Rindenkrankheit bedroht beliebte Stadtbaumart
Pseudomonas: Todesstoß für Hamburgs Rosskastanien?
Horror-News aus Hamburg: Laut Umweltsenator Jens Kerstan wird die Hansestadt in absehbarer Zeit all ihre Rosskastanien (Aesculus) an die Pseudomonas-Rindenkrankheit verlieren. Das verkündete der Grünen-Politiker auf einer Pressekonferenz, bei der er über den Zustand der Hamburger Straßenbäume informierte.
"Es bräuchte ein Wunder"
Kerstan sagte, dass Pseudomonas seit rund zehn Jahren in der Hansestadt grassiere und sich als "nicht beherrschbar" erwiesen habe. Um die übriggebliebenen 6000 Rosskastanien im Stadtgebiet zu retten, bräuchte es "ein Wunder". Kastanien-Nachpflanzungen seien nicht geplant.
Die Krankheit, die durch das Bakterium Pseudomonas syringae pv. aesculi hervorgerufen wird, konnte erstmals 2007 in Deutschland nachgewiesen werden. Typische Schadsymptome sind schwarze Leckstellen auf der Rinde, die zu krustigen, ungleichmäßig verfärbten Flecken trocknen. Ein starker Pseudomonas-Befall bringt die Rinde und das darunterliegende Gewebe zum Absterben, wodurch Sekundärschädlinge leichtes Spiel mit den geschwächten Bäumen haben. Häufig bilden sich Pilzfruchtkörper am Stamm aus, die Astabbrüche nach sich ziehen rund zu großflächigen Rindenauflösungen führen. Kronenvergilbungen und ein Absterben der gesamten Krone sind weitere Folgeerscheinungen des ruinösen Schneeballeffekts, den Pseudomonas auslöst.
Experte erhebt Einspruch
Prof. Dr. Dirk Dujesiefken vom Hamburger Institut für Baumpflege forscht seit Jahren zur Pseudomonas-Rindenkrankheit. Die Botschaft des Umweltsenators findet er problematisch, wie er Pro Baum auf Nachfrage mitteilte. Der Politiker habe die Situation "unglücklich kommuniziert", da sich die Stadt "vorbildlich um ihre Rosskastanien kümmere".
Ein Beleg dafür findet sich im Jahrbuch der Baumpflege 2020: Dort wurde das Rosskastanien-Monitoring von Mitarbeitern der Umweltbehörde ausführlich vorgestellt. Aus dem Beitrag geht hervor, dass lediglich rund 20 Prozent der Hamburger Rosskastanien von Pseudomonas befallen sind. Weiterhin mussten bislang nur etwa 10 Prozent von dieser Gattung gefällt werden.
Auch waren es nicht primär die weitverbreiteten weißblühenden Exemplare, die betroffen waren - sondern ihre rotblühenden Artgenossen. Diese machen den deutlich kleineren Anteil in Hamburgs Baumbestand aus.
Ungeachtet dieser Faktenlage werde nun vom Umweltsenator der Eindruck erweckt, dass man "kampflos aufgebe", klagt Dujesiefken. Davon könne aber nicht die Rede sein, so der Professor weiter: "Sicher werden noch weitere Kastanien sterben. Es deutet aber nichts darauf hin, dass diese Baumart in absehbarer Zeit komplett aus Hamburg verschwinden wird."
Hendrik Behnisch