Global versus lokal.

Natursteinverwendung im Freiraum zwischen Preisdruck und Ortsbezug

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Naturstein ist ein technisch wie gestalterisch ein gut geeigneter und prinzipiell nachhaltiger Baustoff für den Freiraum. Am Beitrag zur Nachhaltigkeit wird jedoch zunehmend gezweifelt. Denn gerade bei neueren Gestaltungen, insbesondere öffentlicher Räume, kommen die verwendeten Natursteinmaterialien meist nicht aus der Region, sondern aus China. Das Argument dafür ist in der Regel der Preis.

Vom Naturraumfenster zum Einheitsboden

Freiraumgestaltung und Natursteinverwendung sind untrennbar miteinander verbunden. Ob der Pflasterbelag auf dem Stadtplatz, die Stützkonstruktion aus Trockenmauerwerk oder die Verblendung des Wasserbeckens im Garten - die Verwendung von Naturwerksteinen bewährt sich für viele Bauelemente der Landschaftsarchitektur. Lange galt diese auch als nachhaltig, schon aufgrund der mehrfachen Wiederverwendbarkeit, und als wesentlicher Beitrag zur örtlichen Identität. Öffnen doch Bausteine aus ortstypischen Natursteinarten gewissermaßen ein Fenster in den Naturraum und zeigen in Straßen, Plätzen und Gärten, ob wir uns beispielsweise im Gebiet der Schwäbischen Alb, im Schweizer Tessin oder in den Vogesen befinden. Freilich erfüllt nicht jeder regionaltypische Kalkstein die wachsenden Anforderungen, die seit einigen Jahrzehnten an Pflasterbeläge oder Stufen im öffentlichen Raum hinsichtlich Dauerhaftigkeit und Frostwiderstand gestellt werden. Daher wurde schon in den 1980er Jahren oft auf Granit aus dem Bayerischen Wald, Frankreich oder Portugal, Porphyr aus Italien oder Gneis aus der Schweiz zurückgegriffen, um lokale Sedimentgesteine wie Jurakalk oder Buntsandstein zu ersetzen.

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Nicht nur in der südlichen Hälfte Deutschlands wurde massenweise rostroter Porphyr, geologisch richtiger als Rhyolit zu bezeichnen, aus Südtirol in Straßen und Plätzen verpflastert, der günstig zu beziehen war. Viele dieser Flächen mussten inzwischen erneuert werden, da der Naturstein sich vielfach auch nicht als ausreichend frosthart erwies. Besser bewähren konnte sich Pflasterflächen aus Granit, was eine gewisse Vereinheitlichung der sanierten Stadt- und erneuerten Dorfkerne zur Folge hatte. Trotzdem begründen steigende Ansprüche an bequeme Begehbarkeit durch Ebenflächigkeit und enge Fugen auch hier mehr und mehr einen Neugestaltungsbedarf.

Steinerne Globalisierung aus China

Bei aktuellen Freiraumgestaltungen öffentlicher Räume heute ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die verwendeten Natursteinmaterialien weder aus der Region, noch aus natursteinreichen europäischen Nachbarländern wie Italien, der Schweiz oder Portugal kommen, sondern von der anderen Seite der Erdhalbkugel, meist aus China. Chinesischer Granit liegt als Pflaster auf süddeutschen Stadtplätzen ebenso wie als großformatige Platten in der spektakulären Brunnenanlage des neuen Flughafen Berlin-Brandenburg International.

Ja sogar im Schweizer Naturstein-Kanton Tessin, in dem es zahlreiche Steinbrüche mit vielen verschiedenen Granit- und Gneissorten gibt, wurde für die Sanierung der Hauptverkehrsader im Grenzort Chiasso rosafarbener Granit aus China verbaut. Das stieß nicht nur bei der Südschweizer Natursteinindustrie auf Unverständnis.

Bei aller Kritik an derartigen Entwicklungen ist einzuräumen, dass es globalen Natursteinhandel und -import, auch über große Distanzen, seit vielen Jahrhunderten gibt. Schon die Römer beschafften Natursteine aus den entlegensten Provinzen ihres Riesenreiches, beispielsweise Granit aus Ägypten. Exotische Natursteine aus Übersee zierten in der Barockzeit Kirchen und Paläste. Damals waren die Gründe dafür die besonderen Eigenschaften der importierten Natursteine wie etwa eine besondere Farbe. Für besondere Verwendungszwecke wurde auch großer Transportaufwand zu höherem Preis akzeptiert, überwiegend jedoch innerhalb Europas. Heute ist es umgekehrt. Der Hauptgrund für den Import Chinesischen Granits ist meist nicht eine besondere Qualität, sondern der günstige Preis, der gerade bei öffentlichen Ausschreibungen den Ausschlag gibt.

Entscheidend sind dabei nicht einmal die Kosten für das Gesteinsmaterial selbst, sondern die niedrigen Herstellungs- bzw. Verarbeitungs- und Transportkosten. Letztere entfallen häufig sogar ganz, wenn die schweren Naturwerksteine als Ballast in der Schiffsfracht benötigt werden.

Die 8000 t Carrara-Marmors, die die vom norwegischen Architekturbüro Snøhetta entworfene Eisbergskulptur des 2008 eröffneten Opernhauses in Oslo formen, wurden sogar extra nach China transportiert, um dort 38.000 unterschiedlich dimensionierte Werkstücke aus dem berühmten italienischen Naturstein herzustellen. Diese sorgen nun dafür, dass bei dem am Ufer des Oslofjords gelegenen norwegischen Prestigeobjekt Gebäude und umgebende Freifläche zu einer begehbaren Eisscholle verschmelzen, zu einem weiß-glitzernden Stück Landschaft, für deren bauliche Umsetzung der reinweiße Stein ausgesucht wurde, weil er dieses Konzept bestmöglich symbolisiert. Nur an der Uferlinie, wo der schräg geneigte Gebäudevorplatz ins Salzwasser des Fjords eintaucht, wurde wie an einigen anderen Stellen frostharter Granit aus dem eigenen Lande verbaut.

Bedeutung für den Landschaftsbau

Vergleichbare Projekte in derartigen Dimensionen sind in der Landschaftsarchitektur bzw. im Landschaftsbau wohl eher selten, trotz der großen Bedeutung des Baustoffs Naturstein für die Profession. Massive Natursteinmauern beispielsweise werden, von Projekten der Denkmalpflege einmal abgesehen, praktisch nur noch im Landschaftsbau erstellt. Handelt es sich hierbei um Mauern mit landschaftlichem Bezug oder bedeutende Kulturlandschaftselemente wie beispielsweise Trockenmauern in Weinbergen, wird Naturstein aus der Region benötigt wie er ursprünglich verwendet wurde. Das ist manchmal nicht einfach, weil kleinere, nur regional bedeutende Steinbrüche häufig längst Abbau und Betrieb aufgegeben haben.

Aber auch für Belagsflächen und Ausstattungselementen in Altstädten oder ländlichen Gemeinden möchten Planer und Ausführende häufig sicherstellen, dass eine ganz bestimmte Natursteinart mit Ortsbezug zum Einsatz kommt und nicht eine nur optisch ähnliche aus Asien. Zur Verwendung asiatischer Gesteine können den offenkundigen wirtschaftlichen Vorteilen durchaus auch einige Nachteile gegenüber gestellt werden: Auch wenn bei öffentlichen Aufträgen ein Formblatt, das Kinderarbeit ausschließt, auszufüllen und mit dem Angebot einzureichen ist, bestehen doch vielfach Zweifel an sozial verträglichen Arbeitsbedingungen. Zudem liegen keine Erfahrungswerte zur Beständigkeit der asiatischen Gesteine im europäischen Klima vor, ebenso wenig wie eine dauerhafte Nachlieferung über Jahrzehnte sicher gewährleistet werden kann.

Schließlich sind Steinbezeichnungen und Prüfzeugnisse, so diese vorliegen, nicht vergleichbar mit den europäischen Standards. Friedrich Müller beschreibt dies in seiner Gesteinskunde: "Anstelle von Herkunftsbezeichnungen operiert man mit Codenummern. Andererseits verwirren unlautere Firmen in Hongkong unsere Usancen, indem sie rotchinesische Steine mit geläufigen Handelsnamen anderswo geförderter Steine versehen, um dadurch die Originalsorten preislich zu bekämpfen."

Natursteinbezeichnung nach Norm - die Lösung?

Wie aber kann beispielsweise im Rahmen der Ausschreibung sichergestellt werden, dass alle Bieter den gleichen regional vorkommenden Naturstein anbieten, und über den günstigen Preis kein chinesisches Substitut zum Einsatz kommt? Verstößt eine exakte Vorgabe der Natursteinart nicht gegen das Prinzip der Gleichwertigkeit?

Entscheidend ist die zweifelsfreie, jedoch produktneutrale Beschreibung der gewünschten Natursteinart in der Leistungsbeschreibung. Eine klare Vorgabe macht hierzu die Norm DIN EN 12440 Naturstein Kriterien für die Bezeichnung in der aktuellsten Fassung vom April 2008 und bietet damit praktische Hilfe.

Sie listet - in englischer Sprache über 2500 Natursteine aus 21 europäischen Ländern jeweils anhand von vier Kriterien auf, mit deren Hilfe sie sich eindeutig beschreiben lassen (vgl. Beispiele in der tabellarischen Übersicht). Dies sind:

  • der Handelsname, wobei Firmennamen zu vermeiden sind,
  • der wissenschaftlichen Name der Gesteinsfamilie, durch den im Unterschied zum Handelsnamen, der oft petrographisch falsch ist, die petrographische Zugehörigkeit eindeutig beschrieben wird; hier bietet beispielsweise die DIN EN 12670 Naturstein Terminologie eine Orientierung
  • die typische Farbe, die das Gestein bzw. die gewünschte Sorte zeigt und
  • der Herkunftsort durch eine möglichst genaue Ortsangabe des Gebiets, des Steinbruchs, der Stadt oder Gemeinde.

Die Angabe des Herkunftsorts ist besonders wichtig. Sie hilft unerwünschte, falsch bezeichnete Überseealternativen zu vermeiden und gewährleistet eine Vergleichbarkeit der Angebote.

Anlässlich eines Nachprüfungsverfahrens an der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Münster wegen der Vergabe eines Auftrags zur Lieferung und Verlegung von Naturwerksteinen, bei dem auf Veranlassung des nicht berücksichtigten Bieters geprüft werden sollte, ob ein Irischer Blaustein (Kilkenny Blue) aus China, wie ihn dieser Bieter angeboten hatte, dem aus Irland gleichwertig sei, wurden folgende Leitsätze formuliert:

  • Die Vorgabe eines Leitprodukts in der Leistungsbeschreibung ist zulässig, wenn sach- und auftragsbezogene Gründe erkennbar vorliegen.
  • Auf eine Gleichwertigkeitsprüfung kommt es dann nicht mehr an.
  • Dennoch können Nebenangebote zugelassen werden, wenn eine Vergabekammer aufgrund ihrer Marktkenntnisse nicht sicher beurteilen kann, ob es vergleichbare Produkte gibt.

Der Nachprüfungsantrag wurde dementsprechend zurückgewiesen und der Auftraggeber durfte das Irische Material verwenden.

Fazit

Diese vergaberechtliche Entscheidung zeigt, dass es grundsätzlich möglich ist, einen ganz bestimmten Naturstein auszuschreiben und zu bekommen. Leider schränken in manchen Fällen besondere Formate und Bearbeitungsarten diese Freiheit rasch wieder ein. Die chinesische Natursteinindustrie inzwischen extrem leistungsfähig und kann beinahe jeden gewünschten Service günstig anbieten. Machbarkeit, Zeit und Preis sprechen am Ende oft doch für den asiatischen Import. Die zuvor erwähnten Beispiele zeigen dies.

Trotzdem bietet gerade der Landschaftsbau beste Voraussetzungen, lokal und regional vorkommende Natursteinarten gezielt zu verwenden und damit die Natursteinwirtschaft im eigenen Lande zu fördern. Es wäre wünschenswert, wenn mit Hilfe von Mauern oder Pflasterbelägen örtliches Kulturgut erhalten oder wiederbelebt und das eine oder andere Naturraumfenster wieder geöffnet werden könnte.



Quellen:

DIN EN 12440 Naturstein. Kriterien für die Bezeichnung, April 2008

DIN EN 12670 Naturstein. Terminologie, März 2002

Mariani, Daniele (Übertragung aus dem Italienischen von Berthoud, Jean-Michel): Granit aus Asien für Schweizer Strassen, swissinfo, 03. März 2005, www.swissinfo.ch, letzter Abruf 11.11.2013

Müller, Friedrich: Gesteinskunde. Lehrbuch und Nachschlagewerk über Gesteine für Hochbau, Innenarchitektur, Kunst und Restaurierung, 7. Auflage, Ulm, 2005

Steiner, Claudia; Germann, Albrecht; Kownatzki, Ralf; Mauer, Walter: Steine aus China im Test. In: Naturstein 2/2006, S. 52 - 55.

Stone Report: Eine Landschaft aus Carraramarmor, Stone report, 24.09.2008, www.stonereport.com, letzter Abruf 17.11.2013

Vergabekammer bei der Bezirksregierung Münster: Beschluss vom 24. Juni 2011, VK 6/11 n

Prof. Dipl.-Ing. Ingrid Schegk
Autorin

Lehr- und Fachgebiet Baukonstruktion und Entwerfen

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