Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK)
Mehr Hitzewellen in Westeuropa durch veränderten Jetstream
Hitzewellen über Europa haben drei- bis viermal schneller zugenommen als in den übrigen nördlichen mittleren Breitengraden, wie etwa in den USA oder Kanada, so das Ergebnis einer internationalen Studie unter Beteiligung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Die Forschenden werteten dazu Beobachtungsdaten der letzten 40 Jahre aus und zeigten erstmals, dass der rasche Anstieg mit Veränderungen in der atmosphärischen Zirkulation zusammenhängt.
Jetstream spaltet sich in zwei Äste auf
Der Jetstream, ein schnell fließendes Windband, das die nördliche Hemisphäre der Erde in etwa 10 km Höhe von Westen nach Osten umströmt, ist im Wandel begriffen. Zustände, in denen sich der Jetstream in zwei Äste aufspaltet - so genannte Doppeljet-Lagen - halten zunehmend länger an. Die doppelten Jet-Zustände erklären den Aufwärtstrend der Hitzewellen in Westeuropa und etwa 30 Prozent der Veränderungen im gesamteuropäischen Raum.
"Sommerliche Hitzewellen sind an sich kein neues Phänomen. Neu ist aber, dass extreme Hitzeereignisse in Europa in den letzten Jahren häufiger und intensiver aufgetreten sind", sagte PIK-Forscherin Dr. Eftychia Rousi. Sie ist Hauptautorin der Studie, die in der Zeitschrift "Nature Communications" veröffentlicht wurde. "Man denke nur an die heißen und trockenen Sommer 2018, 2019, 2020 und die jüngsten Hitzewellen in Europa - und wir rechnen damit, dass das noch schlimmer wird." Die Studie erklärt, dass diese Hitzeextreme in Europa mit doppelten Jetstreams und deren zunehmender Verweildauer über dem Gebiet Eurasiens zusammenhängen.
Doppel-Jet-Ereignisse länger und anhaltender
"Die Studie zeigt, dass es typischerweise drei Zustände des Jetstreams gibt. Einer davon ist der Doppeljet-Zustand. Dabei teilt sich der Jetstream in zwei Zweige mit erhöhtem Wind, einer über Süd- und einer über Nordeurasien", erklärte Mitautor Dr. Kai Kornhuber, Wissenschaftler an der Columbia University in New York und am PIK. Während sich die Anzahl der Doppel-Jet-Ereignisse pro Jahr nicht wesentlich verändert habe, seien die Doppel-Jet-Ereignisse länger und damit anhaltender geworden. Die erhöhte Dauer wirkt dann zusätzlich zum Temperaturanstieg durch die vom Menschen verursachte Erwärmung und führt zu intensiveren Hitzewellen. Kornhuber: "Unsere neuen Ergebnisse machen deutlich, wie wichtig es ist, die dynamischen Prozesse in der Atmosphäre zu verstehen, um künftige Risiken extremer Hitze vorhersehen und globale Hotspots wie Westeuropa identifizieren zu können."
Die zunehmende Verweildauer von Doppel-Jet-Strömen ist besonders für Westeuropa relevant, so die Forschenden. "Unsere Studie zeigt, dass die zunehmende Verweildauer von Doppeljets etwa 30 Prozent der Hitzewellentrends für ganz Europa erklärt. Wenn wir jedoch nur die kleinere westeuropäische Region betrachten, erklärt sie fast 100 Prozent", sagt Rousi. "In dieser Region, die mit dem Ausgang der vom Nordatlantik nach Europa ziehenden Sturmbahn zusammenfällt, kommen die Wettersysteme normalerweise vom Atlantik und haben daher eine abkühlende Wirkung.
Wenn es aber zum Doppeljet kommt, werden die Wettersysteme nach Norden abgelenkt und es können sich über Westeuropa anhaltende Hitzewellen entwickeln." Das steht im Gegensatz zu anderen europäischen Regionen wie dem Mittelmeerraum und Osteuropa, wo Hitzewellen wahrscheinlich eher mit trockenen Böden zusammenhängen.
Verstärkte Erwärmung in den hohen Breiten
"Doppeljets können durch eine Vielzahl von Gründen ausgelöst werden, unter anderem durch chaotische Schwankungen in der Atmosphäre", erläutert Mitautor Dim Coumou, Forscher am Institut für Umweltstudien (IVM) der Vrije Universiteit Amsterdam und am Königlichen Niederländischen Meteorologischen Institut (KNMI). "Die interessante Frage ist jedoch, was die Doppeljets so hartnäckig macht. Eine mögliche Erklärung ist die verstärkte Erwärmung der hohen Breiten, insbesondere über Landregionen wie Sibirien, Nordkanada und Alaska. Im Sommer haben sich diese Regionen viel schneller erwärmt als der arktische Ozean, da die überschüssige Energie über dem Ozean das Schmelzen des Meereises beschleunigt." Das Land rund um den arktischen Ozean hat sich im Sommer sehr schnell erwärmt, was mit einem schnellen Rückgang der Schneedecke im späten Frühjahr einherging. "Dieser zunehmende Temperaturunterschied zwischen Land und Ozean begünstigt das Fortbestehen von Doppel-Jet-Zuständen im Sommer", sagt Coumou.
Für Rousi steht fest: "Auch wenn das Thema noch weiterer Forschung bedarf, ist eines klar: Doppelte Jetstreams und ihre zunehmende Verweildauer sind der Schlüssel zum Verständnis der aktuellen und zukünftigen Hitzewellenrisiken über Westeuropa." cm/PIK Potsdam