GaLaBau und Recht: Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Preiserhöhungen und kein Ende in Sicht: Hilft der Gesetzgeber oder die Rechtsprechung?

von:
Preissteigerung GaLaBau
Lieferschwierigkeiten prägen nun häufig den Alltag aller Unternehmer. Foto: hkama, Adobe Stock

Zurzeit häufen sich in meiner Anwaltskanzlei die Anfragen sowohl von GaLaBau-Firmen, als auch von privaten Auftraggebern. Themen dieser Anfragen sind stets Lieferschwierigkeiten bei Material sowie die zum Teil ganz erheblichen Preiserhöhungen. Bei den GaLaBau-Firmen geht es fast immer um nicht kalkulierte Preiserhöhungen für Material oder Energie.

Bei den GaLaBau-Firmen geht es fast immer um nicht kalkulierte Preiserhöhungen für Material oder Energie. Bei den Auftraggebern dagegen fast immer um die Frage, wie ist die Rechtslage, wenn ein Unternehmen plötzlich eine wesentlich höhere als die vertragliche Vergütung verlangt und als Grund Materialpreiserhöhungen seiner Vorlieferanten angibt. Hier hat zumeist der Auftraggeber die etwas besseren Karten. Soweit es im speziellen Fall nicht vom Gesetz oder der Rechtsprechung gebilligte Ausnahmen gibt, gilt der Grundsatz, dass wirksam geschlossene Verträge von beiden Vertragsparteien einzuhalten sind und Preisanpassungen zumeist nicht erzwungen werden können.

Bei der derzeitigen wirtschaftlichen Situation tut jeder Auftraggeber gut daran, an keiner vertraglich vereinbarten Leistung nachträglich etwas zu ändern, weil dann der Vertragspartner für von der Änderung betroffene Materialien oft mit den inzwischen gestiegenen neuen Materialpreisen kalkulieren kann. Bund und Länder diskutieren zwar, wie sie den Betroffenen mit allen möglichen Instrumenten helfen können. Bis jetzt ist es allerdings noch bei der Diskussion geblieben, konkrete Ergebnisse liegen jedoch keine vor. Insbesondere sind in der Diskussion Anpassungen, wie es bei längerfristigen Verträgen während der seinerzeitigen Erdölkrise der Fall war. Insbesondere bei dem Baustoff Bitumen wurde damals den Betroffenen geholfen.

NL-Stellenmarkt

Relevante Stellenangebote
Projektleiter*in (m/w/d) gesucht!, Gronau-Epe  ansehen
Bauleitung (a) im Bereich Grünplanung, Freiburg  ansehen
Gärtner:in mit Funktion Vorarbeiter:in (w/m/d) -..., Bremen  ansehen
Alle Stellenangebote ansehen
Preissteigerung GaLaBau
Nicht kalkulierbare Preise für Materialien und Energie bereiten zunehmend Sorgen. Foto: mahey, Adobe Stock

Preislisten - aber noch kein Vertrag

So lange sich die steigenden Preise nur aus den Preislisten ergeben, ist noch kein Verkäufer verpflichtet, einen Vertrag zu schließen. Ist dieser aber rechtlich verbindlich geschlossen, sind für den Lieferanten die Chancen nicht allzu gut, nachträglich noch Preisanpassungen zu erreichen. Zumeist wird als Ursache der Ukrainekrieg angeführt (früher auch zum Teil die COVID-Pandemie), dessen Auswirkungen einen Wegfall der Geschäftsgrundlage (auch Störung der Geschäftsgrundlage genannt) im Sinne von § 313 Abs. 1 BGB begründen soll.

Wegfall der Geschäftsgrundlage

§ 313 Abs. 1 BGB lautet wie folgt:

Störung der Geschäftsgrundlage

"Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann."

Oft wird argumentiert, dass der Grund der Lieferschwierigkeit keiner Partei zugeordnet werden könne. Dies reicht für die Annahme der Voraussetzungen des § 313 Abs. 1 BGB nicht aus. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind Kalkulationsgrundlagen, zu denen auch die Einkaufspreise gehören, keine Geschäftsgrundlage für einen später abgeschlossenen Vertrag. Diese Auffassung hat der Bundesgerichtshof bereits in seiner Entscheidung BGH DB 1977, Seite 91 vertreten und ist seitdem von seiner Meinung nicht mehr abgewichen. § 313 BGB ist nicht anwendbar, wenn sich durch die Störung ein Risiko verwirklicht hat, welches eine Vertragspartei zu tragen hat. Das Beschaffungsrisiko liegt normalerweise eindeutig beim Verkäufer (im Werkvertragsrecht beim Auftragnehmer).

Nach der Rechtsprechung bleibt ein vereinbarter Preis auch bei unerwarteten Kostenerhöhungen für den Lieferanten bindend (vgl. BGH Urteil vom 25.05.1977, Az. VIII ZR 196/75). Wenn ein Material, wie zum Beispiel Baustahl oder Lagermatten am Markt durchaus beschafft werden können, aber die Preise der Vorlieferanten lediglich kräftig gestiegen sind, ist dies kein Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage und erst recht nicht ein Fall der "Unmöglichkeit". Der Verkäufer kann durchaus seine Lieferverpflichtung erfüllen. Durch die gestiegenen Preise seines Vorlieferanten macht er aber keinen Gewinn mehr oder sogar einen nennenswerten Verlust. Dies reicht aber immer noch nicht, damit von einem Wegfall der Geschäftsgrundlage gesprochen werden kann. Der Anwendungsbereich des § 313 BGB ist äußerst restriktiv. Wie die Praxis in der Vergangenheit gezeigt hat, ist § 313 BGB in den allermeisten Fällen keine große Hilfe.

Zu Recht haben die Bauverbände in ihren Veröffentlichungen zu dem Thema die Bestimmung des § 313 BGB für bereits geschlossene Verträge als "Notbremse" bezeichnet. Die Hürde für die Anwendung dieser "Notbremse" ist regelmäßig so hoch, dass in den aller seltensten Fällen die Rechtsprechung zum Ergebnis kommt, dass ein Wegfall der Geschäftsgrundlage vorliegt.

Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund

Bei einem Dauerschuldverhältnis (wie z. B. einem Rahmenvertrag) sieht § 314 BGB vor, dass derartige Verträge stets außerordentlich fristlos gekündigt werden können, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solch wichtiger Grund liegt vor, wenn ein Festhalten am Vertrag unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht mehr zumutbar ist. Ein solcher Fall könnte durchaus bei noch längerfristig laufenden Verträgen bei den derzeitigen Preiserhöhungen möglich sein, wenn kein Ende einer solchen Entwicklung abgesehen werden kann.

Eine solche Kündigung sollte allerdings nur nach vorheriger Beratung durch einen Rechtsanwalt erfolgen. Ist eine Vertragsanpassung nicht möglich beziehungsweise nicht zumutbar oder liegt kein wichtiger Grund zur Kündigung vor und wird dennoch der Vertrag gekündigt, kann der Kündigungsgegner Schadenersatz für die durch die Vertragsbeendigung erlittenen Verluste verlangen, d. h. die Kündigung ist stets mit einem gewissen nur schwer kalkulierbaren Risiko verbunden.

Viel zu wenig wird § 314 Abs. 3 BGB beachtet. Nach der Bestimmung kann man nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem man vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat. Es geht also nicht an, dass man den Kündigungsgrund kennt und dann doch noch längere Zeit wartet. Selbst wenn man zu Recht kündigen könnte, hat man das Kündigungsrecht verwirkt, wenn man zu lange wartet.

Stoffpreisgleitklauseln

Ein durchaus gängiges Mittel ist die Vereinbarung von Stoffpreisgleitklauseln, mit denen Preiserhöhungen auf den Kunden durchgestellt werden können. In der Vergangenheit musste ich mehrfach feststellen, dass Stoffpreisgleitklauseln von den Vertragsparteien so formuliert wurden, dass sie entweder überhaupt nicht gegriffen haben oder es zu äußerst ungerechten Ergebnissen gekommen ist. Hier kann eine ordentliche rechtliche Beratung schlimmeres verhindern.

Zu beachten ist auch, dass die Vereinbarung einer Stoffpreisgleitklausel gegenüber Verbrauchern wesentlich strengeren Voraussetzungen unterliegt. Nach § 309 Nr. 1 BGB ist eine dahingehend allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam, soweit die Erhöhung der Vergütung für Leistungen oder Waren vorgesehen ist, die innerhalb von vier Monaten nach Vertragsschluss erbracht oder geliefert werden sollen. Da die Rechtsprechung bereit ist, viele Formulierungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehen, wird in der Literatur allgemein davon abgeraten, gegenüber Verbrauchern eine Stoffpreisgleitklausel zu vereinbaren. Festzuhalten ist allerdings, dass eine solche Stoffpreisgleitklausel als rechtlich durchaus möglich angesehen werden kann.

Angebote unter Vorbehalt

In letzter Zeit ist häufig festzustellen, dass immer mehr Angebote von Unternehmen unter Vorbehalt gemacht werden. In einem solchen Fall ist der Vertrag zwischen den Parteien noch nicht endgültig geschlossen. Durch den Vorbehalt hat der Anbietende doch noch die Möglichkeit, von dem Geschäft Abstand zu nehmen. Der unter Vorbehalt Anbietende muss sich in dem Fall noch erklären, ob er trotz seines Vorbehaltes den Auftrag annimmt oder nicht. Mit dem Vorbehalt wird erst einmal Zeit gewonnen, in der man sich möglicherweise Klarheit verschaffen kann, mit welchen Risiken man in nächster Zeit bezüglich der Lieferung von Materialien und Preiserhöhungen rechnen muss.

Preissteigerung GaLaBau
Die Risiken für Unternehmer sind deutlich gestiegen und werden im Laufe des Jahres noch wirtschaftliche Spuren hinterlassen. Foto: Prot, Adobe Stock

Nachverhandlungsklauseln

Immer häufiger werden in Verträgen, die nicht in kürzester Zeit abgewickelt werden können, sogenannte "Nachverhandlungsklauseln" vereinbart. In einer solchen Klausel wird vertraglich festgelegt, auf welcher Grundlage die Vergütung für eine Leistungsanpassung ermittelt wird. Zudem werden darin die für die Durchführung einer Nachverhandlung notwendigen Anwendungsvoraussetzungen, einzelne Prozessschritte und ggf. Zeitvorgaben festgelegt, auf deren Basis die Nachverhandlung durchgeführt wird.

Die meisten Nachverhandlungsklauseln, die ich in letzter Zeit gesehen habe, erfüllen ihren Zweck nicht. In vielen Fällen geben die Klauseln lediglich den Parteien das Recht, miteinander zu verhandeln. Bei unzureichend formulierten Nachverhandlungsklauseln besteht immer die Gefahr, dass eine Vertragsseite stur bleibt und die Nachverhandlung nichts bringt, d. h. die alte Vereinbarung gilt sofort, so dass eine Preiserhöhung nicht verlangt werden kann. Derartige Klauseln können durchaus sinnvoll sein, wenn sie entsprechend formuliert sind.

Höhere-Gewalt-Klauseln

Die sogenannten "Höhere-Gewalt-Klauseln" machen nur Sinn, wenn sie im Vertrag auf den Einzelfall abgestellt sind und auf einen von außen kommendes, unabwendbares von den Parteien nicht zu vertretendes Ereignis abstellen, das bei Vertragsabschluss noch nicht vorhersehbar war. Es wird in einem solchen Fall stets empfohlen, konkrete Beispiele aufzulisten, was ein Fall der "Höheren-Gewalt" sein soll. In der Vergangenheit wurden hauptsächlich Naturkatastrophen, nicht vorhersehbare Streiks (auch wilde Streiks) und Krieg aufgezählt. Auch hier empfiehlt sich dringend juristischen Rat einzuholen.

Behinderungsanzeigen

Soweit es zu Verzögerungen aufgrund von Lieferengpässen oder gar zu Lieferausfällen kommt, kann auch an eine Behinderungsanzeige gedacht werden. Die Behinderungsanzeige ist allerdings kaum geeignet, bei gestiegenen Lieferantenpreisen zu helfen. Bei nachteiligen Auswirkungen auf das Vertragsverhältnis (z. B. Bauablauf) kann aufgrund der Behinderungsanzeige zumindest eine Verlängerung der Liefer- beziehungsweise Bauzeit erreicht und eine Vertragsstrafe möglicherweise abgewendet werden.

Die vorstehenden Ausführungen zeigen, wie schwer es ist, der heutigen Situation mit den Auswirkungen des Ukrainekrieges und der COVID-Pandemie zurechtzukommen. Die Risiken für die Unternehmer sind deutlich gestiegen und werden im Laufe des Jahres auch noch wirtschaftliche Spuren hinterlassen. Am Markt ist im Übrigen eine deutliche Zurückhaltung bei Unternehmen festzustellen, die als Generalunternehmer neue längerfristige Verträge eingehen sollen. Die Firmen sind insgesamt vorsichtiger geworden.

Neue Erlasse zu § 313 BGB

Das Bundesverkehrsministerium hat Ende März Erlasse zu Lieferengpässen und Preissteigerungen wichtiger Baumaterialien als Folge des Ukraine-Krieges bekannt gemacht. Diese Erlasse helfen den betroffenen Unternehmen bei Bundesaufträgen. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Länder und andere öffentliche Auftraggeber nachziehen werden. Für bestehende Verträge wird klargestellt, dass die Ukraine-Krise ein Fall der höheren Gewalt ist und grundsätzlich geeignet ist, einen Anspruch auf Anpassung der Erträge gemäß § 313 BGB zu erhalten. RA Rainer Schilling

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Ausgewählte Unternehmen
LLVZ - Leistungs- und Lieferverzeichnis

Die Anbieterprofile sind ein Angebot von llvz.de

Redaktions-Newsletter

Aktuelle GaLaBau Nachrichten direkt aus der Redaktion.

Jetzt bestellen