GaLaBau und Recht: Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Oberlandesgerichtsurteile: Unbedingt beachten!

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Es gibt immer wieder Rechtsstreite, bei denen zu Zeiten des Prozesses an einem Gewerk kein Schaden eingetreten ist und dennoch der Auftraggeber die Leistung des Unternehmers als mangelhaft rügt, keine Vergütung zahlt und Rückbau verlangt. Mit zwei solchen Fällen haben sich die Oberlandesgerichte Schleswig und Stuttgart befasst und lesenswerte Entscheidungen verkündet:
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Streitfall: Bei der einen Doppelhaushälfte traten im Dachaufbau Auffeuchtungen auf. Die Auftraggeber des Doppelhauses verlangten von dem Unternehmer den Rückbau der Dachkonstruktion beider Doppelhaushälften und Austausch der Dampfsperre durch eine Dampfbremse. Foto: keBu.Medien, AdobeStock

Mangel ohne Schaden?

1 a. Entscheidung des Oberlandesgericht Stuttgart

In seinem Urteil vom 28.03.2023 (Az. 10 U 29/22) hatte das Gericht über folgenden Sachverhalt zu entscheiden: Auftraggeber hatten 2011/ 2012 an einen Unternehmer ein Doppelhaus in Auftrag gegeben. Das Dach des Doppelhauses wurde gemäß der Planung als sogenanntes "Warmdach" in einer Dicht-Dicht-Konstruktion ausgeführt. Nach einem eingeholten Sachverständigengutachten stellte das Gericht fest, dass schon zum damaligen Zeitpunkt die Konstruktion nicht mehr den anerkannten Regeln der Technik entsprach. Bei der einen Doppelhaushälfte traten im Dachaufbau Auffeuchtungen auf. Die Auftraggeber des Doppelhauses verlangten von dem Unternehmer den Rückbau der Dachkonstruktion beider Doppelhaushälften und Austausch der Dampfsperre durch eine Dampfbremse. Eine Dampfsperre ist diffusionsdicht, wohingegen die Dampfbremse nur diffusionshemmend ist. Der Unternehmer wendete ein, dass die verlangte Gesamtsanierung unverhältnismäßig sei, weil einer der beiden Doppelhaushälften bislang keinerlei Feuchtigkeitsschäden aufweise.

Das Oberlandesgericht Stuttgart war der Meinung, der Einwand des Unternehmers greife nicht, denn der Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik führe zu einer Schadensneigung, die möglicherweise erst in Jahren zu einem Schadensbild führen könne.

Die erstellte Dachkonstruktion berge Risiken, die früher oder später zu Schäden führen können. Dies sei auch nicht unverhältnismäßig im Sinne des § 635 Abs. 3 BGB, wenn man die Mangelursache bereits vorbeugend vor Eintritt des eigentlichen Schadens zu beseitigen verlangt. Das Gericht lässt das Argument nicht gelten, dass noch gar kein Schaden eingetreten sei. Man müsse nicht abwarten, bis der Schaden sich manifestiert habe. Allein die Nichteinhaltung der anerkannten Regeln der Technik begründen einen Werkmangel, unabhängig davon, ob sich das Schadensbild sofort oder erst später einstellt. Nach Meinung des Gerichts geht es hier nicht um die Beseitigung von Schönheitsfehlern, sondern eines Mangels, welches auf Dauer die Funktionsfähigkeit der Bauleistung beeinträchtigt. So könne man nicht ausschließen, dass auch bei der zweiten Doppelhaushälfte zukünftig ein erheblicher Feuchtigkeitsschaden eintreten würde. Aufgrund der Feststellungen des Gerichts stand den Auftraggebern ein Nachbesserungsanspruch gegen den Unternehmer zu, was dazu führte, dass der Unternehmer erst einmal keinen Werklohn für die beiden Dächer des Doppelhauses erhielt.

1 b. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Schleswig

Ebenso wie das Oberlandesgericht Stuttgart ist auch das Oberlandesgericht Schleswig (Beschluss vom 26.07.2016, Az. 1 U 19/14) der Meinung, dass bereits bei einem Verstoß gegen die allgemeinen anerkannten Regeln der Technik auch dann regelmäßig ein Mangel vorliegt, wenn noch kein Schaden oder keine Funktionsbeeinträchtigung eingetreten ist. Die Entscheidung befasst sich allerdings noch weitergehend mit der Bedeutung von Herstellerrichtlinien. Deren Nichtbeachtung führt nach Meinung des Gerichts nur dann zu einem Mangel, wenn sie Teil der Beschaffenheitsvereinbarung sind. Davon sei dann auszugehen, wenn der Auftraggeber die Verwendung eines bestimmten Materials vorschreibt und die Herstellerrichtlinie dazu dienen soll, Risiken des Materials abzuwenden. Der Verstoß gegen Herstellerrichtlinien stellt demnach nicht automatisch ein Verstoß gegen allgemein anerkannte Regeln der Technik dar, so dass es für einen Unternehmer leichter ist, Ansprüche abzuwehren, wenn nur ein Verstoß gegen Herstellerrichtlinien vom Auftraggeber angeführt wird und noch kein Schaden eingetreten ist.

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Das Oberlandesgerichts München hatte über einen Streitfall hinsichtlich der Materialzusammensetzung für Fassendputz zu entscheiden. Foto: ronstik, Adobe Stock

2. Kann der Auftraggeber die Verwendung/Zusammensetzung von Materialien vorschreiben?

Unternehmer sollten sich stets vor Augen halten, dass der Wille des Auftraggebers ausschlaggebend ist, ob und was mit welchem Material gebaut wird. Schließlich soll der Auftraggeber die ausgeführte Leistung auch bezahlen. Das Oberlandesgericht München musste sich in einem Rechtsstreit damit befassen, wie weit das Recht des Auftraggebers bei der Materialwahl geht.

Der Entscheidung des Oberlandesgerichts München (Beschluss vom 14.04.2021, Az. 20 U 6129/20 Bau) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Auftraggeber beauftragte einen Unternehmer an seinem Haus einen Kalkputz anzubringen. Wegen vorhandener Feuchtigkeit im Gebäude meldete der Unternehmer bezüglich der Verwendung von Kalkputz Bedenken an. Schließlich verständigten sich die Vertragsparteien darauf, statt eines reinen Kalkputzes einen Kalk-Gips-Putz auszuführen. Statt des Kalk-Gips-Putzes führte der Unternehmer sodann aber einen Gips-Kalk-Putz aus, d. h. der Kalkanteil ist bei einem solchen Putz geringer, als bei einem Kalk-Gips-Putz. Der Auftraggeber rügt diesen Putz als nicht vertragsgemäß und verlangt Nachbesserung, die der Unternehmer mit der Begründung verweigert, das Nachbesserungsverlangen sei mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden. Der eingebaute Putz sei genauso gut. Es bestehe kein wahrnehmbarer Unterschied. Der Auftraggeber führt an, bei dem eigentlich vereinbarten Kalk-Gips-Putz habe er ein besseres Wohngefühl. Auch sei dieser gesünder. Das Oberlandesgericht München entschied sodann zugunsten des Auftraggebers.

Die Entscheidungsgründe des Gerichts

Das Gericht gibt dem Auftraggeber Recht. Es sei dem Auftraggeber überlassen, welche Materialien in seinem Bauwerk eingebaut werden. Das Gericht wertet hierbei auch die Vorstellungen des Auftraggebers nach einem besseren Wohngefühl und einem besseren Gesundheitsschutz, die nach Bekunden des Auftraggebers für seine Entscheidung für den Kalk-Gib-Putz maßgeblich gewesen sind. Nachdem der Auftragnehmer sich geweigert hat, die verlangte Nachbesserung durchzuführen, hat das Oberlandesgericht München mit Beschluss den vom Auftraggeber für die Nachbesserung verlangten Kostenvorschuss zugesprochen. Wenn man sich auf eine Ausführungsart geeinigt hat, darf der Unternehmer nicht eigenmächtig die Ausführung ändern. Dies gilt auch, selbst wenn der Unternehmer der Meinung ist, dass die von ihm ausgeführte Leistung gleichwertig zu der verlangten Leistung ist. So lange das Verlangen des Auftraggebers sich nicht als Schikane darstellt und es sachlich gerechtfertigte Gründe gibt, muss ein Unternehmer damit rechnen, das ausführen zu müssen, was ursprünglich verlangt wurde. Wie die Entscheidung des Oberlandesgerichts München zeigt, kann dies bei einer Ersatzvornahme des Auftraggebers für den Unternehmer recht teuer werden.

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Immer wieder kommt es zum Rechtsstreit, ob ein Angebot auszuschließen ist, wenn der Unternehmer darin in einer oder mehrerer Positionen negative Preise angeboten hat. Foto: stockpics, Adobe Stock

3. Negative Preise in Angeboten. Sind diese zulässig?

Immer wieder kommt es zum Streit, ob ein Angebot auszuschließen ist, wenn der Unternehmer darin in einer oder mehrerer Positionen negative Preise angeboten hat. Einen solchen Fall hatte das Oberlandesgericht Karlsruhe (Beschluss vom 18.08.2023, Az. 15 Verg 4/23) zu entscheiden. Der Entscheidung des Gerichts lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Vergabestelle hatte europaweit Straßenbauarbeiten ausgeschrieben. In den Vergabebedingungen war angeführt, dass Angebote mit negativen Einheitspreisen von der Wertung ausgeschlossen werden, soweit negative Einheitspreise nicht ausdrücklich für bestimmte Positionen in der Leistungsbeschreibung zugelassen sind. Eine derartige Zulassung war nicht gegeben. Der Unternehmer bot in der Position "grobkörnigen Boden liefern, einbauen und verdichten" einen negativen Einheitspreis an. Die Vergabestelle schloss den Bieter aus, weil sein Angebot negative nicht zugelassene Einheitspreise enthalte. Hiergegen wendet sich der Unternehmer mit dem Argument, ihm stehe der anzubauende Boden aus einer anderen Baumaßnahme zur Verfügung. Dort werde er für die Verwertung des Bodens vergütet, so dass er diesen Vorteil bei seinem Angebot lediglich weitergebe. Die zuständige Vergabekammer gab dem Unternehmer Recht und hat entschieden, das Vergabeverfahren zurückzusetzen. Hiergegen wendet sich ein Konkurrent, so dass das Oberlandesgericht Karlsruhe zur Entscheidung berufen war.

Die Entscheidungsgründe des Gerichts

Das Oberlandesgericht Karlsruhe stellt unter Berufung auf verschiedene Oberlandesgerichte und den Bundesgerichtshof (Beschluss vom 01.02.2005) fest, dass ein negativer Preis auch ein Preis ist, der grundsätzlich zulässig sei. Ihm stünden auch keine vergaberechtlichen Vorschriften entgegen. Der anbietende Unternehmer legte im Nachprüfungsverfahren seine Urkalkulation vor, aus der sich die Lieferung des grobkörnigen Bodens zu einem negativen Preis ergab. Gegen die Kalkulation hatte das Oberlandesgericht nichts einzuwenden. Es entschied des Weiteren, dass die Vorgabe in Teilnahmebedingungen für die Vergabe unwirksam sei, wenn dort vorgegeben wird, dass keine negativen Preise angeboten werden dürfen. Durch die Zurückversetzung des Vergabeverfahrens kam durch die Entscheidung der Vergabekammer und anschließend des Oberlandesgerichts Karlsruhe das Angebot des Unternehmers doch noch in die Wertung. Für den Unternehmer war die Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe allerdings nur ein Etappensieg, d. h. sein Angebot wird wie jedes andere gewertet. Ob nach dieser Wertung zum Schluss der Unternehmer die Nase vorn hat und den Auftrag erhalten wird, ergibt sich aus der Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe nicht.

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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