GaLaBau und Recht: Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Verspäteter Baubeginn und seine Folgen

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Immer wieder gibt es zwischen den Vertragsparteien Streit, wann ein Unternehmer mit den von ihm übernommenen Arbeiten zu beginnen hat. Mit einer solchen Frage musste sich das Oberlandesgericht Köln (Az. 19 U 131/21, Urteil vom 31.01.2022) befassen, weil ein Auftraggeber den Werkvertrag mit der Begründung kündigte, der Unternehmer habe mit seinen Leistungen nicht pünktlich begonnen. Die Kündigung nahm der Unternehmer nicht hin, so dass es zu einem Rechtsstreit über zwei Instanzen kam.
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Streitpunkt Baustelle: Immer wieder gibt es Auseinandersetzungen, wann ein Unternehmer mit den von ihm übernommenen Arbeiten zu beginnen hat. Foto: SKatzenberger, Adobe Stock

Der Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Vertragsparteien hatten einen Vertrag geschlossen, in dem es in den besonderen Vertragsbedingungen heißt, dass "die Arbeiten am 14.05.2018 zu beginnen und bis zum 16.06.2018 fertigzustellen sind".

Entgegen der Vorstellung des öffentlichen Auftraggebers tat sich am 14.05.2018 auf der Baustelle nichts, auch nicht an den nächsten Tagen. Nach einer knappen, aber angemessenen Frist, kündigte der Auftraggeber nach Fristablauf daraufhin den Vertrag. Der Unternehmer konnte allerdings nachweisen, dass er am 14.05.2018 außerhalb der Baustelle in seinem Betrieb mit Vorbereitungs- und Planungsarbeiten begonnen hatte. Ob dies ausreichte, war Gegenstand der Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln.

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Das Oberlandesgerichts Köln sieht eine vertragliche Vereinbarung über den Baubeginn darin, dass der Unternehmer auf der Baustelle seine Tätigkeit aufnimmt, beispielsweise durch Einrichtung der Baustelle. Foto: 1971markus@wikipedia.de, CC BY-SA 4.0, Wikimedia Commons

War die Kündigung des Vertrages rechtens?

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln: Das Gericht sieht eine vertragliche Vereinbarung über den Baubeginn darin, dass der Unternehmer auf der Baustelle seine Tätigkeit aufnimmt, zum Beispiel durch Einrichtung der Baustelle. Nach Meinung des Gerichts, muss sich für den Auftraggeber auf der Baustelle irgendeine Tätigkeit des Unternehmers sichtbar zeigen, was nach Baubeginn aussieht.

Wenn ein Unternehmer aus Kapazitätsgründen eine Baustelle eigentlich nicht pünktlich besetzen kann, muss er zumindest an der Baustelle schon so viel unternehmen, dass man einen Baubeginn annehmen kann. Vorbereitungshandlungen des Unternehmers in seiner Firma und nicht auf der Baustelle, wie zum Beispiel eigenständige Planungsleistung etc. reichen nicht aus. Sie müssen auf alle Fälle bereits vor dem eigentlich bestimmten Beginn getätigt sein. So hat dies auch das Oberlandesgericht Düsseldorf in einer Entscheidung vom 25.07.2019 (Az. 23 U 126/18) gesehen.

Anders ist die Situation allerdings dann, wenn der Unternehmer in seinem Betrieb nachweislich schon zu dem Baubeginn vorgesehenen Tag Bauteile herstellt, die sodann in das Bauwerk einzubauen sind (so oft bei Schlosserarbeiten). Es empfiehlt sich dann allerdings, den Auftraggeber von dem Beginn solcher Arbeiten zu verständigen und diese ggf. zu dokumentieren (Fotos). Im Fall des Oberlandesgerichts Köln hat das Gericht wohl zu Recht zugunsten des Auftraggebers entschieden und damit die Kündigung als wirksam bestätigt.

Nach dem Sachverhalt war auf der Baustelle von einem Baubeginn nichts zu sehen. Nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln muss der Unternehmer ggf. sogar Schadenersatz für die Mehrkosten der Ersatzvornahme zahlen.

Unbestimmte Termine für den Beginn der Arbeiten

Interessant sind zwei weitere Entscheidungen des Oberlandesgerichts Hamm (Az. 21 U 10/20 vom 07.09. 2021) und des Oberlandesgerichts Hamburg (Az. 4 U 54/22 vom 23.02.2023).

Bei der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm ging es um die Herstellung, Lieferung und Montage von circa 300 Fenstern für die Sanierung eines denkmalgeschützten alten Kasernengebäudes. Wegen nicht absehbarer Vorarbeiten sah der Vertrag keine Ausführungstermine vor.

Nachdem er den Auftrag erhalten hat, beginnt der Unternehmer mit seinen Arbeiten. Aus unterschiedlichen Gründen kam es zu Behinderungen, so dass sich die Leistung des Unternehmers um circa fünf Monate verzögerte. Als es um die Bezahlung der Schlussrechnung ging, behält der Auftraggeber 180.000 Euro als Schadenersatz für die Verzögerungen ein. Der Unternehmer lässt sich das nicht gefallen und klagt seinen restlichen Werklohn bei Gericht ein. Er beruft sich darauf, die Ausführungstermine seien im Vertrag nur Circa-Zeiten gewesen und in keiner Weise kalendermäßig fest bestimmt. Er beruft sich darauf, dass im Vertrag gerade Circa-Termine für die Ausführung der Leistung vorgesehen waren, weil der Auftraggeber zeitlich nicht abschätzen konnte, ob und wann er seine Mitwirkungshandlungen erfüllen kann. Mahnungen mit entsprechenden Fristsetzungen hatte der Auftraggeber keine vorgenommen.

Da es für den Unternehmer keine verbindlichen Ausführungstermine im Vertrag gab und er auch nicht vom Auftraggeber gemahnt wurde, ist er auch mit seinen Leistungen nicht in Verzug geraten. Mangels eines Verzuges war dementsprechend der Auftraggeber nicht berechtigt, Schadenersatzansprüche gegenüber dem noch ausstehenden Werklohn geltend zu machen. Der Unternehmer hat den Rechtsstreit deshalb voll gewonnen.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg: In einem Vertrag, bei dem es um die Verlegung von hochwertigen Naturstein- und Bodenfließen ging, war die Formulierung als Leistungsbeginn vorgesehen: "Voraussichtlich 01.04.2020". Am 09.04.2020 rief der Auftraggeber die Leistung des Unternehmers zum 20.04.2020 ab. Nach einem Zwischenstreit wegen Änderungen, die später keine Rolle mehr spielten, setzte der Auftraggeber schließlich dem Unternehmer eine letzte Nachfrist zum 06.05.2020, um mit den Arbeiten zu beginnen. An diesem Tag erschien lediglich eine Person eines Nachunternehmers. Ob diese Person Arbeitsausrüstung mit sich führte, wurde wohl nicht endgültig geklärt. Eine Nachunternehmergenehmigung des Auftraggebers war vom Unternehmer nie verlangt worden und lag dementsprechend auch nicht vor. Der Vertrag sah allerdings vor, dass die Baustelle mit vier bis zehn Arbeitskräften täglich zu besetzen ist. Nach Ablauf der Nachfristsetzung kündigte sodann der Auftraggeber das Vertragsverhältnis.

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Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg zeigt mit aller Deutlichkeit, dass in einem Vertrag vereinbarte, voraussichtliche Termine sehr schnell zu einem späteren Zeitpunkt verbindlich werden können. Foto: Christoph Braun – Eigenes Werk, CC0 1.0, Wikimedia Commons

Die Entscheidungsgründe des Oberlandesgerichts Hamburg

Nach der Entscheidung des Gerichts, ist ein voraussichtlicher Beginn zum 01.04.2020 kein verbindlicher Vertragstermin. Nachdem die Parteien unstreitig wirksam die VOB vereinbart hatten, gilt allerdings § 5 Abs. 2 VOB/B.

Nach der Bestimmung kann der Auftraggeber die Leistung des Unternehmers entsprechend abrufen, was im vorliegenden Fall auch geschah. Aufgrund der Nachfristsetzung zum 06.05.2020 waren auch die Voraussetzungen für die Kündigung durch den Auftraggeber erfüllt, wenn nicht an diesem Tag der Unternehmer mit seinen Leistungen begonnen hätte. Da an diesem Tag lediglich eine Person eines nicht genehmigten Nachunternehmers erschien und eigentlich vier bis zehn Arbeitskräfte die Baustelle gemäß Vertrag hätte besetzen müssen, sieht das Gericht die Kündigung des Auftraggebers als wirksam an.

Das Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg zeigt mit aller Deutlichkeit, dass voraussichtliche Termine sehr schnell zu einem späteren Zeitpunkt verbindlich werden können. Die Bestimmung des § 5 VOB/B, die den Auftraggeber bestimmen lässt, wann der Unternehmer mit seinen Arbeiten zu beginnen hat, ist unter Umständen ein scharfes Schwert.

Wer einen Vertrag mit einer unsicheren Terminlage schließt, muss bei der wirksam vereinbarten VOB so organisiert sein, dass er auf den Leistungsabruf des Auftraggebers entsprechend reagieren kann. Ist dies nicht der Fall, muss der Unternehmer mit einer Inverzugsetzung oder sogar einer Kündigung des Vertrages mit allen sich daraus ergebenden negativen Konsequenzen (z. B. Schadenersatz) rechnen.

Die Regelungen des § 5 VOB/B sollten beachtet werden

Bei Verträgen mit öffentlichen Auftraggebern, die vertraglich keinen Ausführungsbeginn der übertragenen Arbeiten vorsehen, sollte man stets überprüfen, ob die VOB/B wirksam vereinbart ist. Anders als beim BGB-Vertrag sieht die VOB in § 5 VOB/B Regelungen über die Ausführungsfristen vor.

Fehlt es an einer Ausführungsfrist im Vertrag oder ist nur ein unbestimmter Zeitraum genannt, so hat der Auftragnehmer das Recht, vom Auftraggeber Auskunft über den voraussichtlichen Beginn der Arbeiten zu verlangen. Nach der Bestimmung des § 5 Abs. 2 VOB/B kann der Auftraggeber den Unternehmer auffordern, binnen einer Frist von zwölf Werktagen mit den Arbeiten zu beginnen. Der Unternehmer muss also so organisiert sein, dass er innerhalb von zwölf Werktagen bereit ist, mit seinen Arbeiten zu beginnen.

Kommt der Auftragnehmer der Aufforderung des Auftraggebers nicht nach, so kann der Auftragnehmer, bei Aufrechterhaltung des Vertrages, Schadenersatz nach § 6 Abs. 6 VOB/B verlangen oder dem Auftragnehmer eine angemessene Frist zur Vertragserfüllung setzen und erklären, dass er nach fruchtlosem Ablauf der Frist, den Vertrag kündigen werde (§ 5 Abs. 4 VOB/B). Die Rechtsfolge ergibt sich dann aus § 8 Abs. 3 VOB/B, d. h. insbesondere Ersatzvornahme mit allen sich daraus für den Unternehmer ergebenden negativen rechtlichen Folgen.

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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