GaLaBau und Recht: Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt
Probleme mit zusätzlicher Vergütung für vom Unternehmer beanspruchte Nachträge
von: Rainer Schilling
In Baumängelprozessen geht es meistens nicht ohne Sachverständigen ab, was den Rechtsstreit noch weniger kalkulierbar und auf alle Fälle wesentlich teurer macht. Für den entscheidenden Richter allerdings erleichtert ein Sachverständigengutachten die Arbeit. Er kann auf die Feststellungen des Sachverständigen Bezug nehmen und damit sein Urteil viel leichter begründen.
Bauvergütung der Nachträge
Bei meinem heutigen Beitrag möchte ich mich nicht mit Mängelthemen, sondern mit solchen aus dem Vergütungsbereich befassen. Beiden Vertragsparteien sei zur Streitvermeidung dringend angeraten, einen schriftlichen Bauvertrag zu schließen und ihm so präzise wie möglich zu fassen. Dies gilt nicht nur für die rechtliche Seite, sondern insbesondere, was der Unternehmer für die vereinbarte Vergütung zu leisten hat und was nicht.
Ein klar formuliertes Leistungsverzeichnis (LV) mit gegebenenfalls zusätzlichen Plänen hilft oft weiter, um zu entscheiden, was von der vereinbarten Vergütung des Unternehmers erfasst ist und was nicht. Den Parteien ist anzuraten, möglichst einen Einheitspreisvertrag und nur in geeigneten Fällen ausnahmsweise einen Pauschalpreisvertrag zu schließen. Ansonsten wird bei einem Pauschalpreisvertrag vom Auftraggeber oft mehr erwartet, als der Unternehmer zur Pauschale bereit ist zu liefern. Für beide Seiten ist das Risiko eines Pauschalpreisvertrages dann überschaubar, wenn man zuvor ein LV nach Einheitspreisen aufgestellt hatte und nur noch die ermittelte Vergütung pauschaliert wird. Der Unternehmer übernimmt dabei dann das Masserisiko, d. h. sind die Massen größer als im LV festgehalten, kann der Unternehmer regelmäßig keine zusätzliche Vergütung verlangen. Sind sie allerdings kleiner als vorgesehen, erhält der Unternehmer dennoch die vereinbarte pauschale Vergütung.
Streit gibt es bei Pauschalpreisverträgen häufig, wenn kein LV mit festgelegten Massen vorhanden ist, sondern lediglich eine funktionale Leistungsbeschreibung. Hier meinen insbesondere Auftraggeber mehr verlangen zu können, als dem Unternehmer lieb ist.
Zusätzliche Leistungen
Eindeutig ist die Situation allerdings, wenn der Auftraggeber nach Vertragsabschluss noch etwas Zusätzliches haben will. Werden zum Beispiel bei einem Elektrogewerk weitere Steckdosen verlangt, die weder im LV, noch in den Plänen ersichtlich sind, dann sind sie auch bei einem Pauschalpreisvertrag stets zusätzlich zu vergüten. Die Meinung, "Kleinigkeiten" würden stets unter die Pauschale fallen, wird von der Rechtsprechung nicht geteilt. Dies würde die Gewinnmarge des Unternehmers ungerechtfertigt schmälern.
VOB- oder BGB-Vertrag?
Nicht ausreichend rechtskundigen Privatleuten sei vom Verfasser empfohlen, einen reinen BGB- und keinen VOB-Vertrag zu schließen. Ist ein Architekt auf Auftraggeberseite mit im Spiel, sollte in den Vertrag aufgenommen werden, was der Architekt für den Auftraggeber anordnen darf und was nicht. So hatte der zumindest bei älteren Lesern noch hinlänglich bekannte skandalöse Baulöwe Dr. Schneider in all seinen Verträgen Klauseln aufgenommen, wonach der Architekt durchaus Ansprechpartner des Unternehmers ist und Anordnungen treffen darf. Aber alle Leistungen, die nur im Geringsten zusätzliches Geld kosten, sollen nur beauftragt sein, wenn Schneider sie selbst beauftragt hat. Schneider nahm sogar den rechtlich etwas unsinnigen Satz auf, dass der Architekt für ihn weder eine Anscheins- noch eine Duldungsvollmacht für kostenauslösende Anordnungen besitzt.
Einverständnis des Architekten
Fehlt es an einer ausreichenden vertraglichen Vereinbarung zu diesem Thema, hört man bei späteren Diskussionen um das liebe Geld immer wieder: "aber der Architekt war doch mit der Leistungsänderung beziehungsweise der zusätzlichen Leistung einverstanden." Dem Architekten ist ganz gleich, ob es sich um einen VOB- oder einen BGB-Vertrag handelt, im Zweifel nicht berechtigt, in das Portemonnaie des Auftraggebers zu regieren und Mehrkosten auszulösen. So hat das Oberlandesgericht Karlsruhe in einem alten, aber lesenswerten Urteil vom 11.05.2005 (Az.: 17 U 294/03) festgestellt:
"Das Einverständnis des Architekten mit einer Leistungsänderung ersetzt nicht die Anordnung des Auftraggebers. Ein Vergütungsanspruch wegen inhaltlicher Änderungen der vereinbarten Leistung setzt eine eindeutige, unmissverständliche Anordnung des Auftraggebers nach Vertragsabschluss voraus."
Beim VOB-Vertrag sind dabei noch die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 bzw. § 2 Abs. 6 VOB/B zu beachten. Die beiden Bestimmungen sind textlich leider nicht besonders glücklich befasst und bereiten den Vertragsparteien immer wieder Schwierigkeiten, ob eine Vergütungsforderung unter § 2 Abs. 5 oder § 2 Abs. 6 VOB/B fällt. Die beiden Bestimmungen lauten wie folgt:
(5) "Werden durch Änderung des Bauentwurfs oder anderen Anordnungen des Auftraggebers die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung geändert, so ist ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr- oder Minderkosten zu vereinbaren. Die Vereinbarung soll vor der Ausführung getroffen werden."
(6) "1. Wird eine im Vertrag nicht vorhergesehene Leistung gefordert, so hat der Auftragnehmer Anspruch auf besondere Vergütung. Er muss jedoch den Anspruch dem Auftraggeber ankündigen, bevor er mit der Ausführung der Leistung beginnt.
2. Die Vergütung bestimmt sich nach den Grundlagen der Preisermittlung für die vertragliche Leistung und den besonderen Kosten der geforderten Leistung. Sie ist möglichst vor Beginn der Ausführung zu vereinbaren."
Für den Unternehmer ist § 2 Abs. 6 VOB/B tückisch. Die Bestimmung gibt ihm zwar das Recht für eine nicht vorgesehene Leistung eine zusätzliche Vergütung zu verlangen. Der Unternehmer muss jedoch den Anspruch dem Auftraggeber vorher ankündigen, bevor er mit der Ausführung der Leistung beginnt. Nur so hat der Unternehmer Anspruch auf eine Vergütung. Einige wenige Gerichte verlangen sogar, dass dem Auftraggeber vor Ausführung der Leistung die Höhe der Vergütung genau genannt wird. Dies halte ich für übertrieben, da ein Unternehmer bei zusätzlichen Arbeiten zuvor oft nicht im Detail die genaue Höhe der Vergütung ermitteln kann.
NL-Stellenmarkt


Schlussrechnungsprüfung durch den Architekten
Interessant ist in diesem Zusammenhang eine neue Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt (Beschluss vom 02.03.2023, Az.: 21 U 69/21), das den Architekten sehr entgegen kommen dürfte. Nach der Entscheidung des Gerichts hat der Architekt bei der Schlussrechnung grundsätzlich nur die bautechnischen und baubetrieblich-kalkulatorischen Voraussetzungen für die Berechtigung der geltend gemachten Werklohnforderung zu prüfen.
Geprüft werden muss allein das Zahlenwerk, nicht das Vorliegen der rechtlichen Voraussetzung für einen möglichen Anspruch des Unternehmers. Es liegt grundsätzlich außerhalb der Prüfungspflicht des Architekten, ob nach der erforderlichen Vertragsauslegung ein Mehrvergütungsanspruch für den Nachtrag vorliegt oder nicht. Das Gericht meint, ein Architekt müsse allenfalls Grundkenntnisse des privaten Baurechts haben aber keine Kenntnisse, um zu entscheiden, ob ein Nachtrag gerechtfertigt ist oder nicht. Mit dieser Meinung wird der Auftraggeber – insbesondere, wenn es sich um einen privaten handelt – völlig allein gelassen und muss sich im Zweifel Rechtsrat von anderer Stelle einholen.
Befugnis des Architekten
Wie die Praxis zeigt, gehen die Architekten häufig über ihre Beratungsbefugnisse hinaus und treffen Entscheidungen, ob ein Nachtrag gerechtfertigt ist oder nicht. Dies kann zu Ärger und Verdruss mit dem Auftraggeber führen, wenn er auf einmal viel mehr zahlen soll, als er gedacht hat. Ein Architekt ist noch nicht einmal verpflichtet, dem Unternehmer das Ergebnis seiner Rechnungsprüfung bekanntzugeben.
Dies muss er nur gegenüber dem Auftraggeber tun. Auf die häufig geübte Praxis der Übersendung einer geprüften Schlussrechnung hat der Unternehmer keinen Anspruch. Hiermit wird der Auftraggeber vom Architekten nur unnötig festgelegt. Baulöwe Schneider hatte seinem Architekten sogar untersagt, den Unternehmern geprüfte Schlussrechnungen zugänglich zu machen. Er wollte mit den Unternehmern verhandeln, ohne dass diese vorher das Prüfergebnis des Architekten kannten. Eine Methode, die rechtlich zulässig ist, aber nicht unbedingt zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit führt.
Vertrag kommt von vertragen
Wenn beide Seiten sich auf den Vertragsinhalt konzentrieren und nicht für sich alle Vorteile herausschlagen wollen, wird sich außergerichtlich stets eine einvernehmliche Lösung finden und ein Rechtsstreit überflüssig sein.
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