Straßenbäume als Komponente der Überflutungs- und Hitzevorsorge in Städten

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1. System Stockholm: Einleitung von Straßenabflüssen in die Pflanzgrube gemäß der Stockholm Solution (ohne Maßstab). Grafik: C.Biber, basierend auf Embrén et al. 2009

Der Sommer 2018 hat deutlich gezeigt, wie sich die Folgen des Klimawandels auf Deutschland auswirken werden. Hitzeperioden und Starkregen haben vielen Städten Probleme bereitet. Straßenbäume können wichtige Funktionen bei der Überflutungs- und Hitzevorsorge übernehmen. Relevant ist dabei unter anderem, dass die Pflanz-gruben entsprechend gestaltet werden. Welche Möglichkeiten hierfür bestehen, stellt der folgende Artikel dar.

Urbanes Grün übernimmt eine wichtige Rolle bei der Anpassung von Städten an die Folgen des Klimawandels (BBSR 2015, BMUB 2017). Ein zentrales Element sind dabei die Straßenbäume: Sie können im Sommer den Hitzestress für die Bewohner reduzieren, indem sie den Straßenraum und die Hausfassaden verschatten. Zeitgleich ist es möglich, Niederschlagswasser in die Pflanzgruben einzuleiten und dort zu versickern (Embrém et al. 2009, NYC 2013, Kruse 2015). Straßenbäume können somit einen wichtigen Beitrag bei der Überflutungs- und Hitzevorsorge übernehmen, jedoch leiden viele von ihnen unter verschiedensten Stressfaktoren, die ihre Vitalität beeinträchtigen.

Stressfaktoren für Straßenbäume

Straßenbäume haben oftmals sowohl ober- als auch unterirdisch wenig Platz zum Wachsen und Ausbreiten ihres Wurzelwerks und ihrer Baumkrone. Grund dafür sind die zunehmende Bodenverdichtung, der verstärkte Platzmangel und ein erhöhter Versiegelungsgrad durch den Neu- und Ausbau von Verkehrsflächen, durch zahlreiche unterirdische Infrastrukturleitungen und durch Baumaßnahmen zur Bereitstellung von städtischem Wohnraum. Die Sauerstoffversorgung der Wurzeln sowie der für die Bäume notwendige Gasaustausch von Stickstoff und Kohlendioxid zwischen Boden und Atmosphäre sind stark eingeschränkt. Gleichzeitig verändert die zunehmende Versiegelung von Flächen die Wasserverfügbarkeit für die Straßenbäume. Als Folge davon können die Wurzeln enorme Schäden an der technischen Infrastruktur, an Gebäuden oder Wegebelägen auf der Suche nach Wasser und Bodenluft verursachen (Embrém et al. 2008, Streckenbach 2009). Vor allem Jungbäume sind vom Trockenstress betroffen, da ihre Wurzeln noch keine tiefer liegenden Wasserquellen erschlossen haben. Ausreichende Wuchsbedingungen sind jedoch essentiell, um Straßenbäume langfristig erhalten zu können. Zudem sind geschwächte Bäume besonders anfällig für Krankheiten und Schädlinge (Rohloff 2013). Verstärkt werden diese Probleme durch die prognostizierten Klimafolgen: häufigere und intensivere Regenereignisse, häufigere und längere Trockenperioden, die zunehmende Durchschnittstemperatur sowie vermehrte Stürme (IPCC 2013, Böll et al. 2014).

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2a. System Stockholm: Schacht zur Be- und Entlüftung der Pflanzgrube sowie zur Einleitung von Regenabflüssen, während des Einbaus in eine Pflasterdecke. Foto: C. Biber
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2b. System Stockholm: Schacht zur Be- und Entlüftung der Pflanzgrube sowie zur Einleitung von Regenabflüssen, während des Einbaus nach dem Einbau in eine Pflasterdecke. Foto: C. Biber

Pflanzgruben von Straßenbäumen als Komponente der Überflutungsvorsorge?

Vorgaben für die Gestaltung der Pflanzgruben von Straßenbäumen sind durch die DIN-Norm "DIN 18916 - Vegetationstechnik im Landschaftsbau; Pflanzen und Pflanzarbeiten" sowie die Empfehlungen der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau (FLL) definiert (FLL 2010, 2015). Gemäß FLL soll die Pflanzgrube für Straßenbäume mindestens zwölf Kubikmeter bei einer Tiefe von mindestens 1,50 Meter aufweisen. Sie wird mit einem Substrat verfüllt, das aus einer Mischung von Gerüststoffen wie Splitt oder Lava besteht, die, je nach Standortbedingungen, mit Sand, Lehm und Humus vermischt werden. Die Wasserdurchlässigkeit (kf-Wert) soll in der hergestellten Pflanzgrube zwischen 5,0 mal 10-4 bis 5,0 mal 10-4 betragen. Durch mindestens 30 Zentimeter breite mit Kies oder Schotter (Körnung 8 bis 22 mm) gefüllte Gräben sollen die Pflanzgruben vergrößert und untereinander verbunden sowie mit einem senkrechten Rohr bis an die Oberfläche belüftet werden. Dadurch können ein Stoffwechsel zwischen den Wurzeln der benachbarten Bäume und der Gasaustausch mit der Atmosphäre gesichert werden.

Das Thema einer gezielten Versickerung von Regenabflüssen als Teil der Überflutungsvorsorge wurde jedoch bisher nicht vorgesehen. Aus diesem Grund will dieser Artikel aufzeigen, wie es planerisch und technisch gelingen kann, den Regenabfluss von städtischen Ober- beziehungsweise privaten Dachflächen in die Pflanzgrube einzuleiten. Auf diese Weise kann bei Starkregen die Kanalisation entlastet und somit ein wichtiger Beitrag zur Überflutungsvorsorge geleistet werden. Voraussetzung ist, dass die Pflanzgrube als Versickerungsanlage gemäß dem DWA-Arbeitsblatt A 138 "Planung, Bau und Betrieb von Anlagen zur Versickerung von Niederschlagswasser" (DWA 2005) bemessen wird. Es wird dabei angenommen, dass das dafür nötige höhere Porenvolumen im Boden gleichzeitig das Wurzelwachstum der Bäume begünstigt und damit langfristig ihre Vitalität und Stabilität erhöht. Aus diesem Grund hat sich die HafenCity Universität Hamburg (HCU) unter anderem mit den folgenden Fragen beschäftigt:

  • Welche Städte leiten bereits Niederschlagswasser von angrenzenden Wege- und Straßen- beziehungsweise Dachflächen gezielt in die Pflanzgruben von Straßenbäumen ein und welche Pflanzgrubensysteme nutzen sie dafür?
  • Wie sollte die Pflanzgrube der Zukunft gestaltet sein, die die Versickerung von Regenabflüssen gewährleistet und gleichzeitig die Vitalität der Bäume fördert?
  • Wie könnte ein innovatives Konzept zur Überflutungsvorsorge aussehen, in dem die Pflanzgruben der Straßenbäume einen wichtigen Bestandteil darstellen?

Der nachfolgende Artikel greift diese Fragen auf. Er basiert auf der Masterarbeit "Advanced Urban Trees" (2017) von Carmen Biber im Studiengang "Resource Efficiency in Architecture and Planning" (REAP) sowie den Forschungsergebnissen aus den Projekten "SiK: Stadtbäume im Klimawandel" und "KliQ: Klimafolgenanpassung innerstädtischer hochverdichteter Quartiere", die jeweils an der HCU Hamburg, Fachgebiet "Umweltgerechte Stadt- und Infrastrukturplanung" bearbeitet beziehungsweise betreut wurden.

Internationale Beispiele für verschiedene Pflanzgrubensysteme

Carmen Biber hat im Rahmen ihrer Masterarbeit unter anderem internationale Fallbeispiele von Pflanzgrubensystemen analysiert und diese anhand der jeweils verwendeten Materialien in vier verschiedene Kategorien eingeteilt:

  • I. Großformatige Steine - Beispiel: Stockholm, Schweden
  • II. Mittelgroße Steine - Beispiel: New York City, USA
  • I. Feine Böden - Beispiel: Melbourne, Australien
  • V. Rigolenkörper-Systeme - Beispiel: Toronto, Kanada

Die vier Städte betrachten Straßenbäume jeweils als wichtiges Element zur Überflutungs- und Hitzevorsorge. Sie stellen umfangreiches Material über die Konstruktion der Pflanzgruben und den Einbau zur Verfügung, um die Umsetzung zu fördern und zu vereinfachen. Obwohl sie unterschiedliche Materialien verwenden, verbinden jedoch alle vier Städte die Pflanzgruben auf voller Breite bzw. über Wurzelkanäle miteinander, um so möglichst naturnahe Standortbedingungen für die Straßenbäume zu schaffen. Die einzelnen Systeme der vier Städte werden jeweils bei Neupflanzungen von Bäumen verwendet. Zusätzlich dazu nutzt die Stockholmer Stadtverwaltung das System zur Revitalisierung ihrer Bestandsbäume.

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3. System New York: Einleitung von Straßenabflüssen in die Pflanzgrube mit der CU-Structural Soil (ohne Maßstab). Grafik: C.Biber, basierend auf Bassuk et al. 2015
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4. System Melbourne: Einleitung von Straßenabflüssen in den Raingarden Tree Pit(ohne Maßstab). Grafik: C.Biber, basierend auf City of Melbourne 2015
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5. System Toronto: Einleitung von Straßenabflüssen in das Rigolensystem (ohne Maßstab). Grafik: C.Biber, basierend auf Deeproot 2011

Durch die gezielte Einleitung von Niederschlagswasser in die Pflanzgrube wollen die Städte Trockenstress und Vitalitätsverlust der Bäume vorbeugen. In allen Systemen wird kein Filter für die im Regenabfluss enthaltenen Schadstoffe, wie Reifenabrieb oder Streusalz, verwendet. Hierfür sollen die biologischen und chemischen Prozesse in der Substratmischung ausreichen. Des Weiteren soll jeweils eine Drainageleitung am Boden der Pflanzgrube den Baum vor Vernässung schützen. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass sowohl die neugepflanzten Bäume als auch die Stockholmer Bestandsbäume sehr vital sind. Im Folgenden werden die Besonderheiten der jeweiligen Systeme aufgeführt.

Großformatige Steine in Stockholm

Seit 2004 baut die Stockholmer Stadtverwaltung die Pflanzgruben und dazugehörigen Baumscheiben nach der sogenannten "Stockholm Solution" (Abb. 1). Bei diesem System wird der bei fast jedem tieferen Bodenaushub als Abfallprodukt anfallende Granit verwendet. Der Granit wird in die entsprechende Größe von 100 bis 150 Millimeter für die untere Schicht und 32 bis 63 Millimeter für die Belüftungsschicht gebrochen und wird direkt zum Bau der Pflanzgrube eingesetzt. Als kostengünstige Alternative kann recycelter Beton verwendet werden. Falls es die Standortbedingungen erlauben, wird die Pflanzgrube unterhalb des Gehwegs und der Fahrbahn erweitert, wodurch ein möglichst großer Wurzelraum geschaffen wird. Die verdichteten Schotterschichten erzielen ein hohes Porenvolumen und dienen gleichzeitig als Tragschicht für die angrenzenden Oberflächen. Eine der wichtigsten Komponente aus dem Stockholmer System ist ein Schacht, der circa 50 Zentimeter in die Pflanzgrube reicht (Abb. 2). Er sorgt durch die Be- und Entlüftung der Grube für einen ausreichenden Gasaustausch zwischen dem versiegelten Boden und der Atmosphäre sowie für die gezielte Einleitung von Niederschlagswasser über angeschlossene Leitungen beziehungsweise Rinnen.

Mittelgroße Steine in New York City

Mitte der 1990er-Jahre hat die Cornell University in Ithaca, New York ein Substrat entwickelt, das sich "CU-Structural Soil" nennt. Die Mischung soll sowohl den Ansprüchen von Stadtbäumen genügen als auch die Tragfähigkeit für städtische Oberflächen wie Straßen, Parkplätze und Gehwege gewährleisten. Das Substrat besteht aus Steinen mit einem Durchmesser von 19 bis 38 Millimeter und Oberboden. Es wird vor dem Einbau in die Pflanzgrube vermischt und anschließend verdichtet. Nach Fertigstellung gelangt das Niederschlagswasser über eine Öffnung im Bordstein auf die mit einem Rost oder Platten überdeckte Baumscheibe und sickert in die Pflanzgrube (Abb. 3).

Das New Yorker System ist der Stockholmer Lösung sehr ähnlich, jedoch steht den Bäumen in New York weniger Porenvolumen zur Verfügung. Dennoch entwickeln die Bäume ein enormes Wurzelsystem ohne den Belag anzuheben und sie zeigen eine hohe Vitalität. Mehr als 20 Jahre Erfahrungen belegen dies.

Feine Böden in Melbourne

Die Stadt Melbourne hat ein Programm zur wassersensiblen Stadtentwicklung. Ein wichtiger Baustein sind die sogenannten Raingarden Tree Pits, die als Pflanzgruben für Straßenbäume dienen und in die Niederschlagswasser eingeleitet wird. Das System basiert vorwiegend auf Sand und bietet ein großes Rückhaltevolumen, da die Pflanzgrube tiefer liegt als die angrenzenden Flächen - ähnlich unseren Versickerungsmulden. Das Niederschlagswasser wird von der Straße direkt über eine Öffnung im Bordstein auf die Pflanzgrube geleitet, in der es versickert und in den verschiedenen Schichten (Mulch, sandiges Substrat mit aufgelagertem Oberboden und Sand als Ummantelung der Drainageleitung) gereinigt wird.

Rigolen-Systeme in Toronto

Im Gegensatz zu den vorherigen drei Städten setzt die Stadtverwaltung in Toronto auf ein Rigolensystem, das aus Kunststoffelementen besteht (Abb. 5). Diese Elemente werden mit einer wasserspeichernden Oberbodenmischung aus Sand, Ton und Schluff gefüllt, welches nicht weiter verdichtet wird. Dadurch kann dieses System das höchste Porenvolumen aller Systeme bereitstellen. Es werden sowohl ideale Wachstumsbedingungen für die Wurzeln des Straßenbaumes geschaffen als auch für das Versickern der anfallenden Regenabflüsse. Des Weiteren kann das Rigolensystem problemlos unter hoch belasteten urbanen Flächen eingebaut werden. Doch inwieweit ist dieses System nachhaltig?

Die Fragen der langfristigen Haltbarkeit der Kunststoffelemente, des möglichen Eintrags von Schadstoffen ins Grundwasser und des ggf. notwendigen Ausbaus und des Recyclings sind dabei zu beachten.

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6. Weiterentwickeltes Pflanzgrubensystem (ohne Maßstab). Grafik: C.Biber
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7. Beispielhaftes Konzept zur Überflutungsvorsorge für Winterhude-Süd. Grafik: HCU Hamburg

Weiterentwicklung des Pflanzgrubensystems

Basierend auf den Erkenntnissen der Referenzstädte hat Carmen Biber im Rahmen ihrer Masterarbeit das deutsche Pflanzgrubensystem der FLL (FLL 2010 und 2015) weiterentwickelt (Abb. 6). An Stelle des bisher vorgesehenen feinen Substrats aus Splitt/Lava mit Sand, Lehm und Humus wird zusätzlich gebrochenes Schottermaterial (100 bis 150 mm) eingesetzt. So entsteht eine lastenaufnehmende Netzstruktur, die ein grobes Porenvolumen für eingeschlämmtes und unverdichtetes feines Substrat aus Lava, Sand, Lehm, Humus und Pflanzkohle bietet, das je nach Standortbedingungen zusammengestellt wird. Auf Splitt als gerüstbildenden Zusatz kann nun verzichtet werden, da die Netzstruktur aus dem groben Schottermaterial die lastaufnehmende Aufgabe übernimmt. Besonders wichtig dabei ist, dass das gebrochene, grobe Schottermaterial unabhängig von dem Substrat als erstes lagenweise in die Pflanzgrube eingebaut und verdichtet wird. Erst danach darf das Substrat eingeschlämmt werden. Nur durch diese Reihenfolge in zwei separaten Einbauschritten kann ein unverdichtetes Substrat garantiert werden. Der Baum kann dadurch ein kräftiges und tiefreichendes Wurzelsystem in der 1,50 Meter tiefen Pflanzgrube ausbilden, das ihm eine optimale Nährstoff- und Wasseraufnahme sichert. Das Porenvolumen dient zusätzlich zur Retention und Speicherung von Niederschlagswasser. Idealerweise sollten immer mindestens zwei Baumstandorte miteinander verbunden werden, so dass die Bäume über ihre Wurzeln lebenswichtige Stoffe (Mykorrhiza) austauschen können.

Vorteil dieses neuen Systems für Straßenbäume ist, dass aufgrund der Materialverwendung und des zweistufigen Einbaus von Schotter und Substrat ideale Wuchsbedingungen für die Bäume geschaffen werden und zugleich eine multifunktionale Nutzung der Baumscheibe in hochverdichteten Stadträumen durch Fußgänger oder Autoverkehr möglich ist.

Chancen und Risiken für die Straßenbäume

Im Rahmen des SiK-Projektes wurden Möglichkeiten und Grenzen der Versickerung von Regenabflüssen an Baumstandorten in Straßenräumen verschiedener typischer Stadtstrukturen in Hamburg untersucht und veranschaulicht (Dickhaut et al. 2018). Anhand von konkreten Baumstandorten wurde überprüft, inwieweit der anfallende Dachabfluss der angrenzenden, meist privaten Gebäude sowie der Straßenabfluss in den Pflanzgruben versickert werden kann. Ziel war es, Aussagen zu Wasserspeichervermögen einer Pflanzgrube, anfallende Wassermengen bei unterschiedlichen Regenereignissen, Versickerungspotenzial und planerischen sowie rechtlichen Rahmenbedingungen treffen zu können.

Besonders in hochverdichteten und versiegelten Straßenzügen ist die Wasserzufuhr über die Baumscheibe erheblich eingeschränkt. Niederschlagswasser, das von anliegenden (meist privaten) Dachflächen über Regenrohre sowie Rohre unter dem Gehweg in die Pflanzgrube geleitet werden würde, kann an diesen Standorten eine ergänzende Wasserzufuhr trotz hohem Versiegelungsgrad bedeuten. Grundvoraussetzung ist, dass der Mindestabstand von sechs Meter zwischen Gebäude und Baumstandort eingehalten wird, um eine Vernässung der Gebäudefundamente zu vermeiden. So kann wesentlich zur Verbesserung der Wasserverfügbarkeit in der Pflanzgrube beigetragen werden und der Eintrag von Schadstoffen wird im Gegensatz zum Straßenabfluss, je nach Dachmaterial, vermieden.

Die Berechnungen zeigen, dass die anfallenden Wassermengen gut kalkulierbar sind und der anfallende Dachabfluss technisch und mengenmäßig in ein oder mehrere Baumstandorte des Straßenraumes geleitet werden kann, ohne ein Problem der Staunässe zu verursachen. In Kombination mit einer Aufwertung der Baumstandorte über eine gezielte Auswahl des Substrats sowie dem Bau von Wurzelgräben ergeben sich weitere Chancen für eine verbesserte Wasserversorgung und für das Wurzelwachstum der Bäume.

Schadstoffe oder Streusalz, die sich im Regenabfluss von Gehwegen und Straßenflächen befinden, stellen jedoch eine erhebliche Belastung für die Straßenbäume dar (FHH 2012). Darüber hinaus ist an einigen Baumstandorten das erforderliche Versickerungspotenzial nicht gegeben, so dass der Ansatz hier nur mit hohem technischem Aufwand im Hinblick auf die zusätzliche Ableitung des Überschusswassers möglich ist. Ebenso muss jeweils geprüft werden, ob die anfallenden Wassermengen das Fassungsvolumen überschreiten. Voraussetzung ist, dass geeignete Baumarten ausgewählt werden, zum Beispiel Ulmus laevis (Flatterulme), Ulmus minor (Feldulme), Gleditsia triacanthos 'Skyline' (Amerikanische Gleditschie).

Unklar ist jedoch derzeit, wie viel Wasser den Bäumen besonders in Trockenzeiten zur Verfügung steht, da es vordergründig in diesen Zeiten benötigt wird. Zudem müssten technische Möglichkeiten geprüft werden, wie Wasser in Trockenzeiten zwischengespeichert und den Bäumen zur Verfügung gestellt werden kann. Darüber hinaus bedarf es einer Gesetzesänderung, da die Einleitung von Regenabflüssen von privaten Flächen in öffentliche Baumstandorte oftmals rechtlich nicht erlaubt ist.

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8. Typische Quartiersstraße im Bestand. Grafik: HCU Hamburg
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9a. Begrünte Straße bei Sonne mit versickerungsfähigen Pflanzgruben von Straßenbäumen und Tiefbeeten. Grafik: HCU Hamburg
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9b. Begrünte Straße bei Regen mit versickerungsfähigen Pflanzgruben von Straßenbäumen und Tiefbeeten. Grafik: HCU Hamburg

Diese Ergebnisse sowie das weiterentwickelte Pflanzgrubensystem von Carmen Biber wurden mit den beteiligten Akteuren in Hamburg intensiv diskutiert und anschließend wurden Veränderungsvorschläge formuliert, die im neuen Forschungsprojekt BlueGreenStreets umgesetzt werden sollen (siehe Fazit).

Pflanzgruben als Bestandteil eines innovativen Überflutungskonzeptes

Im Rahmen des Forschungsprojektes KliQ wurde überprüft, ob und inwieweit die Pflanzgruben von Straßenbäumen Bestandteil eines innovativen Überflutungskonzeptes für ein bestehendes innerstädtisches und überflutungsgefährdetes Quartier sein können (Kruse et al. 2017). Als Beispiel diente Winterhude-Süd im Nordosten Hamburgs. Der Fokus liegt dabei auf der Umgestaltung des öffentlichen Raumes (Abb.7). Langfristiges Ziel des Konzeptes ist, ein grünes und lebenswertes Stadtquartier zu schaffen beziehungsweise in diesem Falle zu bewahren und damit zur Überflutungsvorsorge beizutragen. Als Grundlage dient ein zusammenhängendes Vorsorgesystem, so dass im Falle eines Starkregens das überschüssige Wasser im öffentlichen Raum versickert, temporär zurückgehalten und - wo es notwendig ist - möglichst schadensfrei in die angrenzenden Kanäle abgeleitet wird. Als wichtige Komponente dieses Vorsorgesystems dient ein neuer Raumtypus von Straßen und Grünflächen zur Reduzierung des Überflutungsrisikos, bestehend aus:

  • begrünten Straßen (mit den entsprechend umgestalteten Pflanzgruben)
  • wasserspeichernden Grünflächen
  • wasserspeichernden sowie wasserableitenden Straßen

Sie orientieren sich am Cloudburst Management Plan der Stadtverwaltung Kopenhagen (City of Copenhagen 2012, 2014) sowie am Wissensdokument "Hinweise für eine wassersensible Straßenraumgestaltung" der BWVI Hamburg (2015). Die begrünten Straßen werden im Folgenden näher beschrieben.

Raumtyp: Begrünte Straßen

Die begrünten Straßen dienen als Grundgerüst des Vorsorgekonzeptes und umfassen sämtliche Quartiers-, Sammel- und Verbindungsstraßen, soweit es die Topographie und die Platzverfügbarkeit innerhalb des Straßenraumes zulässt. Sie werden vor allem durch die Straßenbäume geprägt, die entweder schon vorhanden sind oder ergänzt werden sollten. Ein Großteil des Regens wird, je nach Stärke des Regenereignisses, bereits durch die Baumkronen der Straßenbäume aufgefangen und direkt wieder verdunstet. Der anfallende Regenabfluss von Gehwegen und Straßen wird in die Pflanzgruben eingeleitet, um dort, je nach Standortbedingungen, zu versickern oder zurückgehalten und verzögert ins Kanalnetz eingeleitet zu werden (Abb. 8, 9). Dazu können sowohl bestehende Baumstandorte optimiert oder neue Baumstandorte geschaffen werden.

Falls in den oftmals beengten Quartiersstraßen kein Platz für Straßenbäume vorhanden ist, werden stattdessen bepflanzte Tiefbeete eingesetzt. Sie dienen zur Versickerung und zur Rückhaltung von Regenabflüssen und können anstelle eines Stellplatzes im Bereich der Straße angeordnet werden. Auf diese Weise kann oftmals ein ausreichender Abstand von den Gebäuden zur Versickerungsanlage eingehalten werden.

Fazit und weitere Forschungsfragen

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass es bereits einige Ansätze zur Pflanzgrubenoptimierung zur Überflutungsvorsorge gibt und diese national und international in der Praxis umgesetzt werden. Die Straßenbäume weisen in der Regel eine gute Vitalität auf. Zudem können Pflegekosten eingespart werden. Bei den vier vorgestellten Städten steht allerdings die Versickerung von Niederschlagswasser und nicht die Verbesserung der Wasserverfügbarkeit für die Bäume im Vordergrund. Fragen zur Wasserquantität und -qualität (Schadstoffbelastung) sowie deren Folgen für die Bäume werden bisher nicht thematisiert. Folglich bedarf es einer Weiterentwicklung der Pflanzgrubensysteme.

Diese Weiterentwicklung soll im neuen Projekt "Multifunktionale Straßenraumgestaltung urbaner Quartiere - BlueGreenStreets" geleistet werden, dass vom Bundesministerium für Bildung und Forschung ab März 2019 gefördert und durch das Fachgebiet "Umweltgerechte Stadt- und Infrastrukturplanung" der HCU federführend geleitet wird. Ziel des Projektes ist, den Straßenraum als "Multitalent" zu betrachten und Gestaltungsspielräume für die mehrdimensionale Straßenraumnutzung zu identifizieren, die zum Beispiel durch Carsharing entstehen können. Dazu sollen unter anderem mit quantitativen Messmethoden die Wirkungszusammenhänge zwischen der Ausgestaltung der Pflanzgrube und der Vitalität der darin gepflanzten Bäume bestimmt werden. Es werden insbesondere die Wechselwirkungen zwischen der Gestaltung des Wurzelraums, dem Umgang mit Zuschusswasser, der daraus folgenden Verfügbarkeit von Sauerstoff, Wasser und Nährstoffen im Wurzelraum und der pflanzenphysiologischen Reaktion des Baumes auf Stress im Wurzelraum über einen längeren Zeitraum betrachtet. Bei der Gestaltung der Pflanzgrube werden unterschiedliche Substratzusammensetzungen auf ihre Eignung getestet, die sich in Porosität und Wasserleitfähigkeit unterscheiden. Im Rahmen der Messungen werden auch schadstoffbezogene Daten erhoben, zum Beispiel zur Salz- und Schwermetallbelastung.

Ein weiteres Ziel ist es, die planungs- und baubezogenen Rahmenbedingungen zur Errichtung der Pflanzgrube zu begleiten, zu beeinflussen und zu evaluieren. Hier werden zum Beispiel organisatorische Fragestellungen der Zuständigkeiten, rechtlichen Grundlagen, Finanzierungen oder Bauüberwachung und inhaltliche Fragestellungen zum Einzugsgebiet oder zur Materialzusammensetzung der Pflanzgrube betrachtet.

Literaturverzeichnis

Bassuk, N.; B. R. Denig; T. Haffner; J. Grabosky; P. Trowbridge, 2015: CU-Structural Soil™ - A Comprehensive Guide. New York (http://www.hort.cornell.edu/uhi/outreach/pdfs/CU-Structural%20Soil%20-%20A%20Comprehensive%20Guide.pdfwww.hort.cornell.edu/uhi/outreach/pdfs/CU-Structural%20Soil%20-%20A%20Comprehensive%20Guide.pdf, abgerufen am 04.01.2019).

BBSR (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung) 2015: Überflutungs- und Hitzevorsorge durch die Stadtentwicklung. Strategien und Maßnahmen zum Regenwassermanagement gegen urbane Sturzfluten und überhitzte Städte. Bonn.

Biber, C. 2017: Advanced Urban Trees. How street trees can be part of the solution. An advanced system of urban tree pits to be included in decentralized stormwater management. Masterarbeit im Studiengang REAP, HafenCity Universität Hamburg, betreut durch Prof. Dr.-Ing. W. Dickhaut und Dr.-Ing. E. Kruse.

BMUB (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit) (Hrsg.) 2017: Weißbuch Stadtgrün: Grün in der Stadt - Für eine lebenswerte Zukunft. Potsdam.

BMVI Hamburg (Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation der Freien und Hansestadt Hamburg) 2015: Hamburger Regelwerke für Planung und Entwurf von Stadtstraßen (ReStra). Wissensdokument "Hinweise für eine wassersensible Straßenraumgestaltung". Hamburg.

Böll, S.; P. Schönfeld; K. Körber, et al. (2014): Stadtbäume unter Stress. Projekt "Stadtgrün 2021" untersucht Stadtbäume im Zeichen des Klimawandels. LWF aktuell 98/2014: S. 4-8.

City of Copenhagen (Hrsg.) 2012: Cloudburst Management Plan 2012. Kopenhagen.

City of Copenhagen (Hrsg.) 2014: Cloudburst Management in Copenhagen. From Plan to Solution. Kopenhagen.

City of Melbourne 2016: The City of Melbourne, Urban Water: Our Strategies. (http://urbanwater.melbourne.vic.gov.au/urbanwater.melbourne.vic.gov.au, abgerufen am 04.01.2019).

DeepRoot 2011: Stormwater and the Silva Cell System, Schematics (https://www.deeproot.com/silvapdfs/resources/standardDetails/Stormwater_Schematics.pdfwww.deeproot.com/silvapdfs/resources/standardDetails/Stormwater_Schematics.pdf, abgerufen am 04.01.2019).

Dickhaut, W.; M. Fellmer; J. Lauer; A. Winkelmann, 2018: Dezentrale Regenwasserbewirtschaftung an Baumstandorten - Chancen und Risiken. Ausarbeitung im Projekt Stadtbäume im Klimawandel (SiK). Hamburg.

DWA (Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V.) 2005: Arbeitsblatt DWA-A 138. Planung, Bau und Betrieb von Anlagen zur Versickerung von Niederschlagswasser. Hennef.

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Embrén, B.; C. Bennerscheidt; O. Stahl, et al. 2008: Optimierung von Baumstandorten: Stockholmer Lösung: Wurzelräume schaffen und Regenwasser nutzen, Konfliktpotenziale zwischen Baum und Kanal entschärfen. In: wasserwirtschaft wassertechnik (wwt) (7-8): S. 38-43.

FHH (Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt) 2012: Streusalzmonitoring 2007-2011, Bericht. Hamburg. Online unter https://www.hamburg.de/contentblob/3909866/f714ee1109b3f17f6247c0b740f0f2a4/data/streusalz-monitoring-bericht.pdfwww.hamburg.de/contentblob/3909866/f714ee1109b3f17f6247c0b740f0f2a4/data/streusalz-monitoring-bericht.pdf (abgerufen am 03.11.2015).

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Kruse, E.; Z. Rodriguez Castillejos; W. Dickhaut; U. Dietrich, 2017: Überflutungs- und Hitzevorsorge in Hamburger Stadtquartieren. Hamburg.

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Roloff, A. 2013: Bäume in der Stadt. Besonderheiten - Funktion - Nutzen - Arten - Risiken. Ulmer. Stuttgart (Hohenheim).

Streckenbach, M. 2009: Interaktion zwischen Wurzeln und technischer Infrastruktur - Grundlagen und Strategien zur Problemvermeidung, Bochum.

Forschungsergebnisse zum Download

Projekt "SiK: Stadtbäume im Klimawandel", Forschungsergebnisse sowie Kurzfassung der Masterarbeit von Carmen Biber, zu finden unter: www.hcu-hamburg.de/research/forschungsgruppen/reap/reap-projekte/stadtbaeume-im-klimawandel-sik/

Projekt "KliQ: Klimafolgenanpassung innerstädtischer hochverdichteter Quartiere", Forschungsergebnisse, zu finden unter: www.hcu-hamburg.de/research/forschungsgruppen/reap/reap-projekte/klimafolgenanpassung-innerstaedtischer-hochverdichteter-quartiere-in-hamburg-kiq/

Autorin

Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Dickhaut
Autor

HafenCity Universität Hamburg (HCU), Leiter des Fachgebiets Umweltgerechte Stadt- und Infrastrukturplanung

Dr.-Ing. Elke Kruse
Autorin

Landschaftsarchitektin, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der HafenCity Universität Hamburg (HCU), Fachgebiet Umweltgerechte Stadt- und Infrastrukturplanung

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