BAHÖ legt Richtlinie zum Eichenprozessionsspinner vor

Eichenprozessionsspinner
Abb. 1: Eigelege, gefunden während einer Kontrolle am 02.04.2019 Foto: Martin Trautmann

Verursacht durch den massiven Eichenprozessionsspinner (EPS) Befall im Jahr 2018 kamen eine Vielzahl an Fragen zur Kontrolle und Bekämpfung auf. Die im Mai im Gelbdruck erscheinende "BAHÖ EPS-Richtline" soll das bisher existierende Wissen bündeln.

Vorkommen in Deutschland

Entgegen vieler Darstellungen ist der Eichenprozessionsspinner, der über den Mittelmeerraum eingedrungen ist, keine neue Erscheinung in Mitteleuropa. Gerade die umfassende Recherche von historischen Quellen durch Thomas Sobczyk belegt, dass der EPS bereits im 18. Jahrhundert ein bekanntes Problem in deutschen Wäldern darstellte. (Sobczyk 2014). Die Arealgrenzen haben sich zwischen 1750 und 2010 nicht wesentlich verschoben, wobei die nördlich und östliche Verbreitungsgrenze durch Deutschland verläuft (Groenen und Meurisse 2012). Die Populationsdichte ist jedoch starken Schwankungen in gewissen Rhythmen unterworfen, sodass in manchen Bundesländern über Jahrzehnte Nachweise fehlen und die Art z.B. in Sachsen in der Roten Liste geführt wurde (Fischer und Sobczyk 2002).

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Eichenprozessionsspinner
Abb. 2: Eigelege mit geschlüpften Raupen am 5. 4. 2019 nahe Nürnberg. Foto: Martin Trautmann

Biologie

Der Eichenprozessionsspinner (Thaumetopoea processionea) ist ein Schmetterling/Nachtfalter aus der Familie der Zahnspinner (Notodontidae) und ist einer von weltweit ca. 100 vorkommenden Arten der Unterfamilie Prozessionsspinner (Thaumetopoeinae), wobei davon nur sechs Arten in Europa vorkommen bzw. zwei in Deutschland. Neben dem EPS ist in Deutschland noch der Kiefern-Prozessionsspinner (Traumatocampa pinivora) heimisch. Außerdem ist der Pinien-Prozessionsspinner (Traumatocampa pityocampa) im Mittelmeerraum beheimatet. Die von einige Autoren beschriebenen Vorkommnisse im Südwesten Deutschlands werden jedoch rmehrheitlich als Falschmeldungen bewertet (Ebert 1994).

Nach Überwinterung schlüpfen die Raupen im Frühling. Wobei entgegen einiger Quellen der Schlupf nicht mit dem Blattaustrieb der Eichen korrelieren muss. Die vornehmlich nachtaktiven Raupen sind trotz fehlender Blätter durch den Fraß von Knospen überlebensfähig. Die Raupen durchlaufen sechs Stadien, wobei sie sich während den ersten drei Stadien locker an Blättern sammeln und erst ab dem fünften Stadium die charakteristischen Gespinste und Prozessionen beobachtbar sind. Die unspezifische Raupendermatitis auslösenden Brennhaare werden ab dem 3. Stadium gebildet.

Eichenprozessionsspinner
Abb. 3: Die EPS Kontroll-richtlinie wird im Gelbdruck an den BAHÖ Days vom 17. bis 19. 5. 2019 vorgestellt.

Prädatoren

Die Populationsdynamik und die Gründe für Kalamitäten sind noch nicht hinreichend geklärt. Geht man von 100 bis 200 Eiern pro Gelege aus und vernachlässigt abiotische und biotische Faktoren, würden 50 bis 100 Weibchen ebenso viele Gelege erzeugen. Unter Annahme einer 80%igen Mortalität würde dies trotzdem zu einer Verzehnfachung der Population führen. Der Einfluss der Prädatoren scheint demnach deutlich unterschätzt zu werden (Sobczyk 2014). Der Kuckuck als auch der Pirol verspeisen die Raupen auch noch ab dem dritten Stadium, wo die Brennhärchen bereits ausgebildet sind. Auch Raupenparasitoide wie Schlupfwespen und Raupenfliegen gelten als Feinde. Parasiten scheinen insbesondere in der Latenz- und Progradationsphase eine wichtige regulative Wirkung zu haben. Es wird von einem Parasitierungsgrad von 20 bis 30 Prozent ausgegangen (Stigter et al. 1997). So konnte z. B. der natürliche Zusammenbruch der Massenvermehrung des Schwammspinners in den USA vor allem auf Kernpolyederviren und den Pilz Entomophaga maimaga zurückgeführt werden (Schweitzer 2004). Für den Eichenprozessionsspinner gibt es jedoch bisher keine festgestellten Zusammenhänge zwischen Populationszusammenbruch und Pilzen oder Viren.

Die Anzahl und Intensität der Bildung von Brennhaaren nimmt mit den Häutungen zu. Sehr frische Haare nach der Häutung sind nicht in der Lage, in die Haut einzudringen. Dies soll ebenso bei angefeuchteten Brennhaaren so sein. Deshalb gibt es auch ein spezielles Vorgehen in der BAHÖ-EPS Richtlinie zum mechanischen Absammeln (vgl. isb-urbanforestry.com/eps/). Was sich bei einer Untersuchung in Wien, bei der 1025 Personen in Umkreis von 500 m befragt wurden, zeigte, ist, dass der direkte Kontakt nicht ausschlaggebend ist. Von den 57 Personen mit Raupendermatitis hatten nur 38 Prozent der Fälle direkten Kontakt mit dem Eichenprozessionsspinner. Die Brennhaare lösen sich insbesondere vor den Häutungen und der Verpuppung leicht ab. Die Haare können dann auf den Raupen liegen und bei deren Bewegung und durch den Luftzug in die Umgebung verteilt werden.

Grundlage Kontrolle Bekämpfung

Die rechtliche Grundlage, die sowohl die Kontrolle als auch die Bekämpfung des EPS notwendig machen, sind noch nicht klar. So zeigte sich der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Seehausen (Altmark) letztes Jahr wegen Körperverletzung im Amt (vgl. Amtshaftung § 839 BGB) selbst an, da er mit den 10.000 Eichen finanziell als auch organisatorisch überfordert war (Schafmeister 2018). Der BAHÖ e. V. stellt sich nach Rücksprache mit rechtlichen Beratern auf den Standpunkt, dass die bekannten BGH Urteile "Die Straßenverkehrssicherungspflicht erstreckt sich auch auf den Schutz vor Gefahren durch Straßenbäume" (Bundesgerichtshof, vom 21. 1. 1965) für die Kontrolle sowie Entfernung (Bundesgerichtshof, vom 4. 3. 2004) des Eichenprozessionsspinners ebenfalls Anwendung finden.

Bedeutung für die Baumkontrolle

Mitarbeiter des Ingenieur- und Sachverständigen- Büros Urbanforestry hatten Ende März mit dem Auftrag begonnen, an einigen Eichen (n = 123) verteilt in der Metropolregion Nürnberg, ein Monitoring-System aufzubauen, weshalb die Bäume auf Eigelege untersucht wurden. Alle Eichen waren in Gebieten, in den Eichen in unmittelbarer Umgebung mit massivem Befall im Vorjahr aufgefallen waren. Dort konnten in allen Eichen mindesten zwei Gelege gefunden werden. Was sich hierbei zeigte ist, dass es unmöglich ist, die Gelegekontrolle in die Regelkontrolle zu integrieren.

Die Eigelege (Abb. 2) mit etwa 2 cm Länge waren nur mittels Arbeitsbühne zu finden, indem man die Äste direkt abfuhr, wenige Meter bis Zentimeter entfernt, und selbst dann nur, wenn kein Gegenlicht die Kontrolle störte. Die Kontrolle auf Eigelege ist demnach eher der eingehenden Untersuchung zuzuschreiben. Im Rahmen der Baumkontrolle sollten daher der EPS-Befall in das Kataster aufgenommen werden, sodass sich Hotspots und potenzielle Bäume zur eingehenden Untersuchung vorab identifizieren lassen. Bei Bäumen mit bekanntem Befall oder Eichen in Hotspots muss das Regelkontrollintervall und/oder der nächste Kontrolltermin dem EPS Zyklus angepasst werden.

Chemische Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners

Wichtig: Mittel zum Schutz der Eiche sind Pflanzenschutzmittel - Mittel zum Schutz der menschlichen Gesundheit sind Biozide. Entsprechend greifen unterschiedliche Gesetze beim Einsatz desselben Mittels in Abhängigkeit von dessen Einsatzzweck. Hat ein beruflicher Anwender die fachliche Eignung durch die Sachkunde Pflanzenschutz, ermächtigt ihn dies nicht automatisch, das Mittel im urbanen Bereich als Biozid auszubringen.

Zur Bekämpfung des Eichenprozessionsspinner haben derzeit nur zwei Wirkstoffe eine Biozidzulassung durch die zuständige Behörde BAUA: Bacillus thuringiensis subsp. Kurstaki sowie das Margosa Extrakt. Die Bedingungen, um Biozide zur EPSBekämpfung auszubringen sind jedoch relativ streng und für Neemprotect als auch Dipel ES nahezu identisch, weshalb hier die wesentlichen Punkte für DipelES stellvertretend genannt werden:

1. Nur an befallenen Eichenbäumen in öffentlichen Straßen und Alleen

2. Öffentlichkeit darf behandelte Flächen erst nach Abtrocknung des Spritbelages jedoch frühestens 8 Stunden nach Behandlung betreten

3. Anwendung erst nach Schlupf und im Larvenstadium 1 oder 2

4. Risiko-Nutzen Abwägung und Prüfung auf Biozid-Alternative (mechanische Entfernung)

5. Stark frequentierte Bereiche wie Wohngebiete und öffentliche Parks nur in äußerstem Notfall, wenn nach Prüfung von Punkt 4 mechanische Entfernung nicht möglich ist

6. Verbot von vorsorglicher Ausbringung Befall muss vor Behandlung durch Kontrolle/Monitoring nachgewiesen werden

7. Anwendungsanzahl: Das Biozidprodukt darf nur einmal pro Jahr und Standort angewendet werden

8. Tageszeit: Penetration in Blatt ermöglichen, nicht in der Mittagssonne, sondern abends oder an bewölkten Tagen

9. Temperatur: Lufttemperatur am Tage mind. 15°C für notwendige Fraßaktivität der Raupen

10. Belaubungsgrad v. mind. 60-70%

11. Abwaschung: Kein Regen bis 12 Stunden nach Anwendung zu erwarten

12. Wind: Ausbringung bei konstanter Windgeschwindigkeit > 5 m/s vermeiden

Selektivität des Biozides

DipelES wird allgemein eine bessere Selektivität zugesprochen. Hervorzuheben ist jedoch, dass sich die Selektivität, nicht auf den Eichenprozessionsspinner beschränkt, sondern auf Schmetterlingsraupen im Allgemeinen.

In Deutschland existieren 366 an Eichen lebende Schmetterlingsarten, wovon 288 während der potenziellen Applikationszeit der Biozide im Larvenstadium sind. Bei 214 davon muss eine direkte Betroffenheit angenommen werden, bei den übrigen 74 wird noch kontrovers diskutiert. Bei einer Untersuchung in den USA waren bei der Bekämpfung des Schwammspinners mittels Bacillus thuringensis 92 bis 98 Prozent der 223 Schmetterlingsarten aus 22 Familien betroffen (Scriber 2004).

Möglichkeiten der Ausbringung

Bei der ersten Kontrolle durch das SV-Ing. Büro des Verfassers am 2. 4. 2019 wurden bereits Eigelege entdeckt, bei denen der Raupenschlupf stattgefunden hat. Der letzte Raupenschlupf fand am 10. 4. 2019 bei nasskaltem Wetter bei ca. 1°C statt. Die Raupen hatten bei nahezu allen untersuchten Bäumen das dritte Larvenstadium bereits vor dem Blattaustrieb erreicht. Bei keinen der Bäume konnte ein Belaubungsgrad von dem Mindestmaß in Höhe von 60 Prozent festgestellt werden, was eine regelrechte Ausbringung gem. BAUA unmöglich macht. In Berlin gab es z. B. im Jahr 2013 einen einzigen Tag an dem es aufgrund des Blattaustriebes/ Belaubungsgrad, des Larvenstadiums und des Wetter überhaupt zulässig gewesen wäre, das Biozid auszubringen (Sobczyk 2014).

Fazit

Die Kontrolle und Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners stellen Kommunen vor große Herausforderungen. Der Umfang der Gefahrenkontrolle als auch die Gefahrenbeseitigung orientieren sich dabei stark an den FLL Richtlinien in Bezug auf Verkehrssicherungspflicht. Da das Gefahrenpotenzial durch die Verwehung weiterreicht als z.B. der Fallradius, ist zu diskutieren, inwieweit Wälder oder waldartige Bestände nun abweichend der FLL Richtlinien unter die Verkehrssicherungspflicht fallen. Eine an einen Wald grenzende Schule in Mittelfranken z. B. machte eine umfassende aufwendige mechanische EPS-Beseitigung 2018 in einem ganzen Waldstück nötig, da sich die Eltern weigerten, die Kinder zur Schule gehen zu lassen, da Sie allergische Reaktionen bei ihren Kindern feststellten.

Der Einsatz der beiden zugelassenen Biozide ist nicht ohne weiteres möglich. Auch ist zu diskutieren, ob ein präventiver unselektiver Einsatz ohne Monitoring System einer artenschutzrechtlichen Prüfung standhält und nicht einen Verbotstatbestand nach BNatSchgG auslöst. Für die Kontrolle und Bekämpfung wird wohl die mechanische Bekämpfung im urbanen Bereich das vorherrschende Verfahren sein müssen. Die besonderen Ansprüche an Durchführung dieser Leistungen, bezogen auf das Vergabewesen, die praktische Durchführung und den Arbeitsschutz, soll die im Mai im Gelbdruck erscheinende BAHÖ EPS-Richtlinie vereinheitlichen. Tobias Siegert

Literatur

Literaturverzeichnis

Bundesgerichtshof, vom 21.01.1965, Aktenzeichen III ZR 217/63.

Bundesgerichtshof, vom 04.03.2004, Aktenzeichen III ZR 225/03.

Ebert, Günter (1994): Die Schmetterlinge Baden-Württembergs. [im Rahmen des Artenschutzprogrammes Baden-Württemberg]. Stuttgart: Ulmer.

Fischer, Uwe; Sobczyk, Thomas (2002): Rote Liste Schwärmer. Redaktionsschluß: November 2001. Dresden: Sächs. Landesamt für Umwelt und Geologie (Materialien zu Naturschutz und Landschaftspflege).

Groenen, Frans; Meurisse, Nicolas (2012): Historical distribution of the oak processionary moth Thaumetopoea processionea in Europe suggests recolonization instead of expansion. In: Agricultural and Forest Entomology 14 (2), S. 147-155. DOI: 10.1111/j.1461-9563.2011. 00552.x.

Schafmeister, Christian (2018): Streit um Schädlinge eskaliert: Bürgermeister zeigt sich wegen Körperverletzung an. Mitteldeutsche Zeitung. Online verfügbar unter www.mz-web.de/mitteldeutschland/streit-um-schaedlinge-eskaliert-buergermeister-zeigt-sich-wegen-koerperverletzung-an-30590792, zuletzt geprüft am 05.05.2019.

Schweitzer, Dale F. (2004): Gypsy Moth (Lymantria dispar): Impacts and Options for BiodiversityOriented Land Managers. 59 pages. NatureServe, Arlington, Virginia.

Scriber, J. Mark (2004): Non-target impacts of forest defoliator management options: Decision for no spraying may have worse impacts on non-target Lepidoptera than Bacillus thuringiensis insecticides. In: J Insect Conserv 8 (2-3), S. 243-263. DOI: 10.1007/s10841-004-1357-9.

Sobczyk, Thomas (2014): Der Eichenprozessionsspinner in Deutschland. Historie, Biologie, Gefahren, Bekämpfung. Bonn: BfN Bundesamt für Naturschutz (BfN-Skripten, 365).

Stigter, H; Geraedts, W.H.J.M; Spijkers, H.C.P (1997): Thaumetopoea Processionea in th Netherlands. Present status and management perspectives (Lepidoptera: Notodontidae). In: Proceedings Experimental & Applied Entomology N.E.V., Vol 8, S. 3-16.

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