GaLaBau und Recht: Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

An die "Gefahrtragung" wird bei Verträgen viel zu wenig gedacht

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Bauvertragsrecht GaLaBau
Erst Mitte Dezember hatte Rainer Schilling einen Fall zu bearbeiten, bei dem es um die Gefahrtragung für eine Bepflanzung ging, die noch nicht abgenommen war. Foto: Moritz Lösch, Neue Landschaft

Beim Aushandeln von Verträgen sind den Parteien viele Details, wie Höhe der Vergütung, Bauzeit, Vertragsstrafen etc. besonders wichtig. Allzu sorglos geht man mit der sogenannten Gefahrtragung um. Nicht jeder am Bau Beteiligte kann sich unter dem Begriff der "Gefahrtragung" etwas vorstellen, geschweige denn versucht er dazu eine Regelung in den Vertrag aufzunehmen.

Was versteht man unter Gefahrtragung?

Als Gefahrtragung bezeichnet man im Zivilrecht das Risiko (die Gefahr) des zufälligen Untergangs oder Verschlechterung einer Leistung (Sache) in einem Schuldverhältnis. Mit so einer juristischen Definition können Praktiker am Bau oft nicht viel anfangen. Wenn man sie allerdings fragt, wer dafür einstehen muss, dass eine teilweise schon ausgeführte Leistung durch Brand oder Unwetter zerstört worden ist oder wer das Risiko tragen muss, dass auf der Baustelle Material gestohlen wurde, fällt die korrekte Antwort oft schwer. Viel zu wenig bekannt sind die Regelungen dazu im BGB und in der VOB. In den dortigen Bestimmungen ist auch festgelegt, wann das Risiko des Untergangs oder der Verschlechterung einer Leistung von einem Vertragspartner auf den anderen übergeht.

Der sogenannte "Gefahrenübergang"

Ist in einem Vertrag keine besondere Vereinbarung über den Gefahrenübergang enthalten, gilt das Gesetz beziehungsweise die VOB, sofern diese vereinbart wurde. Die VOB, die nur für das Werkvertragsrecht gilt, enthält gegenüber dem BGB eine Sonderregelung, auf die ich weiter unten noch näher eingehen werde.

Im GaLaBau-Bereich finden wir am häufigsten als Vertragstyp entweder den Kauf- oder den Werkvertrag. Hierfür gibt es im BGB jeweils eigene Vorschriften. Für das Kaufrecht gilt § 446 BGB, für den Versendungskauf § 447 BGB, für das Werkvertragsrecht § 644 BGB und bei der VOB ist § 7 VOB/B einschlägig.

Gefahrtragung beim Kaufvertrag

Beim Kaufvertrag geht die Gefahr des zufälligen Untergangs oder der Verschlechterung mit der Übergabe der verkauften Sache direkt auf den Käufer über. Erhält dieser vom Verkäufer zum Beispiel die verkaufte Vase ausgehändigt und lässt er sie einen Augenblick unbeaufsichtigt stehen, so dass ein Dieb zugreifen kann, trägt diesen Verlust ausschließlich der Käufer, weil mit der Übergabe der Vase bereits der Gefahrenübergang auf ihn stattgefunden hat (§ 446 BGB). Tückisch ist der sogenannte Versendungskauf. Darunter versteht man die Versendung einer verkauften Sache auf Verlangen des Käufers an einen anderen Ort als den Erfüllungsort. Beim Versendungskauf geht die Gefahr schon auf den Käufer über, sobald die Sache dem Spediteur (Post) zur Ausführung der Versendung übergeben wurde. Der Versendungskauf ist für den Käufer ein riskantes Geschäft, so dass man zu einer Transportversicherung zuraten sollte. Kompliziert wird es insbesondere auch noch dann, wenn bei einem Versendungskauf die Haftung des Spediteurs eine Rolle spielt, wobei sich dieser manchmal von der Haftung freizeichnen kann.

Gefahrenübergang beim Werkvertrag

Auch wenn in den letzten Jahren immer mehr Regelungen unsere Vertragsfreiheit eingeschränkt haben, können die Parteien über den Gefahrenübergang noch ohne weiteres vertragliche Regelungen treffen. Ist nichts anderes vereinbart, so ist im Werkvertragsrecht § 644 BGB einschlägig. Nach dieser Vorschrift hat der Auftragnehmer bis zur Abnahme der Werkleistung die Gefahr des zufälligen Untergangs oder Verschlechterung zu tragen. Erst mit der Abnahme des geschaffenen Werkes geht die Gefahr auf den Auftraggeber über. Nach der gesetzlichen Regelung muss es eigentlich im Interesse des Auftragnehmers sein, möglichst frühzeitig die Abnahme seiner Leistung durch den Auftraggeber zu erhalten, um damit den Gefahrenübergang auf den Auftraggeber zu bewirken.

Aus wirtschaftlicher Sicht ist es durchaus verständlich, dass Auftraggeber möglichst lange die Gefahrtragung beim Auftragnehmer sehen wollen. Dies gilt insbesondere auch für Generalüber- oder Generalunternehmer, die erst möglichst spät die Leistungen ihrer Subunternehmer abnehmen wollen, um so frühzeitiger Zahlungsverpflichtungen und auch der Gefahrtragung zu entgehen. Allerdings geht die Gefahrtragung auf den Auftraggeber über, wenn er mit der Abnahme der Leistung des Auftragnehmers in Annahmeverzug gerät. Ansonsten bleibt das Risiko gemäß § 644 BGB bis zur Abnahme der Leistung stets beim Auftragnehmer. Wird das erstellte Werk vor Abnahme zum Beispiel durch Brand beschädigt, gestohlen oder aus anderen Gründen zerstört, ist der Auftragnehmer allzu leicht der Dumme. Gerade in Großstädten findet man immer häufiger Fälle von Vandalismus oder Graffitischmierereien, die mangels vorgenommener Abnahme durch den Auftraggeber dann mit dem Auftragnehmer nach Hause gehen. Hier hilft zumeist eine Bauleistungsversicherung.

Neuherstellung erforderlich?

Da nach den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich nach § 644 BGB bis zur Abnahme der Auftragnehmer das Risiko trägt, muss er ggf. das zerstörte oder bestätigte Werk nochmals neu herstellen. Das bedeutet, der Unternehmer hat die sogenannte Leistungsgefahr. Hierbei erhält der Auftragnehmer für bereits erbrachte, aber zerstörte Leistungen keine Vergütung. Erst für die bei Abnahme dem Auftraggeber präsentierte Leistung ist vom Auftraggeber zu vergüten. Wegen des erheblichen Risikos, das der Werkunternehmer bis zur Abnahme seiner Leistung eingeht, ist ihm dringend zu raten, seine Leistung vor Beschädigungen, Diebstahl etc. zu schützen beziehungsweise gegebenenfalls auch zu versichern.

Ausnahmen kraft Gesetzes

Keine Regel ohne Ausnahmen. Den Auftragnehmer trifft die oben bereits genannte Vergütungsgefahr nicht, wenn der Auftraggeber sich mit der vom Auftragnehmer hergestellten Leistung in Annahmeverzug befindet (§ 644 Abs. 1 BGB). Wenn also der Auftragnehmer den Auftraggeber wegen der Abnahme seiner Leistung in Verzug gesetzt hat, trifft den Unternehmer nicht mehr das Gefahrtragungsrisiko. Auch soll der Auftragnehmer nicht für vom Auftraggeber gelieferte Stoffe haften, wenn das Werk vor der Abnahme infolge einer von dem Auftraggeber erteilten Weisung untergegangen ist oder sich verschlechtert hat.

Abweichende Regelung in der VOB

Bezüglich der Gefahrtragung unterscheiden sich die Bestimmungen von BGB und VOB beträchtlich. Die Bestimmungen des BGB belasten den Auftragnehmer wohingegen die Gefahrtragungsregelung der VOB in § 7 VOB/B teilweise den Werkunternehmer begünstigt. Nach § 7 VOB/B geht die Vergütungsgefahr abweichend von den Bestimmungen des BGB vorzeitig auf den Auftraggeber über, wenn die Leistung des Werkunternehmers vor der Abnahme durch höhere Gewalt, Krieg, Aufruhr oder andere objektiv unabwendbare, vom Auftragnehmer nicht zu vertretende Umstände beschädigt oder zerstört wird. Dazu zählen insbesondere Naturereignisse. In Literatur- und Rechtsprechung werden hierzu immer wieder Erdbeben, Blitzschlag und Sturmfluten genannt. Es zählt auch der in der Literatur immer wieder erwähnte sogenannte "Jahrhundertregen". Auch wenn man von Jahrhundertregen spricht, muss dieses Naturereignis nicht nur alle hundert Jahre einmal vorkommen. Es müssen aber Ereignisse sein, mit denen man üblicherweise nicht rechnet, wie zum Beispiel jetzt die Ereignisse im Ahrtal.

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Nach § 7 VOB/B geht die Vergütungsgefahr abweichend von den Bestimmungen des BGB vorzeitig auf den Auftraggeber über, wenn die Leistung des Werkunternehmers vor der Abnahme durch höhere Gewalt, Krieg, Aufruhr oder andere objektiv unabwendbare, vom Auftragnehmer nicht zu vertretende Umstände beschädigt oder zerstört wird. Dazu zählen insbesondere Naturereignisse. Foto: mb67, Adobe Stock

Hilft dem Auftragnehmer eine Teilabnahme?

Oft ist ein Auftragnehmer die vollständige Fertigstellung seiner Leistung nicht möglich, weil er auf Restleistungen anderer Vorgewerke warten muss. Der Auftragnehmer hat in einem solchen Fall fast nie einen Rechtsanspruch auf eine Teilabnahme. Dementsprechend bleibt die Gefahrtragung beim Auftragnehmer. Häufig werden gemeinsame Begehungen gemacht, von denen der Unternehmer sich verspricht, sich vor den Gefahrtragungsregeln schützen zu können. Eine gemeinsame Begehung zur Zustandsfeststellung, wie sie beispielsweise auch in § 4 Abs. 10 VOB/B vorgesehen ist, führt nicht zu einer Umkehr der Gefahrtragungsregelung. Der Auftragnehmer muss also bis zur tatsächlichen Abnahme die ordnungsgemäße Erfüllung seiner Leistung beweisen. Eine Begehung vor Fertigstellung führt auch nicht zum Beginn des Laufs der Gewährleistungsfrist.

Wie schützt man sich als Auftragnehmer vor den Gefahrtragungsregelungen?

Will der Auftragnehmer sich durch gemeinsame Begehung vor der Haftung für die Beschädigung oder den Untergang seines Werkes schützen, so muss er zusätzlich zu der vereinbarten gemeinsamen Begehung eine Vereinbarung treffen, welche Wirkungen diese gemeinsame Begehung haben soll. Aus meiner Praxis kann ich berichten, dass rechtskundige Parteien immer wieder im Zusammenhang mit Begehungen Regelungen treffen, dass der Auftragnehmer nach der Begehung nicht mehr für neu auftretende mechanische Beschädigungen, Vandalismus oder Zerstörungen haften soll, zumal zumeist für derartige Ereignisse auch eine Bauleistungsversicherung eintrittspflichtig ist. Für den Auftraggeber hat dies den Vorteil, dann ungehindert weiter bauen zu können und nicht durch mögliche Schutzmaßnahmen des Werkunternehmers beim weiterbauen behindert zu sein. Auch wenn die gemeinsame Begehung noch keine Teilabnahme darstellt, sei dem Auftragnehmer dennoch empfohlen, über die gemeinsame Begehung ein gemeinsames Protokoll zu fertigen, um später den Zustand der Baustelle nachweisen zu können.

Wie vorstehend ersichtlich begünstigen die Bestimmungen des BGB bei der Gefahrtragung den Auftraggeber. Bei VOB-Verträgen, die kundige Auftraggeber geschlossen haben, liest man deshalb häufig für die Gefahrtragung den Satz, dass nicht § 7 VOB/B sondern die Bestimmungen des BGBs gelten sollen. Eine Regelung, die sich der Auftragnehmer bei Vertragsabschluss durchaus überlegen sollte.

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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