Forschung und Entwicklung
Mehr als ein Viertel der Insekten-Arten bestandsgefährdet
In Deutschland sind 26,2 Prozent von knapp 6750 neu bewerteten Insektenarten in ihrem Bestand gefährdet. Das ist die Bilanz der jetzt vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) veröffentlichten Roten Liste, dem dritten und abschließenden Band zu den wirbellosen Tieren. Von diesen knapp 6750 in Deutschland lebenden Arten aus 14 aktuell betrachteten Insektengruppen stellen die Käfer mit neun Artengruppen und mehr als 5600 Arten den größten Anteil.
Die neue Rote Liste zeigt, dass bei einigen wenigen Insektenarten die Bestände zugenommen haben, die Rückgänge vieler Arten aber deutlich überwiegen. Trotz Erfolgen durch Naturschutzmaßnahmen bleibt insbesondere bei den gewässergebundenen Arten der Anteil bestandsgefährdeter Insektenarten hoch.
Im dritten Wirbellosenband ist der Anteil bestandsgefährdeter Arten in den artenärmeren Gruppen der Steinfliegen mit 46,4 Prozent und der Eintagsfliegen mit 40,5 Prozent besonders hoch. Arten dieser Gruppen bewohnen Binnengewässer und bevorzugen insbesondere naturnahe Gewässer und Uferbereiche. In den vergangenen 150 Jahren sind die Bestände vieler Arten aufgrund verschmutzter Gewässer zurückgegangen. Davon konnten sich, trotz der deutlich verbesserten Wasserqualität vieler Gewässer in den letzten 25 Jahren, viele Bestände noch nicht vollständig erholen, insbesondere bei den Steinfliegen. Zudem sind die Larven beider Gruppen durch zahlreiche weitere vom Menschen verursachte Störungen in ihrem aquatischen Lebensraum gefährdet.
Zu den Käfergruppen mit besonders vielen bestandsgefährdeten Arten zählen die Blattkäfer mit 41,1 Prozent, die Rüsselkäfer mit 39 Prozent und die Blatthornkäfer mit 32,8 Prozent. Aufgrund der teilweise hohen Artenzahlen gehört insgesamt der überwiegende Teil der in diesem Band ermittelten bestandsgefährdeten Insektenarten zu den Käfern. Viele Käferarten haben eine enge Bindung an bestimmte Biotope. Vor allem die Nutzungsänderung und der Verlust naturnaher Lebensräume führt dazu, dass die Bestände dieser Arten zurückgehen.
Bei den Blatthornkäfern sind die Ursachen für die Bestandsrückgänge so unterschiedlich wie deren Lebensweise. Arten des Offenlandes und der halboffenen Landschaften sind beispielsweise vor allem durch die Intensivierung der Landwirtschaft, aber auch durch weitere Ursachen gefährdet. Auf dungfressende Arten wirkten sich unter anderem die Aufgabe der Weidewirtschaft zugunsten von Stallhaltung, die Flurbereinigung und Medikamentenzusätze in der Tierzucht negativ aus.
Kein anderes Instrument des Naturschutzes in Deutschland gibt über den Zustand einer so großen Zahl von Arten Auskunft wie die Roten Liste. Die Roten Listen beschreiben die Gefährdungssituation der Tier-, Pflanzen- und Pilzarten und stellen mit ihren Gesamtartenlisten eine Inventur der Artenvielfalt dar. Sie werden etwa alle zehn Jahre unter Federführung des Bundesamtes für Naturschutz für ganz Deutschland herausgegeben.
Die neueste Rote Liste ist Band 5 des acht Bände umfassenden Gesamtwerkes und der letzte Sammelband der 2009 begonnenen Reihe. Die im Band 5 vorgelegten Listen sind das Ergebnis eines langjährigen Prozesses, bei dem die Kenntnisse von mehr als 130 ehrenamtlich Mitwirkenden zu den jeweiligen Arten oder Unterarten für Deutschland zusammengetragen, analysiert und aufbereitet wurden. Eine übergreifende Auswertung aller seit 2009 erschienenen Roten Listen folgt zu einem späteren Zeitpunkt als letzter Teil des Rote-Liste-Zyklus. BfN