jahr. Das ist primär abhängig von der Innenraumbeziehungsweise Abluftfeuchte sowie der technischen Ausführung des „Back-ups“ zur Sicherstellung der Zieltemperaturen. Hinweise zu Planung, Bau, Betrieb und Wartung von raumlufttechnischen Anlagen sowie hygienische Anforderungen an die Anlagen sind den VDI-Richtlinien 3803 und 6022 zu entnehmen.

Hochwasserschutz
Gymnasium Riedberg in Frankfurt am Main. Neubau für 1350 Schüler, 2013 fertiggestellt. Ansicht von der Altenhöferallee, Ecke Friedrich-Dessauer-Straße. Das Regenwasser von 2500 m2 Dachfläche wird gesammelt und zur adiabaten Abluftkühlung verwendet. Die Betriebskosteneinsparung im Vergleich zu einer herkömmlichen Kompressions-Kältemaschine liegt bei ca. 1000 Euro pro Jahr. Zusätzlich entfallen Gebühren für die Niederschlagsableitung. Foto: König
Hochwasserschutz
Schulzentrum in Mössingen, Baden-Württemberg. Klimatisierungsanlage im Untergeschoss mit 15 660 m3 Nennluftvolumen/Std. für die Klassenräume und 9000 m3 Nennluftvolumen/Std. für die Mensa. Die adiabate Abluftkühlung erzeugt hierbei 156 kW bzw. 90 kW bei maximalem Volumenstrom. Foto: fbr e. V.

Adiabate Abluftkühlung, Anwendungsbeispiele

  1. Schule in Mössingen: Ein Schwerpunkt in der Haustechnik dieses 2014 neu erstellten Gebäudes ist die Regenwassernutzung, die den Sanitärbereich mit Betriebswasser versorgt sowie das Betriebswasser für die adiabate Kühlung liefert. Bei den Klimaanlagen wurde bewusst auf ein Back-up durch eine konventionelle Kompressionskältemaschine verzichtet. Hierdurch sinken die Investitions- und Betriebskosten[4]. Gegenüber der konventionellen Lösung mit Kompressionskältemaschinen entstehen pro Tag bei 8 Std. Volllastbetrieb Einsparungen von 178 Euro Stromkosten. Im Vergleich zu einer Absorptionskälteanlage sind es sogar 369 Euro pro Tag für Wärme, Strom, Wasser und Abwasser. Die Stromkosten für den Pumpenbetrieb der Regenwassernutzungsanlage und der adiabaten Abluftkühlung fallen mit etwa 4 Euro pro Tag dagegen verschwindend gering aus. Der Betriebskostenvergleich wurde aus einem Forschungsprojekt des Bundeswirtschaftsministeriums im Programm www.eneff-stadt.info abgeleitet [5].
  2. Institut für Physik der Humboldt-Universität zu Berlin auf dem Campus Adlershof: Wissenschaftlich begleiten die Hochschule Neubrandenburg und die Technische Universität Berlin dieses stadtökologische Modellvorhaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin – bereits seit Baubeginn vor 15 Jahren. Eines der Ergebnisse: Die naturnahen klimatisch wirksamen Prozesse sparen nahezu 90 Prozent an Betriebskosten für die Gebäudekühlung im Vergleich zu konventionellen Systemen[6].
  3. Gymnasium Riedberg in Frankfurt: Der Neubau für 1350 Schüler ist seit 2013 in Betrieb[7]. Das Regenwasser wird von 2500 m 2 Dachfläche gesammelt, Fassungsvermögen Regenspeicher 36 m 3 , Kapazität Druckerhöhungsanlage mit zwei Tauchmotorpumpen 16,5 m 3 /h. Die Betriebskosteneinsparung im Vergleich zu einer herkömmlichen Kompressions-Kältemaschine liegt bei circa 1000 Euro pro Jahr. Zusätzlich entfallen Gebühren für die Niederschlagsableitung.
  4. Hochschule Pforzheim: Neubau Erweiterung Fakultät für Technik mit adiabater Abluftkühlung, fertiggestellt 2015.

Retentionsdach kappt Niederschlagsspitzen

Wird Regenwasser nicht oder nur teilweise im Speicher zum Beispiel für die adiabate Abluftkühlung gebraucht, ist die Dachbegrünung eine sehr effektive Möglichkeit, Niederschläge zeitverzögert abfließen beziehungsweise auf dem Dach verdunsten zu lassen. Das neu entwickelte Retentions-Gründach der ZinCo GmbH vervielfacht ganz gezielt diesen Effekt und gleicht damit Niederschlagsspitzen aus. Eine gewöhnliche Extensivbegrünung speichert zwischen 20 und 40 l/m 2 Wasser, eine Intensivbegrünung zwischen 50 und 100 l/m 2 , in Einzelfällen sogar darüber. Im Hinblick auf lokale Überflutungsereignisse soll die Dachbegrünung möglichst viel Niederschlag speichern können. Andererseits führt ein Zuviel an pflanzenverfügbarem Wasser zu Vegetationsumbildungen und damit zu erhöhtem Pflegeaufwand oder gar zu Staunässe und Wurzelfäulnis. Daher ist das Retentions-Gründach zweiteilig aufgebaut: Regenrückhaltung und Begrünungsaufbau sind getrennt. Abstandshalter (Spacer) bestimmen die frei wählbare Höhe des Retentionsvolumens. Beispiel: Ein 10cm hoher Abstandshalter gewährleistet, unabhängig vom Substrat der Begrünung, eine usätzliche Regenwasserspeicherung von ca. 80 l/m2 . Angestautes Wasserfließt kontinuierlich über ein Drosselelement ab, das im Gully verankert ist. Dies geschieht in einem für das jeweilige Objekt definierten Zeitraum, zwischen 24 Std. und mehreren Tagen. Das nach Computersimulation berechnete Drosselelement und der Gully liegen geschützt innerhalb eines fein geschlitzten Kontrollschachts, welcher das Einschwemmen von Fremdstoffen verhindert [8].

Hochwasserschutz
Das Retentions-Gründach von ZinCo ist zweiteilig aufgebaut. Regenrückhaltung und Begrünungsaufbau sind getrennt. Abstandshalter bestimmen die frei wählbare Höhe des Retentions-Volumens. Beispiel: Ein 10 cm hoher Abstandshalter gewährleistet, unabhängig vom Substrat der Begrünung, eine zusätzliche Regenwasser-Speicherung von ca. 80 l/m 2 . Grafik: ZinCo
Hochwasserschutz
Angestautes Wasser fließt kontinuierlich über ein Drosselelement ab, das im Gully verankert ist. Dies geschieht in einem für das jeweilige Objekt definierten Zeitraum, zwischen 24 Std. und mehreren Tagen. Das nach Computersimulation berechnete Drosselelement und der Gully liegen geschützt innerhalb eines fein geschlitzten Kontrollschachts, der das Einschwemmen von Fremdstoffen verhindert. Grafik: ZinCo
Hochwasserschutz
Die Retentionsbox ist das Herzstück der Optigrün-Systemlösung Drossel 4.0. Wasserrückhalt und Begrünung sind in der Höhe voneinander getrennte Maßnahmen. Werden viele Dächer in einer Kommune mit dieser Technik ausgestattet und miteinander vernetzt, lassen sich der Regenwasserhaushalt und die Überflutungsvorsorge flächendeckend aktiv steuern. Foto: Optigrün

Objektgerechte Planung

Der über dem Retentionsvolumen liegende Begrünungsaufbau stellt alle für das Funktionieren der Dachbegrünung wichtigen Aspekte sicher. Das sind der Luft-Wasser-Haushalt im Wurzelraum, die Dränage und die Wasserspeicherung für die Pflanzen. So sind alle Dachbegrünungs- und Nutzungsformen möglich, auch Geh- und Fahrbeläge. Abhängig von Klima, Niederschlagsmengen und gewünschter Retention werden die Parameter für das Retentions-Gründach objektspezifisch festgelegt und durch Simulationsrechnungen geprüft. Dazu gehören maximales Einstauvolumen, maximale Entwässerungsmenge pro Zeiteinheit und die Zeitdauer, bis der Stauraum wieder zur Verfügung stehen soll. Eine Referenz ist das neue Büro- und Verwaltungsgebäude der Mitsubishi Electric Europe B.V. in Ratingen mit 3800 m 2 Extensivbegrünung und 640 m 2 Intensivbegrünung. Unter beiden Begrünungsvarianten befinden sich, vollflächig verlegt, 6 cm hohe Spacer-Elemente und damit ein zusätzliches Retentionsvolumen von bis zu 40 l/m 2 Wasser [8].

Auch die Optigrün international AG hat diesen Entwicklungen Rechnung getragen und die Systemlösung Retentionsdach Typ Drossel mit den Varianten Gründach und Verkehrsdach entwickelt. Damit gibt es alternative Lösungen, um einen vorgegebenen Maximalabfluss einzustellen und somit die Einleitbeschränkung in den Kanal zu erfüllen. Basis dieses Systems ist die Wasserretentionsbox, mit der bis zu 140 l/m 2 angestaut werden können. Mit Hilfe eines Kapillarsystems wird das zwischengespeicherte Niederschlagswasser in den darüber liegenden Begrünungsbau gezogen und über die Vegetation verdunstet – mit allen damit verbundenen positiven Wirkungen. Die maximale Abflussspende lässt sich einstellen auf 1–10 l/s x ha. Die gewünschte Anstauhöhe kann mit dem Regenwasser-Simulationsprogramm RWS 4.0 exakt berechnet werden [9].

Wetter-App steuert Abfluss situationsbezogen

Erst seit 15 Jahren macht der Deutsche Wetterdienst (DWD) eine flächendeckende, hochaufgelöste Radarbeobachtung. Das ist Voraussetzung, um gezielt für einzelne Landkreise Wetterwarnungen herausgeben zu können. Beim DWD erfolgt eine Warnung vor „markantem Wetter“ bereits, wenn in 1 Std. mindestens 15–25 l/m 2 (bzw. in 6 Std. 20–35 l/m 2 ) erwartet werden. Die nächste Stufe heißt „Unwetter“ bei einer Prognose ab 25 l/m 2 (oder in 6 Std. mehr als 35 l/m 2 ). Die höchste Warnstufe ist das „extreme Unwetter“ ab 40 l/m 2 (oder in 6 Std. über 60 l/m 2 ) [10]. Das Unternehmen Optigrün international AG präsentierte auf der Messe GaLaBau 2016 in Nürnberg erstmals die zum Patent angemeldete Drossel 4.0 „Smart Flow Control“ – und gehört damit zu den Gewinnern der GaLa-Bau-Innovationsmedaille. Grundsätzlich wird so viel Niederschlag wie möglich in der Wasserretentionsbox gespeichert und der Vegetation über Kapillarsäulen zur Verfügung gestellt. Steht Regen bevor, öffnet sich (durch eine mit dem Internet verbundene Wetter-App) der Ablauf, so dass die vorhergesagte Niederschlagsmenge abfließt. Somit ist das für den bevorstehenden Regen erforderliche Retentionsvolumen vorhanden. Der Abfluss vom Dach erfolgt in der Regel nur vor einem Regenereignis – also dann, wenn die Kanalisation noch nicht belastet ist. Während des Niederschlags schließt sich der Ablauf und die Kanalisation wird durch den Regenrückhalt in den Wasserretentionsboxen auf dem Dach entlastet.

Da die Drossel 4.0 „Smart Flow Control“ nicht nur automatisch, sondern auch manuell aus der Ferne überwacht und gesteuert werden kann, eröffnen sich für die kommunale und überregionale Wasserwirtschaft neue Möglichkeiten: Wenn viele Dächer in einer Kommune mit dieser Technik ausgestattet und miteinander vernetzt werden, lassen sich der Regenwasserhaushalt und die Überflutungsvorsorge flächendeckend aktiv regeln. Das bietet die Möglichkeit, ein großes steuerbares Regenüberlaufbecken auf verschiedenen, jedoch miteinander vernetzten Dächern anzulegen [9].

Hochwasserschutz
Begrüntes Retentionsdach Typ Drossel 4.0 mit „Smart Flow Control“. Steht Regen bevor, wird durch eine mit dem Internet verbundene Wetter-App der Ablauf mit Drossel automatisch geöffnet, so dass die vorhergesagte Niederschlagsmenge abfließt. Damit wird genau das Retentionsvolumen geschaffen, das für denbevorstehenden Regen erforderlich ist. Grafik: Optigrün
Hochwasserschutz
Praxisbeispiel Retentionsdach auf einer Tiefgarage mit Begrünung und Verkehrsflächen in Berlin. Während eines Regenereignisses wird die Kanalisation durch den Rückhalt in den Wasserretentionsboxen auf dem Dach entlastet. Der Abfluss erfolgt nach Vorgabe der Stadtentwässerung, wahlweise mit 1–10 l/s ha, entsprechend0,36–3,6 l/h m 2 . Grafik: Optigrün

Zusammenfassung

In den Jahren 2011 bis 2014 ging in Deutschland der tägliche Zuwachs bebauter Flächen langsam zurück. Im Vier-Jahres-Durchschnitt waren es 69 ha beziehungsweise 0,69 km 2[11] – eine gute Nachricht. Doch etwa die Hälfte dieser Siedlungs- und Verkehrsfläche ist versiegelt, so dass Tag für Tag immer noch mehr als 30 ha Fläche aus dem natürlichen Wasserkreislauf verschwinden. Dem kann mit den vorgenannten Maßnahmen des Stadtumbaus, der Dachbegrünung, Regenrückhaltung und Verdunstung wirkungsvoll begegnet werden. Die Kanalisation ist im Zentrum vieler Städte veraltet und unterdimensioniert. Investitionen und Erweiterungen im bestehenden System sind sehr kostenintensiv und werden deshalb nach Möglichkeit vermieden. Die kostengünstigere Lösung ist eine Beschränkung der zulässigen Einleitung in überlastete Kanalnetze – Hamburg hat damit in einzelnen Quartieren bereits begonnen. TGA-Fachplaner betrachten dies vor dem Hintergrund der erwähnten Maßnahmen (Retentionsdächer und adiabate Abluftkühlung mit gesammeltem Regenwasser) als lösbare Herausforderung. Der Überflutungsnachweis nach DIN 1986-100 hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Die anfallende Wassermenge soll nachweislich auf dem eigenen Grundstück zurückgehalten werden, ohne dass es zur Überflutung von Gebäuden kommt. Auch das gelingt mit den genannten Methoden besser, da der Regenwasserabfluss vom Gebäude auf das Grundstück verringert wird.

Merkblatt DWA-M 119 neu erschienen

„Risikomanagement in der kommunalen Überflutungsvorsorge für Entwässerungssysteme bei Starkregen“ ist der Titel dieses Merkblatts aus dem DWA-Regelwerk, das im November 2016 erschienen ist. Auf 53 Seiten befasst es sich mit der Analyse der Überflutungsgefährdung und des Schadenspotenzials zur Bewertung der daraus resultierenden Überflutungsrisiken durch lokale Starkregen in Bezug auf kommunale Entwässerungssysteme. Das Merkblatt baut unmittelbar auf den Vorgaben und Empfehlungen der Norm DIN EN 752 „Entwässerungssysteme außerhalb von Gebäuden“ sowie des Arbeitsblattes DWA-A 118 „Hydraulische Bemessung und Nachweis von Entwässerungssystemen“ zur hydraulischen Leistungsfähigkeit dieser Systeme auf. Es enthält Erläuterungen, Empfehlungen und Hinweise zur methodisch fundierten Bearbeitung der Überflutungsproblematik mit Erarbeitung qualifizierter Planungsgrundlagen zur Entwicklung wirkungsvoller, wirtschaftlich vertretbarer notwendiger Schutzmaßnahmen.

Die Ausführungen gelten in erster Linie für öffentliche Entwässerungssysteme. Dies entspricht dem Anwendungsbereich des Arbeitsblattes DWA-A 118 und ist abweichend vom Gültigkeitsbereich der DIN EN 752. Im übertragenen Sinne sind die Informationen auch für Bewertungen der Überflutungsgefährdung größerer privater Flächeneinheiten (Gewerbe- und Industriebetriebe, Wohnanlagen etc.) nutzbar. Das Merkblatt richtet sich sowohl an planende Ingenieure, kommunale Entwässerungsbetriebe und fachlich zuständige Behörden als auch an die mit der Risikokommunikation befassten oder von ihr angesprochenen Gruppen. Vertrieb: www.dwa.de/shop.

Quelle: DWA-Presseinformation 40/2016

Tiefdruckgebiet Mitteleuropa

Meteorologisch haben wir es bei Starkregen immer öfter mit einem Phänomen zu tun, das seinen Ursprung im sogenannten „Tief Mitteleuropa“ hat. Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) handelt es sich dabei um ein Tiefdruckgebiet mit riesigen Ausmaßen, welches sich in mehr als 5 km Höhe über weite Teile Mitteleuropas erstreckt und wenig bewegt. Deshalb ziehen während dieser Zeit die bodennahen Tiefdruckgebiete nur langsam über uns hinweg. In feuchtwarmer Luft bilden sich schließlich Gewitter mit stationären Wolken, deren gewaltige Wassermassen als anhaltende lokale Regenschauer einzelne Orte außergewöhnlich hart treffen. Ein solches „Tief Mitteleuropa“ hatte laut DWD auch die Hochwasserereignisse an der Elbe 2002 und in Süddeutschland 2013 ausgelöst. Im Jahr 2016 war besonders, dass die bedrohliche Wettersituation mehrere Wochen andauerte und über einen längeren Zeitraum sehr viele einzelne Katastrophen in Kommunen verschiedener Bundesländer auslöste. Eine mögliche Ursache für die außergewöhnlich langsame Wetterverlagerung beim Tief Mitteleuropa sieht das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung darin, dass sich die Arktis gegenüber südlicheren Regionen durch die Klimaveränderung überproportional erwärmt habe, was zu schwächeren Westwinden führe. Beim DWD ist man noch zurückhaltend, den Klimawandel als unmittelbaren Verursacher extremer Wetterlagen zu bezeichnen – stellt aber fest, dass wärmere Luft physikalisch bedingt mehr Wasser gasförmig aufnehmen kann und damit auch mehr Starkregenpotenzial vorhanden ist. Gefährlich wird es, wenn daraus Cumulonimbus-Wolken entstehen, die in kurzer Zeit bis in eine Höhe von 12 km gelangen. Dort kommt es in kühler Atmosphäre zu schlagartiger Kondensation, was zu Hagel und Starkregen führt. Den Rekord mit dem höchsten in Deutschland gemessenen Niederschlag hält Zinnwald im Erzgebirge mit 312 l/m 2 in 24 Std. Das war ein großräumig auftretender Starkregen, der am 12./13. August 2002 stattfand und das verheerende Elbehochwasser auslöste.

Quelle: Hörmann, B.: Die Flut reißt alles mit sich. In: Südkurier Nr. 126 vom 03.06.2016. Südkurier GmbH Medienhaus Konstanz

Quellen

[1] Leben mit Wasser. Das Projekt RISA. www.risa-hamburg.de/.

[2] Klimafolgenanpassung innerstädtischer hochverdichteter Quartiere in Hamburg. www.hcu-hamburg.de/kliq.

[3] Kruse, E.: Integriertes Regenwassermanagement für den wassersensiblen Umbau von Städten. Fachbuch mit 246 Seiten und zahlreichen farbigen Abbildungen. Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart, 2015.

[4] Schmidt, M., Sperfeld, D.: Adiabate Kühlung mit Regenwasser. In: fbr-wasserspiegel 4/14, S. 14. (Hrsg.:) Fachvereinigung Betriebs- und Regenwassernutzung e. V., Darmstadt, 2014.

[5] TU Berlin: Abschlussbericht „HighTech-LowEx: Energieeffizienz Berlin Adlershof 2020“ Teil 8 Energieeffiziente Gebäude, BMWi Förderkennzeichen 03ET1038A und 03ET1038B, 144 S. Berlin, 2014.

[6] Konzepte der Regenwasserbewirtschaftung. Gebäudebegrünung, Gebäudekühlung. Leitfaden für Planung, Bau, Betrieb und Wartung. (Hrsg.:) Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin, Broschüre, 1. Auflage, Berlin, 2010.

[7] Kaiser, M. und Schmidt, M.: Einsatz von Regenwasser zur Kühlung von Gebäuden und Prozessen, in: Ratgeber Regenwasser. Für Kommunen und Planungsbüros. Rückhalten, Nutzen und Versickern von Regenwasser im Siedlungsgebiet. 6. Auflage. (Hrsg.:) Mall GmbH, Donaueschingen, 2016.

[8] Appl, R.: Dieser Dachaufbau reduziert die Hochwassergefahr. ZinCo Pressebericht, 2016. www.zinco.de.

[9] Innovatives Regenwassermanagement: Wetter-App steuert Abfluss von Gründach. Optigrün-Pressemitteilung, 2016. www.optigruen.de.

[10] Warnkriterien für Unwetterwarnungen des DWD. www.wettergefahren.de/warnungen/unwetterwarnkriterien.html.

[11] Das Tempo des Flächenverbrauchs geht zurück. Umweltbundesamt, Pressemitteilung vom 01.07.2016. www.umweltbundesamt.de/daten/flaechennutzung/siedlungs-verkehrsflaeche.

Dipl.-Ing. Klaus W. König
Autor

Sachverständigen- und Fachpressebüro

Ausgewählte Unternehmen
LLVZ - Leistungs- und Lieferverzeichnis

Die Anbieterprofile sind ein Angebot von llvz.de

Redaktions-Newsletter

Aktuelle GaLaBau Nachrichten direkt aus der Redaktion.

Jetzt bestellen