GaLaBau und Recht: Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Riskantes Unterfangen: Kündigung des Auftraggebers vor Abnahme

Es weiß wohl jeder, unabhängig davon, ob die Parteien einen VOB- oder BGB-Werkvertrag geschlossen haben, dass der Auftraggeber jederzeit berechtigt ist, das Vertragsverhältnis zu kündigen. Im Einzelfall fragt es sich allerdings, warum der Auftraggeber gekündigt hat. Ist es eine sogenannte "freie Kündigung", weil der Auftraggeber die Erfüllung des Vertrages nicht mehr wünscht oder gibt es vom Auftragnehmer zu vertretene Gründe, weshalb der Auftraggeber meint, wegen seines Verhaltens das Vertragsverhältnis kündigen zu können?
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Egal ob VOB- oder BGB-Werkvertrag: der Auftraggeber ist jederzeit berechtigt, das Vertragsverhältnis zu kündigen. Foto: by-studio/AdobeStock

Die freie Kündigung

Bei der sogenannten "freien Kündigung" ist die Rechtslage eindeutig und bereitet den Parteien sowie ihren Rechtsvertretern keine großen Schwierigkeiten bei der Abwicklung der Kündigung. Beim VOB-Vertrag gilt § 8 Abs. 1 VOB/B. Dem Auftragnehmer steht die vereinbarte Vergütung zu. Er muss sich jedoch das anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Kosten erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft und seines Betriebs erwirbt oder böswillig unterlässt.

Beim BGB-Vertrag ist die Rechtslage nahezu identisch. Hier ist § 648 BGB einschlägig. Allerdings sieht die Vorschrift für Auftragnehmer eine Besonderheit vor. In § 648 BGB letzter Satz wird zugunsten des Auftragnehmers vermutet, dass ihm 5 Prozent des noch nicht erbrachten Teils der Werkleistung vergütet werden. Es steht dem Auftragnehmer allerdings frei, einen höheren Wert als die 5 Prozent nachzuweisen. Bei einem Werkvertrag mit einem nicht voll ausgelasteten Einzelarchitekten, der von zu Hause aus alles selbst macht und kaum Gemeinkosten hat, kann es statt 5 ohne weiteres fast 100 Prozent ausmachen. Das gilt insbesondere, wenn der Architekt keine andere Arbeit und dementsprechend kein anderes Einkommen und auch keine weiteren ersparten Aufwendungen hat.

Die Kündigung aus wichtigem Grund

Anders sieht es aus, wenn eine Partei meint, aus wichtigem Grund das Vertragsverhältnis kündigen zu können. Beim BGB-Vertrag gilt § 648a BGB. Die Vorschrift ist wenig konkret formuliert und lautet: "Beide Vertragsparteien können den Vertrag aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur Fertigstellung des Werks nicht zugemutet werden kann."

Bei einer Kündigung nach § 648a BGB kommt es zwischen den Parteien häufig zum Streit, was als wichtiger Grund anzusehen ist. Dementsprechend gab es in der Vergangenheit bereits zahlreiche Urteile, was ein wichtiger Grund für die Kündigung sein soll. Unstreitig wird als Grund die Zahlungseinstellung, die Insolvenz oder der Verzug einer Partei angesehen. Wenn es allerdings um Verstöße gegen vertraglich übernommene Verpflichtungen geht, ist die Rechtslage teilweise recht uneinheitlich. So sei jeder Partei dringend geraten, es sich gut zu überlegen, ob man wegen eines tatsächlichen oder vermeintlichen wichtigen Grundes das Vertragsverhältnis wirklich kündigen will. Oft erweist es sich als vorteilhafter, das Vertragsverhältnis bis zum Ende abzuwickeln.

Kündigt jedoch eine Vertragspartei aus wichtigem Grund das Vertragsverhältnis, so ist der Auftragnehmer nur berechtigt, die Vergütung zu verlangen, die auf den bis zur Kündigung erbrachten Teil des Werks entfällt. Zu beachten ist allerdings, dass die Vorschrift darüber hinaus Schadenersatzansprüche der Parteien zulässt. Eine zu Unrecht aus wichtigem Grund ausgesprochene Kündigung kann also Schadenersatzansprüche nach sich ziehen. Liegt kein wichtiger Grund vor, so wird die vom Auftraggeber ausgesprochene Kündigung von der Rechtsprechung sodann als "freie Kündigung" umgedeutet und nach den dafür geltenden Vorschriften abgewickelt.

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Eine unzureichenden Qualität des verbauten Betons oder anderer Materialien kann zu Mängeln führen. Foto: ungvar/AdobeStock

Kündigung aus wichtigem Grund gem. § 4 Abs. 7 VOB/B

Diese nicht im BGB sondern nur in der VOB enthaltene Bestimmung sieht einen besonderen Kündigungsgrund des Auftraggebers vor der Abnahme vor. Wenn vor der Abnahme ein Auftragnehmer einen Mangel zu vertreten hat, so hat er diesen zu beseitigen. Kommt der Auftragnehmer der Pflicht zur Beseitigung nicht nach, so kann nach der Vorschrift der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels setzen und erklären, dass er nach fruchtlosem Ablauf der Frist den Vertrag kündigen werde (§ 8 Abs. 3 VOB/B). Mit einem solchen Fall hatte sich jetzt der Bundesgerichtshof befasst und eine für viele recht überraschende Entscheidung verkündet.

Die Entscheidung des BGH

Dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19.01.2023, Az.: VII ZR 34/20 lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Unternehmen vergibt an einen Subunternehmer die Herstellung einer Brückenstütze aus Beton der Festigkeitsklasse B25. Dem vom Auftraggeber stammenden Vertrag war die VOB zugrunde gelegt. Noch in der Ausführungsphase rügt der Auftraggeber die Qualität des verbauten Betons und verlangt dessen Austausch. Hierzu setzte er dem Auftragnehmer eine angemessene Frist und droht mit Kündigung, wenn er die Frist verstreichen lässt. Der Auftragnehmer hält die geringere Betongüte als geringfügige Abweichung und bessert nicht nach. Nach Ablauf der Frist macht der Auftraggeber von seinem Kündigungsrecht nach § 4 Abs. 7 Satz 3 VOB/B Gebrauch. Der Auftragswert selbst belief sich auf 3 331 527,96 Euro netto, wohingegen der Beseitigungsaufwand für den angeblich mangelhaften Beton lediglich bei 6000 Euro netto lag und in zwei bis drei Arbeitstagen ohne weiteres hätte erledigt werden können. Wie so oft schaukelt sich der Wert gekündigter Verträge auf. Im vorliegenden Fall machte die Klägerin als Unternehmerin einen Restwerklohn von 2 465 744,23 Euro geltend, wohingegen der beklagte Auftraggeber widerklagend die Zahlung von 4 152 902,75 Euro als Kosten der Ersatzvornahme verlangt. Darüber hinaus verlangte der Auftraggeber die teilweise Rückzahlung von Abschlagszahlungen in Höhe von 387 332,31 Euro und Schadenersatz in Höhe von 90 729,80 Euro. Dazu verlangte er noch Avalgebühren in Höhe von 40 500 Euro und einen Ausgleich der Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 209 382,83 Euro. Hinzu kam noch ein Feststellungsantrag, mit dem behauptete Mängel festgestellt werden sollten. Auslöser für die Entscheidung der Instanzgerichte sowie des Bundesgerichtshofs war letztendlich der mangelhafte Beton in Höhe von 6000 Euro.

Das Urteil des Bundesgerichtshofs

In dem anschließenden Streit vor Gericht, bei dem es darum ging, ob die Kündigung rechtswirksam war oder nicht, gibt der Bundesgerichtshof in letzter Instanz dem Subunternehmer Recht. Man hätte meinen können, dass der Bundesgerichtshof darauf abstellt, dass der Mangel nur von geringer Bedeutung für das Gesamtbauwerk war. Das Gericht sah die Sache jedenfalls viel grundsätzlicher. Es hielt die Regelung des § 4 Abs. 7 Satz 3 VOB/B auf den der Auftraggeber seine Kündigung gestützt hatte, für unwirksam. Das Gericht betonte, dass die Vorschrift, auf die sich die Kündigung stützt, nur wirksam sei, wenn der Auftraggeber die VOB in dem Vertrag "als Ganzes" zugrunde gelegt habe.

Die Kontrolle des Vertrages durch den Bundesgerichtshof ergab, dass in dem Vertrag eine Regelung enthalten war, wonach der Subunternehmer vom Auftraggeber nur Abschlagszahlungen in Höhe von 90 Prozent der nachgewiesenen Leistungen erhalten sollte. Das Gericht sieht hierin einen Verstoß gegen § 16 Abs. 3 Nr. 1 VOB/B zu Lasten des Subunternehmers, der eigentlich Anspruch auf Abschlagszahlungen in Höhe von 100 Prozent der ausgeführten Leistungen gehabt hätte. Der Bundesgerichtshof meint, dass damit nicht mehr die VOB "als Ganzes" vereinbart worden sei und in einem solchen Fall die Vorschrift des § 4 Abs. 7 Satz 3 VOB/B nicht wirksam vereinbart sei. Die 90-prozentige Auszahlung der nachgewiesenen Leistung widerspreche dem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung und sei deshalb im vorliegenden Fall unwirksam. Die Bestimmung in der VOB widerspreche dem maßgeblichen Leitbild des BGB, da bei § 4 Abs. 7 VOB/B selbst ein geringfügiger Mangel ausreiche, um eine Kündigung des Vertrages zu rechtfertigen. Das Gericht ging allerdings so weit, dass es in seinem Urteil den Rechtsstreit an das Vorgericht zurückverwies, um dort noch klären zu lassen, ob der eigentlich geringfügige Mangel so erheblich ist, dass dem Auftraggeber die Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zugemutet werden kann. Diese Entscheidung muss jetzt das Vorgericht neu treffen. Eine Entscheidung hierüber ist bisher noch nicht ergangen.

Die neue Entscheidung des Bundesgerichtshofs zeigt allerdings, dass man mit der Vorschrift des § 4 Abs. 7 VOB/B sehr vorsichtig umgehen muss. Ich kenne nahezu keinen Vertrag, in dem nicht in geringem Umfang die Vertragsparteien von den Regelungen der VOB/B abweichen. Schon eine geringfügige Abweichung soll nach Meinung des Bundesgerichtshofs ausreichen, um die VOB nicht mehr "als Ganzes" vereinbart zu sehen. In der Praxis wird man sich damit abfinden müssen, dass eine auftraggeberseitige Kündigung vor Abnahme äußerst riskant und im Zweifel dem Auftraggeber nicht zu empfehlen ist.

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