Pflanzenverwendung

Nachhaltige Pflanzungen für urbane Räume im Klimawandel

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Zwischen Anpassung an den Klimawandel, Naturschutz und ästhetischen Ansprüchen¹: Seit meiner Berufung an die Universität Kassel 2005 experimentieren wir vor allem mit der Verwendung von Stauden in öffentlichen Freiräumen unter alltäglichen Nutzungsbedingungen. Da wir meistens im Bestand arbeiten, pflanzen wir selten Bäume und kümmern uns insbesondere um die defizitäre Krautschicht, häufig Reste von Bodendeckerpflanzungen, Mulchrasen oder kahler Boden unter Gehölzen.
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1. Goldregen in Feldhecke. Foto: Stefan Körner

Die zunehmende Trockenheit macht das immer schwieriger. Insbesondere die Dürre seit 2018 hat dazu geführt, dass im Kasseler Umland nicht nur großflächig Fichten absterben, sondern auch andere Bäume, wie die Buche. In der Stadt nimmt der Trockenstress ebenfalls zu, dort sind zum Beispiel zunehmend Hainbuchen abgängig. Andere Arten tauchen neu auf, wie Feigen in Kellerschächten oder Goldregen in Feldhecken, Lavendel auf einem Trockenrasen, wahrscheinlich angesalbt und sich seitdem ausbreitend. Rosen blühen noch an Weihnachten und auch Immergrüne profitieren von milderen und feuchteren Wintern, was, wie bei Misteln oder potentiell invasiven Kirschlorbeeren, nicht unproblematisch ist.

Auf diese Situation wird in der Pflanzenverwendung vor allem mit einer Debatte über die Verwendung neuer Baumarten für urbane Verwendungen reagiert. Doch machen wir auch die Beobachtung, dass Arten, denen man wenig Zukunftschancen einräumt, wie etwa der Bergahorn, mitunter gut gedeihen. In unserem Hof steht ein großes Exemplar, das spontan auf einem Mauerrest gekommen ist. Man müsste nachgraben, um feststellen zu können, ob er von einer undichten Wasserleitung profitiert und ob es gar eine Abwasserleitung ist, denn dann würde er auch noch gedüngt. Da er auf dem Standort keimte, hat er sich erstens von Anfang an anpassen können und zweitens könnte es sich auch um ein Individuum mit passenden genetischen Eigenschaften handeln. Diese innerartliche genetische Varianz, die zur Ausrbildung resistenter Typen führen könnte, wird leider, anders als in der Forstwirtschaft, viel zu wenig diskutiert.

Die genetische Ausstattung und die Herkunft der Arten spielt nicht nur wegen ihrer Adaption an bestimmte Umweltverhältnisse eine Rolle, sondern auch im Hinblick auf die weltweite Biodiversitätskrise. Mittlerweile gehen sogar in den als artenreich geltenden urbanen Räumen selbst ganz gewöhnliche Arten in ihrer Verbreitung zurück, wie etwa der Haussperling. Während die einen aber ihre Gärten immer stärker ausräumen und mit Schotter bedecken, hat im Gegenzug das Erschrecken vor allem über das sogenannte Insektensterben dazu geführt, dass die Forderung laut wurde, wieder mehr heimische Pflanzen zu verwenden und nicht mehr so akribisch zu pflegen, es also "einfach mal wachsen zu lassen". Ornitho- und Entomologen raten zudem dringlich, Gärten wieder naturnäher mit heimischen Wildarten zu gestalten, teilweise auch verbunden mit der Idee, wieder mehr robustes Obst in die Pflanzungen zu integrieren, also den Garten nicht mehr als einen reinen Ziergarten zu betrachten.²

Das Ideal ist eine Vegetation, die vielfältig ist, sich zum Teil selbst stabilisiert und daher mit überschaubarem Aufwand gepflegt werden muss. Dabei wird vor allem der Aspekt des Artenschutzes diskutiert, dass aber die Vegetation auch resilient gegenüber dem Klimawandel sein muss, spielt eine untergeordnete Rolle. Wir versuchen, beides zu verbinden. Dabei sind vier Aspekte relevant:

  • die Vegetationsstruktur,
  • die Substrate,
  • die Pflege und
  • die Arten.

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2. a) Brachepark vor Ansaat 2015. Foto: Stefan Körner
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2. b) Brachepark 2022. Foto: Stefan Körner
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3. Abfolge der Nutzungsintensitäten – Pflaster mit Fugenvegetation, Trittrasen, Saum, Gehölz an Fassade. Foto: Stefan Körner
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4. Beet mit robusten Zierstauden. Foto: Stefan Körner
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5. a) Pflanz- und Saatfläche auf nährstoffarmen Lehm. Foto: Stefan Körner
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5. b) Türkenmohn 'Beauty of Livermere', makedonische Knautie (gepflanzt) und Futteresparsette (gesät). Foto: Stefan Körner
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6. Starke Vergrasung durch nährstoffreiches Substrat, Erlenmatt Siedlung, Basel. Foto: Stefan Körner

1. Vegetationsstruktur

Die Vegetationsstruktur ist zentral beim Aufbau eines vielfältigen und hohe Temperaturen puffernden Grüns. Sie setzt sich aus verschiedenen Lebensformen, d. h. aus Bäumen, Sträuchern und krautiger Vegetation, zusammen. Diese Struktur sollte möglichst abwechslungsreich sein, um nicht nur zu kühlen, sondern auch noch andere Funktionen erfüllen zu können, wie Strukturierung des Freiraumes, Prägung seines ästhetischen Charakters, Nahrungs- und Unterschlupfangebot für Tiere. Dabei ist es für viele von Pflanzen abhängige Lebewesen zwar wichtig, dass eine Art heimisch ist, gerade bei spezialisierten Arten – ohne Kreuzdorn oder Faulbaum zum Beispiel kein Zitronenfalter als Frühlingsbote im Garten. Doch muss man auf urbanen Extremstandorten um jeden Baum froh sein, der dort überhaupt noch wächst, auch wenn er vielleicht ein Exot ist. Dieses Wort ist aber ebenso wenig wie heimisch exakt definiert: Manchmal wird unter "heimisch" standortheimisch verstanden, sodass die Arten autochthon und schon seit undenklichen Zeiten vorhanden sein müssen, oder es wird als europäisch ausgelegt, was bedeutet, dass auch südeuropäische Arten akzeptiert werden und damit eine in Zeiten des Klimawandels wichtige Einwanderung aus biogeografisch benachbarten Räumen. "Exoten" kommen dagegen von anderen Kontinenten. Manche Arten fremder Herkunft werden hingegen ebenfalls fraglos als heimisch empfunden, wie die sehr geschätzten alten Obstsorten – der Kulturapfel stammt aber beispielsweise von dem über die Seidenstraße eingeführten Malus sieversii ab. Bei Wandbegrünungen kann man zudem kaum auf autochthone Arten zurückgreifen. Das ist nicht notwendig schädlich, denn gerade Wilder Wein bietet in der Blüte sehr viel Nektar und im Herbst dann auch Früchte für Vögel sowie geschützte Brutplätze. Insofern kann man sagen, dass in der Regel als heimisch empfunden wird, was eine wichtige Funktion erfüllt und standorttypisch geworden ist, sodass es nicht nur kulturell integriert wird, sondern Biotopcharakter annimmt.

Laut einem naturschutzfachlichen Gutachten3 über die von uns angelegten Flächen gibt es auf dem Kasseler Campus 56 Wildbienenarten, darunter auch Neufunde in Kassel. Viele davon kommen im sogenannten Brachepark vor, der vor allem von einzelnen spontanen strauchartigen Robinien (Nordamerika) bestanden ist und von uns vorwiegend mit Wildkräutern angesät wurde. Die Robinien sind nicht nur in der Blüte Trachtpflanzen für die Honigbiene, sondern dienen u. a. Turmfalken, Stieglitzen und Bluthänflingen, letztere im Siedlungsraum selten, als Ansitze. Dort spähen sie nach Beute oder schauen, ob in den umgebenden Wildstaudenfluren "die Luft rein ist". Neben der Gehölzstruktur (Einzelbäume, Alleen, Baumreihen, Baum- und Strauchgruppen, Hecken) ist also die Ausprägung einer bodendeckenden blüten- und samenreichen Krautschicht besonders wichtig. Diese kann sich als mehr oder weniger schmale Wildstaudensäume entlang von Hecken, Gebäudefassaden und Mauern ausprägen, als halboffene, d. h. savannenähnliche Situationen mit wiesenartigen bis ruderalen Beständen oder als bodendeckende Krautschicht unter Gehölzen.

Die Vögel im Siedlungsraum benötigen zudem dichte Gebüsche oder nischenreiche Fassaden. Letztere werden an Neubauten oder durch Gebäudesanierungen immer seltener. Manche Vogelarten, wie Drosseln, sind wiederum auf kurze Rasen zur Nahrungsaufnahme angewiesen. Rasen hat jedoch erheblich mit dem Klimawandel zu kämpfen. Doch gibt es eine Alternative: Seit den 1980er Jahren existieren an einigen Stellen der Universitätsstandorte in Kassel spontan aufgekommenen krautreichen Trittrasen auf ehemals wassergebundenen Decken, die sehr resilient sind. Man benötigt also ein möglichst breites Spektrum an Strukturen und Pflanzenarten, wenn man Artenvielfalt fördern will und dabei wird es immer wieder auch zu überraschenden Anpassungen kommen, wie etwa bei der Bachstelze, die in Nischen auf Dächern brütet.

"Ziergrün" ist in diesem Kontext nicht per se "naturfern", denn es kann in eine abwechslungsreiche Vegetationsstruktur eigebunden werden. Bei uns finden robuste Zierstauden vor allem in repräsentativeren Beeten zum Beispiel an Eingangssituationen auf dem Campus Verwendung, auch dort vermischt mit eingewanderten Wildstauden, oder auch in manchen Säumen.4

Als Faustregel gilt: Je größer der Ziercharakter einer Art und je limitierter der Platz, desto eher wird man pflanzen, weil Sorten oft nicht samenecht sind oder man es – teilweise auch bei Obstgehölzen – mit Veredelungen zu tun hat. Man kann auch besser die Positionierung der Einzelpflanze bestimmen, um bestimmte ästhetische Wirkungen zu erzielen oder zu verhindern, dass eine hohe Staude ganz vorne am Rand steht und in den Weg hängt. Je mehr Raum zur Verfügung steht und je landschaftlicher die Situation, desto eher wird man säen. Man kann beide Techniken aber auch miteinander kombinieren.

2. Substrate

Mit der Rolle der wassergebundenen Decken ist schon angedeutet, dass die Substrate neben der Exposition der Flächen nicht nur die Arten bedingen, die auf ihnen wachsen können, sondern maßgeblich auch die Pflegebedürftigkeit der Ansaaten und Pflanzungen. Denn Nährstoffarmut reduziert die Wüchsigkeit und damit die anfallende Biomasse, für die es in städtischen Kontexten keine Verwendung gibt und die dann abgefahren werden muss.5 Gerade thermophile Wildstauden blühen dennoch üppig. Sie brauchen keine "gute Erde", also keinen Humus! Schwierig wird es nur, wenn das Material auf der Fläche liegen bleibt (vgl. Pkt. 3). Zu empfehlen ist daher, bei Neuanlagen auf den Einbau nährstoffreichen Oberbodens zu verzichten. Zu groß ist auch die Gefahr, dass man sich Wurzelunkräuter einträgt. Dennoch bemühen wir uns aber immer auch, mit dem vorhandenen Boden zu arbeiten.

Dann aber, wenn ohnehin neues Substrat eingebaut wird, verwenden wir häufig Schottersubstrate aus lokalen Gesteinen (Basalt, Kalk, Sandsteinquarzit, 0/32), die sich auf dem Campus ebenfalls seit den 1980er Jahren bewährt haben. Auch wassergebundene Decken haben wir erfolgreich mit robusten Zierstauden und thermophilen Arten bepflanzt und eingesät. Man könnte auch humusarmen Lehm oder Sand mit Nullanteilen verwenden. Beides ist vor allem in sonnigen Lagen ideal für die meisten Wildbienen, weil sie ihre Niströhren im Boden anlegen. Unsere Pflanzenempfehlungen gelten vor allem für die genannten Schotter und Lehme. Auf Sanden herrschen zum Teil andere Pflanzenarten vor, aber auch ein Teil der unter Pkt. 4 genannten.

3. Pflege

Der Druck, Pflegekosten zu minimieren, ist groß. Die Baumpflege ist akzeptiert aber bei den krautigen Beständen wird zum Beispiel intensives Jäten kaum noch in Erwägung gezogen. Damit werden die Mahdzyklen zur Erhaltung bestimmter Vegetationstypen zentral.6

  • Nährstoffarme Substrate wie Schotter, wassergebundene Decken oder Trittrasen müssen nur einmal im Jahr gemäht werden. Der März wäre als Zeitpunkt optimal, da bis dahin die Vögel die Samenstände abgeerntet und Wildbienen Quartiere in hohlen Stengeln verlassen haben. Jedoch treiben mittlerweile viele Pflanzen wesentlich früher aus, sodass teilweise schon im Januar geschnitten werden muss, wenn die Neuaustriebe nicht zertrampelt werden sollen. Dies gilt insbesondere dann, wenn in einer Fläche Vorfrühlingsblüher (Geophythen wie Schneeglöckchen oder Krokusse) vorkommen.
  • Die unvermeidliche Nährstoffakkumulation im Laufe der Jahre durch Hundekot, Laub, Müll und Luftstickstoff führt dazu, dass zu einer Wiesenmahd übergegangen werden muss, auch bei alten Säumen.7 Allerdings ist es etwas unlogisch, einen schmalen Saum als etwas zu behandeln, was er nicht ist, nämlich eine flächige Wiese. Daher sollte darüber nachgedacht werden, den zunehmend entstehenden nitrophilen Saum mit anderen Hochstauden anzureichern. Das kann auch Zierstauden einschließen (siehe Pkt. 4).
  • Wiesenmahd findet zweimal im Jahr statt. Daher lassen sich große Flächen nur dauerhaft offen und artenreich erhalten, wenn sie als Wiesen behandelt werden. Das ist vor allem für Wildbienen wichtig, weil sie warme Bereiche mit nicht dicht geschlossener Bodenvegetation benötigen oder auch für manche Wildpflanzen, die Lücken zur Wiederaussaat brauchen. Am besten wird dann nach der Sommerblüte gemäht – bei uns im August – und dann das Jahr mit dem zweiten Schnitt im November abgeschlossen. Dabei kann mit dem Schnittgut gleichzeitig Laub aufgenommen werden, damit es nicht zu einer Rückdüngung und Verfilzung kommt.
  • Auch ein herkömmlich gepflegtes Staudenbeet auf lehmigen oder sandigem Substrat, das Lücken aufweist, ist für das Anlegen von Erdröhren sehr gut. Mineralmulch, den wir aus Gründen der Pflegeleichtigkeit ebenfalls gerne verwenden, verhindert das allerdings.
  • Bei geringerer Mahdhäufigkeit kommt es nicht nur zur Anreicherung von Nährstoffen, sondern auch zur Verbrachung und eventuell einer Dominanz einzelner Arten, wie Brennnessel oder Goldrute, sowie zu Gehölzaufwuchs. Das kann man wollen. Dann ist nur eine Mahd alle paar Jahre notwendig. Brachen können diskontinuierlich "gestört" werden, ansonsten ist wichtig, dass die Maßnahmen auf einer Fläche regelmäßig und möglichst zum gleichen Zeitpunkt im Jahr durchgeführt werden.
  • Die häufigste Mahdfrequenz haben Rasen, je nach Nutzung und Wasserverfügbarkeit. Sollen sie sich zu kräuterreichen Blumenrasen entwickeln, ist, wie bei den anderen Typen, die Abfuhr des Schnittgutes unabdingbar. Sonst wird der Pflanzenbestand artenärmer und von ausläufertreibenden Arten, die sich unter dem Rasenfilz ausbreiten, dominiert, Wildbienen finden dann keine Kahlstellen für ihre Bauten. Mulchmahd ist zwar aus Kostengründen konkurrenzlos, sollte aber, wenn möglich, vermieden werden.
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7. Habichtskraut, Natternkopf und Taubenkropf-Leimkraut auf über 30 Jahre altem Ibbenbürener Quarzit. Foto: Stefan Körner
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8. Gealterter Wiesenbestand mit Futteresparsette und Wiesensalbei. Foto: Stefan Körner
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9. Spontaner Blumenrasen aus Rasenunkräutern. Foto: Stefan Körner
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10. Thermophiler Saum am Naturstandort, Nord-Piemont. Foto: Stefan Körner
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11. Angesäter Blumenrasen mit Karthäusernelke und Wiesensalbei auf wassergebundener Decke mit Trittspuren, Erlenmatt Siedlung, Basel. Foto: Stefan Körner
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12. Junger Saum mit Färberkamille, Wilder Möhre und Karde. Foto: Stefan Körner
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13. Felsennelke vor Oregano. Foto: Stefan Körner

4. Arten

Im Einzelnen bei uns bewährte Pflanzen der Trittrasen, Säume, Wiesen und Gehölze: Sicher ist eins, üppige Staudenpflanzungen, die auf viel Wasser und Nährstoffe angewiesen sind, aber auch Zierrasenanlagen aus wenigen Arten haben kaum noch eine Zukunft. Selbst Unkräuter wie Goldrute und Beifuß, die schnell in extensiv gepflegte Staudenpflanzungen eindringen, zeigten bei uns im Sommer 2023 Dürreerscheinungen. Doch kann man auf diese Situation reagieren. Wir haben über die Jahre beobachtet, was verschwindet oder kümmert, zum Beispiel viele Präriepflanzen, und was gedeiht, wie mediterrane Arten, Steppenpflanzen und solche des heimischen thermophilen Saums. Gegenüber gärtnerischen Mischpflanzungen aus Zierstauden, bei denen die Arten und Sorten in festgelegten Mengenanteilen und Stückzahlen pro Quadratmeter gepflanzt werden, haben Wildpflanzen nicht nur im Hinblick auf den Artenschutz Vorteile, sondern sie verbürgen auch eine gewisse Resilienz, weil sie sich nach Störungen wie Tritt oder Trockenstress wieder regenerieren können und sei es aus der Samenbank im Boden. Das können viele Zierstauden nicht. Was also hat sich bei uns bewährt?

Tritt- und Blumenrasen

Mittlerweile ist erwiesen, dass selbst die Fugenvegetation in Pflaster, also Trittrasen, eine das Kleinklima meliorierende Rolle spielt.8 Sie entstehen auch auf wassergebundenen Decken schnell dort, wo die Trittbelastung mäßig ist, um an den nicht betretenen Rändern in Säume überzugehen. Es beginnt meist zum Beispiel mit Vogelknöterich (Polygonum aviculare) und Einjährigem Rispengras (Poa annua), beides Arten, deren Samen der Haussperling sehr gerne frisst, um dann mehrjährigen Arten Platz zu machen, etwa Löwenzahn (Taraxacum officinale), dessen frischen Samen ebenfalls Spatzen und auch Stieglitze sehr schätzen.

  • Attraktiv ist der Mittlere Wegerich (Plantago media). Er zeigt Tritteinfluss beispielsweise auf Rasen an und hat im Gegensatz zu den anderen Wegericharten eine schöne weiße bis rosarote Blüte, die er auch im Baumschatten ausbildet. Zusammen mit Rasenunkräutern wie Gänseblümchen (Bellis perennis), Gewöhnliche Brunelle (Brunella vulgaris), Schafgarbe (Achillea millefolium), Hornklee (Lotus corniculatus) oder Kleines Habichtskraut (Hieracium pilosella) können bunte Blumenrasen entstehen.

Zweijährige (und Einjährige)

Ein- und zweijährige Arten, die in handelsüblichen "Blühwiesen"-Mischungen u. ä. dominieren, setzen wir Ansaatmischungen bei, damit schnell etwas blüht. Die Zweijährigen überzeugen oft durch auffällige Massenblüte wie beispielsweise Papaver rhoeas oder Daucus carota. Ab dem dritten Jahr gehen sie zurück. Sie besetzen dann später aus der Samenbank Stellen, die vorübergehend stark verändert (gestört) werden, sei es durch Tritt, Lagerung, Fahrzeuge oder ähnliches. Auf städtischen Flächen ist das die Normalität. Sie kommen also auch in vielen Rändern an Gebäuden etc. mit vor und sind bei Fassadensanierungen relevant.

  • Linum usitatissimum, Saatlein/Flachs (sehr gut für das erste Jahr auf fast jedem Substrat)
  • Papaver rhoeas, Klatschmohn (gut im ersten Jahr auf basischen Substraten wie Kalk, Basalt und kann auf Lehm; bei Sandboden oder Granit eher Papaver argemone)
  • Centaurea stoebe, Rispen-Flockenblume (zweijährig, beliebt bei Stieglitzen)
  • Daucus carota, Wilde Möhre (zweijährig, große Blüte, Futterpflanze Schwalbenschwanz, kommt immer wieder bei Lücken, etwa durch Trockenheit)
  • Berteroa incana, Graukresse (zweijährig, lange Blütezeit)
  • Echium vulgare, Natternkopf (zweijährig, zählt zu den beliebtesten Wildbienen-Pflanzen; Natternkopfmauerbiene)
  • Verbascum densiflora, Großblütige Königskerze (zweijährig, sehr auffällig und sehr beliebt bei Wildbienen, V. lychnitis und V. thapsus ebenfalls gut)
  • Dispsacus fullonum (und andere Arten der) Karde (zweijährig, wichtig nicht nur der Samenstand für Vögel, sondern auch die Blattachseln als Vogeltränke nach Regen)

Ein- und Zweijährige sät man am besten an. Dies kann man auch mit Stauden und Halbsträuchern praktizieren, vor allem mit den Wildarten. Doch kann man auch pflanzen und auf Selbstaussaat warten oder, wie erwähnt, beide Techniken kombinieren: Es werden die Stauden gepflanzt, die das Bild einer Anlage bestimmen sollen und dazwischen werden die Lückenfüller angesät.

Thermophile Arten

Sie sind generell sehr wertvoll und als trockenresistente unverzichtbar. Bitte prüfen, was in der eigenen Region standorttypisch ist. Folgende Arten haben sich auf unserem Kalkstein und Basalt sowie Lößlehm bewährt.9

  • Campanula rapunculoides, Ackerglockenblume (mit anderen Glockenblumen wie Campanula rotundifolia wichtig für bestimmte Wildbienen)
  • Origanum vulgare, Oregano (nach seinem Verblühen mähen wir die Säume häufig)
  • Dianthus carthusianorum, Kartäusernelke
  • Tanacetum corymbosum, Strauß-Margerite (sehr hübsch und robust, im Kasseler Umland selten, wächst und blüht sowohl auf vollsonnigen Standorten als auch in einem Buchenwald)
  • Salvia pratense, Wiesensalbei (zählt eigentlich zu den mageren Wiesen, hält sich auch in Säumen)
  • Onobrychis viciifolia, Futter-/Saatesparsette (prächtige Blüte, sehr robust, lässt sich auf purem Schotter aussäen, schnelle erneute Blüte nach Mahd, wird eigentlich zu den Magerrasen/-wiesen gezählt)
  • Lotus corniculatus, Hornklee (Futterpflanze des Gemeinen Bläulings. Dieser kam bei uns teilweise vor. Lotus blüht schnell wieder nach Schnitt und kann, weil polsterartig wachsend, auch gut in Blumenrasen verwendet werden. Nur sparsam den Mischungen beifügen, breitet sich stark aus.)
  • Centaurea jacea, Wiesenflockenbume und Centaurea scabiosa (halbreife Samen werden sehr gerne von Stieglitzen gefressen, die Art remontiert nach Schnitt zuverlässig)
  • Petrorhagia saxifraga, Felsennelke (für Extremstandorte, beispielsweise Dächer und Fugen, erobert bei uns wassergebundene Decken von Parkplätzen)
  • Salvia glutinosa, gelber Salbei (Eher unscheinbare gelbliche Blüte, doch sehr robust mit schönem großen Laub. Blüht auch im Schatten.)
  • Linum perenne, Dauerlein (Zeigt bei uns die zunehmende Trockenheit und Wärme an.)
  • alium verum, Echtes Labkraut (Wie der deutsche Name sagt, eigentlich auch eine alte Kulturpflanze, bildet sehr schöne gelbe Schleier aus.)
  • Silene vulgaris, Taubenkropf-Leimkraut (auf einer gealterten Wiese Begleiter von Wiesensalbei, trockenresistent, kommt gut auch in Pflasterfugen)
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14. Saatfläche mit Dauerlein und Steppensalbei. Foto: Stefan Körner
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15. Färberwaid und Klatschmohn erobern lückenhaften Rasen. Foto: Stefan Körner
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16. Wegwarte vor Zaun. Foto: Stefan Körner
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17. Spornblume und Büschelmargeritte in purem Schotter bei größter Trockenheit. Foto: Stefan Körner
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18. Mittelmeer- und Steppenwolfsmilch mit Steppensalbei, Purpurfenchel und Kugeldistel, im Hintergrund Roter Perückenstrauch. Foto: Stefan Körner
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19. Staudenbeet auf nährstoffreichem Oberboden mit Kerzen- und Buschknöterich. Hier wandern Brennnessel und Giersch ein. Foto: Stefan Körner
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20. Weiße Spornblume mit rotem Türkenmohn 'Beauty of Livermere'. Foto: Stefan Körner

Alte Kulturpflanzen

  • Anthemis tinctoria, Färberkamille (ein- zweijähig, eventuell starke Selbstaussaat)
  • Genista tinctoria, Färberginster (Halbstrauch, langfristig sehr durchsetzungsfähig)
  • Isatis tinctoria, Färberwaid (zweijährig, sehr zierend)
  • Saponaria officinalis, Seifenkraut (zuverlässiger Hochsommerblüher)
  • Hyssopus officinalis, Ysop (typisch für alpine Trockentäler, verwildert bei uns an manchen Standorten, Sommerblüte)
  • Evtl. Lavandula angustifolia (Kommt ebenfalls in alpinen Trockentälern wild vor, expandiert, wie erwähnt, auf einem Trockenrasen im Kasseler Umland. Auf richtige Pflege achten, also immer im Bereich der Nadeln zurückschneiden und nicht im alten Holz, liebt Kalkschotter.)

Wenn Staudenbeete oder Säume nur einmal im Jahr geschnitten werden, ruderalisieren sie zwangsläufig und es wandern entsprechende Arten ein. Auch hier gibt es attraktive Pflanzen, die wir in unsere Ansaaten/Pflanzungen einstreuen:

Heimische Ruderalpflanzen

  • Campanula trachelium, die Nesselblättrige Glockenblume kommt in schattigen und halbschattigen Situationen immer wieder vereinzelt vor (es gibt auch weißblühende Formen, die sich bei uns aber nicht durchsetzen konnten)
  • Cichorium intybus, Wegwarte (als Samenstand nicht sehr schön aber sehr beliebt bei Stieglitzen, blüht zuverlässig erneut nach Mahd, daher Samen bis in den Winter, auch bei Flockenblumen)
  • Rainfarn, Tanacetum vulgare (Wichtig für Rainfarnmaskenbiene, blüht zuverlässig wieder nach Mahd, muss nicht unbedingt angesät werden, kommt häufig von selbst. 'Crispum' ist eine alte, schwachwüchsigere Bauerngartensorte, die besser für Beete geeignet ist.)
  • Oenothera bienne, Nachtkerze (Ehemals nordamerikanisch mit eigener Artbildung in Europa, unsere Form ist ein Geschenk von Wolfram Kunick und großblumig, schwefelgelb. Lockt Nachtkerzenschwärmer an.)
  • Diplotaxis tenuifolia, Ausdauernde Rucola (Saatgut ist schwer zu beschaffen, lohnt sich aber wegen schöner später Blüte und ist essbar.)
  • Cirsium vulgare, C. arvense, Carduus nutans und andere Disteln (Zweijährig, sind bei Faltern und Bienen sehr beliebt, können in genutzten Freiräumen aber lästig werden und werden oft als Zeiger von Verwahrlosung betrachtet.)

Nitrophile Arten

  • Nitrophile Arten sind im urbanen Raum typisch, zum Beispiel an und unter Hecken. Daher ist das Aufkommen von Brennnesseln und vor allem Giersch kaum zu verhindern, wenn halb- und schattige Bereiche altern und sich Nährstoffe angereichert haben. Ihre Bekämpfung ist verlorene Zeit, wobei aber Brennnessel leicht zu jäten ist. Doch ist sie die wichtigste Futterpflanze der im urbanen Raum vorkommenden Prachtfalter, sodass wir sie auch deshalb, wenn möglich, dulden. Es muss dabei immer wieder abgewogen werden, wann die Bestände zu ungepflegt aussehen und die Akzeptanz leiden könnte. Außerdem gibt es viele eher unbekannte heimische Wildarten, die an gleicher Stelle ausgebracht werden können wie Taubnessel (Lamium album), Taumelkälberkopf (Chaerophyllum temulum) oder auch Schwarznessel (Ballota nigra) und Herzgespann (Leonurus cardiaca), Gelber Salbei (Salvia glutinosa), allesamt Bienenmagnete. Hinzu kommt beispielsweise Dryopteris filix-mas, Echter Wurmfarn.

Diese Säume kann man natürlich auch mit Zierarten anreichern, bei uns sehr bewährt:

  • Aster salignus, Weidenblättrige Aster (Bei uns in einer schönen großblumigen Variante. Sät sich stark aus.)
  • Hosta-Sorten
  • Polygonum amplexicaule 'Firetail', Kerzenköterich (Bis zum Frost blühend, sät sich bei uns sortenecht in feuchte Pflasterfugen aus.)
  • Aconogonon x fennicum 'Johanniswolke', Buschknöterich (Lange Sommerblüte, benötigt viel Platz, weil er tatsächlich die Größe und Breite eines Strauches erreicht.)

Weitere robuste Gartenpflanzen

Je nach Charakter einer Fläche, vor allem aber in Beeten, ergänzen wir die Wildblumen mit robusten Gartenpflanzen. Hier öffnet sich ein weites Feld für Versuche, das auch sehr selten gewordene und zum Teil sehr attraktive Wildpflanzen umfassen kann.¹0 Eigentlich sind diese mittlerweile die "Exoten". Beete sind nicht selten wegen der Pflegeleichtigkeit nur mit Rasen bestanden. Diesen ziehen wir ab und pflanzen, um dann die Fläche mit Mineralmulch abzudecken. Dies hat sich aus Gründen der Pflege sehr bewährt, ist aber nicht gut für Wildbienen, oder auch für Haussperlinge, die Staubbäder benötigen. Man muss also im Hinblick auf die Pflege abwägen. Vor allem folgende Arten haben sich gut etabliert:

  • Cerastium tomentosum, Filziges Hornkraut (mediterrane Art, bewährt auf Mauern, immergrün)
  • Centaurea montana (montane Art, bei uns im Habichtswald angeblich heimisch, Vorkommen auch in der Rhön, alte Gartenpflanze, wird oft mit Kornblume verwechselt, blüht auch im Schatten, erneute Blüte nach Schnitt)
  • Centranthus ruber, Spornblume (mediterran, bei uns in roter und weißer Form entlang von Mauern und Fassaden, sehr trockenresistent, Frühsommerblüte, nach Pause manchmal bis zum Frost, Nahrungspflanze des Taubenschwänzchens, in wenigen Exemplaren pflanzen, da starke Versamung)
  • Iris pallida, I. germanica, I. smabucina (auf sonnigen Standorten sehr langlebig mit markanter Blühwirkung)
  • Salvia nemorosa, Steppensalbei, Wildform (kurzlebig, bei uns in der Nähe im Thüringer Becken heimisch beispielsweise mit Kartäusernelke, verwildert in der ganzen Stadt, Nachblüte nach Schnitt)
  • Echinops ritro, Kugeldistel (Art inneralpiner Trockentäler, kommt sowohl in der ruderalen Form (weiß) vor als auch als blaue Zierform, Bienen- und Hummelmagnet)
  • Foeniculum vulgare 'Giant Bronze', Bronzefenchel (Foeniculum ist eine mediterrane Ruderalart, sehr trockenresistent und markant, u. a. Futterpflanze der Schwalbenschwanzraupe, die bei uns schon vorkam; auch für nährstoffreichere Säume)
  • Euphorbia characias subsp. Wulfenii, Mittelmeerwolfsmilch (Halbstrauch aus mediterranen Gebirgen (Weideunkraut), sehr lange und markante Blüte von März bis in den Sommer, wintergrün, sehr trocken- und hitzeresistent, bei uns an Südfassaden charaktrteristisch, starke Selbstaussaat; abgestorbene Blütentriebe müssen einzeln herausgeschnitten werden)
  • Helianthus salicifolius var. orgyalis, Weidenblättrige Sonnenblume (trockenresistent, langlebig, späte Blüte, eventuell Einzelstand an markanten Punkten)
  • Lathyrus latifolius, Breitblättrige Platterbse (Wurde bei uns nicht angesät oder gepflanzt, sondern kommt spontan vor, unter Umständen von Wolfram Kunick in den 1980er Jahren eingebracht. Fabacea wie Hornklee, Futteresparsette, Goldregen, sind laut naturschutzfachliches Gutachten wichtig für bestimmte Wildbienen. Lathyrus latifolius lockt zuverlässig die Schwarze Holzbiene an, breitet sich stark aus, also wenige Exemplare ansiedeln. Blüht wieder nach Mahd.)
  • Papaver orientale, Türkenmohn in der tiefroten Sorte 'Beauty of Livermere' (Große Blüten, wichtig für die Fernwirkung mancher Pflanzungen. Sieht sehr gut aus zu weißer Spornblume aber auch zu Futteresparsette und Flockenblumen.)
  • Perovskia abrotanoides, Blauraute (Halbstrauch, füllt Blühlücke im August, weißgraue Zweige im Winter, benötigt eine andere Behandlung als Stauden, kann aber notfalls mit dem Freischneider gestutzt werden.)
  • Sedum telephium 'Herbstfreude' (Klassiker, einer der wenigen späten Blüher.)

Die genannten Arten und Sorten haben überwiegend den Nachteil, dass sie ihre Blüte im Hochsommer abschließen. Einige treiben nach einer Mahd wieder aus und blühen dann im Spätjahr noch einmal, allerdings wesentlich schwächer. Astern sind daher zum Beispiel für Beetpflanzungen eigentlich unverzichtbar, kämpfen aber mit der Trockenheit. Auf frischeren Substraten hat sich bei uns Aster salignus bewährt. Aster sedifolius kippt schnell um und unterliegt in der standfesteren, weil schwachwüchsigeren Sorte Nanus schnell der Konkurrenz anderer Arten. Sehr trockenresistent, dauerhaft und standfest ist Aster x amethystinus 'Freiburg' mit später Blüte bis November. Ebenfalls geeignet für nährstoffreiche Säume. Erschwerend kommt hinzu, dass einige Herbstblüher mittlerweile schon im Sommer zu blühen anfangen.

Je nach dem haben nicht trittbelastete Säume eher ruderalen, thermo- oder auch nitrophilen Charakter, Pflanzbeete in diesem Spektrum einen stärkeren Ziercharakter. Diese Eigenarten können sich aber auch vermischen – das ist eher sogar die Realität, sodass ein Vegetationsstreifen entlang einer Südfassade thermophile und ruderale sowie alte Kulturarten und robusten Zierstauden beherbergen kann, eventuell mit einzelnen Sträuchern und sogar dem ein oder anderen Baum. Das kommt auf die räumliche Situation und auf die Fassadenabwicklung an (Fenster). Oder aber un- und halbgefüllte Beetrosen, die mit ihren Pfahlwurzeln Trockenheit gut überstehen können, werden mit thermophilen Stauden wie Oregano, echtes Labkraut und weißer Spornblume ergänzt. Wiesen hingegen werden von klassischen Wiesenarten und Gräsern dominiert, aber auch in sie kann man, wenn man will, einzelne Zierarten und natürlich auch Gehölze integrieren.

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21. Strauchrose Tradescant mit thermophilen Stauden. Foto: Stefan Körner
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22. Blüte der männlichen Salweide. Foto: Stefan Körner
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23. Ersatz von Kugelahorn durch Blumenesche, Basel. Foto: Stefan Körner
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24. Japanisches Geißblatt in Kalkschotter 0-32. Foto: Stefan Körner
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25. Wilder Wein 'Fenway Park'. Foto: Stefan Körner
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26. Spalierlinden auf thermophiler Krautschicht. Foto: Stefan Körner

Gehölze

Wie eingangs erwähnt, pflanzen wir wenig Gehölze, weil wir häufig im Bestand arbeiten. Wenn sie spontan aufkommen, werden sie, wenn sie stören, entfernt, verpflanzt beziehungsweise toleriert. Baumsämlinge werden gegebenenfalls "in Form gepflegt", d. h. zu Bäumen aufgeastet, die dann Räume überdachen und beschatten können. Bei Pflanzung verwenden wir robuste Sorten fremder, häufig mediterraner, oder heimischer Herkunft, manchmal auch echte Raritäten wie die einzige europäische Forsythie (Forsythia europaea) aber auch einfache Feldgehölze wie Weiden, Wildrosen oder Weißdorn. Von diesen gibt es mitunter Zierformen, wie Ligustrum vugare 'Golden Drops', eine gelbfrüchtige Sorte, die allerdings bei uns aufgrund der Trockenheit noch keinen Fruchtansatz hatte. Diese Sorten sind meist schwachwüchsiger und konnten sich zum Teil bei uns nicht durchsetzen, wie zum Beispiel Cornus sanguinea 'Midwinter Fire'.

Wenn möglich, werden freistehende Sträucher kaum geschnitten, auch wenn sie tote Äste enthalten. Diese sind bei Vögeln beliebte Ansitze. Wenn allerdings notwendig, werden die Gehölze auch einfach auf Stock gesetzt, so wie man das früher in der Heckenpflege tat. Ohnehin vorhandene Schnitthecken bieten im Idealfall mit ihrer dichten Verzweigung Vögeln Schutz (Haussperlinge lieben dichte Vorgartenhecken). Wir ergänzen sie, wenn möglich, mit freiwachsenden (fruchttragenden) Gehölzen oder Bäumen.

Von Ornithologen und Entomologen werden Brombeeren wärmstens empfohlen. Mit ihnen und Wildrosen beginnt gewöhnlich die Verbuschung. Im urbanen Raum wächst vor allem auch die neophytische Rubus armeniacus, die zwar wohlschmeckende Früchte ausbildet aber sehr schnell große Flächen überwachsen kann und kaum im Zaum zu halten ist. Da sie sich bei geringer Mahdhäufigkeit sofort von selbst etabliert, stellt sie eine ernsthafte Bedrohung der Säume dar. Ihr starkes Ausbreitungsverhalten führt dazu, dass sie bei uns immer an schwer zugänglichen Orten vorhanden ist. Ihre Dickichte dienen dann gebüschbrütenden Vogelarten.

  • Sehr wichtig für Wildbienen im Frühjahr ist vor allem Salix caprea, die Salweide. Im Handel Salix caprea mas (Großblütige männliche Form, kann leider nicht per Steckling vermehrt werden wie die meisten Weiden. Unverzichtbar als frühe Nahrungspflanze für Bienen. Eine der wenigen weitgehend trockenresistenten Weiden.)
  • Cotinus coggygria, Perückenstrauch (gehört in das Spektrum des Hopfenbuchenwaldes, sehr trockenresistent, kann lange frei wachsen, verträgt problemlos Rückschnitt, interessante Blüte, in grünen Formen sehr schöne orangerote Herbstfärbung)
  • Rosa clauca, Blaue Hechtrose (eher süddeutsch und subalpin, beginnt bei uns zu verwildern, Hagebutten beliebt bei Vögeln)
  • Koelreuteria paniculata, Blasenbaum/-esche (Haben wir aus Samen selbst gezogen. Kleiner Baum, sehr trockenresistent, späte Blüte, wird optisch verlängert durch die Ausbildung der anfänglich gelbgrünen Blasen, die die Samen umschließen. Im Herbst werden sie braun, was im Winter etwas trist aussehen kann. Mit (seltenen) Häubchen aus Schnee aber sehr hübsch. Samen werden von Ringeltauben gefressen.)
  • Laburnum anagyroides, Gemeiner Goldregen (Art der Hopfenbuchenwälder, verwildert in Kassel und Umgebung, prächtige Blüte, sehr trockenresistent, in Kassel ein Standort auf Fels)
  • Prunus mahaleb, Steinweichsel, (Ersatz für die in der Stadt spontan nicht auftretende Schlehe, häufig besser geeignet, da keine Ausläufer, trockenresistenter aber größer, d. h. Strauch bis kleiner Baum)
  • Sambucus nigra, Hollunder (Für Vögel und Menschen – Holundersirup – sehr interessant, kommt häufig spontan. Kompakter und attraktiver ist die grüne, schlitzblättrige Sorte 'Laciniata'; robuster als die rotblättrigen Formen.)

Es existieren eine Vielzahl von Versuchen, den durch die zunehmende Erwärmung bedingten Artwandel in den Städten zu gestalten. Selbst in Kassel werden vom Gartenamt mediterrane Steineichen gepflanzt. Diese haben auch schon stärkere Fröste um – 20 °C überstanden. In Basel gibt es eine lange Reihe von Quercus ilex, Kugelahorne werden hier beispielsweise durch Fraxinus ornus ersetzt, Spitzahorne durch Celtis australis.

Im Hinblick auf die Biodiversität ist eine derartige Verwendung von Arten aus benachbarten biogeographischen Bereichen, wie den Südalpen, in denen zum Beispiel auch der Goldregen wild vorkommt, sicherlich eine Option. Ostrya carpinifolia, die der bedrängten Hainbuche sehr ähnlich sieht und mit Fraxinus ornus vergesellschaftet ist, wird ebenfalls häufig verwendet. In Kassel sät sich Fraxinus ornus bereits selbst aus. So könnte man das nutzbare Sortiment wiederaufbauen, wobei die Verwendung gänzlich fremder Arten wie Sophora japonica nicht ausgeschlossen ist. Sie gedeiht bei uns sehr gut, besonders mit einer großen Baumscheibe und Staudenunterwuchs, bildet aber viel Totholz und ist somit im öffentlichen Raum pflegeintensiv.

Kletterpflanzen für Wandbegrünungen

Wandbegrünungen können in dicht bebauten Stadtteilen die Vegetationsfläche vergrößern, sonnenexponierte Wände beschatten und Vögeln Nahrung und sicheren Unterschlupf bieten. Wir arbeiten vorzugsweise mit bodengebundenen Wandbegrünungen, weil sie kostengünstig, schnell zu verwirklichen und bei richtigem Einsatz auch sehr langlebig sind. Wandgebundene Systeme wie Living Walls arbeiten hingegen mit Kunststoffvliesen, künstlicher Bewässerung und Kunstdünger und sollten vor allem dort eingesetzt werden, wo kein direkter Bodenkontakt gegeben ist. Die Frage ist allerdings, wie sie versorgt werden sollen, wenn es einmal zu Wasserrationierungen kommen sollte.

Wir warnen sehr vor der beliebten

  • Glyzinie oder dem Blauregen (Wisteria chinensis). Diese Art wächst sehr schnell und blüht bei richtigem Schnitt spektakulär und sogar mehrmals. Doch muss sie mit weitem Abstand von Regenfallrohren gesetzt werden, denn sie umschlingt diese sehr schnell und kann die Rohre abdrücken. Das ist bei uns geschehen, sodass sie an einem Standort entfernt wurden. Heute wächst an den Vertikalseilen Lonicera japonica empor. An anderen Orten sind noch reichlich Wisterien vorhanden. Sie werden einmal im Jahr von einer Firma geschnitten, allerdings maschinell und falsch, weil der richtige Schnitt als Spalier mit Kurztrieben zu aufwendig ist. Daher blühen die Pflanzen nicht mehr, bilden aber dichte Verzweigungen aus, in denen Vögel gerne brüten.

Bewährt hat sich bei uns vor allem das erwähnte

  • Lonicera japonica, das Japanische Geißblatt. Es lockt mit seiner Blüte Nachtfalter an, ist wintergrün und anspruchslos, d. h., es wächst bei uns im puren Kalkschotter (basisch, was es eigentlich nicht so gerne hat) oder in Fugen von Katzenkopfpflaster. Aufgrund seiner Herkunft ist es nicht ganz frosthart, treibt aber nach starken Frösten wieder aus. Die Wuchskraft ist mäßig bis auf etwa 8 m. Auch der Blattfall hält sich in Grenzen. Neben Lonicera henryi, das aber unterseits gerne verkahlt, ist es eigentlich die einzige gut verwendbare wintergrüne Schlingpflanze für Drähte und Rankgerüste.
  • Hedera helix, Efeu ist hingegen ein immergrüner Selbstklimmer. Für Fassaden ist es nur bedingt geeignet, da negativ phototroph, d. h., es wächst in jede dunkle Spalte und kann Wände schädigen. Daher würden wir es nur an unbedenklichen Mauern nutzen oder durch Zäune flechten, sodass sich quasi schmale immergrüne Hecken ergeben, die man nicht oft schneiden muss. Für den Naturschutz ist Efeu sehr wichtig: Es blüht in seiner Altersform im September, ist dann Nahrungspflanze der Efeuseidenbiene und fruchtet im März, wenn die Vögel anfangen zu brüten und auf Nahrungsquellen angewiesen sind.
  • Aktuell experimentieren wir mit verschiedenen Formen des Wilden Weines, denn sowohl Parthenocissus quinquefolia (Nordamerika) als auch Parthenocissus veitchii (Asien) sind in ihren Wildformen sehr starkwüchsig und müssen häufig geschnitten werden. Wir benutzen vor allem den schmal wachsenden aber hoch werdenden Parthenocissus quinquefolia in der Sorte Engelmanii sowie die niedrig bleibenden und kaum bekannten Parthenocissus veitchii 'Beverly Brooks' (kleinblättrig, bis ca. 3 m.) und Parthenocissus veitchii 'Fenway Park' (grüngelbblättrig, bis ca. 5 m.). Letztere Sorte sieht etwas künstlich aus und soll auch in voller Sonne eventuell Blattschäden bekommen, weil sie wahrscheinlich eine dünne Cuticula hat. Vor den ästhetischen Qualitäten rangieren bei uns aber bei entsprechenden Wänden schmale Wuchsform und geringere Wuchshöhe als entscheidende Kriterien, um Pflegeaufwand zu minimieren. Bei Mauern ist natürlich eher der breite Wuchs der Wildformen vorteilhaft. Sollte es notwendig sein, könnte man beispielsweise Lonicera japonica dazu pflanzen, die dann im Wein hochwächst und Schwächen minimiert.
  • Clematis sind zwar wegen ihrer Blüte sehr beliebt aber als Waldsaumpflanze anspruchsvoll. Clematis orientalis soll jedoch Trockenheit vertragen. Wir lassen aktuell Clematis orientalis 'Golden Tiara' in einem alten Wilden Wein hoch, um für mehr Vielfalt zu sorgen. Die heimische Clematis vitalba kommt bei uns spontan an Gebäudesockeln vor und kann dann, wie Brombeeren, sehr schnell Säume oder auch Hecken überwuchern. Sie ist bei größeren Wänden aber eine ideale Ergänzung zu Wildem Wein, weil sie trockenresistent ist. An einer Stelle rankt sie bei uns in einem Drahtgeflecht an den Laubengängen eines Studierendenwohnheims.
  • An einem anderen Ort wächst an einer Feuerwand die heimische Rosa arvensis in einer gefüllten Sorte. Sie ist sehr starkwüchsig und stark bestachelt, daher schwer zu pflegen. Alternativ denkbar aber nicht so starkwüchsig wäre die heimische Rosa x waitziana 'Rosengirlande' oder zum Beispiel die handelsübliche Ramblerrose 'Lykkefund', die kaum Stacheln hat. Das ist bei der Pflege sehr angenehm. Bei Kletterrosen ist aber der Pflegeaufwand höher als bei Wildem Wein, weil die Ranken immer wieder am Gerüst festgebunden werden müssen.
  • An der Stirnseite der Bibliothek Richtung Mensa-Vorplatz am Holländischen Platz haben wir dicht an der Fassade stehende Linden, die schon einmal gekappt wurden und mit der Neuanlage des Platzes gefällt worden wären, zu Spalierlinden entwickelt, um sie zu erhalten. Das funktioniert sehr gut, sie haben größere Wunden wieder überwachsen und können hervorragend bei Trockenheit bestehen, sodass sich auch so Fassaden teilweise begrünen lassen, ohne dass man an das Gebäude selbst gehen muss. Vögel lieben ihre Astquirle, doch die Pflege ist aufwendig: Sie müssen einmal im Herbst oder Winter geschnitten werden. Geschieht dies mit der Heckenschere, entstehen 'aufgeständerte' Hecken, bei denen zusätzlich aber immer auch die Stammaustriebe geschnitten werden müssen.

Literatur

Auerswald, B. 1993: Gärtnerische Erfahrungen mit selektiver Freiraumpflege. In: Gut gesät! Notizbuch 29 der Kasseler Schule, S. 153–176. Kassel.

Bellin-Harder, F. 2020: Vorgärten – Pflanzenverwendung zwischen Weg und Ort. Ein Beitrag zur Anreicherung der Stadtvegetation. In: Stadt + Grün 9, S. 29–33.

Bellin-Harder, F. 2021. Wiesen werden gemäht, nicht gesät. In: Stadt + Grün 9/2021, S. 11–16.

Bellin-Harder, F. 2024: Ohne Ernte bleibt nur Pflege. In: Bellin-Harder (Hg.): Landschaft und Vegetation. S. 579–624. Bielefeld. Im Druck.

Bellin-Harder, F.; Körner, S.; Lorberg, F. 2024: Hinweise zu Entwicklung und Pflege verschiedener Hochschulstandorte der Universität Kassel auf Basis von Erhebungen zur Flora und Fauna. S. 805–814. In: Bellin-Harder (Hg.): Landschaft und Vegetation. Bielefeld. Im Druck.

Berthold, P. 2018: Unsere Vögel. Warum wir sie brauchen und wie wir sie schützen können. Berlin.

Goulson, D. 2019: Wildlife Gardening: Die Kunst, im eigenen Garten die Welt zu retten. München.

Harrer, M.; Hirschauer, F. 2022: Der Campus der Universität Kassel als urbaner Lebensraum (Download: www.uni-kassel.de/fb06/institute/landschaftsarchitektur-und-planung/fachgebiete/landschaftsbau-management-und-vegetationsentwicklung/nachrichten-aus-den-freiraeumen-1)

Kleinz, N. 2016: Ur-Obst. Wurzelecht und pflege-
leicht. Graz.

Prinz, U. 2023: Mit Superkräutern gegen den Hitze-
stress. In: Spektrum.de 24.05.2023. Online: www.spektrum.de/news/bewachsene-fugen-superunkraeuter-gegen-hitzestress/2142636?utm_source=pocket-newtab-global-de-DE (Zugriff: 20.09.2023)

Westphal, U. 2018: Das große Buch der Gartenvögel. Unsere Vögel im Garten erleben, fördern schützen. Darmstadt.

1 Der Text basiert u. a. auf Vorträgen für die Galabau-Foren Fulda, Geisenheim, Erfurt und Kassel 2023. Wesentliche Erfahrungen gehen auf Experimente auf dem Universitätsgelände seit 2005 zurück. Im Hinblick auf Ansaaten von Wildkräutern, Verwendung von Schottersubstraten und Pflegeroutinen wurden sie maßgeblich zusammen mit meinem Mitarbeiter Florian Bellin-Harder entwickelt; vgl. Bellin-Harder, Körner, Lorberg 2024.

2 Vgl. Berthold, P. 2018, Goulson 2019, Kleinz 2016, Westphal 2018, vgl. auch https://www.tausende-gaerten.de, Zugriff 13.11.2023.

3 Harrer und Hirschauer 2022.

4 Siehe unter www.uni-kassel.de/fb06/institute/landschaftsarchitektur-und-planung/fachgebiete/landschaftsbau-management-und-vegetationsentwicklung/ansaaten-und-pflanzungen

5 Vgl. Bellin-Harder 2020, 2024.

6 Vgl. Bellin-Harder 2021.

7 Vgl. Auerswald 1993.

8 Vgl. Prinz 2023.

9 Saatgut ist als Regio-Saat zum Beispiel bei Rieger-Hofmann zu bekommen. Bei den Gartenpflanzen und den Ruderalarten ist z. T. auf Jelitto auszuweichen.

10 Vgl. auch den Ansatz des Conservation Gardenings, bei dem für jedes Bundesland Listen für sehr seltene und gartenwürdige Arten erarbeitet wurden: www.uni-leipzig.de/newsdetail/artikel/conservation-gardening-gruenflaechen-in-deutschland-koennten-deutlich-groesseren-beitrag-zum-erhalt-der-artenvielfalt-leisten-2023-09-04. (Zugriff 22.11.2023

Prof. Dr. Stefan Körner
Autor

Universität Kassel, Fachgebiet Landschaftsbau, Landschaftsmanagement und Vegetationsentwicklung

Universität Kassel

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