Darmstadt: Platanenhain in historischer Parkanlage ist saniert und bereit für den Klimawandel

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Der Platanenhain auf der Darmstädter Mathildenhöhe, die seit 2021 zum UNESCO Welterbe gehört, war schon sehr lange kein guter Standort mehr für Bäume. Extrem verdichteter Boden und geringe Niederschläge schränkten die Vitalität der Bäume stark ein und erlaubten schon seit Jahren kein richtiges Gedeihen mehr. Sie befanden sich in einem permanent beeinträchtigten Zustand, welcher am stagnierenden Kronen- und Stammwachstum auch für den Laien deutlich erkennbar war. Mit einem neuen Sanierungskonzept sollte nun Abhilfe geschaffen werden für die betroffenen 178 Bäume.
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Blick vom Hochzeitsturm vor der Sanierung Oktober 2021 im Platanenhain. Foto: Grünflächenamt Darmstadt

Ausgangslage und Problemstellung

Um zu verstehen, woran es am meisten im Platanenhain mangelte, war ein Blick in den Boden notwendig. Granodiorit ist das Gestein, aus dem die Auffüllung unter den Bäumen auf der Mathildenhöhe zum Großteil besteht. Ein sehr hartes Grundgestein, welches zum Teil als anstehender Fels, zum Teil als extrem verdichtete Kornansammlung im Platanenhain vorliegt. Bohrproben und Probegrabungen im Vorfeld der Sanierung ermöglichten einen Einblick in dieses Material, welches, auf Grund der starken Verdichtung, bis auf 1,1 Meter Tiefe ohne jegliche Abstützung ausgekoffert werden konnte.

Kein guter Boden für Bäume und ihre Wurzeln! In diesem Boden gelangte kaum mehr Sauerstoff an die Wurzeln, an eine gesunde Wurzelversorgung war nicht mehr zu denken. Zudem war auch Wasser kaum mehr für die Bäume verfügbar. Zum einen, weil die natürliche Niederschlagsmenge in Südhessen seit Jahren zurückgeht, zum anderen, weil die Bewässerung über Schläuche direkt auf die Belagsoberfläche bzw. über Bewässerungssäcke, bei den noch jüngeren Bäumen, durch die Verdichtung der wassergebundenen Decke nur noch in geringsten Mengen bis zu den Wurzeln durchsickerte.

Sanierungskonzepte – hart oder herzlich?

2016 wurde bereits ein erstes Gutachten über den Zustand des Platanenhains von Landschaftsarchitekturbüro Ehrig aus Bielefeld erstellt, im Rahmen der Erstellung des Parkpflegewerkes für die Mathildenhöhe. Die äußeren beiden Reihen des Baumhaines befanden sich noch in einem erstaunlich guten, der innere Kernbereich mit den überwiegend jüngeren Bäumen allerdings in einem sehr schlechten Zustand, stellte das Planungsbüro fest. Daher schlugen die Baumgutachter von Büro Ehrig vor, diesen Kern des Haines mutig zu erneuern. Alle Bäume sollten dort gefällt werden, der Boden neu aufgebaut und eine ruhige und einheitliche Fläche mit neuen Bäumen entstehen. Doch weder die Politik noch die Bürgerschaft Darmstadts waren bereit, diese Variante mitzutragen. Zu drastisch wäre der Eingriff in "ihren" im wahrsten Sinn des Wortes sehr verehrten Platanenhain gewesen.

2018 wurde daher durch das Grünflächenamt Darmstadt ein zweites Gutachterteam beauftragt, eine Lösung für den Platanenhain zu finden, diesmal das Team von Dr. Katharina Weltecke (Sachverständigenbüro Boden & Baum, Bad Arolsen) und Dr. Markus Streckenbach (Sachverständigenbüro für urbane Vegetation, Bochum) – beide Spezialist*Innen mit unterschiedlichen Schwerpunkten.

Sie stellten drei Varianten zur Wahl, um die Wachstumsbedingungen für die Bäume im Platanenhain zu verbessern. Hauptansatz der ersten Variante war, wie auch von Planungsbüro Ehrig bereits vorgeschlagen, der vollständige Austausch des gesamten Kernbereichs des Baumhains. Hauptansatz der zweiten Variante war es, je acht punktuelle, senkrechte Bohrungen mit Substrataustausch rund um jeden Baum vorzunehmen, um damit die Situation für das Baumwachstum zu verbessern. Und schlussendlich gab es eine dritte Sanierungsvariante, das sogenannte Grabenkonzept, für welches sich die Stadt Darmstadt unter Federführung des Grünflächenamtes dann am Ende entschieden hat.

Dabei sollte ein Raster von Gräben entstehen, jeweils im Abstand von 2,5 Meter von den Stämmen der Bäume entfernt, welches in Nord-Süd und West-Ost-Richtung durch den gesamten Baumhain gezogen wird. Auf einer Breite von 0,60 Meter und in einer Tiefe von 1,1 Meter sollte dort der vorhandene Boden gegen wasser- und luftdurchlässigeres und doch standhaftes Substrat ausgetauscht werden. Doch nicht nur in den Gräben war ein Bodenaustausch vorgesehen, sondern auch im Bereich der neu gepflanzten Bäume sollte großzügig Substrat eingebaut werden.

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Grabenaushub 2021 – standfeste Seitenwände aus Granodiorit. Foto: Grünflächenamt Darmstadt
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Baumbeurteilung der Bestandsbäume nach Baum- und Bodengutachten 2018. Foto: Grünflächenamt Darmstadt
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Ausführungsplan mit Grabenraster, Neupflanzungen und zehn Sensor – Standorte (rot). Plan: grün³

Planungsaufgaben – Keine Vorbilder, viele Fragen und gute Visionen

Um dieses Konzept in eine konkrete Planung umzusetzen, hat das Grünflächenamt Darmstadt das Landschaftsarchitekturbüro grün³ aus Frankfurt beauftragt, welches u. a. durch seine vielfältige Erfahrung und Kompetenz im Bereich von Baumsanierungen den Zuschlag für dieses Projekt erhielt.

Auch wenn das Konzept die Richtung vorgab, gab es doch im Rahmen der Planung für grün³ noch viele technische Fragen und Aufgaben zu lösen:

  • Wie soll die Bewässerung in Zukunft aussehen? Von oben mit Standregnern über den Hain verteilt? Wie bisher mit Schläuchen direkt an die Bäume? Mit eingebauten Regnern in der Belagsfläche, wie auf Golfflächen?
  • Brauchen die Bäume Belüftungsrohre und wenn ja, wo genau und in welcher Ausrichtung - Rund um den Baum? Senkrecht nach unten? – Sollen sie überhaupt eingebaut werden?
  • Welches Substrat ist das Beste für 178 Bäume, an deren Wurzeln deutlich mehr Luft geführt werden soll, die aber in einer Fläche stehen, welche mit wassergebundenem Belag auch in Zukunft wieder für das Boule-Spiel genutzt werden wird?
  • Wie können der vorhandene Boden und das Material möglichst wurzelschonend ausgebaut werden?
  • Wohin wird das Wasser bei einem Starkregenereignis abgeleitet, wenn es die bisher vorhandenen Pflasterrinnen und ihre Abflussschächte im Platanenhain nicht mehr geben wird?
  • Welche Sensoren zeigen am besten die Wasserspannung im Boden und die Grenze zum Totwasser in dem gewählten Substrat an? Tensiometer? Sensoren? Mit und ohne Gipskolben?

Damit die wichtigsten Eckpfeiler des Konzeptes in der Planung fortgeführt werden, wurde das Gutachterteam auch in die Planung eingebunden. So konnten alle diese Fragen im fachlichen Austausch zwischen Grünflächenamt, Gutachtern und Planungsbüro gemeinsam erörtert werden. Dies erfolgte so lange, bis nachvollziehbare und begründete Entscheidungen getroffen waren, was bei einem Pilotprojekt dieser Größenordnung hin und wieder auch nicht einfach war.

Um das passende Substrat für diesen Ort und seine Bäume auszuwählen, führte das Grünflächenamt im April 2021 einen Bewässerungsversuch durch. Dabei wurde überbaubares Baumsubstrat/ÜBB und nicht überverdichtbares Baumsubstrat getestet. Überzeugt hat sowohl die Fachleute als auch das Grünflächenamt das überbaubare Baumsubstrat von Gelsenrot. Es ist begehbar und bespielbar, ohne dabei zu stark zu verdichten, hat einen angemessenen Anteil an Huminstoffen, verfügt über eine ausreichende Wasserspeicherfähigkeit und ist lokal verfügbar ohne weite Transportwege, da es in Messel, in der Nähe von Darmstadt hergestellt wird.

Um wieder mehr Luft in den Boden zu führen, wurden Belüftungsrohre von Funke ausgewählt, die senkrecht im Boden stehend, bis in 1,1 Meter Tiefe, immer an den Kreuzungspunkten der Gräben platziert wurden. 162 Stück dieser seitlich geschlitzten und mit textilen Strümpfen vor Verstopfung durch Feinpartikel geschützten Rohre, bringen nun Luft an die Wurzeln der Platanen. Außerdem werden die Bäume unterstützt von einer luftigen Tragschicht, eine zusätzliche Tragschicht mit mehr Grobkorn und ohne Nullanteil, unter der herkömmlichen Tragschicht der wassergebundenen Decke. Belüftungsrohre und luftige Tragschicht zusammen versorgen in Zukunft die Baumwurzeln mit deutlich mehr Sauerstoff, das Element, welches im Boden bisher am meisten fehlte.

Nachdem Substrat und die Form der Belüftung ausgewählt waren, musste noch die Frage nach der passenden Bewässerung für den Platanenhain beantwortet werden.

Um in Zukunft die Bäume wieder mit Wasser zu versorgen, fiel die Entscheidung auf eine im Boden eingebaute Tröpfchenbewässerung in 0,65 Meter Tiefe. Sie hat keine Verdunstungsverluste und führt durch den tiefen Einbau die Wurzeln genau dahin, wo sie sich ausbreiten sollen.

Auf Grund der niedrigeren Temperaturen im Boden wird im verwendeten Wasser in dieser Lage außerdem keine Kalkausfällung stattfinden, ein wichtiger Aspekt für die Langlebigkeit und Robustheit dieser Art von Bewässerung. Sollte doch ein Kalkproblem entstehen, wäre eine Entkalkung der Bewässerungsleitungen mit Hilfe von Ameisensäure und ohne Gefährdung der Baumwurzeln möglich.

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Sensoren mit Kabelanschluss als Verbindung zur Funkeinheit. Foto: Grünflächenamt Darmstadt
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Magnetventile zur Steuerung der vier Bewässerungssensoren. Foto: Grünflächenamt Darmstadt
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Wurzelbehandlung. Foto: Grünflächenamt Darmstadt
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Ästhetischer Baumschutz im UNESCO Welterbe. Foto: Grünflächenamt Darmstadt
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Wurzelschutz im Graben und in der Belagsfläche. Foto: Grünflächenamt Darmstadt
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Grabenraster im Baufortschritt. Foto: Grünflächenamt Darmstadt

Sensoren als Unterstützung für die bedarfsgerechte Bewässerung

Der Plan, eine unterflurige Tröpfchenbewässerung einzubauen, stand fest. Doch die Bewässerung sollte noch weiter optimiert werden, um das kostbare Gut Wasser nur in einem möglichst geringen und notwendigen Umfang zu nutzen. Daher sollte die Wassermenge und -verfügbarkeit im Substrat mit Hilfe von Sensoren gemessen werden.

Die Wahl fiel auf Volumensensoren, die den Wassergehalt sowie die Temperatur im Substrat messen. Mit dieser kapazitiven Messung kann der Wassergehalt im Substrat in Volumenprozent angegeben werden. Die Messung erfolgt dabei auf Basis des TDT-Prinzips – Time Domain Transmissionmetry. Der gemessene Wassergehalt ist die Summe des pflanzenverfügbaren Wassers und des nicht pflanzenverfügbaren Wassers (Totwasser). Das heißt, bei der Ermittlung des Bewässerungsbedarfs muss berücksichtigt werden, dass das Totwasser mitgemessen wird.

Allgemein gilt die Sensorart mit einer Messfläche von circa 11 x 3 Zentimeter als robust und stabil. Aufgrund der Anzahl der Bäume und den verschiedenen Einflussfaktoren auf den Wasserbedarf der Bäume wie Alter, Vitalität und standörtliche Unterschiede (Mauern, Einfassungen oder angrenzende Rasenflächen) mussten an mehreren Standorten Sensoren eingebaut werden, um einen guten Überblick über den ganzen Platanenhain zu erhalten.

Neben der Beobachtung der Messwerte in den neu angelegten Gräben und dem Altbaumbestand sollte auch gezielt die Entwicklung der Neubäume mit einbezogen werden. So wurden insgesamt an zehn Stellen je vier Sensoren eingebaut, darunter zwei Stellen an Jungbäumen.

Der Einbau erfolgte in unterschiedlichen Tiefen, an den Neubäumen in 0,35 und 0,55 Meter sowie 0,65 Meter Tiefe, in den Gräben in 0,65 Meter und 1,1 Meter Tiefe. Damit lässt sich die Entwicklung des Wassergehalts in den unterschiedlichen Tiefen ermitteln und hilft die Bewässerung einzusetzen, um gezielt auch die tiefen Boden- und Substratschichten möglichst gleichmäßig von oben nach unten zu durchfeuchten und das Wurzelwachstum dorthin zu lenken.

Die Tiefe von 0,65 Meter ist dem Wegeaufbau und der luftigen Tragschicht geschuldet. Entscheidend für die Funktionsfähigkeit der Sensoren ist der korrekte Einbau. Die Sensoren müssen vollständig im Substrat eingebettet sein, idealerweise nur mit Feinmaterial umgeben. Nur so ist ein großflächiger Kontakt zwischen Substrat und Sensoren gewährleistet und es werden zuverlässige Messdaten ausgegeben. Die Platzierung der oberen Sensoren erfolgte leicht schräg versetzt unter der Tröpfchenbewässerung. Die unteren Sensoren liegen nahe der Grabensohle.

Die Signale der Sensoren werden von einem im Boden in einer Ventilbox befindlichem Sender an eine Funkeinheit übermittelt, welche die Signale wiederrum per Mobilfunk weitergibt. Beim Funk-Protokoll wird mioty als drahtloser Übertragungsweg genutzt, welches vom Fraunhofer Institut entwickelt wurde. Diese Signale werden von dem Webservice in einem Dashboard als konkrete Daten dargestellt. Die Aktualisierung ist variabel einstellbar.

Im Dashboard werden die Bodenfeuchte und Temperatur der einzelnen Sensoren in einem Diagramm dargestellt. Sie sind bis zu vier Monate rückwirkend einsehbar und können zur weiteren Bearbeitung und Analyse als csv-Datei (comma-separated values) ausgegeben werden. Mit den vorliegenden Kennwerten wie der Wasserspeicherkapazität des Substrates, wurde die untere Grenze für den Wasserspeicher berechnet. Die untere Grenze orientiert sich dabei an der FLL-Bewässerungsrichtlinie. Die Werte von den Bewässerungen aus dem Jahr 2023 gilt es im nächsten Schritt zu interpretieren und den optimalen Bewässerungsvorgang festzulegen.

Dendrologische Baubegleitung – Bestandsbäume an oberster Stelle

Das Gutachterteam empfahl der projektleitenden Planungsabteilung des Grünflächenamtes, dem Planungsbüro grün³/Frankfurt und der ausführenden Firma eine dendrologische Baubegleitung an die Seite zu stellen.

Landschaftsarchitekten sind erfahren im Umgang mit Bäumen auf Baustellen und Garten- und Landschaftsbaufirmen ebenso. Trotzdem sollte bei diesem Projekt ein Teil des begleitenden Teams mit höchster fachlicher Kompetenz ausschließlich das Thema Baum- und Wurzelschutz auf der Baustelle im Blick haben. Ein ungewohntes Vorgehen, an das sich alle erst einmal gewöhnen mussten. Die dendrologische Baubegleitung durch das Sachverständigenbüro Baum hoch 4 GmbH/Groß-Gerau sollte den Schutz der Bäume, der Wurzeln und des Wurzelraums sicherstellen.

Zu den Aufgaben von Baum hoch 4 gehörte außerdem die Nachbehandlung von verletzten Wurzeln. Wurzeln über 2 Zentimeter Durchmesser wurden glatt nachgeschnitten falls sie angerissen waren und mit Wundverschlussmittel versorgt. Das Ganze wurde in Protokollen mit Fotodokumentation festgehalten. Erst dann durften die Gräben wieder gefüllt werden.

Eine Vorgehensweise, die zum Teil auch logistisch eine Herausforderung war, da die Wurzelüberprüfung gebündelt werden musste und der Baufortschritt trotzdem nicht aufgehalten werden sollte. Es mussten also alle mit hohem Kommunikationsaufwand gut zusammenarbeiten. Ein Wunsch für jede Baustelle, wenn sie gut funktionieren soll, in diesem Fall aber eine weitere Anforderung von vielen, die bei der Sanierung des Platanenhains besonders waren.

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Saugbagger am Südportal des Platanenhains im Einsatz. Foto: Grünflächenamt Darmstadt
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Rohrleitungen zur Verlängerung des Saugbaggereinsatzes. Foto: Grünflächenamt Darmstadt
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Stämme mit gravierenden Hohlstellen nach der Fällung. Foto: Grünflächenamt Darmstadt
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Wurzeln und zersetztes Kernholz im Stamminneren. Foto: Grünflächenamt Darmstadt

Bauen zwischen Altbäumen im Welterbe – eine echte Herausforderung

Nachdem alle Rahmenbedingungen geklärt waren und mit August Fichter Garten- und Landschaftsbau/Raunheim eine große und erfahrene Garten- und Landschaftsbaufirma das Ausschreibungsverfahren für sich entschieden hatte, konnte im November 2021 dann die Sanierung des Platanenhains beginnen.

Grundsätzlich könnten sogar Bagger die Fläche befahren, dachte man zu Beginn, da sie ja, laut Aussage der Gutachterin Dr. Weltecke, "hart, wie Beton" war. Jedoch traf das nicht für Eingriffe im November 2021 zu. Es hatte viel geregnet und der Boden war aufgeweicht und jeder Druck auf den Belag führte zur Modellierung der Oberfläche. An dieser Stelle schritt die dendrologische Baubegleitung ein und forderte für die gesamte Maßnahme, die ja schwerpunktmäßig in der Vegetationsruhe von statten ging, die Verwendung von "Baggermatratzen".

Was hier so lässig klingt, bedeutete einen dauerhaften Schutz, besonders für die in den oberen 10 Zentimeter befindlichen feinen Wurzelmatten der Bestandsbäume. Die Lastverteilungsplatten nehmen den Druck der Maschinen auf und verteilen ihn, so dass nur ein geringer Anteil des Gewichts auf der Belagsoberfläche ankommt und die nahe der Oberfläche liegenden Wurzeln auf diese Weise nicht beschädigt werden. Dieser Schutz wurde, mit Ausnahme der Bereiche in denen mehrere Bäume nebeneinander gefällt wurden, während der gesamten Baumaßnahme aufrechterhalten, von der Bauleitung grün³ kontrolliert und von Fichter stringent umgesetzt.

Neben den Wurzeln im Fahrbereich der Baumaschinen war es aber auch notwendig, die Wurzeln der Bestandsbäume im Grabenraster während der Aushubarbeiten zu schützen. Dafür erfolgten die Aushubarbeiten der ersten Gräben mit einem Minibagger und in begleitender Handschachtung. Bald zeigte sich jedoch, dass dieses Vorgehen doch zu viele Wurzeln beschädigte.

Den größten Teil der Arbeit übernahm nach dieser Erfahrung ein Saugbagger. Das war eine große Herausforderung, da der Saugbagger mit seiner schweren Maschine das Gelände wegen der Bestandsbäume nicht befahren durfte.

Die Entfernung vom Standplatz des Lkw zu den Gräben betrug in Teilbereichen bis zu 70 Meter. Mit einer speziellen Anbauvorrichtung an einem Minibagger, die für den Platanenhain zum ersten Mal als Pilotanwendung konstruiert wurde, und mehrfach aneinander gekoppelten Rohrhülsen konnte die für Fa. Fichter arbeitende Saugbaggerfirma Reccon die Reichweite auf bis zu 70 Meter Entfernung ausdehnen. So arbeitete sich das Team, unter Zuhilfenahme einer Druckluftlanze stetig und mit großer Sorgfalt in Hinblick auf die Wurzeln in die Tiefe.

Doch nicht alleine Bäume verlangten Schutz, denn es gibt noch zahlreiche weitere Schätze im Platanenhain. 31 historische Elemente wie Skulpturen, Vasen, Figurengruppen und Brunnen des Architekten und Bildhauers Bernhard Hoetger (1847–1949) stehen zwischen den Bäumen und machen den Hain zu einem Ort der Kontemplation. Sie mussten während der Bauzeit vor jeglicher Beschädigung geschützt werden, obwohl um sie herum große Mengen an Bäumen, Substrat- und Steinmassen bewegt wurden. Eine herausfordernde Aufgabe für Planer*innen und Ausführende.

Fällung und Pflanzung im Baumhain

Die vorliegenden Gutachten sahen immer eine Teilerneuerung des Baumbestandes vor. 40 Bäume sollten nach der Einschätzung von Dr. Weltecke und Dr. Streckenbach gefällt werden. Betroffen waren sowohl jüngere Bäume, deren Wachstum seit der Pflanzung stagnierte als auch Altbäume, die in Teilen bereits abgängig waren. Gründe dafür waren zum Beispiel hohe Anteile abgestorbener Kronenbereiche, fehlende Überwallung an Schnittstellen oder offene Stammrisse ohne sichtbare Hinweise auf Wundreaktionen. Trotzdem blieb es eine schwere Entscheidung und die Auswahl der Fällungsbäume war nicht einfach.

Dass die Entscheidung richtig war, bestätigte sich bei den Fällarbeiten. Einige Stämme waren im Inneren hohl und kein Kernholz war mehr zu erkennen. Die Bäume hatten, in ihrer Bedürftigkeit nach Wasser und Nährstoffen, eigene Wurzeln in das Stamminnere hinein gebildet und das Kernholz bis zur Humusbildung zersetzt.

Für Ersatz der gefällten Bäume wurde lange im Voraus gesorgt. Den Auftrag für die Anzucht von rund 50 Bäumen mit der für den Platanenhain typischen Krone, die nun als "Darmstädter Hohlkrone" bezeichnet wird, erhielt die Baumschule Baum&Bonheur aus Nettetal bereits 2019. Da die Kronenform dort Gefallen fand, wurden sogar 100 Bäume in der Form gezogen, aus der das Grünflächenamt wählen konnte.

Die Pflanzung der 46 Bäume (40 als Ersatz für gefällte, sechs als Ergänzung des Rasters im Baumhain) mit einem Stammumfang von etwa 30/35/40 cm, erfolgte in zwei Abschnitten. 15 Bäume im Westteil des Hains wurden im November 2022 gepflanzt, die restlichen 31 Bäume Anfang Mai 2023. Aufgrund des späten Austriebs der Platanen, der guten Vorbereitung durch die Baumschule und des regenreichen Frühjahrs war der Termin trotz anfänglicher Bedenken akzeptabel.

Mit einem Kran wurden die neuen Bäume über die Alten gehoben und behutsam zu ihren Baumbeeten im Raster herabgelassen und gepflanzt. Alle Bäume sind gut ausgetrieben und zeigen ein überzeugendes und vitales Wachstum.

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Pflanzung mit Kran zwischen Altbäumen. Foto: Grünflächenamt Darmstadt
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Sattgrünes Blätterdach im gesamten Platanehain. Foto: Grünflächenamt Darmstadt

Fazit und Ausblick

Das Bauvorhaben wurde in zwei Abschnitten im Winter 2021/2022 und im Winter/Frühjahr 2022/2023 durchgeführt. Im August 2022, in der Mitte der Sanierungszeit, konnte man beim Einbau eines Schachtoberteils erkennen, dass dort, wo vier Monate zuvor die ersten Gräben gezogen wurden, auf ganzer Linie Wurzeln nachgewachsen sind. Es handelte sich um Wurzeln der alten Bestandsbäume, die offenbar sofort auf die besseren Bedingungen reagiert haben. Ein eindeutiger Nachweis dafür, dass die Sanierung den richtigen Weg eingeschlagen hat.

Vor der Einweihung im Juli 2023 wurde ein weiteres Foto des Platanenhains vom Hochzeitsturm aus aufgenommen. Es zeigte sich zum ersten Mal ein einheitlich kräftig grünes Blätterdach, welches über Jung- und Altbäume hinweg gewachsen ist. Ein völlig neuer Anblick, der alle Beteiligten sehr erfreute. Dies war und ist eine weitere Bestätigung dafür, dass die Sanierung an den richtigen Stellschrauben ansetzte, um die Bäume im Platanenhain in Zeiten des Klimawandels für eine lange Zukunft zu rüsten!

Die gesamte Sanierung des Platanenhains wurde von Beginn bis Ende von den gleichen Fachleuten und Teams begleitet. Dies betraf die Projektleitung beim Grünflächenamt, das Planungsbüro und seine Bauleiterin, die dendrologische Baubegleitung, die Bauleitung des Garten- und Landschaftsbauunternehmens, die Wassertechnik und Sensorentechnik bis hin zu den ausführenden Teams und Mitarbeiter*innen vor Ort auf der Baustelle.

Alle hier tätigen Fachkräfte kannten von Anfang an die Anforderungen an diese besondere Baustelle und hielten sich strikt an die Regeln, die sie alle verinnerlichten und gemeinsam beachteten. Das hat der Sanierungsmaßnahme eine hohe Konstanz und große Sicherheit gegeben, ein echter Glücksfall in Zeiten von Fachkräftemangel mit ständigen Personalbewegungen.

Beteiligte

  • Auftraggeber: Grünflächenamt Darmstadt/Abteilung Planung und Neubau
  • Landschaftsarchitektur/Planung: grün³ landschaftsarchitekten bdla, Frankfurt
  • Gutachterteam: Sachverständigenbüro für urbane Vegetation, Dr. Markus Streckenbach, Bochum; Sachverständigenbüro Boden & Baum, Dr. Katharina Weltecke, Bad Arolsen
  • Garten- u. Landschaftsbau: Fa. August Fichter GmbH, Garten- und Landschaftsbau, Raunheim
  • Baumschule: Baum&Bonheur, Nettetal
  • Dendrologische Baubegleitung: Baum hoch 4 GmbH, ehem. Leitsch GmbH, Groß-Gerau
  • Sensortechnik: PRONOVA Analysentechnik GmbH & Co. KG, Berlin, ehem. Bambach GbR Tensio-Technik, Geisenheim
  • Bewässerungsplanung/Wassertechnik: Fa. Gerhardt GmbH, Wiesbaden
  • Schachtkonstruktion: Greenleaf GmbH & Co. KG, Reichshof-Hunsheim
  • Belüftungsrohre: Fa. Funke, Kunststoffe GmbH, Hamm-Uentrop
  • Kampfmitteluntersuchung: Tauber/Explosive Management GmbH & Co KG, Weiterstadt
  • Artenschutzrechtl. Beurteilung: Naturplan, Darmstadt
  • Zugversuch Bestandsbäume: D. Esche/UrbanTreeConsulting, Biblis
  • Untersuchung Wurzelpilze: Dr. Ferner, Baumpathologe, Freiburg
  • Restaurator*innen-Team für Translozierung einer Löwenvase: Fr. Müller/Denkmalteam-fmk, Frankfurt Uhland GmbH/Schreinerei, Darmstadt

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