Unternehmer drängen auf ein Bleiberecht für Geflüchtete

Wie der Mittelstand den Spurwechsel auf die Agenda setzte

Geflüchtete Fachkräftesicherung
Für einen Spurwechsel: Antje von Dewitz (Vaude). Foto: VAUDE-Photos, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0
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Für einen Spurwechsel: Wolfgang Grupp (Trigema). Foto: LinovonLinares, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0
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Für einen Spurwechsel: Michael Hüther (IW Köln). Foto: IW Köln
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Für einen Spurwechsel: Daniel Günther (Ministerpräsident). Foto: Staatskanzlei Schleswig-Holstein, Presse- und Informationsstelle der Landesregierung.

Deutschland diskutiert den Spurwechsel. Quer durch alle Parteien befürworten Politiker, dass gut integrierte Asylbewerber, die Arbeit gefunden haben, eine dauerhafte Bleibeperspektive erhalten sollen. Dazu sollen sie aus dem Asyl- in ein reguläres Zuwanderungsverfahren wechseln können. Zwar hatte FDP-Chef Christian Lindner als erster Politiker bereits vor der Bundestagswahl einen Spurwechsel für Geflüchtete gefordert, doch war es die mittelständische Wirtschaft, die das Thema wieder auf die aktuelle Agenda setzte.

Spurwechsel schien mit Jamaika-Koalition gescheitert

Die FDP hatte im Oktober vergangenen Jahres in den Sondierungsgesprächen zu einer Jamaika-Koalition zwischen CDU, CSU, Grünen und FDP gesetzliche Regelungen für einen Spurwechsel verlangt. Bei den Grünen stießen sie damit auf offene Ohren. Mit der FDP wollten sie ein entsprechendes Verfahren in ein neues Einwanderungsgesetz schreiben. Doch mit dem Scheitern des Jamaika-Projekts rückte auch eine Neuordnung des Zuwanderungsrechts in weite Ferne.

Für Deutschlands Betriebe war das Thema damit jedoch keineswegs erledigt. Denn die Integration von Flüchtlingen im Arbeitsmarkt läuft gut. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) hatten im Mai dieses Jahres 306574 Menschen aus den acht Hauptasylländern einen Job. Im Mai 2017 waren es erst 203736 Personen gewesen. 2015, vor dem Anstieg der Flüchtlingszahlen, waren es nur 109818 gewesen. Rund zwei von drei Geflüchteten, die arbeiten, sind laut BA sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Knapp 28000 junge Flüchtlinge haben eine Lehre begonnen.

Kaum ein Unternehmen, das Geflüchtete beschäftigt, versteht, warum alle von ihnen bis auf die Azubis jederzeit aus Deutschland abgeschoben werden können. Denn in Zeiten des Fachkräftemangels wird jede fleißige Arbeitskraft gebraucht. Viele Firmen unterstützen ihre Mitarbeiter beim Widerspruch gegen Ablehnungsbescheide des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge und finanzieren dem Gang vor die Verwaltungsgerichte.

Vor sieben Monaten schlossen sich 40 Unternehmen aus Baden-Württemberg zu einer Initiative zusammen, die ein Bleiberecht für Geflüchtete in Arbeit erwirken will, um den Mangel an Fach- und Arbeitskräften auszugleichen. Angeschoben wurde sie von der Inhaberin des oberschwäbischen Outdoor-Ausstatters Vaude, Antje von Dewitz, und dem Allgäuer Brauerei-Geschäftsführer Gottfried Härle.

Neben kleinen Handwerks- und Dienstleistungsbetrieben sind auch Großunternehmen wie die Energie Baden-Württemberg und die Würth-Gruppe dabei.

Innenminister Strobl will Wirtschaftsinteressen beachten

Der wohl prominenteste Unterstützer der Initiative ist Wolfgang Grupp, Inhaber des Textilunternehmens Trigema, der in seinem Betrieb 34 Flüchtlinge beschäftigt. Unterstützung kommt auch von der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben und der Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit. Inzwischen ist die Anzahl der Mitglieder der Unternehmer-Initiatve auf über 100 gestiegen.

Im April versprach Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl Vertretern der Initiative, Spielräume für arbeitende Geflüchtete, wo es sie legalerweise gibt, auszunützen. Es sollten Wege gefunden werden, die die Interessen der Wirtschaft im Blick hätten. So könnten Unternehmen künftig eine stärkere Verantwortung für Geflüchtete übernehmen. Denkbar seien für ihn Patenschaften oder Bürgschaften. Im Herbst soll es einen Folgetermin mit dem Innenminister geben.

Institutsdirektor Hüther greift das Thema wieder auf

Anfang August meldete sich der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Prof. Dr. Michael Hüther, zu Wort: Es sei wirtschaftlich völlig unsinnig, gut ausgebildete und integrierte Beschäftigte abzuschieben, sagte der Wissenschaftler in der "Bild-Zeitung". Jeder, der etwas könne, werde in der Bundesrepublik benötigt. Dabei sei es egal, ob jemand auf der Suche nach Asyl oder nach Arbeit eingereist sei. Wenige Tage später schlug Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther im Berliner "Tagesspiegel" vor, integrierten und auf dem Arbeitsmarkt benötigten Asylbewerbern den Wechsel in ein reguläres Zuwanderungsverfahren zu ermöglichen.

Inzwischen steht der Spurwechsel fest auf der politischen Tagesordnung: Sachsen-Anhalts Innenminister, Holger Stahlknecht von der CDU, befürwortet ihn, allerdings nur für jene, die schon länger hier sind, deutsch sprechen, eine Berufsqualifikation und Arbeit nachweisen können. Bayerns CSU-Innenminister Joachim Hermann ist vehement, Kanzlerin Angela Merkel eher verhalten dagegen. FDP, Grüne und Linke stellen ihre alten Forderungen erneut. Und die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles will einen Spurwechsel auch gegen Widerstände in der Großen Koalition durchsetzen.

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