Zwischen Industrie, Kultur und Landschaft

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LGS Ingolstadt Pflanzkonzepte
Blick über die Kristalle zum See. Foto: DLA

Das Gelände der Landesgartenschau 2020 in Ingolstadt befindet sich im Spannungsfeld zwischen Stadt und Umland, Industrie und Landwirtschaft. Mit jeder Epoche dehnte die Stadt sich aus. Immer neue, in der Zeit der Verteidigungsanlagen homogene und in jüngerer Zeit oft heterogene Nutzungen mit immer größerer Flächeninanspruchnahme legten sich wie Ringe um sie herum.

Im Nordwesten Ingolstadts prägt ein Gefüge aus großformatigen Industriestrukturen, einem Einkaufszentrum, Wohnbebauungen und von stark frequentierten Verkehrsadern flankierten landwirtschaftlichen Flächen den Planungsraum der Landesgartenschau und nimmt Einfluss auf dessen Gestaltung.

Der neu entstandene Park fungiert als ein verbindendes Element und grünes Rückgrat. Als Bestandteil des künftigen zweiten Grünringes der Stadt, übernimmt er die Rolle des Impulsgebers für zukünftige städtebauliche und landschaftliche Entwicklungen und setzt neue Akzente im Zusammenspiel zwischen ökologischem Ausgleich, Landwirtschaft und aktiver Freizeitgestaltung im direkten Wohn- und Arbeitsumfeld.

Um dem Miteinander von Landwirtschaft, Flächen für den Naturschutz und der Freizeitnutzung gerecht zu werden, wurde eine klare, prägnante Formensprache gewählt, die den Raum in Teilbereiche unterschiedlicher Nutzung und Qualitäten gliedert. Lange Achsen, streng geometrische Flächen und kristalline Strukturen prägen das Bild des neuen Gartenschaugeländes und stehen im Kontrast sowohl zur natürlich wirkenden landschaftlichen Umgebung, als auch zu den hochtechnisierten Industrieanlagen. Proportionen und Perspektivwechsel der Gestaltungselemente inszenieren wirkungsvoll die Ambivalenz von Weite und Enge des Raumes.

Unter dem Druck zwischen Stadt und Umland schieben sich Erdkörper aus der Ebene heraus und generieren so einen lebendigen Wechsel von Höhe und Tiefe. Um die Parkterrasse im Zentrum verleihen explosiv in die umliegenden Felder und Wiesen versprühte, farbige Kristalle der Spannung Ausdruck.

Dominante Baumreihen verzahnen den baumüberstandenen Bereich im Süden des Geländes mit dem offenen Landschaftsraum im Norden. Der Hochpunkt des Geländes wurde bewusst gen Norden verlagert. Er verbindet visuell die Grünräume nördlich der Straße "Am Westpark" mit dem Ausstellungsgelände und schafft einen markanten Endpunkt.

Bodenmodellierungen entlang der Parkgrenzen gegenüber dem Güterverkehrszentrum und parallel zum Einkaufszentrum WestPark relativieren den Maßstab der großflächigen Bebauungsstrukturen und schaffen einen dynamischen Raum. Der Wechsel aus kleinteiligen Strukturen und großmaßstäblichen Flächen verleiht dem Park gemeinsam mit der lebhaften Wegeführung eine spannungsvolle Atmosphäre. Um dem Gartenschaugelände eine klare Flächendefinition zuweisen zu können, werden im südlichen Park verbleibende Flächen der Landwirtschaft integriert und so zusammenhängende Räume geschaffen. Die nordöstlichen Bodenmodellierungen bieten im Ausstellungsjahr spannende Situationen für Themengärten und Schaupflanzungen.

Der Haupteingang befindet sich während der Gartenschau am östlich gelegenen Ende der neu errichteten Fußgängerbrücke. Bevor sie den Gast unmittelbar auf die Parkterrasse entlässt, ermöglicht sie einen Überblick über das nahezu gesamte Gelände. Die Parkterrasse ist das Zentrum des Parks und Entrée für die Gartenschaubesucher und -besucherinnen. Sie ist Wegeverbindung und dynamische Platzfläche zugleich, ermöglicht Bewegung, Aufenthalt sowie Ruhe und bündelt die Anforderungen, welche die umgebenden Strukturen an den Freiraum stellen, sei es als Radweg, Fußwegeverbindung oder Fläche für Stadtfeste.

Höhepunkt der Parkterrasse sind die Stauden- und Gräserpflanzungen innerhalb der Kristallstrukturen. Die Farbpalette liegt im rot-orange-gelblichen bis blauen Spektrum. Als dominierendes Gehölz innerhalb der Kristalle ist der Eisenholzbaum, Parrotia persica, zu nennen. Gerahmt und vertikal strukturiert wird dieser Bereich durch einen großzügigen Platanenhain.

Terrassen führen hinunter zum See, der als Ruhepunkt mit seinen klaren Außenkanten an die Parkterrasse anschließt. Dieser direkte, barrierefreie Zugang auf der Ost- und Südseite schafft unmittelbare Erlebbarkeit des Wassers. Liegen und Sitzstufen laden zum Verweilen ein. Im Kontrast dazu ermöglicht das gegenüberliegende Ufer die Aufsicht auf Wasserpflanzen der vorgelagerten Filterflächen. So entsteht ein Wechsel aus offenen und bepflanzten Uferzonen.

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Blick über den See zur Seeterrasse. Foto: DLA
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Seeterrasse. Foto: DLA
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Detail See-Terrasse. Foto: DLA

Als Aufenthaltspunkt mit gastronomischem Angebot markiert die Terrasse mit dem temporären See-Café den Übergang vom See zu den Wassergärten. Wie ein Gelenk verbindet sie die beiden Flächen, deren Gemeinsamkeit das Element Wasser darstellt. Während sich der See als großzügige, ruhige Wasserfläche präsentiert, wird das Thema Wasser in den Wassergärten über Kaskaden, Trittsteine, Düsen und verschiedene Pflanzungen auf unterschiedliche Weise erlebbar.


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Blick über den See zur Parkterrasse. Foto: DLA
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Staudenpflanzungen in den Kristallen. Foto: DLA
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Staudenpflanzungen in den Kristallen. Foto: DLA

Zwischen beiden Wasserflächen liegt der Wasserspielplatz. Dieser sorgt im Sommer mit seinen interaktiven Wasserelementen, in Kombination mit einer Kletteranlage, für Spaß und spannende Überraschungen. Verschiedene Spielformen, Funktionen und Altersgruppenzuordnungen differenzieren die Fläche. Südlich, direkt angrenzend an ein bepflanztes Filterbecken, zeigen sich die "Baumkronen" des Wasserwalds mit unterschiedlichen Sprühwirbeln und regnen auf die Betrachtenden nieder. Wer die Spielflächen über den barrierefreien Verbindungsweg von der Seeterrasse in Richtung Südosten benutzt, geht durch einen Wassertunnel, welcher über seitlich in die kristalline EPDM-Struktur eingelassene Düsen erzeugt wird. Für Kleinkinder entsteht ein Areal mit Rinnen, Stauwehren und Wasserrädern, um den Weg des Wassers zu erfahren, zu beeinflussen und dabei Bewegung und Energie zu erleben. Zentral im Wasserspielplatz angeordnet, bilden bewegliche Strahldüsen die Basis für ausgiebige Wasserschlachten. Über Seile und Kletterparcours können sich die Kinder von Hang zu Hang bewegen und die Sprühbastionen erobern.

Die Spielflächen sind mit farbigem, wasserundurchlässigem EPDM-Belag befestigt. Ausnahme sind die Wege und Gliederungsbänder, die sich analog zum Gesamtkonzept als helle Betonelemente durch die Spiellandschaft ziehen. Der Spielplatz ist über den Weg am Wassertunnel barrierefrei erreichbar. Aufenthaltsbereiche in der Nähe der einzelnen Spielzonen schließen sich mit Sitzgelegenheiten und Schatten spendenden Baumpflanzungen an den Hauptwegen an.

Vom Süden her erschließt sich das Thema Wasser in Form von Wassergärten, die unter-schiedliche Aspekte des Wassers durch Pflanzen, Technik, Kunst und Spiel hervorbringen und nach Erfordernis auch die Reinigungsfunktion für den See übernehmen können. Eine parzellenartige Folge von thematisch und formal differenzierten Wasserflächen, die sich in kaskadenförmiger Staffelung oder durch Stege gegliedert vom Einspeisungspunkt in Richtung Norden reihen, birgt somit eine vielfältige Erlebbarkeit des Wassers.

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Kletterstruktur Wasserspielplatz. Foto: DLA
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Spiel unterm Steg, Bereich Landmark. Foto: DLA
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Kleinkindspiel – Matschplatz. Foto: DLA

Am Ende der Wassergärten liegt unter schwimmenden, beweglichen Stahlplatten die Quelle. Das erhöhte Reservoir bietet den direkten Kontakt zur Wasserfläche, welche durch die beweglichen Platten in Schwingung versetzt werden kann.

Eine begehbare Kaskade übergibt das Wasser an das nächste, nahezu niveaugleich mit dem angrenzenden Hauptweg liegende Becken. Hier kann die Wasserfläche mit Hilfe von Trittsteinen überquert werden. Die in der Wasserfläche liegenden Dreiecke scheinen wie Schollen zwischen den Wasserpflanzen zu treiben. Ein starker Kontrast zwischen horizontalen und vertikalen, zwischen gebauten und vegetativen Strukturen entsteht. Dieser wird durch Nebeldüsen zeitweise mit einer Art Weichzeichner verwischt. Die Furt er möglicht eine weitere Sinneserfahrung mit dem Thema Wasser. Sie schneidet eine offene Wasserfläche. Der Gast steigt über Stufen hinab und während das hüfthohe Wasser trockenen Fußes passiert wird, stürzt rechts und links von ihm über Edelstahlfaltungen das Wasser herab. Dabei kann man als Akteur auf dem benachbarten Holzdeck liegend das Treiben beobachten. Ein bepflanzter Trockenfilter und ein Weidendickicht schaffen den Übergang zum Wasserwald.

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Wasserwald mit Blick über die Wassergärten. Foto: DLA
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Furt im Bereich Wassergärten. Foto: DLA
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Trittsteine mit Nebeldüsen, Bereich Wassergärten. Foto: DLA
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Wasserkamm, Bereich Wassergärten. Foto: DLA

Ursprünglich als Elemente des Ausstellungskonzeptes gedacht, wurden im südöstlichen Parkbereich die durch Partnerstädte gestalteten Gärten der Kulturen und eine für große und kleine Bühnenevents konzipierte Multifunktionsfläche etabliert.

In Mitten umgebender Feldstrukturen auf dem Weg in Richtung Norden bettet sich die Apfelbaumwiese, bestehend aus verschiedenen Apfelsorten, in die Landschaft ein. Gewundene Spielskulpturen aus Holz legen sich wie heruntergefallene Äpfel auf die Wiese und bieten durch ihre Doppelhelix-Form für Kinder und Erwachsene Möglichkeiten zum Rutschen, Klettern, Liegen und Entspannen. Unbespielt sind sie als ästhetisch gestaltete Skulpturen zu erkennen. Kinder können darin eine eigene kleine Welt voller Abenteuer zum Entdecken sehen.

Im Norden des Geländes bildet die Landmark, in Form von zwei mit einem Fußgängersteg verbundenen Bodenskulpturen, den topographischen und gleichzeitig gestalterischen Höhepunkt des Geländes. Herausragend aus den Flächen, die zwischen der Großarchitektur von Industrie und Verkehr eingebettet sind, gibt der Hochpunkt den Blick in die Landschaft frei.

In diesem Bereich ist integratives Spiel besonders intensiv zu erleben. Eine modellierte Spielebene zieht sich vom Platz zwischen den Hügeln bis hinauf auf die höchste Erhebung. Unter dem Steg spannt sich eine Seilstruktur auf, welche zum Klettern und Entspannen einlädt. Die Plateaus der Hügel dienen dem Spiel der Sinne. Spielelemente wie Zimbelbäume, eine Röhrenglocke und Trichtertelefone auf unterschiedlichen Ebenen erweitern das klassische Spielangebot um kommunikative und akustische Komponenten. Ein Kaleidoskop verwandelt die umgebende Landschaft in eine Traumwelt.

Spiel-Erfahrungsplätze für Jung und Alt bilden Schwerpunkte im Park. Thematisch stehen sie mit den besonderen Akzenten des jeweiligen Ortes und übergreifend untereinander in Verbindung. Sie ermöglichen die Entwicklung eigener Spielideen und deren Umsetzung. Wenn auch nach der Landesgartenschau zunächst die geschaffenen, grünen Wegeverbindungen im Fokus stehen werden, entsteht mit der neuen Parkanlage ein Erholungsraum für die künftigen Bewohner der angrenzenden, neu geplanten Stadtviertel. Für Angestellte der umliegenden Einzelhandels- und Gewerbebetriebe sowie Mitarbeiter des direkt benachbarten Audi-Standorts bietet der Freiraum Aufenthaltsmöglichkeiten für Pausen- und Naherholung. Langfristig könnten sich die jetzt durch die Landesgartenschau angeregten Projekte für Bürgerinitiativen im Rahmen von Urban Gardening dauerhaft etablieren und mit vielfältigen Bürgergärten ein Bindeglied zwischen der ursprünglichen Landnutzung und der wachsenden Stadt darstellen.

Daten und Fakten

  • 23 ha Landschaftspark
  • 1,5 km Nord-Süd-Ausdehnung
  • 5.500 m² Landschaftssee
  • 3.200 m² Wasserspielplatz
  • 23.500 m² Rasenfläche für Sport und Spiel
  • 50.600 m² Blumenwiesen
  • 2.500 m² Stauden- und Zwiebelpflanzungen,
    davon 15.000 Stauden und 40.000 Blumenzwiebeln
  • 2.860 m² Üppiger Wechselflor mit Frühlings- und Sommerblühern
  • 596 Baumpflanzungen in Ergänzung zu dem vorhandenen Gehölzbestand
  • 2,4 ha Landwirtschaftliche Beiträge
  • 4.000 m² Umweltthemenbezogene Ausstellungen
Dipl.-Ing. Matthias Därr
Autor

Freier Landschaftsarchitekt

Därr Landschaftsarchitekten

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