9. Deutscher Baugerichtstag in Hamm

Bauverträge, Anordnungsrecht und Klimaschutz im Fokus

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Mitte Mai trat nunmehr zum 9. Mal der Deutsche Baugerichtstag zusammen, um über mögliche und erforderliche Änderungen des zivilen Baurechts und Vergaberechts zu diskutieren.
Bauvertragsrecht Veranstaltungen
und 450 Teilnehmer haben sich in Hamm über aktuelle baurechtliche und baubetriebliche Fragen informiert. Foto: DBGT

Prof. Stefan Leupertz, ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe und Vorsitzender des Deutschen Baugerichtstag (DBGT), der sich weit vor der Pensionierungsgrenze bewusst gegen das Richteramt entschieden hat, ist weiterhin auf der Suche nach einem alltagstauglichen Bauvertragsrecht, dass den Praktikern weniger Streit beschert. Daher hat er auch dem DBGT aufgrund einer unglaublichen Anzahl von Bauprozessen eine gesellschaftspolitische Dimension zugesprochen.

Kultur des Bauens

  • Die Budgets müssen sicher sein;
  • Anpassungen dürfen nur in voller Transparenz erfolgen;
  • Integration von Planung und Bauen, die aktuelle Trennung ist nachteilig;
  • Entwicklung eines gemeinsamen Risikomanagements;
  • Klarheit in Verträgen und in Absprachen;
  • Entwicklung einer positiven Fehlerkultur;
  • offene Kommunikation auf allen Ebenen.

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Bauvertragsrecht Veranstaltungen
Prof. Stefan Leupertz, ehemaliger Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe und Vorsitzender des Deutschen Baugerichtstags. Foto: DBGT

In seiner Eröffnungsrede spricht Leupertz sogar von einer systemisch falschen Anwendung des Rechts, die ganz vergisst, dass es Menschen sind, die versuchen miteinander etwas zu bauen. Nach seiner Wahrnehmung sind Bauverträge so komplex wie keine andere Art von Verträgen geworden. Sehr viele Verträge orientieren sich nicht mehr an der Lösung, sondern belegen alles Mögliche nur mit Sanktionen. Hinzu kommt häufig eine bewusste Desinformation auf beiden Seiten, gezielte Abänderungen der VOB/B Regelungen, wodurch die VOB zunehmend an Bedeutung verliert.

Die unterschiedlichen Ziele zwischen dem Auftraggeber, der mit möglichst wenig Geld eine möglichst hohe Qualität erreichen möchte, und dem Auftragnehmer, der mit wenig Aufwand möglichst hohe Erträge erzielen möchte, machen ein gemeinsames Ziel schwer erreichbar. Dazu kommen unendliche staatliche Regelungen, die den Baubeteiligten auferlegt werden, praktisch ist das Bauen mit 2800 Normen, die alle Haftung begründen, vollkommen überreguliert. Damit wird auch das öffentliche Baurecht zur Ursache der Probleme im privaten Baurecht.

Leupertz nennt dazu sieben Punkte, welche die Baubeteiligten beherzigen sollten:

Er sieht dabei die Integrierte Projektabwicklung (IPA) zu Recht auf dem Vormarsch. Der diesjährige Festvortrag hat den anwesenden Juristen und Bauingenieuren durchaus ein schlechtes Gewissen bereitet. Prof. Dr. Werner Sobek, Bauingenieur und Architekt, Gründer des Instituts für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK) und einer der Initiatoren der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen hat umfassend die Einflüsse des Bauens auf die Umwelt deutlich gemacht. Die Anteile, die das Bauwesen zu vertreten hat, sind erheblich. Folgende Anteile werden vom Bauwesen verursacht: 60 Prozent Ressourcenverbrauch, 80 Prozent Verbrauche an mineralischen Ressourcen, 50 Prozent Abfallaufkommen, 30 Prozent Energieverbrauch und 50 Prozent Transportaufwendung. Als guter Architekt hat Sobek aber auch Lösungsansätze anhand seiner Projekte aufgezeigt.

Arbeitskreise Bauvertragsrecht und Baubetrieb

Der gemeinsame Arbeitskreis hat sich Gedanken über eine mögliche Überarbeitung der § 650 a bis § 650 h BGB gemacht. Es geht um das am 01.01. 2018 eingeführte Bauvertragsrecht, welches notwendig geworden ist, weil die VOB/B durch die BGH-Rechtsprechung die Privilegierung verloren hatte. Der Gesetzgeber selbst hat schon bei Einführung eine Evaluierung der neuen Regelungen frühestens fünf Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes angekündigt. Diese steht aber noch aus. Auch in der Rechtsprechung sind die neuen Regelungen wenig zu finden. Das kann bedeuten, dass die Regelungen gut gelungen sind. Das kann aber auch bedeuten, dass die meisten Verträge nach wie vor unter Einbeziehung der VOB/B geschlossen werden und diese einzelvertraglichen Regelungen die gesetzlichen Regelungen entbehrlich machen.

So etwa verlief auch die Diskussion im Arbeitskreis. Scheinbar sind alle zufrieden und es wären keine zwingenden Änderungen erforderlich. Es war auch erkennbar, dass die Diskussion fröhlich zwischen BGB und VOB/B hin und her ging. Auch ein Indiz, dass hier eigentlich über VOB/B diskutiert wurde und nicht über das Gesetz. Die Erfahrungen der Anwesenden mit einem Vertrag mit einem kleinen Bauhandwerker, der ohne Einbeziehung der VOB/B geschlossen wurde, beschränkten sich schnell auf das private Umfeld.

So ging es im Wesentlichen um die Frage der Gestaltung des Anordnungsrechts, wie es aktuell in § 650b BGB beschrieben ist. Klar erkennbar war auch hier schnell, dass sich die Auftraggeberseite ein umfassenderes Anordnungsrecht wünscht, wie es in § 1 Abs. 3 und § 1 Abs. 4 VOB/B beschrieben ist. Also jederzeit alles ohne Voraussetzungen, abgesehen von einer Zumutbarkeit, ändern können. Letztlich geht es, um die Möglichkeit, die Planung auf die Baustelle zu verlegen. Die nicht ganz unberechtigte Sorge bei 30 Tagen Wartezeit ist, dass Auftraggeber erpresst werden und sich auf überhöhte Preise einlassen müssen.

Die Auftragnehmerseite dagegen will das Anordnungsrecht beschränkt wissen. Jede Änderung bedeutet Mehrkosten, nicht nur für die eigentlich geänderte Leistung, sondern im Umfeld durch Verzögerungen, Störungen, Mehraufwendungen für Arbeitsvorbereitungen und vieles mehr. So war dann auch die Abstimmung äußerst knapp, mit einem leichten Plus für ein umfassenderes Anordnungsrecht. Da die Gruppe aber sehr zufällig zusammenkommt, kann das Ergebnis bei einem nächsten Baugerichtstag ganz anders aussehen.

Arbeitskreis Vergaberecht

Der Arbeitskreis Vergaberecht hat sich intensiv mit den Möglichkeiten und Grenzen von qualitativen Wertungskriterien beschäftigt. Mit überwältigender Zustimmung empfiehlt der 9. DBGT, dass Klimaschutz und Nachhaltigkeit von den Auftraggebern in der Leistungsbeschreibung berücksichtigt werden sollten. Der Deutsche Baugerichtstag empfiehlt aber dem Gesetzgeber davon abzusehen, die Auftraggeber zusätzlich zur Anwendung solcher nicht preislichen Zuschlagskriterien zu verpflichten. Die Auftraggeber sollen in der Festsetzung solcher Kriterien frei bleiben.

Mit deutlicher Zustimmung empfiehlt der DBGT, dass die Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm (§ 7c VOB/A) mit der Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis (§ 7b VOB/A) gleichrangig ist. Diese Frage ist auch Teil der Konsultation der Bundesregierung. Im Wesentlichen geht es hier um die Frage, ob die kleinteilige Vergabe nach Einzelgewerken vorrangig vor einer Generalunternehmervergabe bleiben soll. Gerade die öffentliche Hand als Auftraggeber hat große Probleme, viele Einzelgewerke zu koordinieren. Auch die Einbeziehung in den Planungsprozess ist bei kleinen Handwerksbetrieben deutlich schwieriger. Eine Integrierte Projektabwicklung (IPA) ist eigentlich nur möglich mit einem Auftragnehmer.

Arbeitskreis Bauprozessrecht

Der Arbeitskreis Bauprozessrecht hat sich mit einem modernen, digitalen Bauprozess beschäftigt. Insbesondere werden geeignete Wege für eine Strukturierung des Prozessstoffs vorgeschlagen. Gedacht wird hier an die Darstellung in einem geeigneten digitalen Dokument mit vorgegebener Struktur, auf das alle Beteiligten zugreifen können. Auch sollen Richter im Bauprozess sehr frühzeitig schriftliche Hinweise erteilen und prozessleitende Maßnahmen ergreifen können.

Einstimmig begrüßt der DBGT den Einsatz von KI unter folgenden Voraussetzungen: Die Entscheidungsfindung muss als Kernbereich rechtsprechender Gewalt Richterinnen und Richtern vorbehalten bleiben. Allein bei der Vorbereitung der Entscheidungsfindung beispielsweise durch Strukturierung, Recherche oder Textvergleiche kann KI unterstützende Beiträge leisten. Dazu bedarf es einer regelmäßigen Sensibilisierung. Richterinnen und Richter müssen die für ihre Entscheidungsfindung und Begründung relevanten Faktoren vollständig und selbstständig nachvollzogen sowie durchdrungen haben.

Arbeitskreis Sachverständigenrecht

Dieser Arbeitskreis hat sich mit dem am Bau allgegenwärtigen Problem der "Normengläubigkeit" beschäftigt und ist zu folgenden sehr spannenden Empfehlungen gekommen: Künftig soll der Erarbeitungsprozess von Normen nach einheitlichen Standards dokumentiert werden. Immer häufiger kommt es zu Normen, die ausschließlich von Interessen der Industrie oder anderer Interessensgruppen getragen werden. Wenn solche Normen als anerkannte Regel der Technik (a.R.d.T.) in Gutachten angenommen werden, kann das zu erheblichen Nachteilen für die Parteien führen.

Einstimmig empfiehlt der 9. DBGT, dass Sachverständige im Streitfall bezogen auf den konkreten Einzelfall darlegen sollen, ob und wie der abstrakt gehaltene Inhalt einer technischen Regel für die vorgegebene Verwendungseignung der Leistung geeignet und erforderlich ist. Sie sollen auch prüfen, ob eine andere oder abweichende technische Lösung einer Vertragspartei die Verwendungseignung ebenfalls sicherstellt. Sachverständige sollen Sicherheitsbeiwerte in Erfahrung bringen und daraus resultierende zulässige Toleranzen in die Bewertung der Ausführung einbeziehen. Vollkommen richtig, ist das eine klare Absage an eine stoische Normengläubigkeit von Sachverständigen, die auch unter Sachverständigen sehr verbreitet ist. Martin Thieme-Hack

Prof. Dipl.-Ing. (FH) Martin Thieme-Hack
Autor

Hochschule Osnabrück, Fakultät A&L

Hochschule Osnabrück University of Applied Sciences

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