Ein wichtiger Beitrag zum Naturschutz im Wegebau

Regio-Saatmischungen für Grünwege

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Bei Ansaaten in der freien Natur muss § 40 (1) BNatSchG beachtet werden. Da Grünwege in der Feldflur zur freien Natur zählen, ist die Verwendung von "normalen" Regelsaatgutmischungen (RSM) ohne Regionsbezug seit dem 1. März 2020 nicht mehr möglich. Zu beachten ist dabei weiterhin die Erhaltungsmischungsverordnung (ErMiV), die Deutschland in 22 Ursprungsgebiete (UG) einteilt und festlegt, dass in der freien Natur nur Saatgut verwendet werden darf, welches aus dem betreffenden UG stammt.

Während einer Übergangszeit bis zum 1. März 2024 können in Erhaltungsmischungen die Herkünfte angrenzender Ursprungsgebiete, vorzugsweise aus demselben Produktionsraum, verwendet werden, falls Saatgut aus dem betreffenden UG nicht verfügbar ist. Allerdings bleibt die Genehmigungspflicht seitens der zuständigen Naturschutzbehörden für Mischungen mit Komponenten, deren genetischer Ursprung nicht im betreffenden Ursprungsgebiet liegt, bestehen. Zur Erleichterung der Arbeitsabläufe wurden seitens der FLL (2014) standardisierte Mischungen (RSM-Regio) für den Landschaftsbau entwickelt. Allerdings wurden dabei die Grünwege mit deren besonderen Belastung und dem Anspruch an eine hohe Regenerationsfähigkeit zu wenig beziehungsweise nicht berücksichtigt.

Im Rahmen der Flurneuordnung in der ländlichen Entwicklung wurde dieses Defizit offenkundig und der Wunsch nach einer standardisierten Regio-Mischung (im vorliegenden Fall für Bayern) geäußert.

Bei der Neuanlage von Grünwegen müssen nicht nur der Fahrweg eingesät werden, sondern auch Wegseitengräben und Böschungen. Zur Erleichterung in der Umsetzung ist daher die Ausbringung einer einzigen Mischung für die Bereiche Fahrweg, Graben und Böschung zielführend. Die neu zu entwickelnde Mischung muss neben Trittverträglichkeit auch über trockenheits- und feuchtigkeitstolerante Arten verfügen, entsprechend den standörtlichen Vorgaben. Diese standörtlichen Faktoren entscheiden über den Wuchsort der einzelnen Mischungskomponenten. Im Rahmen eines von der Bayerischen Verwaltung für Ländliche Entwicklung unterstützten Projektes wurden zwei Mischungen auf Basis des Artenfilters der Ursprungsgebiete Bayerns (s. FLL 2014) entwickelt und auf ihre Eignung als standardisierte Mischungen für die Verwendung im Rahmen der LBLE (Leistungsbeschreibung Ländliche Entwicklung) Bereich 8 "Vegetationstechnische Landschaftsbauarbeiten" geprüft.

Kriterien der Mischungsentwicklung

Diese Regiosaatgutmischungen müssen den besonderen Anforderungen eines Grünweges genügen: Sie müssen den mechanischen Belastungen standhalten und sich auch zur Sicherung von Seitenstreifen, Regenrückhaltebecken und Abflussrinnen eignen. Zusätzlich ist es wünschenswert, dass ein Kräuteranteil mit hoher Blütendichte in den Mischungen enthalten ist und zur Förderung der Biodiversität beiträgt. Diese Kräuter müssen sich außerdem gegenüber den Gräsern durchsetzen können.

Grundlage für die Entwicklung der gewünschten Mischungen ist ein Artenpool der zulässigen Arten für Bayern. Hierfür wurden, zur Erleichterung in der Ausschreibungspraxis, standardisierte Mischungen entwickelt, die unter Verschneidung der jeweiligen regionalen Artenlisten in den Ursprungsgebieten 11,12, 14, 16, 17 und 21 in gleichbleibender Artausstattung in ganz Bayern eingesetzt werden können. Dabei muss die genetische Herkunft der Arten von Ursprungs- und Ausbringungsgebiet identisch sein.

Die beiden Mischungen (Tab. 1) unterscheiden sich in ihrer Zusammensetzung und insbesondere auch im Gräseranteil von 70 Prozent (Flurweg 1) und 90 Prozent (Flurweg 2) und wurden seit 2016 auf ihre Tauglichkeit zum Einsatz auf Grünwegen überprüft.

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Prüfkriterien

Als Prüfkriterien dienten der Feldaufgang, die Entwicklung der Deckung über die Jahre und die Entwicklung der Artenzahl, um daraus Rückschlüsse auf die Resilienz gegenüber Trittbelastung und Trockenstress ziehen zu können. Die Mischungen wurden auf vier verschiedenen Bodentypen aus Muschelkalk-, Buntsandsteinverwitterungsböden und den eiszeitlichen Ablagerungen aus Löss und Sand unter verschiedener Fahrbelastung geprüft (Tab. 2).

Ergebnis

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass bei der Neuanlage von Grünwegen die Samenbank der Flächen durch die Erdarbeiten aktiviert wird. Gerade auf nährstoffreichen Böden können darin stark verdrängende Arten enthalten sein.

Im Laufe der Untersuchung hat sich gezeigt, dass Lolium perenne (Deutsches Weidelgras) in Ackerbereichen häufig einen großen Anteil in der Samenbank einnimmt. Daher ist eine zusätzliche Beimischung von Lolium perenne in den Mischungen obsolet. Hinzu kommt, dass der Aufwuchs aus Saatmischungen, wie in Bild 3 dokumentiert, häufig von Lolium perenne unterdrückt wird, da diese Gräserart vorwüchsig und sehr durchsetzungsfähig ist. Dies wirkt sich nachteilig auf die ausgesäte Artenzahl aus. Im Sinne der Biodiversitätssteigerung sollte auf die Beimischung von Lolium perenne als Schnellbegrüner verzichtet werden.

In der Neuausrichtung der Mischungen, ohne Lolium perenne, ergänzten sich die Arten innerhalb der Gräsergruppe zufriedenstellend.

Agrostis capillaris (Rotes Straußgras) konnte sich sowohl auf sandigen, als auch auf stark belasteten Böden gut etablieren. Es erwies sich als sehr trockenheitsverträglich, mit wichtiger Sicherungsleistung in den Grabenböschungen. Auf Seitenstreifen ohne große Belastung konnten sich hingegen Poa pratensis (Wiesen-Rispe) und Festuca pratensis (Wiesen-Schwingel) durchsetzen. Festuca pratensis etablierte sich besonders gut auf den Löss- und Lehmstandorten (Bild 2). Cynosurus cristatus (Kammgras) und Helictotrichon pubescens (Flaumhafer) kommen, entsprechend ihrer Rolle als bereichernde Beimengung, nur in geringem Umfang vor.

In der Kräutergruppe etablierten sich auf den Wegen und vor allem an Standorten mit starker Fahrbelastung die trittverträglichen Arten. Hierzu gehören Cichorium intybus (Wegwarte), Malva neglecta (Weg-Malve) und Plantago lanceolata (Spitzwegerich). Malva neglecta eignet sich besonders für Mittelstreifen hervorragend (Bild 4) und entwickelte sich auf nährstoffreichen Böden gut bodendeckend. Auf den Seitenstreifen und auf weniger belasteten Standorten (Bild 1) prägen Wiesen- und Saumarten wie Leucanthemum ircutianum (Wiesen-Margerite), Crepis biennis (Wiesenpippau), Pimpinella major (Große Pimpinelle), Hypericum perforarum (Johanniskraut) und Galium album (Weißes Labkraut) den Bestand. Weiterhin spielt Linaria vulgaris (Echtes Leinkraut) als zuverlässiger und wertvoller Spätblüher für Ruderalstandorte eine wichtige Rolle.

Der Überblick über die Entwicklung der Gesamtdeckung zwischen den beiden Mischungen an allen Standorten zeigt, dass Flurweg 1 mit geringerem Gräseranteil als Flurweg 2 in der Deckungsleistung mit Flurweg 2 mindestens gleichzusetzen ist (Abb. 2).

Gerade bei der Mischung Flurweg 1 blieben die Deckungswerte trotz extrem trocken-heißer Wetterbedingungen konstant. Mit Blick auf die Abbildung 4 zeigt sich, dass dies in erster Linie durch den höheren Kräuteranteil möglich war, da beide Mischungen hohe Deckungsverluste bei den Gräsern zu verzeichnen hatten.

Die Auswertungen ergaben, dass der hohe Gäseranteil von 90 Prozent von Flurweg 2 vermieden werden sollte, da sich dies nachteilig auf die beigefügten Kräuterarten auswirkt und viele der beigemischten Arten gar nicht in Erscheinung treten (Abb. 1 und Abb. 3). Weiterhin sind hohe Gräseranteile wie in Flurweg 2 für die Sicherung der Wege nicht nötig. Dafür können mehr Kräuter im Sinne der Biodiversität integriert werden. Als Beitrag zur Biodiversität ist diese Mischungsausstattung nicht geeignet. Das Gräser-/Kräuterverhältnis von 70 Prozent zu 30 Prozent, in Anlehnung an die Zusammensetzung der RSM-Regio, ermöglicht in beiden Gruppen ausgewogene Etablierungsraten.

Zu hohe Gäseranteile erschweren auch die Reaktionsfähigkeit der Mischungen in Trockenphasen, da sie dort schlechte Etablierungsraten zeigen und zu wenige Kräuter enthalten sind, um dieses Defizit aufzufangen (Abb. 3).

Ansaatmischungen Wegebau
Abb. 1: Bei der Mischung Flurweg 1 etablierten sich auf allen Standorten ausstattungsbedingt mehr Arten als bei der Mischung Flurweg 2. Abbildung: Kornelia Marzini
Ansaatmischungen Wegebau
Abb. 2: Entwicklung der Gesamtdeckung an den verschiedenen Standorten von 2017 bis 2020. Flurweg 1 zeigt im Vergleich am Standort bessere Anfangswerte und über die Jahre eine gute Deckungsentwicklung. Abbildung: Kornelia Marzini
Ansaatmischungen Wegebau
Abb. 3: Auch in Relation zur Mischungsausstattung etablierten sich im Durchschnitt bei der Mischung Flurweg 1 15 Prozent mehr Arten als bei der Mischung Flurweg 2. Abbildung: Kornelia Marzini
Ansaatmischungen Wegebau
Abb. 4: Das Aufzeigen von Verlust und Zunahme innerhalb der Deckung zeigt deutlich, wie wichtig ein hoher Kräuteranteil in den Mischungen ist. Unter den trocken-heißen Bedingungen im Untersuchungszeitraum erzielten die Kräuter gute Deckungswerte, während die Gräser zum Teil hohe Deckungsverluste aufwiesen, mit Ausnahme bei der Lössauflage. Gräser sind hier besonders dominant. Abbildung: Kornelia Marzini

Die Mischung Flurweg 1 zeigte eindeutig eine höhere Resilienz gegenüber Trockenstress. Es ist zu vermuten, dass durch die anhaltende Trockenheit während der Versuchsphase 2017 bis 2019, die tiefer wurzelnden Kräuter einen Konkurrenzvorteil besitzen. Die Mischung ist damit durch den Kräuteranteil von 30 Prozent in der Lage, die nachlassende Sicherungsleistung der Gräser unter Trockenstress abzupuffern.

Die feuchte-liebenden Arten Epilobium hirsutum (Zottiges Weidenröschen), Lamium maculatum (Geflecktes Labkraut) und Silene flos-cuculi (Kuckucks-Lichtnelke) konnten während des Untersuchungszeitraums nicht nachgewiesen werden, da sich im Untersuchungsgebiet die Versuchsjahre 2017 bis 2020 durch außergewöhnliche Trockenheit auszeichneten.

Ausblick

Durch die Verwendung von weit verbreiteten und leicht zu vermehrenden Arten, die mehrheitlich bereits seit 2014 durch die Verwendung in den RSM-Regiomischungen dem Markt zur Verfügung stehen, sollte die Verfügbarkeit der Arten für alle Regionen gewährleistet sein. Die Mischung Flurweg 1 wird mit einer Saatstärke von 5 g/m² ausgesät und kostete zum Zeitpunkt des Projektendes (2020) 14,00/kg.

Damit ist es nicht nur möglich, unter Einhaltung der Naturschutzauflagen aus § 40 (1) BNatSchG stabile und dauerhaft funktionstüchtige Flurwege kostengünstig zu etablieren. Die artenreiche Saatmischung mit hohem Kräuteranteil trägt darüber hinaus zur Steigerung der Biodiversität bei. Durch ihre vielfältige Ausstattung leistet sie einen wertvollen Beitrag zur Vernetzung über die Grünwege. Im Rahmen des Wegebaus kann damit ein wichtiger Beitrag zum Biotopverbund geleistet werden.

Ansaatmischungen Wegebau
4. Die trittverträglichen Arten, wie Malva neglecta, Leontodon autumnalis und Plantago lanceolata bilden gemeinsam mit Agrostis capillaris den Bestand des Mittelstreifens auf Sand, unter starker Fahrbelastung und extremen trocken-heißen Standortbedingungen. Nordheim/Main, Oktober 2019. Foto: Kornelia Marzini

Literatur

Dipl.-Biol. Kornelia Marzini
Autorin

Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau

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