GaLaBau und Recht: Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Keine Angst vor Ausschlusswirkungen wegen Schlussrechnung oder Schlusszahlung

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Vor kurzem kam ein GaLaBau-Unternehmer zu mir und fragte, ob und was er machen könne, nachdem er vom Auftraggeber eine Schlusszahlung erhalten habe und er noch weitere Forderungen aus dem Auftrag gegen den Kunden habe. Der Mandant befürchtete, wegen der Regelung in § 16 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B mit weiteren Forderungen ausgeschlossen zu sein.
GaLaBau und Recht Vergaberecht
VOB-Verträge: § 16 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B gibt es immer noch. Aber heute muss der Unternehmer vom Auftraggeber von der Ausschlusswirkung einer vorbehaltlosen Annahme der Schlusszahlung schriftlich unterrichtet und auf die Ausschlusswirkung ausdrücklich hingewiesen werden. Foto: Neue Landschaft

Im Gegensatz zu den 80er/90er Jahren ist die vorbehaltlose Annahme der Schlusszahlung heute kaum noch eine "Waffe" eines Auftraggebers, um weitere Forderungen des Unternehmers abzuwehren. Als ich in den 80er Jahren als junger Rechtsanwalt tätig war, hatten Unternehmer immer wieder Geld verloren, weil sie nach Meinung der Gerichte mit weiteren Forderungen aus dem Auftrag wegen vorbehaltloser Annahme der Schlussrechnung ausgeschlossen waren. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich damals einen rumänischen Baukonzern vertrat, der für eine deutsche Bauunternehmung als Subunternehmerin arbeitete und eine Forderung in Höhe von rund 400.000 DM gerichtlich geltend machte. Der Auftraggeber meiner Mandantin machte als Beklagter zur Abwehr der Klage praktisch nur die Ausschlusswirkung des § 16 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B aufgrund einer geleisteten Schlusszahlung geltend. In dem zwischen den Parteien vom Auftraggeber gestellten Bauvertrag war die VOB vereinbart. Meine ausländische Mandantin kannte die Bestimmungen überhaupt nicht. Im Gespräch kramte schließlich ein Mitarbeiter der Mandantin aus dem Schreibtisch ein Exemplar der VOB aus.

Erfahrungen mit § 16 Abs. 3 VOB/B

Es sah sehr edel aus. Es hatte ein Ledereinband und das Papier einen Goldschnitt. So ein "Luxusexemplar" eines VOB-Textes hatte ich bisher noch nicht gesehen. Als ich die Mandantin aufforderte, sich § 16 VOB/B anzusehen, zeigte sich, dass durch den Goldschnitt noch nahezu alle Seiten verklebt waren und erst vorsichtig voneinander getrennt werden mussten. Dies war ein deutliches Indiz, dass man sich die vereinbarte VOB und deren Inhalt nie angesehen und den lukrativen Auftrag praktisch blind unterschrieben hatte. Die ausländische Mandantin, die bisher in Deutschland wenig gebaut hatte, war von der Regelung in § 16 VOB/B völlig überrascht. Mit einer solchen Ausschlusswirkung hatte sie beim besten Willen nicht gerechnet.

Die frühere Rechtsprechung

Nach der damaligen Rechtsprechung waren meine Bemühungen beim Landgericht und Oberlandesgericht Stuttgart nicht von Erfolg gekrönt. Meine Klage beim Landgericht Stuttgart wurde abgewiesen und die Berufung gegen das Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart zurückgewiesen.

Vom Rechtsempfinden her empfand ich das Ergebnis des vom Auftraggeber übervorteilten Mandanten als schreiendes Unrecht, da die Gegenseite nichts Anderes einzuwenden hatte, als die Ausschlusswirkung des § 16 VOB/B.

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Im Hinblick auf § 16 VOB/B sollten Unternehmer wissen, dass in nahezu allen Fällen nachträglich berechtigte Forderungen geltend gemacht werden können. Foto: KfW-Bildarchiv, Thomas Klewar

Jetzige Rechtslage

Heute geht das nicht mehr so einfach. § 16 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B gibt es zwar immer noch – allerdings in milderer Form. Im Gegensatz zu damals muss heute der Unternehmer vom Auftraggeber von der Ausschlusswirkung einer vorbehaltlosen Annahme der Schlusszahlung schriftlich unterrichtet und auf die Ausschlusswirkung ausdrücklich hingewiesen werden. Die Bestimmung des § 16 VOB/B hat deshalb etwas ihren Schrecken verloren. Auch wenn sich Auftraggeber immer wieder auf die Ausschlusswirkung berufen, sieht dies die Rechtsprechung inzwischen anders. Da bei Bauverträgen die Texte fast immer von Auftraggeberseite stammen und dort die VOB mit vereinbart wird, muss sich der Vertragstext daran messen lassen, ob nicht gegen Regelungen verstoßen wird, die AGB-widrig sind. So hält die Schlusszahlungsregelung in § 16 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B einer derartigen Überprüfung nicht stand. Auch wenn sich der Auftraggeber an den Wortlaut der Bestimmung hält und in unmittelbaren Zusammenhang mit der Schlusszahlung über die Ausschlusswirkung belehrt, ist die Regelung dennoch AGB-widrig und führt nicht ohne Weiteres zum Ausschluss von Nachforderungen.

BGB-Vertrag für den Auftragnehmer günstiger?

Im Gegensatz zum VOB-Vertrag kennt das BGB keine Regelung, wonach eine Partei mit Forderungen ausgeschlossen sein soll. Ein Auftragnehmer soll sich deshalb überlegen, ob er mit dem Auftraggeber überhaupt einen VOB-Vertrag, sondern "nur" einen BGB-Vertrag schließt. Die für den Auftragnehmer von der VOB vorgesehenen Vorteile, schließen erfahrungsgemäß Auftraggeber in ihren Vertragstexten häufig aus, so dass ein BGB-Vertrag günstiger für den Auftragnehmer sein kann.

Ausschlusswirkung einer gestellten Schlussrechnung?

Zur fälligen Vergütungsforderung des Auftragnehmers gehört, dass er nach Beendigung seiner Arbeiten eine prüfbare Schlussrechnung stellt, d.h. dass er sich am Besten an die Abrechnungsregeln des § 14 VOB/B hält und insbesondere kenntlich macht, welche Nachträge er gegenüber dem ursprünglichen Hauptauftrag beansprucht. Von bauvertraglichen Laien hört man immer wieder die Meinung, dass Leistungen, die nicht in der Schlussrechnung abgerechnet sind, nicht noch nachträglich gegenüber dem Auftraggeber geltend gemacht werden können. Eine Meinung, die unzutreffend ist. Ein Auftraggeber kann sich nicht beruhigt zurücklehnen und darauf vertrauen, nicht mehr mit zusätzlichen Forderungen, die nicht in der Schlussrechnung enthalten sind, in Anspruch genommen zu werden. Solange eine Forderung nicht verjährt ist, besteht für den Auftragnehmer die Möglichkeit der Nachberechnung von Vergütungsforderungen. Selbst wenn eine Forderung verjährt sein sollte, kann der Auftragnehmer seine Forderung geltend machen, es sei denn, der Auftraggeber beruft sich auf Verjährung. Die Einrede der Verjährung greift nur, wenn sie auch vom Auftraggeber geltend gemacht wird.

Im Hinblick auf § 16 VOB/B sollte jeder Unternehmer wissen, dass er in nahezu allen Fällen nachträglich berechtigte Forderungen geltend machen kann und fast nie durch die Bestimmung ausgeschlossen ist. Ein Auftraggeber sollte davon ausgehen, dass eine von ihm geleistete Schlusszahlung kein Ruhekissen ist und Auftragnehmer im schlimmsten Fall nochmals mit Nachforderungen kommen können.

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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