GaLaBau und Recht: Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Kündigung eines Bauvertrags durch den Auftraggeber

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Bauvertragsrecht Recht und Normen
Die meisten Vertragskündigungen am Bau erfolgen durch die Auftraggeberseite. Foto: Moritz Lösch/Neue Landschaft

Pacta sunt servanda - Verträge sind einzuhalten beziehungsweise zu erfüllen. In der Praxis sieht dies allerdings bei Bauverträgen oft anders aus. Bei vielen geht es nicht ohne Vertragsänderungen und Nachträge ab. Im schlimmsten Fall kündigt einer der Vertragsparteien den Vertrag und will damit das Vertragsverhältnis beenden, was allerdings nicht in jedem Fall gelingt. Die wichtigsten Kündigungsmöglichkeiten des Auftraggebers im Überblick, um vermeidbare Fehler zu verhindern.

GaLaBau-Unternehmer sind manchmal in der Position des Auftraggebers (gegenüber den Subunternehmern); häufiger allerdings in der Position des Auftragnehmers. Der Beitrag befasst sich hier mit der auftraggeberseitigen Kündigung, zumal es für den GaLaBau-Unternehmer wichtig ist, mit welchen Kündigungsmöglichkeiten des Auftraggebers er bei der Abwicklung seines Auftrags im schlimmsten Fall rechnen muss.

Vertragskündigung durch Auftraggeber

Die meisten Vertragskündigungen am Bau erfolgen durch die Auftraggeberseite. Als rechtliche Grundlage für die auftraggeberseitige Kündigung kommen insbesondere § 649 BGB sowie § 8 VOB/B und die §§ 4, Abs. 7 und 4, Abs. 8 VOB/B in Betracht und der Sonderfall des § 650 BGB. Wenn nichts anderes wirksam vereinbart wurde, kann im Werkvertragsrecht der Auftraggeber den Vertrag in jedem Stadium der Auftragsabwicklung kündigen, ohne hierfür Gründe angeben zu müssen. Dies gilt ganz gleich ob es sich um einen VOB- oder einen BGB-Vertrag handelt. Sowohl § 649 BGB als auch § 8 Abs. 1 VOB/B sehen die jederzeitige Kündigungsmöglichkeit für den Bauvertrag vor. Nur bei einem Bauträgervertrag ist die freie Kündigung nicht möglich. Hier soll es nach Meinung des Bundesgerichtshofs (BGH) nur eine Kündigung aus wichtigem Grund geben (vgl. BGH, BauR 1986, Seite 208).

Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen einem freien (grundlosen) Kündigungsrecht des Auftraggebers im Gegensatz zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund. Ist zwischen den Parteien die VOB wirksam vereinbart, muss die Kündigung stets schriftlich erfolgen (vgl. § 8 Abs. 5 VOB/B). Aus Nachweisgründen empfiehlt sich aber, die Kündigung auch beim BGB-Vertrag schriftlich auszusprechen beziehungsweise zu bestätigen. Das Wort "Kündigung" muss dabei nicht zwingend verwendet werden. Entscheidend ist der zum Ausdruck gebrachte Wille des Auftraggebers, sich endgültig vom bestehenden Bauvertrag lösen zu wollen. So reichen ohne weiteres auch das Wort "Auftragsentziehung" oder ähnliche Formulierungen aus.

Bei einer freien Auftraggeberkündigung kann der Auftragnehmer seinen Werklohn grundsätzlich in voller Höhe der vereinbarten Vergütung verlangen. Der Auftragnehmer muss sich allerdings das anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Kosten erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Es reicht nach der Rechtsprechung des BGH dabei aus (BauR 1992, Seite 379), dass der Auftraggeber dem Auftragnehmer einen abgelehnten Ersatzauftrag nachweist, soweit die Übernahme dem Auftragnehmer zumutbar war. Viel zu wenig wird daran gedacht, dass auch der Architektenvertrag einen Werkvertrag darstellt, der jederzeit gekündigt werden kann. Bei einem nicht gut ausgelasteten Architekten wird es diesem zumeist gelingen, den Nachweis zu führen, praktisch nichts erspart zu haben, so dass der Auftraggeber trotz der Kündigung des Architektenvertrages fast das volle Honorar zahlen muss.

Auftraggeberkündigung aus wichtigem Grund

Als rechtliche Grundlage für eine Kündigung aus wichtigem Grund nennt die Rechtsprechung § 242 BGB in Verbindung mit § 649 BGB. Zu beachten ist, dass dieser Kündigungsgrund vertraglich nicht ausgeschlossen werden kann. Der wichtige Kündigungsgrund liegt oft in einer schweren schuldhaften Verletzung vertraglicher Pflichten oder in einer Zerstörung des vertraglichen Vertrauensverhältnisses, so dass eine Fortsetzung des Vertrags für den Auftraggeber nicht mehr zumutbar erscheint. Grundsätzlich ist bei einer Kündigung aus wichtigem Grund eine Abmahnung oder eine Nachfristsetzung nicht erforderlich, was insbesondere gilt, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen den Vertragsparteien zerstört ist. Hier einige Beispiele, die die Rechtsprechung als wichtigen Grund für eine Auftraggeberkündigung angesehen hat:

- der Auftragnehmer stellt unberechtigt die Arbeiten zur Durchsetzung eines Nachtrags ein und unterlässt die Fortsetzung der Arbeiten binnen einer angemessenen Frist (OLG Frankfurt, BauR 2012, Seite 262)

- der Auftragnehmer wirft dem Auftraggeber gegenüber Dritten betrügerisches Verhalten vor

- Zahlung von Schmiergeldern durch den Auftragnehmer an Mitarbeiter des Auftraggebers

- der Auftragnehmer hält entgegen vertraglicher Vereinbarung bei der Ausführung kein entsprechend qualifiziertes und zertifiziertes Personal bereit (OLG Stuttgart, IBR 2012, Seite 14)

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Für GaLaBau-Unternehmer ist es wichtig zu wissen, mit welchen Kündigungsmöglichkeiten er bei der Abwicklung eines Auftrags rechnen muss. Foto: Rainer Sturm/pixelio.de
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Als rechtliche Grundlage für eine Kündigung aus wichtigem Grund nennt die Rechtsprechung § 242 BGB in Verbindung mit § 649 BGB. Foto: Michael Foote/pixelio.de

Kündigungstatbestände aus wichtigem Grund nach VOB/B

§ 8 Abs. 2 bis 4 VOB/B nennt ausdrücklich bei Vereinbarung der VOB drei Kündigungstatbestände, wobei allerdings die dortige Aufzählung keine abschließende Regelung darstellt. Selbstverständlich kann der Auftraggeber bei schweren vertraglichen Pflichtverletzungen des Auftragnehmers den geschlossenen Bauvertrag kündigen. Nachfolgend ein kurzer Überblick über die Kündigungsgründe:

Kündigung des Bauvertrages wegen Insolvenz des Auftragnehmers gemäß § 8 Abs. 2 VOB/B

Es war lange Zeit umstritten, ob nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung die Rechtsprechung das in § 8 Abs. 2 VOB/B vorgesehene Kündigungsrecht des Auftraggebers akzeptiert. Maßgebliche Baurechtler hatten sich dagegen ausgesprochen. Wie wir in der Juni-Ausgabe der Neuen Landschaft ausführlich berichtet haben, hat der BGH in einer viel beachteten Entscheidung vom 07.04.2016, Az. VII ZR 56/15 eine Kündigung des Auftraggebers nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B bei Beantragung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Auftragnehmers ausdrücklich als wirksam und nicht als unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers angesehen. Das heißt, sobald ein Auftragnehmer beim zuständigen Insolvenzgericht (regelmäßig Amtsgericht) einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen stellt, kann der Auftraggeber nach § 8 Abs. 2 VOB/B den Vertrag mit dem Auftragnehmer kündigen, ohne dass man noch abwarten muss, ob das Insolvenzgericht tatsächlich durch Beschluss dem Antrag entspricht oder ihn vielleicht auch mangels Masse zurückweist. Die Entscheidung des BGH ist nach Meinung des Verfassers auch sachgerecht, weil einem Auftraggeber es nicht zuzumuten ist, bei einem laufenden Bauvertrag Monate abzuwarten, wie das Insolvenzgericht über das Schicksal des Auftragnehmers entscheiden wird, zumal es Praxis der Gerichte ist, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens kaum vor Ablauf von drei Monaten zu entscheiden. Insbesondere bedarf es aufgrund der Bestimmungen der VOB auch keiner Fristsetzung gegenüber dem (vorläufigen) Insolvenzverwalter oder der Gemeinschuldnerin betreffend die Fortsetzung der Arbeiten. Alleine die Insolvenzanmeldung durch den Auftragnehmer ist wichtiger Grund genug, dass der Auftraggeber das Vertragsverhältnis fristlos kündigen kann.

Kündigung des Bauvertrags nach § 8 Abs. 3 VOB/B

Die Kündigungsmöglichkeit nach § 8 Abs. 3 VOB/B nimmt Bezug auf § 4 Abs. 7 und 8 VOB/B sowie auf § 5 Abs. 4 VOB/B. Kommt der Auftragnehmer mit seiner Pflicht zur Beseitigung eines Mangels, den der Auftraggeber bereits während der Ausführungszeit als mangelhaft oder vertragswidrig erkannt und gerügt hat, nicht nach, so kann ihm der Auftraggeber eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels setzen und erklären, dass er ihm nach fruchtlosem Ablauf der Frist den Auftrag kündigt (§ 8 Abs. 3 VOB/B). Bei der Kündigungsandrohung werden in der Praxis selbst von Juristen, die nicht Tag für Tag mit der VOB zu tun haben, nur schwer wieder gutzumachende Fehler begangen. So hat zum Beispiel in einem vom OLG Oldenburg entschiedenen Fall ein Auftraggeber an den Auftragnehmer wie folgt geschrieben:

"Wir fordern Sie letztmalig auf, sich bis zum ... darüber zu erklären, ob Sie Ihren Vertragspflichten nachkommen wollen. Sollte dies nicht der Fall sein, müssen Sie mit vollständiger Auftragsentziehung rechnen."

Das OLG Oldenburg hat dieses als Fristsetzung nach § 4 Abs. 7 VOB/B beabsichtigte Schreiben zu Recht als nicht ausreichend und damit als keine taugliche Kündigungsandrohung angesehen. Ähnlich vage Formulierungen sind in der Vergangenheit von zahlreichen Oberlandesgerichten zurückgewiesen worden. Nach deren Meinung muss die Androhung den eindeutigen, unmissverständlichen Willen des Auftraggebers enthalten, die Leistungen nach erfolglosem Ablauf der Frist nicht mehr anzunehmen. Es reicht daher grundsätzlich nicht aus, bloß anzukündigen, dass mit einer Auftragsentziehung zu rechnen sei. Die untaugliche Kündigungsandrohung führt grundsätzlich dazu, dass die darauf gestützte Auftragsentziehung unwirksam ist. Auch der in Anwaltskreisen oft verwandte Satz "man werde seiner Partei empfehlen, nach Ablauf der Frist das Vertragsverhältnis zu kündigen" reicht nicht aus und führt im schlimmsten Fall dazu, dass der Auftraggeber aufgrund der Formulierung seinen Rechtsanwalt wegen des eingetretenen Schadens in Regress nimmt.

Kündigung wegen Verstoßes gegen die Nachunternehmer-regelung der VOB/B

Nach § 4 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B hat der Auftragnehmer seine Leistungen im eigenen Betrieb zu erbringen. Geschieht dies ohne schriftliche Zustimmung des Auftraggebers nicht, obwohl der Auftragnehmerbetrieb darauf eingerichtet ist, kann der Auftraggeber ihm eine angemessene Frist zur Aufnahme der Leistungen im eigenen Betrieb setzen unter Androhung, dass man ihm nach fruchtlosem Ablauf der Frist den Auftrag entziehen werde. Gegen diese Nachunternehmerregelung in der VOB wird in der Praxis häufig verstoßen. Nicht ohne Grund wurde mit der Ausgabe der VOB Fassung 2016 in § 4 Abs. 8 eine neue Nr. 3 aufgenommen, wonach der Auftragnehmer dem Auftraggeber spätestens bis zum Leistungsbeginn des Nachunternehmers unaufgefordert den Namen, die gesetzlichen Vertreter und die Kontaktdaten des Nachunternehmers und dessen Nachnachunternehmer bekanntzugeben hat. Verstößt ein Auftragnehmer gegen diese Regelung trotz Aufforderung des Auftraggebers, steht diesem ein fristloses Kündigungsrecht zu. Im Baubereich gibt es allerdings zwischenzeitlich diverse Firmen, die so gut wie gar keine gewerblichen Arbeitnehmer mehr haben und dementsprechend permanent gegen die Nachunternehmervorschrift der VOB verstoßen, ohne dass sie auch nur im geringsten den Auftraggeber über diesen Umstand informieren.

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Nach § 4 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B hat der Auftragnehmer seine Leistungen im eigenen Betrieb zu erbringen. Foto: Moritz Lösch/Neue Landschaft
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Der Auftragnehmer muss keinesfalls besondere Zusagen oder Garantien gegeben haben, dass er den Kostenvoranschlag nicht überschreitet. Foto: Moritz Lösch/Neue Landschaft
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Bei einer freien Auftraggeberkündigung kann der Auftragnehmer seinen Werklohn grundsätzlich in voller Höhe der vereinbarten Vergütung verlangen. Foto: Uwe Schlick/pixelio.de

Kündigung wegen wettbewerbswidriger Abrede gemäß § 8 Abs. 4 VOB/B

Nach der Vorschrift kann ein Auftraggeber nach Bekanntwerden des Kündigungsgrundes innerhalb von zwölf Werktagen den Bauvertrag kündigen, wenn ein Auftragnehmer aus Anlass der Vergabe eine Abrede getroffen hat, die eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellt. Hierunter fallen zum Beispiel Preisabsprachen, verabredete Nichtabgabe von Angeboten zum Schutz anderer Anbieter. Auch auf diesen Kündigungsgrund soll nur der Vollständigkeit halber hingewiesen werden, ohne hierauf näher einzugehen. Die Bestimmung des § 650 BGB ist aus unverständlichen Gründen bei Auftraggebern nur wenig bekannt. Aus diesem Grund soll die Vorschrift hier kurz zitiert werden:

"(1) Ist dem Vertrag ein Kostenanschlag zugrunde gelegt worden, ohne dass der Unternehmer die Gewähr für die Richtigkeit des Anschlags übernommen hat, und ergibt sich, dass das Werk nicht ohne eine wesentliche Überschreitung des Anschlags ausführbar ist, so steht dem Unternehmer, wenn der Besteller den Vertrag aus diesem Grund kündigt, nur der im § 645 Abs. 1 bestimmte Anspruch zu.

(2) Ist eine solche Überschreitung des Anschlags zu erwarten, so hat der Unternehmer dem Besteller unverzüglich Anzeige zu machen."

Mit § 650 BGB will der Gesetzgeber den Auftraggeber schützen, wenn er von einem Auftragnehmer einen Kostenvoranschlag für werkvertragliche Leistungen erhalten hat und die Überschreitung des Kostenvoranschlags für das Werk aus dem Risikobereich des Auftragnehmers kommt. Der Auftragnehmer muss keinesfalls besondere Zusagen oder Garantien gegeben haben, dass er den Kostenvoranschlag nicht überschreitet. Nach Gesetz steht dem Auftraggeber ein Kündigungsrecht zu, wenn der Kostenvoranschlag wesentlich überschritten wird. Eine allgemein gültige Prozentzahl, ab welcher eine wesentliche Überschreitung gegeben ist, lässt sich kaum angeben, da es sehr auf den Einzelfall ankommt. In diversen Urteilen, die mir vorliegen, haben Gerichte zum Teil schon ab zehn Prozent der Überschreitung ein Kündigungsrecht angenommen. Andere haben auf alle Fälle das Recht der Kündigung bei maximal 25 Prozent der Überschreitung der Auftragssumme angenommen.

Zu beachten ist bei dieser Vorschrift, dass das Kündigungsrecht entfällt, wenn der Auftraggeber die Überschreitung des Kostenvoranschlags kannte oder wenn die Überschreitung ausdrücklich auf seinen Weisungen und seinen Wünschen beruhte. Den Vertragsparteien sei bei Anwendung der Vorschrift dringend angeraten, sich bei Überschreitung der Kostenvoranschlagssumme juristischen Rat einzuholen, da eine unberechtigte Kündigung nach § 650 BGB dazu führen kann, dass die Gerichte stattdessen eine freie Kündigung mit allen Folgen annehmen.

In einem der nächsten Beiträge werde ich auf die auftragnehmerseitigen Kündigungsmöglichkeiten - insbesondere § 9 VOB/B - eingehen.

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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