Naturnahe Prozesse sparen bis zu 90 Prozent elektrische Energie

Beschattung und Kühlung von Gebäuden mit Regenwasser

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Die Niedrigstenergiehäuser der Zukunft werden im Sommer außen grün und innen kühl sein. Gebäudebegrünung bietet Beschattung und Verdunstungskälte. Wird die Begrünung bewässert durch gesammelte Niederschläge, ergeben sich Einsparungen an Betriebskosten für Wasser und Energie. Fachplaner ergänzen künftig diesen nachhaltigen Ansatz bei öffentlichen und halböffentlichen Gebäuden.

In der Physik wird die bei Verdunstung von 1 m³ Wasser alleine durch Änderung des Aggregatzustandes gebundene Energie mit etwa 700 kWh angegeben, bezogen auf die Verdunstung bei 45 °C. Bei 100°C sind es noch 630 kWh. In Stadtzentren würde dieser physikalische Effekt der Wärmebindung als natürliche Kühlung gut funktionieren, wären genügend wasserhaltige Flächen vorhanden. Meist wird jedoch die Solarstrahlung, statt in Verdunstung von Wasser, in fühlbare Wärme und langwellige Strahlung umgesetzt. Die Mehrzahl der Gebäude in Städten ist von einem solchen urbanen Hitzeinseleffekt betroffen. Zudem werden die inneren Wärmelasten in den an Wind armen Sommermonaten nicht ausreichend abgeführt.

Eine Lösung bietet vor diesem Hintergrund die Gebäudebegrünung, bewässert durch gesammeltes Regenwasser. Grundsätzlich ist die Bewirtschaftung der Niederschläge zur Rückführung in den natürlichen Wasserkreislauf von zentraler Bedeutung für den Klimaschutz. Denn solange Regenwasser wie bisher abgeleitet wird, fehlt eine Menge Luftfeuchtigkeit, die für weiteren Niederschlag notwendig ist.

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Berliner Modellvorhaben

Extensiv begrünte Dächer wandeln in den Sommermonaten 58 Prozent der Strahlungsbilanz in die Verdunstung von Wasser um. Im Gegensatz dazu liegen Bitumendächer bei sechs Prozent, wie Messungen an zwei benachbarten Dächern der UFA Fabrik in Berlin bestätigen. Ein großes Energieeinsparpotenzial haben des Weiteren Fassadenbegrünungen im Vergleich zu einem konventionellen Sonnenschutz. Dies zeigt ein Monitoring am Neubau des Institutes für Physik als Teil der Humboldt-Universität zu Berlin auf dem Campusgelände Adlershof. Hier wird Regenwasser sowohl zur Bewässerung der Fassadenbepflanzung als auch zur Verdunstungskühlung im Wärmeübertrager der Zu- und Abluft eingesetzt. Dass dabei bis zu einer Außentemperatur von 30 °C auf konventionell erzeugte Kälte verzichtet werden kann, ist ein wertvoller und auf alle Neubauten übertragbarer Beitrag zum Klimaschutz. Die Gebäudebegrünung schützt durch Beschattung die südlichen Fassaden vor hohen Temperaturen. Mit wissenschaftlicher Untersuchung begleitet die Hochschule Neubrandenburg und die Technische Universität Berlin dieses stadtökologische Modellvorhaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin seit Baubeginn vor 15 Jahren. Eines der Ergebnisse: Naturnahe Prozesse können nahezu 90 Prozent an Betriebskosten für die Gebäudekühlung sparen im Vergleich zu konventionellen Systemen.

Fassadenbegrünung zur Beschattung

Neun Fassaden des Institutes für Physik sind begrünt. Das Regenwasser von 4700 m² Dachfläche wird in unterirdischen Betonzisternen gesammelt und zum Teil für die Fassadenbegrünung genutzt. Dazu versorgt eine automatische Tropfbewässerung Kübelpflanzen in 29 Abschnitten. Die Anstaupegel in den Kübelwannen werden durch eine elektronische SPS-Steuerung kontrolliert. Der Bedarf zur Bewässerung der Fassadenpflanzen beträgt nach Auswertung der bisher gewonnenen Daten 250 m³ pro Jahr.

Die verschattende Wirkung der Fassadenbegrünung im Vergleich zum konventionellen Sonnenschutz kontrollieren jeweils sieben Strahlungssensoren. Um die Ergebnisse auf andere Standorte übertragen zu können, werden zudem umfangreiche mikroklimatische Messungen durchgeführt. In den ersten Jahren waren viele Fassadenpflanzen abgestorben. Als Ursache konnte Marco Schmidt von der Technischen Universität Berlin mehrere Einflüsse ausmachen, insbesondere den Austrag eines Herbizids aus der Dachabdichtung. Mittlerweile hat die Berliner Senatsverwaltung eine Handlungsempfehlung zur Vermeidung dieses Effekts herausgegeben. Aber auch mangelnde Pflege und tiefer Frost im Winter waren ausschlaggebend für den Ausfall einzelner Arten.

Um den funktionsfähigen Zustand langfristig zu erhalten, sind regelmäßige Überprüfungen der technischen Komponenten der Fassadenbegrünung erforderlich. Dazu gehören die Befestigungsteile der Pflanzkübel, die Kletterhilfen sowie die Einrichtungen der Bewässerung und Düngung. Es hat sich gezeigt, dass etwa drei bis vier Pflegedurchgänge in der Vegetationsperiode erforderlich, aber auch ausreichend sind. Je nach Belaubungsdichte von Kletterpflanzen gelangen nur noch 20 Prozent der einfallenden Strahlung auf die Wandoberfläche. Messungen haben ergeben, dass sich die Oberflächentemperaturen im Vergleich mit einer unbegrünten Wand um 15 K verringern. Den größten Anteil an diesem Effekt hat die Beschattung durch die Blätter der Pflanzen, während der geringere Teil auf die Transpiration zurück zu führen ist.

"Stadtbäume, Fassaden- und Dachbegrünungen tragen durch Verschattung, Dämmung und Verdunstungseffekt zur Abkühlung bei. Urbanes Grün macht unsere Städte widerstandsfähiger gegen den Klimawandel und gleichzeitig attraktiv und lebenswert. Stadtnatur muss daher als grüne Infrastruktur verstärkt gefördert und ,ausgebaut' werden", sagte BfN-Präsidentin Prof. Beate Jessel zur Eröffnung einer vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) gemeinsam mit dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) veranstalteten internationalen Fachkonferenz im November 2015 in Bonn. Solche positiven Beiträge von städtischem Grün zur Energieeinsparung - und somit zum Klimaschutz - konnten beispielsweise an einer Grünfassade in Wien nachgewiesen werden: Die sommerliche Verdunstung der Pflanzen an der 850 m² großen Fassade entspricht einer Kühlleistung von etwa 45 Klimaanlagen mit jeweils 3000 W und acht Stunden Betriebsdauer. Auch minderte sich laut Jessel der winterliche Wärmeverlust des Gebäudes um bis zu 50 Prozent.

Adiabate Abluftkühlung mit Regenwasser

Der Wärmeübertrager ist in der Regel derselbe, der im Winter für die Wärmerückgewinnung genutzt wird. Das Regenwasser wird in den Abluftstrom gesprüht und kühlt die Abluft im Wärmeübertrager deutlich ab. Von Luft zu Luft, meist im Plattenwärmeübertrager, wird die Zuluft mit der Abluft vorgekühlt, ohne dass die sich begegnenden Luftströme direkt miteinander in Kontakt treten. Man spricht hier von adiabater Abluftkühlung. Diese Art der Gebäudeklimatisierung mit Regenwasser verbessert zusätzlich das Mikroklima im Gebäudeumfeld. Im Idealfall verlässt die Abluft den Wärmeübertrager im Temperaturniveau der Außenluft bei einer Luftfeuchte von 100 Prozent. Regenwasser hat des Weiteren eine geringe elektrische Leitfähigkeit als Indikator für einen geringen Salzanteil. Gegenüber der Verwendung von Trinkwasser zur Erzeugung von Verdunstungskälte wird nur halb so viel Wasser benötigt und kein Abwasser erzeugt.

Realisierte Projekte außerhalb Berlins

Schule in Mössingen: Ein Schwerpunkt in der Haustechnik dieses 2014 neu erstellten integrativen Schulgebäudes ist die Regenwassernutzung, die den Sanitärbereich mit Betriebswasser versorgt sowie das Betriebswasser für die adiabate Kühlung liefert. Das Niederschlagswasser wird vom 1800 m² großen Gründach gesammelt. Der Regenwasserspeicher mit 48 m³ Fassungsvermögen, die Druckerhöhungsanlage und das separate Leitungsnetz zu den Verbrauchern ergänzen das System. Der Überlauf des Speichers versickert auf dem Schulgelände. Die beiden Klimaanlagen sind mit einem Nennluftvolumenstrom von 15660 m³/h für die Klassenräume und 9000m³/h für die Mensa ausgelegt. Die adiabate Abluftkühlung erzeugt darin bei maximalem Volumenstrom eine Leistung von 156 kW beziehungsweise 90 kW. Bei den Klimaanlagen wurde bewusst auf ein Backup durch eine konventionelle Kompressionskältemaschine verzichtet. Hierdurch sinken die Investitionskosten, aber auch die Betriebskosten. Gegenüber der konventionellen Lösung mit Kompressionskältemaschine entstehen pro Tag bei acht Stunden Volllastbetrieb Einsparungen von 178 Euro Stromkosten, ermittelte Marco Schmidt von der Technischen Universität Berlin. Im Vergleich zu einer Absorptionskälteanlage seien es sogar 369 Euro pro Tag für Wärme, Strom, Wasser und Abwasser. Die Stromkosten für den Pumpenbetrieb der Regenwassernutzungsanlage und der adiabaten Abluftkühlung fallen mit etwa vier Euro pro Tag dagegen verschwindend gering aus. Der Betriebskostenvergleich wurde von Schmidt aus einem Forschungsprojekt des Bundeswirtschaftsministeriums im Programm www.eneff-stadt.info abgeleitet.

Gymnasium Riedberg in Frankfurt: Der Neubau für 1350 Schüler ist seit 2013 in Betrieb. Das Regenwasser von insgesamt 2500 m² Dachfläche wird in einem 36 m³ fassenden Regenspeicher gesammelt und zur adiabaten Abluftkühlung verwendet. Die Betriebskosteneinsparung im Vergleich zu einer herkömmlichen Kompressions-Kältemaschine liegt nach Angabe der Planer bei rund 1000 Euro pro Jahr. Zusätzlich entfallen Gebühren für die Niederschlagsableitung. Ein weiteres Projektbeispiel bietet die Hochschule Pforzheim: Hier wurde der Neubau beziehungsweise die Erweiterung der Fakultät für Technik mit adiabater Abluftkühlung umgesetzt und 2015 fertiggestellt.

Planung, Bau, Betrieb und Wartung

Hinweise zu Planung, Bau, Betrieb und Wartung von raumlufttechnischen Anlagen sowie hygienischen Anforderungen an die Anlagen sind den VDI-Richtlinien 3803 und 6022 zu entnehmen. Durch eine neue Verordnung will das Bundesumweltministerium einen hygienisch einwandfreien Betrieb mit Verdunstungskühlung sicherstellen. Der erste Entwurf einer Verdunstungskühlanlagenverordnung wurde den betroffenen Kreisen von Wirtschaft, Politik und Wissenschaft zur Anhörung zugesandt. Diese Fassung bedarf der Zustimmung des Bundesrates und soll noch im Jahr 2016 erscheinen.

Fazit

Die Regenwassernutzung als Ressource für die Bewässerung der Fassadenbegrünung und für die adiabate Abluftkühlung bringt Energieeinsparung, da weiches Regenwasser nicht entsalzt werden muss. Zugleich wird bei der Verwendung von Regenwasser anstelle von Trinkwasser in den Klimaanlagen Wasser und Abwasser gespart. Weiterer Synergieeffekt: Regenwasser kehrt in den natürlichen Wasserkreislauf von Niederschlag und Verdunstung zurück. Dies hat positive Auswirkungen auf das lokale Mikroklima und reduziert das Phänomen der globalen Erwärmung.

Zur hygienischen Absicherung der adiabaten Abluftkühlung ist Vorsorge zu treffen, damit kein Kontakt des Betriebswassers und damit der Abluft zur Zuluft besteht. Hierfür sind mehrere Maßnahmen möglich:

  • Um bei eventuellen Undichtigkeiten des Wärmeübertragers den Übertritt von Abluft in die Zuluft zu verhindern, wird eine Druckumkehr innerhalb der Anlagen bei der Planung empfohlen. Dies erfordert den Einbau von Schubventilatoren vor den Anlagen für die Zuluft, damit ein Überdruck der Zuluft gegenüber der Abluft entsteht.
  • Das Betriebswasser sollte (einmal täglich oder wöchentlich) entleert werden, sobald die adiabate Abluftkühlung außer Betrieb geht.
  • Zuluft und Abluft/Fortluft sind außerhalb des Gebäudes möglichst weit voneinander getrennt zu führen, so dass die Abluft nicht in die Zuluft übertreten kann.
  • Für eine vollständige Trennung von Abluft und Zuluft ist in Substitution zu Plattenwärmeübertragern ein Wärmeträgermedium möglich (in der Regel Wasser/Glykolgemisch). Bei diesen sog. Kreislaufverbundsystemen ist auch eine räumliche Trennung zwischen Zu- und Abluftführung möglich.
  • Grundsätzlich wird zu den o. Ä. Maßnahmen der Sicherstellung der Trennung Zu-/Abluft eine UV-Desinfektion des Betriebswassers mit DVGW-geprüften/zertifizierten Anlagen empfohlen. Eine weitere UV-Entkeimung wird dezentral im Umlauf der Anlagen empfohlen, um eine mögliche Wiederaufkeimung auszuschließen.
  • In die Anlagen zur adiabaten Kühlung sind Möglichkeiten zur Beprobung der Betriebswasserqualität einzubauen (kurzer Metallhahn mit Kugelventil) - kann gleichzeitig der manuellen Entleerung dienen.

Literatur

Günther, H.: Vertikalbegrünungen als Element grüner Infrastrukturen in Städten. In: fbr-wasserspiegel 1/16, Seite 18. (Hrsg.:) Fachvereinigung Betriebs- und Regenwassernutzung e. V., Darmstadt, 2016.

Kaiser, M.: Einsatz von Regenwasser zur Kühlung von Gebäuden und Prozessen, in: Ratgeber Regenwasser. Für Kommunen und Planungsbüros. Rückhalten, Nutzen und Versickern von Regenwasser im Siedlungsgebiet. 6. Auflage. (Hrsg.:) Mall GmbH, Donaueschingen, 2016.

Konzepte der Regenwasserbewirtschaftung. Gebäudebegrünung, Gebäudekühlung. Leitfaden für Planung, Bau, Betrieb und Wartung. (Hrsg.:) Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Berlin, Broschüre, 1. Auflage, Berlin, 2010.

Schmidt, M., D. Sperfeld: Adiabate Kühlung mit Regenwasser. In: fbr-wasserspiegel 4/14, S. 14. (Hrsg.:) Fachvereinigung Betriebs- und Regenwassernutzung e. V., Darmstadt, 2014.

Sima: Fassadenbegrünungen schaffen neue Grünflächen in Wien und wirken kühlend. Quellen: www.wien.gv.at/rk/msg/2013/06/28019.html

TU Berlin: Abschlussbericht HighTech-LowEx: Energieeffizienz Berlin Adlershof 2020 Teil 8 Energieeffiziente Gebäude, BMWi Förderkennzeichen 03ET1038A und 03ET1038B, 144 S. Berlin, 2014.

Neubau bzw. Erweiterung der Fakultät für Technik, Hochschule Pforzheim: Service/Projektarchiv unter www.vermoegenundbau-bw.de. Aufgerufen am 27.06.2016.

Schmidt, M.: Regenwassernutzung zur energieeffizienten Gebäudekühlung, in: Ratgeber Regenwasser. Für Kommunen und Planungsbüros. Rückhalten, Nutzen und Versickern von Regenwasser im Siedlungsgebiet. 6. Auflage. (Hrsg.:) Mall GmbH, Donaueschingen, 2016.

Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt, Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin: Handlungsempfehlungen zur Vermeidung der Umweltbelastung durch die Freisetzung des Herbizids Mecoprop aus wurzelfesten Bitumenbahnen. Stand 01.10.2013.

Dipl.-Ing. Klaus W. König
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