Stadtbäume für die übernächste Generation – Keine Angst vor Klimabäumen (Teil 2)

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Klimabäume sind gut an künftige zu erwartende Klimaverhältnisse und an die Besonderheiten urbaner Standorte angepasst. Sie stehen aber auch im Verdacht, durch ungewollte und übermäßige Ausbreitung indigene Baumarten zu verdrängen. Aufgrund der geographischen Nähe ist Assisted Migration submediterraner Arten von vielen akzeptiert. Aber reicht das schon für ein klimaresilientes Stadtgrün? Auch exotischere Baumarten sind zu empfehlen. Sie verdienen eine differenzierte Betrachtung.
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1. Quercus infectoria subsp. veneris, ein wintergrüner Baum aus Zypern, der als Pollenspender eine ausgezeichnete Bienenweide darstellt. Foto: Jürgen Bouillon

Laurophyllisierung

Mildere Winter, wie sie sich ja schon in den vergangenen 20 Jahren abzeichnen, führen bereits jetzt vor allem im Westen Deutschlands zur Ausbreitung wintergrüner und immergrüner Gehölze, derzeit vornehmlich Sträucher: Berberis julianae, Buddleja davidii, Mahonia aquifolium, Prunus laurocerasus, Prunus lusitanica. Letztgenannte kann durchaus Baumhöhe erreichen. Im submediterranen Raum warten aber auch eine Reihe von wintergrünen und immergrünen Bäumen darauf entdeckt zu werden, u a. Quercus trojana, Quercus infectoria subsp. veneris (1) oder Acer obtusifolium.

Zumindest in gut sortierten Baumschulen ist Quercus x crenata (Syn. Quercus x hispanica) (2, 3, 4) zu beziehen, eine Hybride aus der immergrünen Quercus suber und der sommergrünen Quercus cerris. Sie kommt im Verbreitungsgebiet der Elternarten auch in der Natur vor.

Überhaupt sind alle Arten der Zerreichenverwandtschaft (Untergattung Cerris) spannend. Es gibt dort sommergrüne, wintergrüne und immergrüne Vertreter. Und wer nun der Meinung ist, Eichen dürfe man wegen des Eichenprozessionsspinners (EPS) überhaupt nicht mehr verwenden, verkennt, dass nicht die Gattung oder der Schädling das Problem darstellt, sondern unser Umgang damit. Sicher ist, dass vulnerable Gruppen wie Kinder geschützt werden müssen und der EPS, gefördert durch die Klimaerwärmung, in Ausbreitung begriffen ist. Aber der Schädling tritt nicht in jedem Jahr massenhaft auf und es gibt Bekämpfungs- und Vermeidungsstrategien im Umgang mit befallenen Beständen. Ein Verzicht auf die Verwendung von Eichen würde uns auf jeden Fall eines enormen Potentials an Klimabäumen berauben. Ob der EPS weniger Interesse an Roteichen (Untergattung Quercus, Sektion Lobatae) hat, müsste noch überprüft werden. In dieser Sektion gibt es ebenfalls sommergrüne, wintergrüne (Quercus rysophylla 'Maya') und immergrüne (Quercus agrifolia) Vertreter. Besonders interessant sind kalkverträgliche Arten mit ausgezeichneter Herbstfärbung, wenn sie auf eigener Wurzel gezogen sind (u. a. Quercus shumardii, Quercus texana).

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2. Quercus x crenata 'Lucombeana' hat wintergrünes Laub und entwickelt sich in Deutschland an geschützten Standorten zu einem Kleinbaum, in Südengland dagegen zu einem Großbaum Foto: Jürgen Bouillon
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3. Das Laub von Quercus x crenata 'Lucombeana' erinnert stark an Quercus cerris. Foto: Jürgen Bouillon
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4. Die schöne Borke hat sie von Quercus suber geerbt. Foto: Jürgen Bouillon

Nadelgehölze

Von immergrünen Laubgehölzen fällt der Sprung leicht zu den Nadelgehölzen (vgl. auch Hanke et al. 2022). Vielleicht gerade weil diese in den vergangenen 40 Jahren eine immer geringere Rolle in der Landschaftsarchitektur gespielt haben, wird es Zeit, genauer hinzuschauen. Besonders submediterrane Nadelgehölze entwickeln ausgeprägte Formcharaktere. Aber schon mit Pinus sylvestris lassen sich "mediterrane" Atmosphären erzeugen. Die Stadtklimaverträglichkeit ist bei einigen Arten gegeben. So breitet sich beispielsweise Abies cephalonica auf den Kalkfelsen im Botanischen Garten Osnabrück munter aus. Ebenfalls sehr trockenheitsverträglich sind Abies pinsapo aus Spanien und Abies concolor aus Nordamerika.

Zedern verdienen eine Renaissance. Neben den bekannten, mächtigen Vertretern sei die zypriotische Cedrus brevifolia empfohlen (5). Sie besitzt die kürzesten Nadeln, die eine schöne graugrüne Farbe aufweisen und einen gefälligen, lockeren, nicht allzu ausladenden Wuchs. Eine vermehrte Verwendung würde auch zum Erhalt der Art beitragen. Da der Klimawandel auch vor den mediterranen Inseln nicht Halt macht, wird sie von unten von einigen Kiefernarten bedrängt und müsste ihr Areal in der Höhe verschieben. Nur das ist kaum noch möglich.

Die säulenförmigen Mittelmeer-Zypressen Cupressus sempervirens var. stricta gedeihen im Westen Deutschlands jetzt schon ganz gut. Problemlos sollte ein Versuch mit der graublauen Cupressus arizonica sein. Pinus nigra subsp. laricio (6) und Pinus nigra subsp. pallasiana weisen wunderschöne Borken auf und sind vermutlich auch etwas hitzeresistenter als die bekannte Pinus nigra subsp. nigra. Sicher könnten auch baumförmig wachsende Wacholder noch einmal neu bewertet werden.

Hybriden statt Arten

Einige der vorgestellten, nicht indigenen Arten können sich bereits jetzt schon spontan ausbreiten. Beim Einbringen neuer Arten, egal ob im städtischen oder im ländlichen Raum, muss daher immer das Ausbreitungspotential eingeschätzt werden. Um dem aus dem Weg zu gehen, könnten (sterile) Hybriden eine Lösung sein. Gerade bei den Ahornen finden sich einige attraktive Hybriden mit ausgezeichneter Herbstfärbung, beispielsweise Acer x freemanii , Acer (7) oder Acer x zoeschense 'Annae' (8).

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5. Cedrus brevifolia im Troodos-Gebirge (Zypern). Foto: Jürgen Bouillon
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6. Pinus nigra subsp. laricio, die Korsische Schwarz-Kiefer mit heller Borke (rechts). Foto: Jürgen Bouillon
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7. Acer Pacific Sunset ('Warrenred') (A. platanoides x A. truncatum) hat eine noch leuchtendere Herbstfärbung im Vergleich zu Acer platanoides. Foto: Jürgen Bouillon
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8. Acer x zoeschense 'Annae' (A. campestre x A. cappadocicum subsp. lobelii) in seiner prachtvollen, gelben Herbstfärbung ist eigentlich schon lange bekannt, wird nur viel zu selten verwendet. Foto: Jürgen Bouillon

Sortenwahl bei Arten, deren Ausbreitungspotential (zumindest theoretisch) kontrollierbar ist

Neben den (zumeist) sterilen Hybriden bieten zweihäusige Arten die Möglichkeit, das Ausbreitungspotential zu kontrollieren. Werden ausschließlich männliche Sorten verwendet, können sich keine Früchte entwickeln, die zu einer Verbreitung der Art beitragen. Dies wird ja schon lange von Ginkgo biloba gefordert, dessen weibliche Exemplare nach längerer Zeit mit übelriechenden "Früchten" aufwarten. Allerdings erfordert es durchaus Pflanzenkenntnisse, da nicht alle im Handel befindlichen Sorten männlich sind; Und das Thema der Sortenechtheit müsste eine prioritäre Rolle im Handel spielen.

Bei Baumarten mit etwas komplexeren Blütenverhältnissen fällt das besonders ins Gewicht. Beispielsweise bei den Gleditschien ist es empfehlenswert an Straßen dornenlose Sorten zu pflanzen. Es gibt aber auch Sorten, die weder Dornen noch Früchte bekommen. Das kann wichtig werden, denn erste Anzeichen der Verwilderung gibt es (Bochumer Botanischer Verein 2014). Wenn nun aber die dornen- und fruchtlosen Sorten 'Shademaster' und 'Skyline' nach einigen Jahren Früchte ansetzen, es sich also "nur" um eine Gleditsia triacanthos var. inermis handelt, ist es zu spät. So könnte zumindest theoretisch auch Ailanthus altissima wieder hoffähig werden, wenn klar männliche Sorten ausgelesen würden.

Die beiden – im Vergleich zur indigenen Fraxinus excelsior – trockenheitsverträglicheren amerikanischen Eschen Fraxinus americana (9, 10) und Fraxinus pennsylvanica sind zweihäusig. Fraxinus pennsylvanica ist in vielen Auen von Elbe, Oder, Havel, Spree, Donau und Main bereits eingebürgert (Zacharias & Breucker 2008). Ist deren Ausbreitung nicht gewollt – es gibt unterschiedliche Ansichten dazu – könnte auf Sorten zurückgegriffen werden. Beide Arten besitzen eine schöne Herbstfärbung zwischen gelb und rot. Besonders auffällig purpurrot ist Fraxinus americana ('Junginger').

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9. Fraxinus americana in einer Fußgängerzone in Sofia (Bulgarien). Foto: Jürgen Bouillon
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10. Trotz maximaler Belastung ist das Laub im Sommer schadensfrei. Foto: Jürgen Bouillon

Bekannte Klimabäume bereits jetzt mit Ausbreitungspotential

Ob ein Klimabaum sich ausbreitet oder gar wie Ailanthus altissima ein invasiver Neophyt wird, hängt von vielen Faktoren ab. Vor allem sind es geeignete Temperatur- und Feuchtigkeitsverhältnisse zur Samenreifung und zur Keimung. Einige Arten, die bisher in Deutschland noch kaum zutage getreten sind, tragen durchaus Potential, um sich zu etablieren. So ist Zelkova serrata bisher dafür bekannt, eine schöne breite Krone mit einem filigranen Laub und einer besonders leuchtend rot-orangen Herbstfärbung auszubilden (11). Auch die Borke wird im Alter lebhaft. In einem aufgelassenen Arboretum in der Nähe von Lednice (Tschechien) in dem ein ganzer Bestand von Zelkova serrata gepflanzt wurde (12), keimen zur Freude der Prager Bonsaigesellschaft tausende kleiner Sämlinge (13), die sich wieder zu Bäumen weiterentwickeln.

Neben den Standortverhältnissen kann davon ausgegangen werden, dass eine genetische Variabilität die Fertilität fördert. Werden also mehr Klimabäume in unterschiedlichen Genotypen gepflanzt, steigt die Wahrscheinlichkeit der Ausbreitung.

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11. Zelkova serrata im Herbstkleid. Foto: Jürgen Bouillon
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12. Bestand von Zelkova serrata bei Lednice (Tschechien). Foto: Jürgen Bouillon
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13. Sämlinge von Zelkova serrata im Unterwuchs. Foto: Jürgen Bouillon
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Erläuterungen: h = heimisch (indigen), HF = Herbstfärbung, igr = immergrün, i. S. = in Sorten. Fett: in Osnabrück Aussaat beobachtet. Tab. 1: Empfehlenswerte Klimabäume mit gutem Gesamteindruck in den Jahren 2018 bis 2023 im Raum Osnabrück.

Fazit

Durch die Auswirkungen des Klimawandels – besonders durch Hitze – geraten viele indigene Baumarten innerhalb der nächsten 75 Jahre voraussichtlich an den Rand ihrer Existenz.

Der Stadtstandort stellt eine zusätzliche Herausforderung dar, der durch menschliche Aktivitäten negativ, aber auch positiv beeinflusst werden kann. Besonders die Wasserverfügbarkeit kann durch geeignete vegetationstechnische Maßnahmen und intelligente Profilierung von Oberflächen befördert werden.

Die Vegetation wird sich verändern. Mit gebietseinheimischen Genotypen und natürlicher Migration hitzeverträglicher Arten alleine lassen sich unsere Probleme nicht lösen. Wir brauchen Bäume in der Stadt, die beschatten und verdunsten.

Lösungsansätze sind die vielfältige Anpflanzung hitzeresistenter Genotypen indigener Arten, neuer, submediterraner Arten aus Süd- und Südosteuropa (assisted migration) sowie klimatoleranter Arten anderer Kontinente (eine Auswahl s. Tabelle 1).

Es ist allerdings davon auszugehen, dass sich diese Arten dann bei uns auch etablieren werden. Und das ist bei der durch die Eiszeiten verarmten Gehölzflora Mitteleuropas (Schroeder 2002) und für lebenswerte Städte auch gut so!

Quellen

Bochumer Botanischer Verein (2014): Beiträge zur Flora Nordrhein-Westfalens aus dem Jahr 2013. In: Jahrb. Bochumer Bot. Ver. 5: 130–163. www.botanik-bochum.de/jahrbuch/Funde_NRW_2013.pdf. Zuletzt geprüft am 27.10.2023.

Hanke, M., Schriefer, L., Kühn, N., Schadzek, F. (2022): Mediterrane und Submediterrane Nadelgehölze als Straßenbäume in Berlin. In: ProBaum 2022 (2): 6–11.

Schroeder, F.-G. (2002): Warum verarmte Europas Gehölzflora in der Eiszeit? In: Mitt. Dtsch. Dendrol. Ges. 87: 7–17.

Zacharias, D., Breucker, A. (2008): Die nordamerikanische Rot-Esche (Fraxinus pennsylvanica Marsh.) – zur Biologie eines in den Auenwäldern der Mittelelbe eingebürgerten Neophyten. In: Braunschweiger Geobotanische Arbeiten, 9: 499–529. https://leopard.tu-braunschweig.de/servlets/MCRFileNodeServlet/dbbs_derivate_00043044/Zacharias-Breucker-Fraxinus_pennsylvanica.pdf. Zuletzt geprüft am 27.10.2023.

Prof. Dr. Jürgen Bouillon
Autor

Hochschule Osnabrück

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