Alleen und Baumreihen an ländlichen Wegen

Alleen Straßenbäume
Abb. 1: Historische Lindenallee in der Uckermark. Foto: Jürgen Peters

Autor: Jürgen Peters

Noch sieht man sie an vielen Straßen. Alte Alleen an Bundes- und Landstraßen haben eine vielfältige Bedeutung für die Ökologie und das Landschaftsbild. Sie repräsentieren die Kulturgeschichte des Straßenbaus und der Pflanzung von Bäumen, charakterisieren das Landschaftsbild und sind ein wichtiges Aushängeschild für den Tourismus.

Die Einführung neuer Verkehrssicherheitsrichtlinien wie den "Empfehlungen zum Schutz vor Unfällen mit Aufprall auf Bäume" (ESAB) und der Richtlinien für passiven Schutz an Straßen durch Fahrzeug-Rückhaltesysteme (RPS) seit 2006 machen die Alleen-Nachpflanzung entlang von Bundes- und Landesstraßen allerdings schwierig. Der erforderliche Mindestabstand von 4,5 Meter am Straßenrand erfordert den Erwerb zusätzlichen Ackerlandes. Zu dieser Flächenabgabe sind die Landwirte in der Regel nicht bereit.

Trotz geltender Schutzbestimmungen und Nachpflanzungsgeboten in den einzelnen Bundesländern (vgl. Berlin-Konzeption für das Land Brandenburg), ist der Alleenbestand an Bundes- und Landesstraßen daher bundesweit weiterhin rückläufig. Hierbei gibt es durchaus große regionale Unterschiede. Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern gelten nach wie vor als besonders alleenreiche Bundesländer. Aber auch dort stehen die Landesstraßenbauverwaltungen vor dem Problem, die Ersatzpflanzungen unter den geltenden rechtlichen Bestimmungen zu realisieren. Vor diesem Hintergrund bietet es sich an, den Fokus der Alleen-Neupflanzungen stärker als bisher auch auf den Bestand der untergeordneten kommunalen und ländlichen Wege und Straßen zu lenken (siehe auch Klartext von Hartmut Balder in Pro Baum 4/2021). Hier stellt sich die Problematik der ESAP- und RSP-Richtline nicht. Die Verkehrsgeschwindigkeiten sind allgemein geringer und durch Geschwindigkeitsbeschränkungen in engen Straßensituationen kann die Unfallgefahr leicht herabgesetzt werden.

Ländliche Wege haben eine vielfältige Funktion und Bedeutung. Teilweise handelt es sich um Ortsverbindungswege oder sie werden primär für landwirtschaftliche Fahrzeuge genutzt. Auch Fahrrad- und Wanderwege zählen zu den potenziellen Allee-Pflanzstandorten. Besonders diese touristisch relevanten Wege können durch die Bepflanzung mit Bäumen attraktiver und so zu einem Anziehungspunkt für die Naherholung und den Tourismus werden.

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Abb. 2: Fahrradfahrer in Eschenallee auf Rügen. Foto: Jürgen Peters
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Abb. 3: Asphaltierter Ortsverbindungsweg in der Uckermark. Foto: Jürgen Peters

Bedeutung der Alleen

  • Verbindungswegen - Sie verbinden Gehöfte oder kleine Ortschaften (Weiler) mit dem gemeindlichen und überörtlichen Straßennetz (siehe Abb. 3).
  • Feldwege - dienen der Erschließung der landwirtschaftlichen Nutzflächen, diese werden weiter unterteilt in a) multifunktional genutzte und meist befestigte Hauptwirtschaftswege, b) Wirtschaftswege, die ganzjährig befahrbar sind und c) Grünwege, die unbefestigt sind und nur bei geeigneter Witterung befahrbar sind (siehe Abb. 4).
  • Sonstige ländliche Wege - hierzu zählen selbstständig geführte und meist monofunktional genutzte und gekennzeichnete Fuß- und Wanderwege, Radwege, Reitwege.

Ursprünglich dienten Alleen der Markierung der Wege auch im Winter und der Versorgung der ländlichen Bevölkerung mit frischem Obst. Im 19. Jahrhundert - das Zeitalter der Landesverschönerung - ging es auch um ästhetische Aspekte. Die "Verbindung des Schönen mit dem Nützlichen" ist ein ursprünglich von Horaz stammender Leitsatz dieser Zeit, der auch dem Gartenkünstler Peter Joseph Lenné (1789-1866) als Motto diente (Deutsche Stiftung Denkmalschutz 2022). Noch in den 1950/60er Jahren wurde die Pflanzung von Obstalleen an ländlichen Wegen zur Versorgung der Bevölkerung in der DDR propagiert Eine Obstbaumzählung auf dem Gebiet der neu gegründeten DDR ergab, dass "8,2 Prozent des gesamten Obstbaumbestandes (an) öffentlichen Straßen, Wegen und Kanälen" steht. Eine umfangreiche Erneuerung des Bestandes wurde propagiert (Müller 1955, 10ff).

Der Nutzen als "Allmendeobst" (Gildhorn et.al. 2014) und die Bedeutung der Alleen für das Landschaftsbild sind heute wichtige Faktoren, die die Identität der Landschaften aus Perspektive der Bewohner ausmachen. Auch für den ländlichen Tourismus sind Alleen wichtig, denn sie machen das Wandern oder Fahrradfahren im Sommer durch die Beschattung angenehm. Außerdem können Alleen als Verbindungselemente Biotope vernetzen. Alte Obstalleen sind auch selbst ein wertvoller Lebensraum für Tiere, wie zum Beispiel den Siebenschläfer oder den Steinkauz.

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Abb. 4: Unbefestigter Feldweg bei Blütenberg, Landkreis Barnim. Foto: Jürgen Peters
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Abb. 5: Querschnitt eines Wirtschaftsweges. Quelle: Helmstädter & Lorenzl 2018, S. 351

Insgesamt geht es daher heute darum, die Fehler der Flurbereinigungsverfahren in den 1970er Jahre zu korrigieren und die ausgeräumten Agrarlandschaften wieder mit Gehölzen anzureichern. Ländliche Wege, die die Feldflur erschließen oder Dörfer und Weiler an das übergeordnete Straßennetz anbinden, bieten ein großes Potenzial für die Pflanzung von Gehölzen, da sie wenig Verkehr haben und die Fahrgeschwindigkeiten mit max. 30 Kilometer pro Stunde niedrig sind. Daher ist die Unfallgefahr an Bäumen hier wesentlich geringer als an höherrangigen Straßen. Die ESAB und RSP-Richtlinien gelten hier nicht.

Nach der Richtlinie für ländlichen Wegebau (2016) werden dabei unterschieden zwischen:

In einem Kommentar zu den aktualisierten Richtlinien für den Ländlichen Wegebau beschreiben Helmstädter & Lorenzl die Verantwortung der Gemeinden "als Akteure für eine nachhaltige Gemeindeentwicklung". Hierbei sollten im ländlichen Wegenetz durch eine entsprechende Gestaltung der Wegerandbereiche "Anpassungen an geänderte klimatische Voraussetzungen" und landschaftsökologische Verbesserungen zur Erfüllung der Biotopverbindungsfunktion vorgenommen werden (Helmstädter & Lorenzl 2018).

Umfang ländlicher Wege und Pflanzpotential

Ländliche Wege sind wesentliche Strukturelemente auf 80 Prozent der Fläche Deutschlands (Helmstädter & Lorenzl 2018). Das gesamte Straßen- und Wegenetz in Deutschland umfasst 1,8 Millionen Kilometer. 55 Prozent davon (ca. 1 Mio. km) sind ländliche Wege. Im Rahmen eines von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) geförderten Projektes (Laufzeit 2019 bis 2021) wurde der Gesamtbestand der Alleen und Baumreihen an Straßen und Wegen in Deutschland analysiert. 23.000 Kilometer Alleen und 88.000 Kilometer (einseitige) Baumreihen stehen an den Straßen und Wegen (Peters, Luttmann, Wilitzki, Torkler 2022).

Es zeigt sich also, dass das Pflanzpotenzial an ländlichen Wegen in Deutschland enorm ist. Selbst wenn man davon ausgeht, dass ein Teil der Wege in geschlossenen Waldgebieten liegt oder mit Heckenpflanzungen bestanden ist, verbleibt ein großes, bisher nicht ausgeschöpftes Pflanzpotenzial. Das tatsächliche Pflanzpotential lässt sich erst auf kommunaler Ebene identifizieren. Vorhandene wegebegleitende Hecken sind ebenso ökologisch und landschaftsästhetisch wertvolle Landschaftselemente. Es gibt jedoch zahlreiche Wegestandorte, die völlig unbepflanzt sind. Dort kommt eine Neubepflanzung mit Gehölzen in Frage.

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Abb. 6: Reste der ursprünglichen Obstbaumreihe am Karower Weg, Landkreis Barnim. Foto: Meike Jeromin
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Abb. 7: Alte Apfelsorten an einem Weg in der märkischen Schweiz, Landkreis Märkisch-Oderland. Foto: Jürgen Peters

Förster und Jeromin (2019) haben im Rahmen einer Masterarbeit an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) das Potenzial der ländlichen Wege in der Barnimer Feldmark (Brandenburg) analysiert. Es zeigt sich im Ergebnis der Untersuchungen, dass etwa ein Drittel der historischen Wege, die im Urmesstischblatt (um 1820) noch verzeichnet sind, heute nicht mehr als Wege erkennbar sind, sie wurden in den 1970er Jahren im Zuge der Komplexmelioration zur Zeit der DDR außer Funktion genommen, untergepflügt und als Ackerland zur Vergrößerung der Schläge in Anspruch genommen. Die früheren Wege sind aber weiter als Wegeflurstücke im Kataster verzeichnet und sind häufig noch im Eigentum der Gemeinde. Sie könnten somit leicht reaktiviert und zur Neustrukturierung der ausgeräumten Agrarlandschaften genutzt werden.

Wegebreite und Pflanzempfehlung

Die notwendige Fahrbahnbreite variiert je nach Bedeutung des Wirtschaftsweges. Bei Hauptwirtschaftswegen beträgt sie 3,5 Meter (zzgl. 2 x 0,75 m Seitenstreifen), beim normalen Feldweg 3 Meter (zzgl: 2 x 0,5 m Seitenstreifen).

Die tatsächliche Flurstücksbreite ländlicher Wege, inklusive der Seitenräume, liegt zwischen 7 bis 12 Meter (Förster und Jeromin (2019). Davon werden 5 Meter frei von Hindernissen für die Fahrraumbreite benötigt, der restliche Seitenraum steht für die Bepflanzung von Hecken, Baumreihen oder Alleen zur Verfügung. Die sichtbare Breite der Wirtschaftswege entspricht oft nicht der tatsächlichen Breite im Katasterblatt. Die Wegeflächen sind jedoch meist noch im Besitz der Kommunen und könnten, den politischen Willen vorausgesetzt, auch wiederhergestellt werden. Eine Pflanzung von Obstgehölzen relativ dicht am Straßenrand ist an den ländlichen Wirtschaftswegen, im Unterschied zu stark befahrenen Straßen, möglich. Idealerweise wird zum Schutz der ackerseitigen Wurzeln und Äste ein grüner Schutzstreifen als Wiesensaum oder Blühstreifen angelegt.

In besonders engen Situationen, in denen nur eine einseitige Bepflanzung des Weges möglich ist, bietet es sich an, die Pflanzseite regelmäßig zu wechseln, um den landwirtschaftlichen Fahrzeugen die Möglichkeit zu geben, auf die beidseitigen Ackerflächen zu gelangen. Die Größe der Gehölze sollte im Regelfall der Breite und Bedeutung der Wege entsprechen. An schmalen ländlichen Wegen bieten sich vorzugsweise kleinkronige Bäume an, wie zum Beispiel Obstgehölze oder Nussbäume.

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Abb. 8: Weidengehölze im Rahmen eines Flurneuordnungsverfahrens gepflanzt. Foto: Anne Schöps
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Abb. 9: Feldweg neben Windenergieanlagen – noch unbepflanzt. Foto: Meike Jeromin

Obstalleen als Genreservoir Alter Kultursorten

Alleen, die mit historischen Obstsorten bepflanzt sind, haben eine wichtige Funktion als Genreservoir für Obstsorten, die heute in wirtschaftlich betriebenen Obstplantagen keinen Platz mehr haben. Allein für die Lausitz waren für das Jahr 1821 89 Apfel-, 93 Birnen-, 25 Pflaumen- und 53 Süßkirschsorten nachgewiesen. Es gab lokale Obstsorten wie die Apfelsorte "Warraschke", die Sauerkirsche "Gubens Ehre" oder die Süßkirsche "Große Germersdorfer" (Krausch 1992). Oft sind Wegeflurstücke noch mit Resten ehemals geschlossener Obstbaumreihen bepflanzt, so wie in diesem Beispiel des Karower Weges (siehe Abb. 6). Hier bietet sich eine Erneuerung und Nachpflanzung mit historischen regionalen Obstsorten in der Flucht der alten Baumreihe an, um dieses Landschaftselement langfristig zu erhalten. Am Standort "Weg" geht es, im Unterschied zu gärtnerischen Obstkulturen, nicht um Höchsterträge. Die Herkunft der gewählten Pflanzen sollte dem des neuen Standorts entsprechen, daher sind regionale Baumschulen beim Bezug der Pflanzware zu bevorzugen.

Flurneuordnungsverfahren als Gelegenheit zur Pflanzung neuer Alleen

In einem Vortrag im Rahmen der Alleen-Tagung am 4. November 2021 an der HNEE hat Anne Schöps (Flächenagentur Brandenburg) dargestellt, wie die Pflanzung von Alleen in einem Flurneuordnungsverfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz planerisch vorbereitet werden kann. Hierbei können Wege-Flurstücke im Rahmen eines freiwilligen Landtauschs in ausreichender Breite zugeschnitten werden, um Baumpflanzungen zu ermöglichen.

Auch als Zufahrten zu Windenergieanlagen werden Wege teilweise neu angelegt oder neu geschottert, diese Zufahrtswege sind ebenfalls potenzielle Pflanzstandorte, um die Landschaft mit Gehölzen neu zu strukturieren. Die Wege sollten dabei vorzugsweise als Erdwege erhalten bleiben oder mit einer wassergebundenen Decke versehen werden, um die Wasserversorgung im Wurzelraum der Bäume zu verbessern.

Eine gute konzeptionelle Grundlage, um geeignete Pflanzstandorte für Alleen und Baumreihen auf lokaler Ebene zu identifizieren und die Bepflanzung von Wegen mit Gehölzen strategisch vorzubereiten, können die kommunalen Landschaftspläne liefern.

Quellen

Deutsche Stiftung Denkmalschutz 2022 Utile dulci - Das Schöne mit dem Nützlichen verbinden. www.denkmalschutz.de/presse/archiv/artikel/utile-dulci-das-schoene-mit-dem-nuetzlichen-verbinden.html (19.2.2022).

Förster, L; Jeromin, M. 2019: Landwege im Wandel der Zeit - Eine Analyse des historischen Wegenetzes in der Barnimer Feldmark und Empfehlungen für ihre Rekonstruktion. Masterarbeit an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung, Eberswalde

Gildhorn, K. et.al. 2014: Mundraub - Ein innovativer Kommunikationsansatz zur Identifizierung, Erhaltung und Nutzung alter Obstbaumbestände im öffentlichen Raum. Abschlußbericht eines FuE-Vorhabenes. Gefördert von der Deutschen Bundestiftung Umwelt (DBU).

Helmstädter, S.; Lorenzl H. 2018: Die neuen Richtlinien für den Ländlichen Wegebau (RLW). In: Zeitschrift für Geodäsie, Geoinformation und Landmanagement - Zfv, S. 349-353.

Krausch, H.- D. (1992): Alte Nutz- und Zierpflanzen in der Niederlausitz - Beiheft 2, Verhandlungen des Botanischen Vereins Berlin Brandenburg, Berlin.

Müller, H. 1955: Strassenobstbau. Gartenverlag Berlin … Kleinmachnow.

Peters, J., Luttmann, K, Wilitzki, A., Torkler F. 2022: Alleen und Baumreihen an Straßen und Wegen - Eine Anleitung zur Kartierung, zur Pflanzung und zum Schutz. Abschlussbericht des Forschungsvorhabens Alleen in Deutschland der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Eberswalde

RLW 2016 Teil 1: DWARegelwerk Arbeitsblatt DWAA 9041, Richtlinien für den Ländlichen Wegebau (RLW), Teil 1: Richtlinien für die Anlage und Dimensionierung Ländlicher Wege, August 2016.

Schöps, A. 2021: Möglichkeiten der Integration von Alleepflanzungen in Flächenpools. Vortragsskript - gehalten am 4.11.2021 an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung, Eberswalde.

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