600 Jahre alte Stiel-Eiche in Frankfurt/Oder
"Drillingseiche" zum Nationalerbe-Baum ausgerufen
Ihren Namen erhielt die "Drillingseiche" wegen ihres Hauptstammes, der in etwa 4 Metern Höhe in drei Stämmlingen auswächst. Ursprünglich wurde der Baum wahrscheinlich für den Neubau einer Kirche gepflanzt, steht er heute auf dem Denkmal der Kriegsgefallenen im Stadtteil Markendorf.
Eine Zeitzeugin mit Narben des Zweiten Weltkrieges
"Die Rindenstruktur der Drillingseiche ist einzigartig", urteilte der Leiter des Kuratoriums Nationalerbe-Baum, Prof. Dr. Andreas Roloff. In all den Jahren habe er noch nie derartige Stauchungen der Borke gesehen. Der erste Anblick der Rinde hätte den Baumexperten so fassungslos gemacht, dass er sich das Bild der Rindenstruktur dreifach vergrößert als Poster ausgedruckt und über sein Bett gehangen habe. "Das ist wahr, jeden Morgen beginne ich damit, die Methusalem-Borke zu bewundern", gab Roloff schmunzelnd zu. Eine solch beeindruckende Rinde hätte er noch nie gesehen. Rund 500 Jahre müsse es gedauert haben, dass sich diese bis zu zehn zentimetertiefen Borkerippen entwickelt haben. "Ein so alter Baum in einer großen Stadt wie Frankfurt Oder ist außergewöhnlich", untermauerte Roloff seine Ausführungen. Der Baum sei ein Ort zum Innehalten und habe eine starke Wirkung auf die Menschen um ihn herum. An ihr und den übrigen sieben Eichen im Park sind noch einige Einschusslöcher und Spuren von Granaten und Explosionen aus dem Zweiten Weltkrieg zu erkennen. Die Kronen und Stämme lassen die Drillingseiche auf dem Denkmal besonders imposant erscheinen. "Sie ist eine lebende Zeitzeugin des Ortes", erklärte Roloff. Die Bundesumweltministerin Steffi Lemke sagte: "Der Baum soll auch den Kleinsten vor Ort die Liebe zur Natur näherbringen".
Über 600 Jahre und mehrere Kirchen überdauert
Vermutlich stand die Eiche früher auf einer Thingstätte, wo damals Volks- und Gerichtsverhandlungen abgehalten wurden. 1405 wurde am Standort die zweite Kirche des Ortes gebaut, das würde von den Indizien zum Pflanzzeitpunkt der Eiche passen, die damit über 600 Jahre alt wäre. Ursprünglich war der Baum unter den Markendorfern als "Alte Eiche" bekannt, doch im Prozess der Ausrufung erhielt sie schnell den Namen "Drillingseiche". Der neue Name würde den Charakter des Baumes verdeutlichen, denn alte Eichen gebe es in Brandenburg und in Deutschland zu Hauf. Allein die benachbarten Eichen hätten ein stattliches Alter, jedoch würde die Drillingseiche sie im Erscheinungsbild eindrucksvoll übertreffen. "Die Drillingseiche wurde ganz klar Opfer eines Blitzschadens", beschrieb Roloff die Struktur des Baumes. Dieser könnte die Ursache für den außergewöhnlichen dreistämmigen Wuchs sein.
"Eure fürsorgliche Hingabe, die Drillingseiche zu behüten, hat diese Auszeichnung erst ermöglicht", mit diesen Worten dankte der Frankfurter Oberbürgermeister René Wilke den Bürgern und sorgte für einen Gänsehaut-Moment auf der Veranstaltung. Über Jahrhunderte und Jahrzehnte hätten die Markendorfer Bürger die Eiche gehegt und gepflegt. Der Kinderchor der Frankfurter Friedensgrundschule hatte die Ausrufung zum Nationalerbe-Baum musikalisch untermalt. Eine stimmungsvolle Kulisse der Markendorfer und Frankfurter sorgte für einen feierlichen Rahmen zur Einweihung der Drillingseiche in den ausgewählten Kreis der Baumgreise.
Von der "Alten Eiche" zum "Champion Tree"
Der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft wurden acht Bäume aus Brandenburg vorgeschlagen, um einen neuen Nationalerbe-Baum einzuweihen. "Die tiefgefurchte Rinde, die Blitznarbe und die Aststümpfe ließen die Wahl ganz klar auf die Drillingseiche fallen", erläuterte Roloff. Mit der Ausrufung wurde die Stiel-Eiche nun in die Datenbank "Champion-Tree" aufgenommen. Mit dem Titel als Nationalerbe-Baum wird die Finanzierung künftiger Pflege- und Schutzmaßnahmen vom Kuratorium gewährleistet und mit dem Grünflächenamt der Stadt Frankfurt, Oder abgestimmt. Einschneidende Maßnahmen seien vorerst nicht nötig, ergab das kurz vor der Einweihung ausgestellte Gutachten vom Sachverständigenbüro für Baumpflege Thomas Amtage.
"Im nächsten Jahr soll der 50. Nationalerbe-Baum anvisiert werden", verkündete Roloff. Das Ziel sei es, 100 Bäume in den Kreis der Nationalerbe-Bäume aufzunehmen – Brandenburg würde dabei noch weitere Bäume mit diesem Titel bekommen. Leider gebe es in Deutschland keine 1000-jährigen Bäume wie in England. "Unsere deutsche Gründlichkeit verhindert, dass die Uraltbäume deutlich älter werden können", bedauerte Roloff. Oberste Priorität wäre die Verkehrssicherungspflicht, weshalb die Äste schnell eingekürzt werden. Die Wunden wären Einfallstellen für Pilze, die den Baum schädigen. "Wir verstümmeln diese Methusalem-Bäume regelrecht aus Angst, die Äste könnten Sach- und Personenschäden verursachen", fügte Roloff hinzu.
Danilo Ballhorn