GaLaBau und Recht: Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Vorsicht bei Gewährleistungsbürgschaft und Mängelfolgeschäden

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Nicht jeder vertragliche Text für einen Gewährleistungseinbehalt beziehungsweise eine Gewährleistungsbürgschaft ist rechtens. Das musste ein Auftraggeber in einem Rechtsstreit vor dem Landgericht Berlin leidvoll erfahren (Urteil des Landgerichts Berlin vom 16.05.2023, Az. 14 O 145/22). Wie wichtig es ist, vertragliche Formulierungen genau zu überdenken und gegebenenfalls prüfen zu lassen, zeigt die Entscheidung des Landgerichts Berlin.
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Wie wichtig es ist, Verträge genau und rechtssicher zu formulieren, zeigt die Entscheidung vom 16.05.2023, Az. 14 O 145/22, gefällt am Landgericht Berlin. Foto: Andreas Praefcke, Wikimedia Commons, CC BY 3.0

Immer wieder muss ich feststellen, dass von Auftraggebern vorformulierte Vertragstexte beziehungsweise Bedingungen ganz oder teilweise unwirksam sind. Das gilt insbesondere, wenn nicht ausreichend kundige Parteien sich selbst dranmachen, Vertragstexte zu formulieren.

1. Der vom Auftraggeber gestellte Vertrag

Ein Auftraggeber hatte in einem von ihm gestellten VOB-Werkvertrag eine fünfprozentige Gewährleistungssicherheit von der Schlussrechnungssumme vereinbart, die auch als Bankbürgschaft gestellt werden konnte. In dem vom Landgericht Berlin entschiedenen Fall enthielt der vom Auftraggeber vorformulierte Vertrag die oft anzutreffende Formulierung, dass die Bürgschaft erst zurückzugeben ist, wenn die Verjährungsfrist für Mängelansprüche gemäß § 13 VOB/B abgelaufen ist und Mängelansprüche des Auftraggebers nicht mehr bestehen.

Der Auftragnehmer stellte im entschiedenen Fall die Bankbürgschaft zur Ablösung des Gewährleistungseinbehaltes, worauf der Auftraggeber den einbehaltenen, fünfprozentigen Betrag auszahlte. Wegen im Laufe der Gewährleistungszeit aufgetretener Mängel, die der Unternehmer nicht beseitigte und von ihm auch keine Zahlung zu erlangen war, nahm der Auftraggeber die bürgende Bank aufgrund der von ihr gestellten Bankbürgschaft in Anspruch. Nachdem die Bank nicht zahlte, verklagte der Auftraggeber die bürgende Bank auf Zahlung. Die Bank erhob im Rechtsstreit die sogenannte Bereicherungseinrede gemäß §§ 821, 768 BGB, da die vertragliche Sicherungsklausel unwirksam sei. Der Rechtsgrund für die Stellung der Bürgschaft sei damit entfallen.

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Im Zweifel sollten die entsprechenden Formulierungen vor Vertragsabschluss rechtlich geprüft werden. Foto: AspctStyle, Adobe Stock

Die Entscheidung des Gerichts

Das Gericht gab der beklagten Bank als Bürgin Recht und wies die Klage ab. Das Gericht war der Meinung, dass das dem Auftraggeber gestellte Sicherungsklauselwerk im Vertrag den Auftragnehmer unangemessen benachteilige (§ 307 BGB), da es keine teilweise Enthaftung in Abhängigkeit zu dem zu erwartenden Gewährleistungsanspruch vorsieht. Dies könne nach Ablauf der Gewährleistungsfrist dazu führen, dass bei nur noch vorhandenen geringfügigen Mängeln dennoch die volle Bürgschaftssumme zurückbehalten werden kann. Im ungünstigsten Fall könnten sogar die laufenden Avalkosten im krassen Missverhältnis zu dem Wert der noch vorhandenen Mängel stehen. Der Auftraggeber hätte in seinem Vertragswerk die Klausel so formulieren müssen, dass je nach Wert des noch nicht beseitigten Mangels gegebenenfalls eine Teilenthaftung des Bürgschaftsbetrages hätte vorgesehen werden müssen. Für den Auftraggeber eine unliebsame Erfahrung. Hatte er doch geglaubt, mit der gestellten Bankbürgschaft sicher zu sein, sich wegen vorhandener Mängel aus der gestellten Gewährleistungsbürgschaft befriedigen zu können. Die Entscheidung des Gerichts hatte den Auftraggeber wohl überzeugt, denn er hat gegen das Urteil keine Berufung eingelegt, so dass die Entscheidung des Gerichts rechtskräftig wurde. Im Laufe der Jahre hat die Rechtsprechung sich immer wieder mit Formulierungen zur Sicherheitsleistung beschäftigt und eine ganze Reihe Formulierungen nicht gebilligt, so dass es ratsam ist, im Zweifel vor Vertragsabschluss die entsprechenden Formulierungen rechtlich prüfen zu lassen.

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Kunden haben nicht nur einen Anspruch auf eine Beseitigung vorhandener Mängel. Oft sind die Mängelfolgeschäden viel schwerwiegender und im Wert höher, als die eigentliche Vergütung. Daran erinnerte das Oberlandesgericht Bamberg mit seinem Urteil vom 24.08.2023, Az. 12 U 58/22. Foto: Dominik Kindermann, Adobe Stock

2. Mangelhafte Leistung kann teuer werden

Viel zu wenig denken Unternehmer daran, dass ein Kunde nicht nur einen Anspruch auf eine Beseitigung vorhandener Mängel hat. Oft sind die Mängelfolgeschäden viel schwerwiegender und im Wert höher, als die eigentliche Vergütung. Das zeigt ein vom Oberlandesgericht Bamberg entschiedener Rechtsstreit, den der ausführende Unternehmer sicherlich nicht so schnell vergessen wird. Dem Urteil (Oberlandesgericht Bamberg, Urteil vom 24.08.2023, Az. 12 U 58/22) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Unternehmer verlegte in einem Sanitätshaus einen Vinylboden. Nach einiger Zeit hob sich der Boden und bildete Stolperfallen. Ursache für diesen Mangel war eine fehlende Feuchtigkeitssperre des unter dem Bodenbelag befindlichen Zementestriches. Aufgrund der Feuchtigkeit hatte sich der Kleber von dem Vinylboden gelöst und den mangelhaften Zustand mit den Stolperfallen verursacht. Dem Fußbodenverleger wird nach Meinung des Gerichts zu Recht vorgeworfen, dass er den Untergrund nicht ausreichend untersucht und deshalb die fehlende Feuchtigkeitssperre nicht bemerkt hat. Der Auftraggeber hatte dem Fußbodenverleger eine Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt. Als dieser untätig blieb, nahm der Auftraggeber eine Ersatzvornahme vor. Wegen der Sanierung musste deshalb das Sanitätshaus vollständig 16 Tage geschlossen bleiben. Der Auftraggeber begehrt nicht nur die eigentlichen Kosten der Ersatzvornahme, sondern auch die ihm entstandenen Umsatzverluste bzw. Verluste an Betriebseinnahmen sowie die Kosten für sanierungsbedingt freigestellter Mitarbeiter abzüglich ersparter Aufwendungen.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg

Das Gericht hält eine Pflichtverletzung des Bodenverlegers und ein Verschulden für gegeben, zumindest vermutet es dies gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB. Das Gericht hält die Stolperfallen für einen wesentlichen Mangel, der auf alle Fälle beseitigt werden muss und sieht auch die Voraussetzungen für den Ersatz des Mängelfolgenschadens für gegeben. Ganz gleich, ob es sich um einen BGB oder einen VOB-Vertrag handelt, ist das Gericht der Meinung, dass eine vertraglich vereinbarte Beschaffenheit, nämlich die Funktionalität nicht gegeben ist. Da der Mangelfolgeschaden nicht durch die Nachbesserung beseitigt werden kann, verurteilt das Gericht den Fußbodenverleger zur Erstattung des Mangelfolgeschadens. In Anbetracht der Kosten für den Betriebsstillstand inklusive Lohnkosten für die untätig gebliebenen Mitarbeiter, beläuft sich der Schaden auf ein Mehrfaches des seinerzeitigen Vergütungsanspruchs für den Vinylboden.

Jeder Auftragnehmer sollte daran denken, dass es durchaus nicht nur bei den Mängelbeseitigungs- beziehungsweise Ersatzvornahmekosten bleibt, sondern – wie der vom Oberlandesgericht Bamberg entschiedene Fall zeigt – erhebliche zusätzliche Ansprüche auf den Unternehmer zukommen können. Dabei ist die Höhe der Vergütungsforderung nicht die Grenze für derartige Mängelfolgeansprüche. Diese können ein Mehrfaches der vertraglichen vereinbarten Vergütung ausmachen. Im Übrigen sei jedem Unternehmer geraten, es nicht zu einer Ersatzvornahme kommen zu lassen, da diese stets wesentlich teurer ist, als die eigene Mängelbeseitigung.

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Ein Unternehmer verlegte in einem Sanitätshaus einen Vinylboden. Nach einiger Zeit hob sich der Boden und bildete Stolperfallen. Ursache für diesen Mangel war eine fehlende Feuchtigkeitssperre. Foto: leomalsam, Adobe Stock

Prozessführung bei Mängelfolgeschäden

Bei Rechtsstreiten, bei denen es um Mängelfolgeschäden geht, bedürfen auf beiden Seiten der Parteien eines Rechtsstreits, sehr sorgfältiger Prozessführung. Es muss zum Beispiel bei der Geltendmachung des Schadens für untätiges Personal genau angegeben werden, wer, wann, wie lange untätig war und nicht anderweitig beschäftigt werden konnte. Große Probleme gibt es auch mit den sogenannten ersparten Aufwendungen, die sich ein Auftraggeber zurechnen lassen muss. Dort ist alles zu ermitteln, was der Auftraggeber infolge der Beseitigung des Mängelfolgeschadens erspart hat.

Das kann so weit gehen, dass die Ersparnis für Strom, Gas und Heizung gegengerechnet werden kann. Bei der Geltendmachung eines Umsatzrückganges ist zu bedenken, dass durchaus Kunden gewartet haben, bis der Kläger die Geschäftstätigkeit wiederaufgenommen hat und so sich der Umsatz lediglich um einige Zeit verschiebt, ohne dass für den Auftraggeber ein echter Verlust eingetreten ist. Bei der Geltendmachung derartiger Ansprüche können sich dann Sachverständige austoben und betriebswirtschaftliche Gutachten erstellen. Dementsprechend sind derartige Rechtstreite langwierig und teuer und sollten auf alle Fälle vermieden werden.

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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