Klimagerechte Landschaftsarchitektur

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Landschaftsarchitektur
Der Mensch im Klima: Grafik: Hendrik Laue

Ein Klimawandel ist absehbar und in vielfältigen Diskussionen allgegenwärtig. Nach unterschiedlichen Prognosen zum globalen Temperaturanstieg geht man allgemein von 2 bis 4 °C bis zum Jahre 2100 aus. Die entscheidenden Fakten bei der Diskussion zum Klimawandel sind für unsere Berufsdisziplin nicht nur in dem global befürchteten Temperaturanstieg zu suchen, sondern vor allen Dingen in den begleitenden Umständen des globalen Klimawandels: Ein Temperaturanstieg und eine sehr wahrscheinliche Zunahme veränderter (und somit verschlechterter) Lebensbedingungen durch Extremwetterereignisse. Starkregen, Stürme, Hitzewellen oder Trockenperioden werden sich häufen.

Die offensichtlichen Folgen sind bereits spürbar und ein sensibler Umgang mit den Klimaelementen und ihren Klimafaktoren wird insbesondere für die Disziplinen gebauter Umwelt immer bedeutsamer. Warum? Da derzeit mit ansteigender Tendenz weltweit mehr als die Hälfte aller Menschen in urbanen Räumen lebt, sich der Klimawandel insbesondere in diesen baulichen Strukturen besonders stark artikulieren wird und unsere Berufsdisziplin hauptsächlich objektbezogen plant und baut. Wir stehen somit mit einer Vielzahl an betroffener Menschen unmittelbar in der Verantwortung, mögliche Klimaveränderungen durch geeignete Planungs- und Baumaßnahmen ausgleichen zu müssen.

In diesem Zusammenhang bieten aber urbane Freiräume durch zahlreiche kleinräumliche Ausprägungen auch besondere Chancen der Anpassungen: Gezielte Planungs- und Bauhandlungen wirken im Mikroklima und insbesondere der sensible Umgang mit Vegetation, Boden und Materialien kann in erheblichen Umfang dazu beitragen, klimatisch ungünstige Bedingungen abzupuffern. Und in der Summe haben modifizierte Mikroklimate einen ganzheitlich positiven Einfluss auf das umgebende Meso- und Makroklima. Wichtig für die Zukunft sind aus diesen Gründen genaue Kenntnisse zu klimatischen Potentialen und einflussgebenden Klimafaktoren. Hierbei können neben aufgezeigten Grundlagen zum Umgang mit Klima auch Strömungsmodelle für klein- oder großräumliche Ausprägungen helfen, einzelne Planungs- und Bauentscheidungen richtig zu beurteilen.

Klimagerechtes Planen und Bauen im Freiraum

Im Rahmen landschaftsarchitektonischer Planungs- und Bauprozesse sind nach gesetzlichen Vorgaben die Belange des Klimas und der Luftreinhaltung zu berücksichtigen. Die Einbeziehung von Klima und Lufthygiene bei Entscheidungen räumlicher Planungen dient dabei der Umweltsicherung-, der Umweltverbesserung oder der Umweltverträglichkeit und sichert in diesem Zusammenhang auch die Regulierungsleistung des Ökosystems. Zahlreiche Forschungsergebnisse aus der Meteorologie und der Stadtklimatologie fokussieren seit mehreren Jahrzehnten den Umgang mit den Klimaelementen und Faktoren und bieten auch im Rahmen drohender Klimaveränderungen zahlreiche Lösungsansätze. Dieses ist unserer Berufsdisziplin in der Regel bekannt, jedoch werden die Belange des Klimas nach wie vor im konkreten Arbeits- und Handlungsprozess selten oder oft nicht ausreichend reflektiert und berücksichtigt.

Das Problem dieser oft fehlenden Berücksichtigung klimatischer Belange liegt nach Meinung des Autors weniger an dem vorhandenen Wissen sondern an der Art der Vermittlung und an der fehlenden Schnittstelle zwischen Meteorologie, Klimatologie und unserer Berufsdisziplin. Insofern ist es wichtig, Schnittstellen zu definieren und Planungsbezogene sowie verständliche Ausdruckssprache zum Umgang mit Klima zu finden. Dabei sind allgemeine Erläuterungen zum Umgang mit Klima sowie grafische Hilfsmittel in Form von Karten und Visualisierungen in Varianten für unsere Berufsdisziplin zielführender, als datenbezogene und statische Ausdrucksmittel der Meteorologie und Klimatologie. Nur so können Planungs- und Baudisziplinen Lösungsansätze verstehen und auch umsetzen.

Im Weiteren erscheint es bedeutsam, unmittelbare Raumeinheiten sowie Typologien für den Freiraum zu fokussieren und dafür generelle Grundsätze zum Umgang mit dem Klima aufzuzeigen: Landschaftsarchitekten planen und Landschaftsbauingenieure bauen Freiräume, die in der Regel eben ein eigenes oder mehrere typische Mikroklimate beinhalten. Hierfür braucht es Hinweise und fachlich richtige Vorschläge. Über den möglichen Einfluss auf das Mikroklima lassen sich zum einen die unmittelbaren erlebbaren Nutzungsräume der Menschen klimatisch verbessern. Zum anderen ergeben sich dadurch auch unmittelbare positive Einflüsse auf das umgebende Mesoklima und unsere Berufsdisziplin kann den notwendigen Verpflichtungen klimatisch angepasster Planungen der Stadt- und Raumplanung nachkommen.

Am Fachgebiet "Spezialbauweisen im Landschaftsbau" der Hochschule Ostwestfalen-Lippe ist ein anwendungsbezogenes Fachbuch entstanden, welches zum einen die Grundlagen zum Umgang mit Klima und seinen Elementen sowie Faktoren beschreibt. Zum anderen werden für bekannte Freiraumtypologien wie Platz- oder Garteneinheiten Lösungsmöglichkeiten und unmittelbare Einflussvarianten unterschiedlicher Klimazonen in verständlicher Form analysiert und aufgezeigt.

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Einheiten des Klimas, räumliche Zuordnung von mehreren Millionenkm² bis zu wenigen cm². Grafik: Hendrik Laue
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Beispielhafte Betrachtung von Energieströmen am Tag für einen typischen Freiraum mit Asphalt- oder Vegetationsoberfläche im gemäßigten Klima im Frühsommer: Durch die Asphaltierung verändert sich insbesondere die Wasserbilanz am Standort und somit fällt die ausgleichende Energiemenge durch Verdunstungsprozesse über Vegetation und natürlichen Boden weg. Das bedeutet eine höhere konduktive Wärmespeicherung (zeitverzögerte langwellige Wärmeabgabe) und eine Erhöhung der allgemeinen Wärmeabstrahlung unmittelbar. Ohne eine Entsiegelung wäre ggf. durch ergänzende Baumpflanzungen oder vertikalen Begrünungsformen eine Verringerung der Wärmeüberlast möglich. Grafik: Hendrik Laue

Das Klima verstehen

Oft scheitert der richtige Umgang mit Klima an der Komplexität der Parameter und deren Zusammenhänge. Während sich Wetter und Witterung auf den lokalen Zustand der Atmosphäre zu einem bestimmten Zeitpunkt beziehungsweise in einem bestimmten Zeitraum beziehen, bezeichnet Klima einen oft über Jahrzehnte gemittelten, typischen Witterungsverlauf an einem Ort. Klimaelemente sind messbare Einzelgrößen wie Strahlung, Lufttemperatur, Luftfeuchte, Wind oder Niederschlag, die diese Austauschvorgänge beschreib- und quantifizierbar machen.

Klimafaktoren sind Prozesse oder Zustände, die ein Klima erzeugen, verändern oder erhalten. Unter anderem sind Geographische Breite, Topographie, Kontinentalität, Bodenoberflächen, Jahres- und Tageszeiten oder Bebauungsstrukturen (sowie deren Abhängigkeiten untereinander) wichtige Faktoren für unterschiedliche Klimate. Dabei können die Klimaelemente gemäß den Klimafaktoren mehr oder weniger das Klima prägen. Je nach räumlicher Ausdehnung der von bestimmten atmosphärischen Vorgängen geprägten Gebiete werden Makro-, Meso- und Mikroklima unterschieden. Das Makroklima bezeichnet die großskalige Ausprägung des Klimas.

Auf dieser Maßstabsebene ist beispielsweise der mildernde Einfluss des Nordatlantikstroms auf das Klima in weiten Teilen Nordeuropas angesiedelt. Das Makroklima wird räumlich in Klimazonen eingeteilt. Das Mesoklima bezeichnet die zwischen Makro- und Mikroklima liegende Maßstabsebene und beschreibt beispielsweise ein regionales Klima wie ein Gebirgs- oder Stadtklima. Und am Ende der Maßstabsbetrachtung liegt das Mikroklima. Darunter fallen die thermischen Bedingungen unter einem Baum oder in einer Mauernische ebenso wie größere zusammenhängende Räume wie beispielsweise Plätze oder Stadtquartiere. In der Regel werden Mikroklimate als einzelne Klimatope beschrieben.

Auf der Maßstabsebene des Mikroklimas gewinnt die Anordnung einzelner Flächen oder von räumlichen Objekten zueinander insbesondere für den menschlichen Nutzer an Bedeutung. Die Strahlungsverhältnisse, die Luft- und Oberflächentemperaturen oder beispielsweise die Windgeschwindigkeit werden maßgeblich von den besonderen Strukturen eines Mikroklimas geprägt. Anders als im Makro- und Mesoklima, kann das Mikroklima stärker durch einzelne Planungs- und Bauentscheidungen unmittelbar verändert und somit modifiziert werden: Das gezielte räumliche Anordnen von Flächen, Pflanzen, Wasser- oder Bauelementen gemäß ihrer thermischen beziehungsweise mikroklimatischen Eigenschaften. Durch Einflussnahme auf Strahlungs-, Wind- und Wasserflüsse können die jeweiligen Energie-Budgets je nach äußeren Abhängigkeiten modelliert werden. Dieses bietet bei absehbaren steigernden Wetterextremen in den zahlreich bewohnten Siedlungsräumen die notwendige Chance der Mitigation oder der Anpassung.

Klimaelemente sind messbare Größen

Nach heutigem Verständnis des meteorologischen Geschehens werden atmosphärische Erscheinungen wie Regen, Wind oder Sonnenschein als Ausdruck atmosphärischer Wärmeaustauschprozesse gesehen. Die messbaren Klimaelemente als Einzelgrößen des Klimas machen diese Austauschvorgänge beschreib- und quantifizierbar. Die Bilanzierung von allen ein- und ausgehenden Energieflüssen der Klimaelemente an einem Ort ist bei der Betrachtung von Klimaelementen und seinen einflussgebenden Klimafaktoren auf dieser Wirkebene der wesentliche Schlüssel für die Erkenntnis von Zustandsgrößen und ihrer Einflussmöglichkeiten. Insbesondere in typischen kleinräumlichen Planungsräumen der Landschaftsarchitektur und des Landschaftsbaus. Bei einer genauen Analyse dieser ein- und ausgehenden Energiemengen lassen sich durch veränderte Oberflächen und Materialien, sorgsam ausgewählter Vegetationsformen oder beispielsweise durch besondere baukonstruktive Elemente positive Veränderungen auf das thermische Umfeld erzeugen. Dabei ist die Bilanzsumme immer gleich.

Das bedeutet, wenn bestimmte Energieeingänge oder -ausgänge verändert werden, ändern sich die einzelnen Ein- oder Ausgänge aber nicht die Gesamtbilanz. Wenn beispielsweise die Verdunstungsleistung von Pflanzen und Bodenoberflächen einen hohen Anteil an Ausgangsenergie ausmacht und dieser Anteil durch neue bauliche Versiegelungsmaßnahmen verändert wird, müssen andere energetische Ausgänge wie zum Beispiel eine gesteigerte Wärmeabstrahlung oder Konvektion durch Wind höher sein (mit all seinen Folgen für den Standort und seinen Nutzern).

Die Summe der Strahlungsflüsse mit Globalstrahlung (in W/m²), kurzwelliger Reflexion, langwelliger Ausstrahlung, langwelliger Reflexion und langwelliger Gegenstrahlung wird grundsätzlich als Strahlungsbilanz betitelt und stellt die Grundlage für die Wärmebilanz dar. Die kurzwellige Reflexion ist dabei von der Albedo und die langwellige Reflexion von dem Emissionsgrad der Oberflächen abhängig. Wellenlänge und Energiehaushalt der Strahlung stehen dabei im direktem Zusammenhang: Je kürzer die Wellenlänge umso energiereicher ist die Strahlung. Die Wärmebilanz setzt sich aus fühlbaren (Konvektion) und latenten (Verdunstung) Wärmeflussdichten sowie der Bodenwärmeflussdichte (Konduktion) zusammen.

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Klimaeinheiten und beispielhafte Klimafaktoren auf den unterschiedlichen Wirkungsebenen. Grafik: Hendrik Laue
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Beispielhafter Schattenwurf für einen Ort im gemäßigten Klima für bestimmte Tages- und Jahreszeiten (hier: Kassel – Deutschland, 51,3° nördlicher Breite). Grafik: Hendrik Laue
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Einstrahlungswinkel und Bestrahlungsstärken nach Lambert. Grafik: Hendrik Laue

Klimafaktoren lassen sich beeinflussen und steuern

Klimafaktoren erzeugen, verändern oder erhalten ein Klima, indem sie die Wärmeaustauschprozesse mit den daran beteiligten Klimaelementen beeinflussen. Sie prägen und differenzieren die Klimabedingungen auf den verschiedenen Maßstabsebenen mit ihren räumlichen Einheiten. Im globalen Maßstab sind geographische Breite, topographische Höhe, Größe und Verteilung der Landmassen, Kontinentalität beziehungsweise Ozeanität oder Meeresströmungen wichtige Klimafaktoren. Im meso- und mikroskaligen Bereich und somit im Handlungsfeld des Landschaftsarchitekten und des Landschaftsbauingenieurs bestimmen Höhenlage, Relief, Exposition zur Sonne oder zum Wind, Oberflächenbeschaffenheit, aber auch Bau- und Vegetationsstrukturen bis hin zu einzelnen Baukörpern oder Bäumen die Klimaverhältnisse. In diesem Zusammenhang können beispielsweise Oberflächenbeläge oder größere Einheiten von Baumbeständen nachhaltig einen Ort verändern. Hier setzt die besondere Bedeutung zur Gestaltung des Klimas an. Kleinere aber auch größere Raumeinheiten sind in Teilen durch Planungs- und Bauentscheidungen klimatisch beeinfluss- und steuerbar.

Beispielsweise kommt es durch den Neigungswinkel und die Exposition zur Sonne bei topographischem Gelände oder geneigten Flächen zu unterschiedlichen Umsatzraten und Wärmeentwicklungen an den Oberflächen. Jeder kennt das Prinzip sonnenzugewandter Mauern im Weinbau, die durch ihren besonderen Winkel zur Sonne insbesondere im Frühjahr und Herbst wichtige Sonnenenergie zur Blüte- und Fruchtzeit aufnehmen können. Insofern bestimmt die Ausrichtung einer Fläche zur direkten Sonnenstrahlung maßgeblich die an der Oberfläche ankommende Strahlungsstromdichte. Je weiter die bestrahlte Oberfläche von der Senkrechten zur Strahlungsrichtung abweicht, desto geringer ist der flächenbezogenen Energieumsatz. Es gilt das Lambertsche Gesetz, nach dem mit steilerem Einfallswinkel der Strahlungsumsatz überproportional ansteigt. Beispielsweise kommen bei einer angenommen (senkrechten) Strahlungsstromdichte von 1000 m² auf einer 60 ° zur Strahlungsrichtung geneigten Fläche 866 W/m², auf einer 30 ° geneigten Fläche 500 W/m² und auf einer 10 ° geneigten Fläche 174 W/m² an. Das bedeutet unter anderem eine stärkere Erwärmung von Boden und Luft an sonnenzugewandten Hängen als in der Ebene oder an sonnenabgewandten Hängen.

In diesem Zusammenhang verändern auch die Eigenschaften eines Baustoffes das Potential zur thermischen Veränderung eines Ortes und können stärker oder schwächer einen Einfluss ausüben. Durch unterschiedliche Reflexionseigenschaften (Albedo) oder durch unterschiedliche Wärmekapazitäten von Materialien und Böden kann sich eine veränderte Wärmeentwicklung am unmittelbaren Ort und im umgebenden Umfeld ergeben. Je nach Reflexionseigenschaften erfolgt eine starke oder schwache Rückstrahlung und dementsprechend steht mehr oder weniger Strahlungsenergie für die Umwandlung in Wärme zur Verfügung. Der Austausch im Boden oder im Material hängt von der Beschaffenheit ab, das heißt von der mineralischen oder organischen Substanz, der Dichte und deren spezifischer Wärme. Das gibt Aussage über die Wärmeleitfähigkeit. Je größer die Dichte und die spezifische Wärme, desto geringer ist auf eine bestimmte Menge bezogene Temperaturerhöhung.

Ein besonderes Potential liegt auch in dem Umgang mit dem Klimafaktor "Grün": Pflanzen verdunsten Wasser, stehen im ständigen Wärmeaustausch mit umgebenden Luftschichten und verhindern durch Filterung der Sonneneinstrahlung die unmittelbare Wärmeentwicklung auf dem Boden. Pflanzenorgane stellen ein aktives physikalisches System dar und können regelnd in den Klimakreislauf eingreifen. Vegetationsflächen tragen insofern grundsätzlich zu verbesserten Lebensbedingungen bei. Im unmittelbaren städtischen Umfeld kann Vegetation einen wichtigen Beitrag zum Abbau der Überwärmung leisten. Vegetationsbedeckte Böden können in Abhängigkeit von der Bewuchsart die Verhältnisse in erheblichem Maß beeinflussen und prägen. Der Erdboden wird beispielsweise durch Vegetation weniger erwärmt als ohne.

Es stellen sich über den Vegetationsflächen grundsätzlich geringere Temperaturamplituden ein und das Energiegefälle wird durch Verdunstungs- oder Kondensationsvorgänge an Pflanzen und Bodenoberflächen gedämpft. Grünstrukturen verhindern durch Verschattung eine Überhitzung und kühlen aktiv durch Verdunstungsprozesse der Blätter die Umgebungstemperatur. Je nach Einsatz von Vegetationsstrukturen ergeben sich günstigere bioklimatische und lufthygienische Verhältnisse. Der üblichen Wärmeentwicklung am Boden und an Fassaden wird so entgegengewirkt. Bei Verdunstungsvorgängen an den Blattunterseiten wird der Lufttemperatur Wärme entzogen. Ab einer bestimmten Größe der Vegetationsflächen spricht man von aktiver Kühlung und Senkung der Lufttemperatur. Größere Parkflächen in einer Stadt können deutlich geringere Temperaturen aufweisen.

Handlungsstrategien für das Mikroklima

Es geht bei Strategien für eine klimagerechte Planung nicht um die eine für alle Witterungsverhältnisse perfekte Lösung, sondern darum, spezifische, thermisch kritische oder potentiell günstige Situationen sowie typische Freiraumnutzungen und -funktionen zu identifizieren und die Planung daran zu orientieren. Dabei spielen insbesondere bewusste Analyse- und Planungsprozesse für Modifikationen im Mikroklima eine besondere Rolle. Ein gezielter planerischer Umgang mit Klimaelementen und Klimafaktoren kann das Mikroklima im direkten Umfeld des Nutzers je nach Möglichkeiten teilweise erheblich verändern. Die Beurteilung der "Ist-" oder der "Soll-Situation" des Mikroklimas und seinen bestimmenden Klimaelementen und Klimafaktoren kann gesichert entweder über Datenerhebungen (Messungen der "Ist-Situation") oder durch Computer-Simulationen (Ermittlung der "Soll-Situation") durchgeführt werden.

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Einfluss von Vegetation und Oberflächen auf das Mikroklima, Vergleich von °C PET Temperaturen ("gefühlte" Temperatur"), Variante 1 (ohne Baumüberstellung, Asphaltoberflächen und Fassaden mit dunklen Klinkern) und Variante 2 (mit Baumüberstellung, heller Betonstein, Fassaden verglast) am Standort Hannover, gemäßigtes Klima, 52,4 ° nördlicher Breite, am 21.06. um 14.00 Uhr, Simulation mit ENVI-met, Farbkarte aus ENVI-met übertragen in ein Sketch-Up Modell. Grafik: Hendrik Laue
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Behaglichkeitszustände in den Jahreszeiten für zwei exemplarische Orte (San Francisco und Kassel) im gemäßigten Klima, sinngemäß nach weatherspark.com in Behaglichkeitsdiagramme überführt. Grafik: Hendrik Laue

Landschaftsarchitekten können insofern heutzutage durch Anwendungsprogramme auch ohne Messungen relativ genaue Erkenntnisse für die Planung gewinnen. Computersimulationsprogramme wie beispielsweise Envi-Met (www.envi-met.com) beschreiben praxisnah ein Mikroklima ohne vorherige Messungen. Die Entwurfsvarianten können in einem 3-D Tool eingelesen oder nachgebaut werden, um sie dann anschließend thermisch überprüfen zu können. Daneben bieten klassische Planungsinstrumente zu ermittelten Sonnenstandsverläufen, Schattendiagrammen oder Anwendungsratgeber zum Umgang mit Klima (z. B. städtebauliche Klimafibel/www.staedtebauliche-klimafibel.de) wertvolle Quellen fachbezogener Analysen. Ursachenanalyse und Beurteilung von bestimmenden Klimafaktoren sind für Landschaftsarchitekten insofern auch ohne Simulationen im Rahmen möglich. Die genauere Beurteilung bestimmender Klimafaktoren für ein nicht klar definiertes Mikroklima nach Klimatopen bleibt aber ohne computergestützte Simulationen und konkrete Datenerhebungen nur abschätzbar. Hier helfen vergleichende Analysen von vorhandenen Fakten und Ursachen oder Ableitungen gehäuft auftretender Effekte durch typische Klimafaktoren (Bspw. der Einfluss von Bedeckungsart vertikaler oder horizontaler Effekte oder der typische Einfluss von Gebäudeform oder Gebäudestellungen bei Windbewegungen).

Die konkrete Planungsaufgabe für das Mikroklima fasst zunächst analytisch bestimmende Klimaelemente und Klimafaktoren für den betreffenden Standort zusammen. Dabei gilt es Besonderheiten vom Makroklima (Klimazone), über das Mesoklima (Klimaregion/Lokalklima) bis hin zum typischen Mikroklima (Klimatop) und seinen Besonderheiten auszuwerten. Welche Potentiale und Defizite sind zu benennen? Welche Grenzen der Einflussmöglichkeiten liegen vor (Eine Optimierung von Behaglichkeit ist nicht zu jeder Jahreszeit an jedem Ort durch Planungsinstrumente zu erreichen)? Dabei ist eine Abwägung von Einflussgrößen, Einflussmöglichkeiten und Nutzeransprüchen für Tages- und Jahreszeiten hilfreich.

Daneben sollten Einflussvarianten in übliche Entwurfsvarianten miteinfließen. Für den Einfluss durch messbare Klimaelemente bieten standortbezogene Bilanzierungen in Form einfacher abgeschätzter numerischer Ein- und Ausgangswerte wichtige Erkenntnisse zu Möglichkeiten der Steuerung von Energieflüssen (Energiebilanz). Hilfreich ist, unabhängig von nur bedingt abzukoppelnden äußeren Zusammenhängen im Meso- oder Mikroklima, möglichst genau einflussgebende Klimaelemente und die steuerbaren Klimafaktoren durch die Landschaftsarchitektur und des Landschaftsbaus zu bestimmen. Welche Einflüsse durch Raumdinmension, Raumhomogenität, Eigenschaften von Oberflächen, Vegetation oder Einflüsse durch Einzelelemente im Freiraum wie Wasserbecken oder Mauern sind bestimmend und im welchen Rahmen auch planerisch zu verändern? Für diese strategischen Entscheidungen ist das einfache Prinzip von "Wärmen" und "Kühlen" unter bestimmten Bedingungen durch Materialien, Bauelemente, Vegetation und deren Anordnung, Ausrichtung sowie Wirkungsgrade im Freiraum eine hilfreiche Betrachtung.

Klimagerechtes Handeln

Klimagerechte Planungs- und Bauprozesse bleiben wie beschrieben ortsbezogen immer von überortsbezogenen klimatischen Verhältnissen abhängig. Im Zuge absehbarer globaler Klimaveränderungen werden sich diese äußeren klimatischen Bedingungen verändern. Eine klimagerechte Planung kann die äußeren Zustände moderieren aber niemals gänzlich verändern. Es bietet sich aber dennoch an, bei reflektierten Planungs- und Bauprozessen diese äußeren Bedingungen genau zu analysieren und darauf zu reagieren. Die klimatischen Phänomene auf Makro- und Mesoebene sind beschreibbar und standortspezifisch abzuwägen. Das Stadtklima, als gegenüber dem Umland definiertes verändertes Lokalklima mit sehr dichter Bebauung und oft fehlender Vegetation sowie veränderten Bodenverhältnissen, birgt dabei in unterschiedlichen Klimazonen große Risiken aber auch mehrere Chancen im Umgang.

Das städtische Umfeld mit seinen mehr oder weniger klaren typologischen Freiraumeinheiten bietet in Teilen mehr Einflussmöglichkeiten auf das direkte thermische Umfeld als beispielsweise im ländlichen Umland. Im Kontext steigender Urbanisierung kommen somit gute fachliche Planungsentscheidungen einem Großteil der menschlichen Nutzer zugute. Die oft räumlich gefassten Mikroklimate sind durch die Ausgestaltung der Entscheider nicht selten thermisch zu beeinflussen. Hier fehlt derzeit ein Bewusstsein der planenden und umsetzenden Fachdisziplinen der Landschaftsarchitektur und des Landschaftsbaus für die Bedeutung ihrer Handlungsweisen.

Bei alledem helfen definierte Vorgaben und Anpassungsstrategien wie beispielsweise in Deutschland die "Deutsche Anpassungsstrategie (DAS)" an den Klimawandel oder der "Aktionsplan Anpassung (APA)". Zusammen mit Umweltmeteorologen, Stadtplaner und Architekten sind vielschichtige Projekte entwickelt und analysiert worden. Diese bilden wichtige Grundlagen für den langfristigen Prozess einer Anpassung an den Klimawandel. Jedoch sind es immer die lokalen oder regionalen Akteure, die Stadtplaner(-innen) und Landschaftsarchitekten(-innen) die diese Anpassungsmaßnahmen erkennen, entwickeln und umsetzen müssen.

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Hierarchie der Analyseschritte für kleinräumliche Situationen der Landschaftsarchitektur: Besonderheiten des betreffenden Klimatops, Besonderheiten und Möglichkeiten zur Veränderung, Nutzeranforderungen an den betreffenden Freiraum. Grafik: Hendrik Laue
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Beispielhafte Beschreibung klimatischer Besonderheiten eines räumlich gefassten Klimatops, hier: einer kleiner Platz im urbanen Umfeld. Grafik: Hendrik Laue
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Beispielhafte Handlungskriterien zum Umgang mit Klima in der Hierarchie der Analyse- und Handlungsschritte (Vom "Großen" zum "Kleinen"). Grafik: Hendrik Laue
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Beispielhafte Platzgestaltung im Bereich der mittel gemäßigten Klimaten, hier: Kassel, 51,3 ° nördlicher Breite. Grafik: Hendrik Laue

Wie eingangs erwähnt fehlen neben konkreten klimatischen Vorgaben für die Objektebene (nur auf der städtebaulichen Ebene werden die Belange von Klima und Luft berücksichtigt es fehlt aber die "Richtlinie für klimagerechte Freianlagen") auch konkrete Handlungsanleitungen für die Landschaftsarchitektur und den Landschaftsbau. Hier besteht Forschungsbedarf insbesondere in der Schnittstelle zwischen Landschaftsarchitektur und Umweltmeteorologie, um fachliche richtige Planungen im Rahmen der Forderungen zum Klimaschutz bis zur Objektebene auch umsetzen zu können. Vergleicht man beispielsweise historische Freianlagen mit aktuellen Projekten sind in der Regel historische Freianlagen immer besser an örtliche Klimaverhältnisse angepasst als aktuelle Vergleiche.

Ein Ortsbezug bleibt heutzutage nicht selten auf Kosten von ökonomischen, funktionalen oder ästhetischen Fokussierungen auf der Strecke. Die Einflüsse von Globalisierung, Ökonomisierung oder auch von Technisierung überragen offensichtlich einfache analytische Fragen zum Standort, Mikroklima und deren planerischen Konsequenzen. Was bleibt sind nicht selten thermisch vollkommen ungünstige Freiräume. Die Mittel und Möglichkeiten insbesondere für urbane Mikroklimate Defizite durch gezielte Planungshandlungen auszugleichen, werden oft nicht genutzt oder gar nicht erkannt. Hier lohnt sich der Rückblick in die Geschichte unserer Berufsdisziplin zu den alten Vorbildern mit ihren fachlichen Fähigkeiten zum Umgang mit Klima.

Wichtig ist für die Zukunft, eine klimagerechte Planung von Freiräumen deutlich zu steigern. Es bedarf an Arbeitshilfen und Verständnisgrundlagen für klimagerechte Freianlagen unterschiedlicher Typologien. Im Weiteren können konkret formulierte Anforderungen in beispielsweise themenorientierten Kriterien eine Qualität zum Umgang mit Klima sichern. Und es bedarf Instrumente zur Kommunikation von Fachinhalten für alle Maßstabsebenen betroffener Akteure. Ziel sollte es sein, übergeordnete fachliche Inhalte aus der Umweltmeteorologie und deren Erkenntnisse zu bestimmten Klimaphänomenen an die Akteure und Entscheider weiterzutragen.

"Anpassungen an den Klimawandel sind Initiativen und Maßnahmen, um die Empfindlichkeit natürlicher und menschlicher Systeme gegenüber tatsächlichen oder erwarteten Auswirkungen der Klimaänderung zu verringern."

Weltklimarat IPCC, 4. Sachstandsbericht, 2007: Klimaänderung: Zusammenfassungen für politische Entscheidungsträger


Literatur

Brown, Robert et.al. (1995): Microclimate Landscape Design, Wiley and Sons, New York.

Erell, Evyatar et. al. (2011): Urban Microclimate-Designing the Spaces Between Buildings, Earthscan, London.

Forman, Richard (2014): Urban Ecology, Science of Cities, Cambridge University Press.

Geiger, Rudolf (1961): Das Klima der bodennahen Luftschicht, 4. Auflage, Vieweg & Sohn, Braunschweig.

Landeshauptstadt Stuttgart (2012): Städtebauliche Klimafibel, Online-Ressource: www.stadtklima-stuttgart.de.

Laue, Hendrik (2019): Klimagerechte Landschaftsarchitektur, Patzer Verlag, Berlin.

Lenzhölzer, Sandra (2010): Designing Atmospheres Research and Design for Thermal Comfort in Dutch Urban Squares, Wageningen University.

Olgyay, Victor (1963): Design with climate, Bioclimatic approach to architectural regionalism, Princeton University Press, New Jersey.

Pijpers-van Esch, Marjolein (2015): Designing the Urban Microclimate, Architecture and the Built environment, University of Delft.

Vdi Richtlinie 3787-1-10: Umweltmeteorologie, Berücksichtigung von Klima und Lufthygiene, Human-biometeorologische Anforderungen.

Hinweis zur Neuerscheinung

Hendrik Laue: Klimagerechte Landschaftsarchitektur, Handbuch zum Umgang mit Elementen und Faktoren des Klimas im Freiraum, 184 Seiten, gebunden, 10 vierfarbige Fotos, 141 vierfarbige Grafiken, 5 Tabellen, April 2019, Patzer Verlag Berlin-Hannover, ISBN 978-3-87617-155-5

Prof. Dr.-Ing. Hendrik Laue
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Hochschule Ostwestfalen-Lippe

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