Internationale Studie mit deutscher Beteiligung
Urbane Landwirtschaft hat eine sehr durchwachsene Klimabilanz

Die Forscher berechneten den CO2-Fußabdruck städtischer Anbauflächen, von professionell gemanagten Initiativen über Gemeinschaftsgärten bis hin zu kleinen Einzelgärten, und verglichen ihn mit den Werten aus der konventionellen Landwirtschaft. Die Daten stammen aus Erhebungen in insgesamt 73 Gärten in Landsberg an der Warthe (Polen), London (Großbritannien), Nantes und Paris (Frankreich), New York City (USA) sowie im Ruhrgebiet. Die Gärtner führten dazu jeweils ein Jahr lang Tagebuch über Erntemengen und den Einsatz verschiedener Ressourcen wie Wasser, Materialeinsatz und Düngemittel.
Sechs Mal größerer CO2-Fußabdruck
Dabei fanden die Forscher heraus, dass der CO2-Fußabdruck urbaner Landwirtschaft für eine Essensportion im Durchschnitt 0,42 kg CO2-Äquivalente (CO2e) betrug und damit sechs Mal größer war als bei der konventionellen Landwirtschaft (0,07 kg CO2e). Der Grund dafür liegt in der deutlich effizienteren Nutzung der Ressourcen in der konventionellen Landwirtschaft. Für die Bewirtschaftung kleiner urbaner Flächen musste dagegen vieles neu angeschafft oder gebaut werden, beispielsweise Werkzeug, Hochbeete, Gießkannen oder Materialien für den Wegebau.
Allerdings gibt es einige Ausnahmen, etwa beim Tomatenanbau: Hier liegt der CO2-Fußabdruck der urbanen Landwirtschaft bei 0,17 CO2e pro Portion, beim konventionellen Anbau bei 0,27 CO2e. Das liegt laut Forschern größtenteils daran, dass konventionell angebaute Tomaten meist in Gewächshäusern gezogen werden und oft sehr weite Transportwege – nicht selten per Flugzeug – haben.

Auch wenn die urbane Landwirtschaft im Durchschnitt einen höheren CO2-Fußabdruck hatte, traf das nicht auf alle Gärten zu: 17 der 73 untersuchten Gärten waren klimafreundlicher. Das betraf vor allem größere städtische Anbauprojekte aber auch einige Einzelgärten. Daraus leiteten die Forscher drei Maßnahmen ab, mit denen die urbane Landwirtschaft grundsätzlich klimafreundlicher gemacht werden kann.
Hochbeete mit negativem Klima-Effekt
Die Infrastruktur muss länger in Verwendung bleiben. Der Bau von Hochbeeten, die nur fünf Jahre genutzt werden, hat einen viermal stärkeren negativen Klima-Effekt als Hochbeete mit einer Nutzungsdauer von 20 Jahren. Problematisch ist laut Forschern, dass viele Urban-Gardening-Projekte nur für eine kurze Zeitspanne ausgelegt sind. In solchen Fällen sehen die Forscher die kommunale Politik in der Pflicht, auf bestimmten Flächen langfristige Anbauprojekte zu ermöglichen.
Städtische Abfälle müssen besser genutzt werden. Das betrifft vor allem das Recycling von Baustoffen, aber auch die fachgerechte Kompostierung organischen Abfalls. Die urbane Landwirtschaft nutzt im Schnitt 12 kg Kompost pro Quadratmeter und Jahr. Damit spart sie 95 Prozent an Mineraldünger im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft (0,06 g Stickstoff im Vergleich zu 0,88 g Stickstoff pro Portion). Die Nutzung von Kompost ersetzt zudem Torf, der in kommerzieller Blumenerde verwendet wird und schützt so Moore als bedeutende Kohlenstoffsenke.
Allerdings ist die Herstellung von Kompost noch stark verbesserungsfähig, so die Forscher. Denn eine falsche Kompostiertechnik fördert den Ausstoß von Methan (CH4), einem 28mal wirksameres Treibhausgas als CO2. In der Untersuchung hatte der Methanausstoß bei 22 der 73 untersuchten Gärten den größten Anteil am CO2-Fußabdruck. Eine zentrale Kompostaufbereitung für Kleingärten oder eine Schulung für Kleingärtner könnte den Treibhausgasausstoß um rund 40 Prozent senken, so die Forscher.

Mehr Regenwasser zur Bewässerung nötig
Mehr Regenwasser muss zur Bewässerung eingesetzt werden. In mehr als 50 Gärten spielte Regenwasser zwar eine Rolle, aber hauptsächlich kamen Trink- oder Brunnenwasser zum Einsatz. Beide haben einen hohen CO2-Fußabdruck durch den Energiebedarf von Pumpen und bei der Wasseraufbereitung. Er beträgt teilweise mehr als 80 Prozent des gesamten CO2-Fußabdrucks. Lediglich in vier Gärten nutzten die Hobbygärtner ausschließlich Regenwasser.
Das Fazit der Studie: Die urbane Landwirtschaft sollte trotz ihrer aktuell durchwachsenen Klimabilanz keineswegs abgelehnt werden. Die Forscher empfehlen, ihre vorgeschlagenen Maßnahmen konsequent umzusetzen und mehr Obst und Gemüse anzubauen, das bei konventioneller Produktion grundsätzlich schlechter abschneidet, zum Beispiel die schon erwähnten Tomaten. Auch eine gezielte Fortbildung von Hobbygärtnern kann helfen, die Klimabilanz dieser Anbauform deutlich zu verbessern.
Aber auch die sozialen und gesundheitlichen Vorteile sollten unabhängig von der Klimabilanz nicht unberücksichtigt bleiben, betonen die Studienautoren. Interviews mit den Teilnehmern zeigten nahezu einheitlich die positiven Auswirkungen des Gärtnerns auf die mentale und physische Gesundheit. Ebenso hilft es beim Aufbau sozialer Kontakte, die vor allem in den größeren Gemeinschaftsprojekten mit im Fokus stehen.
cm/pflanzenforschung.de
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