Die neue, alte Art: Trockenmauern aus Naturstein

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Zu den reizvollsten Bauwerken im Naturgarten gehören Trockenmauern, ohne Mörtel trocken aufgesetzte Steinmauern. Sie ermöglichen das Abfangen von Höhensprüngen in verschiedenen Gartenbereichen, ohne viel Raum durch Böschungen zu verlieren. Sie gliedern den Naturgarten und schaffen unvergleichliche Lebensräume.

Trockenmauern können aus den unterschiedlichsten Materialien hergestellt werden. Sie spiegeln mit ihrer Bauart und dem verwendeten Material Eigenschaften der jeweiligen Region oder zaubern mit ihrer Wärme und duftenden Kräutern ein nahezu mediterranes Ambiente. Damit Trockenmauern ihrer jeweiligen Aufgabe gerecht werden können, müssen sie handwerklich sehr sauber ausgeführt werden. Dann können sie ihre Funktion über Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte wahrnehmen. Das verwendete Material muss frostsicher sein, die Trockenmauer ein tragfähiges Fundament haben und die Verbandsregeln müssen eingehalten werden.

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Historische Vorbilder

Der Blick zurück in die Menschheitsgeschichte ist einer auf: Trockenmauern. Solange der Menschen denken, also bauen, kann, fertigt er diese trocken (ohne bindende Hilfsmittel) solide Stein auf Stein gesetzten Bauwerke. Wir finden Trockenmauern schon in der Steinzeit und davor und danach. Lange vor Erfindung des römischens Mörtels (Opus caementitium) vor 2000 Jahren und des Betons (Stahlbeton durch Joseph Monier 1867) baute er auf solide mit Natursteinen errichtete Strukturen. Natursteintrockenmauern stabilisierten kultische Bauwerke, dienten zur Hangabstützung und Terrassierung, schützten Dörfer und Fluchtbauten, umgaben Weidegründe. Die ältesten erhaltenen Anlagen datieren um die 10.000 Jahre, in Göbekli Tepe in der Südosttürkei.

Während Germanen und Kelten eher auf nachhaltige Rohstoff wie Holz und Lehm setzten und sich damit schon seinerzeit vorausschauend weigerten, in diesen Artikel aufgenommen zu werden, bauten Iren, Schotten und Briten vor. Noch heute pilgern ganze Heerscharen Bewunderer zu zeitgenössischen Trockenmauern nach Schottland oder Cornwall. Und natürlich zum ältesten überlieferten Trockenmauerbau unseres Raumes, das Ganggrab New Grange. Irische Mauern stellen wohl die älteste Mauerform Mitteleuropas, Teile werden auf ein Alter von über 5000 Jahren geschätzt.

Die Nuraghe Sardiniens sind ebenso wie die Broch Schottlands ursprünglich Wehrbauten und haben tausende Jahre auf dem Buckel. Typisch für einen etwa 4000 Jahre alten schottischen Broch sind fensterlose Türme aus einem doppelten Trockenmauerwerk, mit 10 bis 15 m Durchmesser und 15 m Höhe, eine bautechnische Hochleistung. Solche Natursteinbauten stehen nun schon ein paar tausend Jahre, keines unserer heutigen Betonbauwerke wird diese Zeit nur annähernd erreichen.

Das Institut für Erhaltung und Modernisierung von Bauwerken in Berlin, ein Ableger des Bundesamtes für Bauwesen, geht davon aus, dass bewehrter und bewitterter Beton eine mittlere Lebenserwartung von 70 Jahren hat und Naturstein 80 Jahre. Möglicherweise wird Naturstein in solchen Gremien nicht so wertgeschätzt.

Trockenmauern in Cornwall

Die Engländer, die können es einfach. Mauerbauen jedenfalls. Und tun es auf eigene Inselmanier, "very british". Während die Kollegen auf dem Festland Horizontstapler sind und waagerecht Stein auf Stein legen, machen sie auf Vertikal- oder gar Diagonalstapler. Das ist während des Baues anstrengender, da ein hochkant stehender Schwergewichtstein nun einmal stetig zum Erdmittelpunkt strebt. In Sachen Haltbarkeit allerdings ist diese Technik ungeschlagen. Mehr noch: Vor allem bei kleinen Platten ist die Fischgrätmustertechnik unhaltbar gut.

Trockenmauern auf dem Festland

Jeder Landschaft ihre Trockenmauern. Der Grund ist menschlich: Es war einfach noch kein Markt da. Baumärkte und globaler Steinhandel erlaubten nicht, mit ein paar Klicks chinesischen Fantasy-White-Granit, indischen Paradiso-Bash-Granit, brasilianischen Golden-Paradise-Granit ebenso in Gärten einzubauen wie Original-Meteora-Kalksteinfindlinge graubraunbunt aus dem geldlosen, aber steinreichen Griechenland. Die Menschheit baute auch nicht Mauern, weil sie sich, so wie unsereiner, den Luxus eines angenehmen Ambientes leisten wollte, sie baute, weil sie musste und es keine leichteren Lösungen gab. Wohin wir auch fahren, treffen wir auf landschaftstypische Bauweisen und Stile. Solche Regionen sind uns auch heute noch eine Reise wert.

Mauerfans fahren gerne nach Cinque Terre an die Küste Liguriens, eben weil es da auf der Wirtschaftsfläche von fünf Dörfern rund 6700 km in den letzten tausend Jahren errichte Trockenmauern gab und gibt. Und die Weinhänge von Mosel, Rhein, Elbe oder Donau sind Weltkulturerbe, eben und auch wegen ihrer Natursteinterrasssen. Aber auch im von Natur aus steinreichen Alpenraum finden sich reichliche Beispiele und Steintypen. Wir schließen folglich an etwas Uraltes und Großes an, setzen Traditionen fort. Nur, dass heute kaum noch einer in seiner Ausbildung lernt, wie man eigenhändig aus einem Riesenhaufen Natursteine eine stabile Trockenmauer zaubert. Deshalb gibt es zum Beispiel die zweijährige praxisorientierte Ausbildung zum Naturgartenprofi.

Grundregeln des Trockenmauerbaus

Es ist wirklich eine Kunst, richtig gute und haltbare Trockenmauern zu bauen. Hier die wichtigsten Regeln für den Trockenmauerbau und ein aktuelles Beispiel.

  • Unterschiedliche Steingrößen verwenden, um ein abwechslungsreiches Mauerbild entstehen zu lassen.
  • Lagerhafte Steine (Sedimentgestein) sind ihrer natürlichen Schichtung entsprechend einzubauen.
  • Großformatige Steine an Ecken und unten verwenden, sie geben der Mauer optischen Halt.
  • Nie mehr als drei Fugen zusammenstoßen lassen.
  • Stoßfugen dürfen nicht durch mehr als zwei Schichten laufen.
  • Die seitliche Einbindetiefe im Verband sollte mindestens 10 cm betragen.
  • Mindestens 25 Prozent der Mauersteine müssen die gesamte Mauertiefe durchbinden (Binder).
  • Mauerkronen aus größeren Steinen mit entsprechender Einbindetiefe erstellen.
  • Die Mauer beim Bau bepflanzen.

Praxisbeispiel: Sehr hohe Kalksteintrockenmauern in Innsbruck

Unternehmen wir für ein außergewöhnliches Mauerprojekt einen Ausflug nach Tirol, auf den Karwendel-Südhang über Innsbruck. In einem nur 7,5 m breiten und 10,5 m langem Schlauch sollen bis zu 3,5 m hohe Trockenmauern entstehen, dazu drei Wege auf verschiedenen Ebenen. Während unten Beete und die erste Mauer Tag für Tag wachsen, muss parallel oben gebaut werden. Für einen sicheren Stand und das Herumlupfen tonnenschwerer Steine ist es mehr als eng.

Nach einigen Tagen Schwerstarbeit sind wir endlich ganz vorn angelangt. Dann fehlte noch die Detailgestaltung des dritten Weges ganz hoch zum künftigen Gewächshaus. Es wurde mangels Platz eher ein an einen Karwendelhang passender Steig als ein Weg.

Aber auch so etwas kann Natur sein. Sehr sogar. Besonders anspruchsvoll ist die nächste Aufgabe: der Mauergarten.


Literatur

Fritz Hilgenstock/Reinhard Witt: Das Naturgartenbau-Buch. 2 Bände. 2725 Fotos und zahlreiche Abb. Bezug über Buchshop von www.reinhard-witt.de

Dr. Reinhard Witt
Autor

Freiberuflicher Biologe, Journalist und naturnaher Grünplaner

Reinhard Witt - Fachbetrieb für naturnahe Grünplanung

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