Der Kommentar
Braucht der Landschaftsbau Akademiker?
von: Prof. Dipl.-Ing. (FH) Martin Thieme-HackDer Ursprung geht auf eine von Platon gegründete Philosophenschule (Akademia, griechisch für Schule) zurück. Später kamen Theologen, Juristen und Mediziner dazu, so dass sich Universitäten (lat. universitas = Gesamtheit der Wissenschaften) gründeten. Erst in der Neuzeit gründeten sich Schulen für die Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften.
Der von den Kammern ins Leben gerufene Bachelor Professional, der die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung zum Ausdruck bringen soll, ist damit nicht gemeint. Der Versuch, damit den Abschluss als Meister in Landwirtschaft, Handwerk oder als Fachwirt bei der IHK anzugleichen, zeigt, dass, völlig zu Unrecht, der Akademiker für etwas "Besseres" gehalten wird. Das zeigt sich schon, wenn Philosophen sprichwörtlich den Nagel nicht in die Wand bekommen.
Nun hat sich an Hochschulen in unterschiedlicher Ausprägung der Begriff Landschaftsbau durchaus etabliert, mit einem eigenen Studiengang schon vor über 20 Jahren in Weihenstephan, gefolgt von Osnabrück, Höxter und Berlin. Aber auch an Universitäten, wie zum Beispiel in Dresden, Berlin oder Kassel gibt es das Lehr- und Forschungsgebiet Landschaftsbau. "Wir haben doch auch keine studierten Fliesenleger!" hat mir ein Kollege bei dieser Frage schon mal vorgehalten und damit irgendwie recht, wenn es um die praktische Umsetzung auf der Baustelle geht. Dort müssen Nägel in die Wand.
Zu Platons Zeiten gab es den Baumeister, der alle für das Bauen notwendige Fähigkeiten in sich vereint hat. Vom genialen Entwurf, über die sichere Berechnung des Tragwerks bis hin zur praktischen und organisatorischen Bauabwicklung. Im 18. Jahrhundert hat sich neben den Architekten im damals technisch führenden England der civil engineer, heute Bauingenieur, als Berufsbild gebildet, um die Infrastruktur für die Industrialisierung voranzutreiben. In der Bauwirtschaft ist es wie in den Planungsbüros selbstverständlich, dass Akademiker tätig sind, auch solche, die einen Masterabschluss haben, promoviert wurden oder, wie der frisch gewählte Präsident des Bauindustrieverbandes Niedersachsen, Honorarprofessor an der TU in Braunschweig sind. Nun ist das Bauhauptgewerbe mit über 110 Milliarden Euro Branchenumsatz etwa zehnmal so groß wie der Landschaftsbau. Danach bräuchten wir etwa ein Zehntel der Studierenden im Landschaftsbau. Im Bauingenieurwesen sind aktuell etwa 60.000.
Auch für den Ingenieur im Landschaftsbau liegen die umfangreichen und vielfältigen Aufgaben schon vor uns: Klimawandel, Nachhaltigkeit, Grün-Blaue-Infrastruktur, Schwammstadt, Integrierte Projektabwicklung-IPA, Mehrparteienverträge, Werkplanungen. Dafür braucht es eine Bereitschaft des Berufstandes zur Akademisierung. Die Forderung nach einer Universität vor der eigenen Haustür ist nicht die Lösung. Die Betriebe müssen die Akademisierung wollen und jungen Menschen den Weg bereiten, statt kurzfristig zu denken und dadurch das Bildungsniveau niedrig zu halten. Am Ende brauchen wir natürlich beides: Jemanden, der den Nagel in die Wand schlägt, aber auch jemanden, der darüber nachdenkt, ob es nicht ein Dübel sein muss.
Ihr Martin Thieme-Hack