DGG-Tagung in Berlin zu heimischen Wildpflanzen
"Das Artensterben ist bedrohlicher als der Klimawandel"
"Tausende Gärten – Tausende Arten" war das Motto einer Fachtagung der Deutschen Gartenbaugesellschaft (DGG) im Vorfrühling. Rund 200 Fachleute aus Kommunen, der Stadtplanung und dem GaLaBau nahmen an der Veranstaltung im Haus der Jugend in Berlin Charlottenburg teil. In den Podiumsrunden diskutierten die Teilnehmer, wie sich naturnahe Gestaltungsformen in urbanen Räumen mit heimischen Wildstaudenrealisieren lassen.
Insktensterben durch den Verlust der offenen Landschaft
"Das Artensterben ist bedrohlicher als der Klimawandel", betonte der Präsident der DGG, Prof. Dr. Klaus Neumann vor dem Publikum. Bis 2030 wären 30 Prozent aller Naturschutzgebiete weltweit bedroht. Artenreiche Grünflächen in den Innenstädten zu integrieren, sei von zentraler Bedeutung. "Es kann nicht sein, dass Stellen in den Grünflächenämtern zunehmend abgebaut werden und Ressourcen und Gelder eingespart werden", so Neumann weiter. Die Arbeit in der Grünflächenplanung würde an Komplexität und Bedeutung zunehmen. Die Ämter seien eine wichtige Instanz, um an vielen kleinen Orten etwas zu bewirken, ergänzte Neumann. "Mehr als die Hälfte aller Wildbienen stehen auf der Roten Liste", erläuterte Agrarwissenschaftler und Experte für Wildbienen, Dr. Christian Schmid-Egger. Grund dafür sei die Umgestaltung der offenen Agrarlandschaft. 70 Prozent aller Wildbienenarten seien Offenbodennister und benötigen freie Bodenflächen – diese Lebensräume würden zunehmend verschwinden. Die Landschaften vergrasen und es fehlen Blüh- und Bodenflächen, die den Insekten als Habitate dienen. Planer müssen Blühstreifen integrieren, um das Insektensterben zu mindern, erklärte er weiter. "Zudem haben wir ein Grundsatzproblem! Alle reden bei der Pflanzenbestäubung von der Biene", so Schmid-Egger. Dabei würden die meisten Nutzpflanzen von Käfern, Fliegen und vor allem Schmetterlingen bestäubt werden.
Abwandern der Wildbienen nach Skandinavien
"In Berlin stellt die Honigbiene ein großes Problem dar", erläuterte Schmid-Egger. Die Honigbiene fresse den Wildbienen und anderen Insekten das Futter weg, weshalb besonders die Wildbienen gefördert werden müssen. Auch andere Insekten müssen in Berlin eine größere Bedeutung erhalten. Davon ausgenommen sind Nachtfalter, die gute Bestände vorzuweisen haben. In Deutschland sind aktuell 601 Wildbienenarten bekannt und es werden jährlich drei bis vier neue Arten bestimmt. Dieser Fakt täusche jedoch über die prekäre Artenbedrohung der Wildbienen hinweg. Immer mehr Wildbienenarten würden gen Norden nach Skandinavien ziehen, so Schmid-Egger weiter.
"36 Millionen Menschen können in Deutschland einen Beitrag leisten", bekräftigte DGG-Geschäftsführerin Bettina de la Chevallerie. In Gärten, auf Dachterrassen und Balkonen könnten heimische Wildstauden kultiviert werden, die die Artenvielfalt der Insekten unterstützen können. Dafür wurden sechs Saatgutmischungen von der DGG entwickelt, die in verschiedenen Pflanzkategorien gesammelt und vermarktet werden. Für eine erfolgreiche Unterhaltung von Vegetationsflächen mit Wildstauden seien Remontierschnitte, erklärte Naturgartenplanerin, Luise Blank. So würde man den Pflanzen mehrere Blühperioden ermöglichen. Besonders Wildstauden mit zierlichen Blüten würden dadurch profitieren. "Das sterile Bild von ordentlichen Grünflächen mit perfektem Rasen in der Stadt ist eine Illusion", erklärte Blank. Vegetationsflächen müssten weniger sortiert wirken, um eine höhere Artenvielfalt zu ermöglichen. Auch die Menschen in der Stadt müssten sich auf die freie Landschaft rückbesinnen.
Danilo Ballhorn
Christian Münter