GaLaBau und Recht - Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt
Vertragsstrafe, Abrechnung und Verjährung
von: Rainer Schilling
1. Unwirksame Vertragsstrafenregelung
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15.02.2024, Az. VII ZR 42/22
Das Gericht musste sich mit der Frage befassen, ob eine in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Vertragsstrafenklausel wirksam ist oder nicht. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Vor einem Landgericht klagt ein Auftragnehmer einen Werklohn in Höhe von 284 013,78 Euro ein. Der Auftraggeber ist der Meinung, dass der Unternehmer zu spät fertig geworden ist und rechnet gegen den Werklohnanspruch mit einem Vertragsstrafenanspruch auf. Die Vertragsstrafe soll sich aus den besonderen Vertragsbedingungen des Auftraggebers ergeben, die Vertragsgegenstand geworden sind. Die entsprechenden Klauseln lauten auszugsweise wie folgt:
"2. Vertragsstrafen (§ 11 VOB/B)
2.1 Der Auftragnehmer hat bei der Überschreitung der unter 1. genannten Einzelfristen oder der Frist für die Vollendung als Vertragsstrafe für jeden Werktag des Verzuges zu zahlen: [. . . ]
0,2 v.H. der im Auftragsschreiben genannten Auftragssumme ohne Umsatzsteuer; [. . . ]
2.2 Die Vertragsstrafe wird auf insgesamt 5 v.H. der im Auftragsschreiben genannten Auftragssumme (ohne Umsatzsteuer) begrenzt. [. . . ]"
Der Unternehmer, der die vom Auftraggeber auf Grund seiner Bedingungen verlangte Vertragsstrafe zahlen soll, hält die Vertragsstrafenklausel für AGB-widrig, da die Klausel ihn als Unternehmer unangemessen benachteilige.
Die Entscheidung des BGH
Das Gericht hält bei dem vorliegenden Einheitspreisvertrag die in der Vertragsstrafenklausel enthaltene Regelung für unwirksam. Die Klausel benachteilige den Unternehmer unangemessen. Sie sei deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
Der Bundesgerichtshof hat nichts dagegen, dass ein Unternehmer, der eine Vertragsstrafe verwirkt hat, diese auch tragen muss. Er hält die Anknüpfung der Vertragsstrafe an die Höhe der Auftragssumme ohne Umsatzsteuer für rechtlich unzulässig. Maßgeblicher Bezugspunkt für die Fünf-Prozent-Grenze soll nach Meinung des Gerichts nicht die Auftrags- sondern die Abrechnungssumme darstellen.
Erweist sich bei einem Einheitspreisvertrag die Abrechnungssumme als niedriger, als die im Vertrag angegebene Auftragssumme, würde eine an die Auftragssumme geknüpfte fünfprozentige Vertragsstrafe höher sein, als die 5 Prozent der Abrechnungssumme. Je nach Einzelfall kann bei deutlich geringeren Massen und damit einer geringeren Abrechnungssumme die Differenz der sich ergebenden Vertragsstrafe doch recht beträchtlich sein. Dies ist nach Meinung des Gerichts eine unangemessene Bevorzugung des Auftraggebers, die durch keinen anderen Vorteil im Vertrag ausgeglichen wird. Der Bundesgerichtshof beruft sich dementsprechend auf § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und hält die Vertragsstrafenklausel für unwirksam.
Auswirkung auf andere Rechtsgebiete
Der Bundesgerichtshof befasst sich im speziellen Fall nur mit der Wirksamkeit beziehungsweise Unwirksamkeit der Vertragsstrafe. Gleiches dürfte jedoch auch für andere Fälle, beispielweise beim Gewährleistungseinbehalt gelten. Üblicherweise ist dort in vielen Verträgen vorgesehen, dass der Gewährleistungseinbehalt 5 Prozent der Auftragssumme beträgt. Unter Zugrundelegung der Meinung des Bundesgerichtshofs zur Vertragsstrafenregelung würde das bedeuten, dass bei einem Einheitspreisvertrag der 5-prozentige Gewährleistungseinbehalt auch nicht an die Auftragssumme, sondern lediglich an die Abrechnungssumme geknüpft werden darf. Wird dennoch als Grundlage für den fünfprozentigen Gewährleistungseinbehalt die Auftragssumme vom Auftraggeber in seinen Vertragsbedingungen zugrunde gelegt, dürfte auch diese Regelung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sein. Den Vertragsparteien sei deshalb dringend empfohlen, darauf zu achten, an welchem Bezugspunkt die Vertragsstrafe beziehungsweise der Gewährleistungseinbehalt von Klauseln des Auftraggebers geknüpft wird. Ist die Allgemeine Geschäftsbedingung zum fünfprozentigem Gewährleistungseinbehalt analog zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Vertragsstrafe und damit unwirksam, würde es bedeuten, dass der Auftraggeber nicht berechtigt wäre, einen Gewährleistungseinbehalt von 5 Prozent vorzunehmen. Er müsste dann 100 Prozent der als begründet angesehenen Abrechnungssumme eines Auftrages auszahlen.
2. Abrechnung nach Plan statt Aufmaß
Entscheidung des Kammergerichts Berlin vom 17.01.2023, Az. 27 U 11/22 beziehungsweise Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 25.10. 2023, Az. VII ZR 33/23
Die beiden Gerichte haben sich mit der Frage befasst, wie bei einem Einheitspreisvertrag die Leistung prüfbar abzurechnen ist. Bei einem VOB-Vertrag regelt dies § 14 Abs. 1 VOB/B. Nach der Bestimmung hat der Auftragnehmer die erforderlichen Mengenberechnungen, Zeichnungen und Belege vorzulegen, damit der Auftraggeber die erteilte Abrechnung prüfen kann. Am wenigsten Schwierigkeiten gibt es bei Abrechnungen, bei denen die Parteien die Feststellungen gemeinsam, insbesondere durch gemeinsames Aufmaß festgestellt haben. Bei den Entscheidungen der beiden Gerichte ging es um die Neumontage von Heizungs- und Sanitäranlagen, wobei der Auftragnehmer vor Ort kein Aufmaß genommen hat, sondern nur Bezug nimmt auf die für das Bauvorhaben vorliegenden Pläne.
Der Auftraggeber ist der Meinung, dass dies nicht ausreicht und er ohne ein konkretes Aufmaß die Rechnungen nicht ausreichend prüfen kann, da die Pläne nicht unbedingt die Massen wiedergeben, die tatsächlich verbaut wurden. Da Abweichungen zwischen den aus den Plänen ersichtlichen Maßen und dem Aufmaß vor Ort fast immer gegeben sind, kann nur nach Plänen abgerechnet werden, wenn die ausgeführte Leistung ganz genau nach der Planung ausgeführt wurde und Abweichungen damit ausgeschlossen sind. Jedem Auftragnehmer kann nach den vorgenannten Entscheidungen der Gerichte nur dringend geraten werden, das in § 14 VOB/B vorgesehene gemeinsame Aufmaß durchzuführen und nicht nach Plan abzurechnen.
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3. Vergessene Abrechnungspositionen, Nachberechnung möglich?
Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf, IBR 2018, Seite 430
Immer wieder kommt es vor, dass Unternehmer in ihren erteilten Schlussrechnungen von Anfang an vom Auftrag umfasste Leistungen unvollständig abrechnen. Erst geraume Zeit später fällt ihnen ein, dass ihre Schlussrechnung nicht vollständig ist und sie Anspruch auf eine weitere Vergütungsforderung haben. Einen solchen Fall hat das Oberlandesgericht Düsseldorf entschieden.
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Unternehmer rechnete seine gemäß Einheitspreisvertrag erbrachte Leistung mit einer Schlussrechnung ab. Später merkte er, dass er eigentlich Anspruch auf eine weitere Vergütung hat uns maßgebliche Positionen vergessen wurden. Der Unternehmer nimmt eine Nachberechnung mit einer weiteren Schlussrechnung vor. Nachdem der Auftraggeber nicht zahlt und sich auf eine Schlussrechnungswirkung beruft, klagt der Unternehmer beim Oberlandesgericht Düsseldorf die vergessene Vergütung ein.
Die Entscheidung des Gerichts
Das Oberlandesgericht Düsseldorf gibt dem Unternehmer Recht. Nach herrschender Meinung kann ein Unternehmer den Werklohn einer bisher nicht abgerechneten Leistung nachträglich beanspruchen. Die Zahlung des Auftraggebers auf die ursprüngliche Schlussrechnung hat keine Ausschlusswirkung.
Dies gilt insbesondere beim BGB-Vertrag. Bei einem Vertrag, bei dem der Auftraggeber die VOB zum Vertragsinhalt gemacht hat, ist nur in dem seltenen Fall des § 16 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B eine Ausschlusswirkung gegeben. Eine Ausschlusswirkung nach der Bestimmung ist nur gegeben, wenn der Auftraggeber die VOB gestellt hat und bei der Zahlung der Vergütung den Auftragnehmer über die Ausschlusswirkung bestimmungsgemäß belehrt hat.
Diese Voraussetzungen sind so gut wie nie gegeben, da der BGH schon kleinste Änderungen der VOB als Grund ansieht, dass die VOB nicht mehr als Ganzes (unverändert) zum Vertragsgegenstand gemacht wurde. Die Ausschlusswirkung ist dann nicht gegeben. Regelmäßig kann der Unternehmer zu Recht vergessene Positionen beim Auftraggeber nachfordern.
Dies gilt allerdings nur, wenn die Forderung des Auftragnehmers nicht verjährt ist.
4. Wann gilt eine Forderung des Auftragnehmers als verjährt?
Urteil des Kammergerichts vom 12.12.2023, Az. 21 U 47/22
Wann tritt hinsichtlich einer Forderung beziehungsweise Nachforderung Verjährung ein? Mit dieser Frage hatte sich das Berliner Kammergericht zu befassen. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Bei dem Rechtsstreit ging es insgesamt um 282.000 Euro. Ein Unternehmer führte im Jahr 2014 für einen Auftraggeber Malerarbeiten durch. Nach Abnahme der Leistung legte der Unternehmer am 11.09.2015 eine erste Schlussrechnung über 84.000 Euro vor, die der Auftraggeber nicht bezahlte. Am 22.11.2018 erteilte der Unternehmer eine weitere zusätzliche Schlussrechnung über 198.000 Euro.
Die zweite Schlussrechnung beinhaltete Leistungen, die der Unternehmer bei der Rechnungsstellung das erste Mal vergessen hatte. Nachdem der Auftraggeber keine Zahlung leistete, erhob der Unternehmer Ende 2018 Klage, die aber dem Auftraggeber erst Mitte Februar 2019 zugestellt wurde, weil der Unternehmer in der Klageschrift eine falsche Adresse angegeben und auch die Gerichtskosten nicht rechtzeitig eingezahlt hatte. Der Auftraggeber erhob zu seiner Verteidigung die Einrede der Verjährung.

Die Entscheidung des Gerichts
Das Gericht hält die Forderung aus den beiden Schlussrechnungen für verjährt. Werklohnansprüche verjähren gemäß § 195 BGB in drei Jahren mit Kalenderjahresendrechnung. Der Anspruch der beiden Schlussrechnungen ist vor Ablauf des Jahres 2015 entstanden. Die erste prüfbare Schlussrechnung hat der Unternehmer bereits am 11.09.2015 gelegt. Infolge der Abnahme durch den Auftraggeber und der erteilten Schlussrechnung durch den Unternehmer war die Forderung auch bereits 2015 fällig. Die Verjährung der ersten Schlussrechnung ist damit bereits zum 31.12.2018 eingetreten.
Das Kammergericht Berlin entscheidet sodann dahingehend, dass auch die weiteren Vergütungsansprüche, die der Unternehmer erst mit seiner zweiten Schlussrechnung am 22.11.2018 abgerechnet hat, dennoch bereits zum Jahresende 2018 verjährt sind. Das Gericht hält zwar das Nachschieben von vergessenen Forderungen für zulässig. Es ist jedoch der Meinung, dass für die gesamte Werklohnforderung des Unternehmers eine einheitliche Fälligkeit gegeben ist. Dies auch dann, wenn der Unternehmer seine Forderung erst mit einer zweiten Schlussrechnung geltend macht.
Aufgrund der vom Gericht gesehenen einheitlichen Fälligkeit der Forderung, sieht das Gericht auch eine einheitliche Verjährung, so dass die Klage abgewiesen wurde. Daran änderte auch nicht der Umstand, dass der Unternehmer noch 2018 seine Klage erhoben hat. Dies wäre im Prinzip zwar rechtzeitig gewesen, hätte der Unternehmer die richtige Adresse des Beklagten angegeben und auch rechtzeitig die Gerichtskosten eingezahlt. Die Versäumnisse des Unternehmers bei seiner Rechnungslegung sowie bei der Geltendmachung der Klage führten letztendlich zum vollständigen Prozessverlust.
Wenn Verjährung droht, ist jeder Prozesspartei dringend anzuraten, besonders sorgfältig zu arbeiten und es nicht auf unnötige Risiken ankommen zu lassen.