Der Kommentar
Green collar worker
von: Prof. Dipl.-Ing. (FH) Martin Thieme-HackMit der Bezeichnung "blue collar worker" sind Mitarbeiter in Industriebetrieben gemeint, die im Gegensatz zu den "white collar worker" (weißer Hemdskragen) in "Blaumännern" zur Arbeit kommen. In der Wirtschaftsforschung wird schon immer darüber philosophiert, welchen dieser beiden Gruppen, Arbeitern oder Angestellten, den Lohn- oder den Gehaltsemfängern, die Zukunft gehört.
Seit der Zeit der Industrialisierung waren es immer die einfachen Arbeiter, die auf der schwachen Seite gestanden haben und nur durch starke Gewerkschaften ein Mindestmaß an erträglichen Arbeitsbedingungen erreichen konnten. Den gebildeten und gut ausgebildeten Mitarbeitern gehörte die Macht, weil Bildung und Lehrstellen knapp waren und sie daher die gut bezahlten Jobs bekamen und nicht gleich wieder auf der Straße saßen, wenn die Aufträge weniger wurden.
So gab es immer wieder gesellschaftliche Bemühungen darum, die "einfachen" Arbeitsplätze zu sichern. Als ich meine Diplomarbeit auf einem C 64 mit sagenhaften 64 KB Arbeitsspeicher geschrieben habe, war die Angst groß, dass genau dieser Computer die Schreibkräfte in den Büros überflüssig machen würde. Genau das Gegenteil ist passiert. Auch heute ist die Angst wieder groß, dass Roboter die "blue collar worker" überflüssig machen könnten. Dabei gehört es zur Geschichte der Menschheit, dass Maschinen die Arbeit übernehmen - man denke nur an den dampfgetriebenen Webstuhl oder den Traktor auf dem Feld. Ab einem bestimmten Zeitpunkt war die Maschine eben wirtschaftlicher.
Während meine Professoren mir im Studium noch voller Stolz erzählt haben, wie sie auf der Baustelle die Betonplatten selber in Formen gegossen haben, konnte ich meinen Vater davon überzeugen, dass ein Minibagger effektiver Pflanzlöcher für die Hochstämme herstellen kann als die Mitarbeiter mit Schaufel und Spaten. Allerdings waren diese Löcher so groß, dass die Bäume meist zu tief standen. Neue Technik, neue Probleme.
Heute sind die meisten Landschaftsbaubetriebe technisch optimal ausgestattet. Es fehlt aber an gewerblichen Mitarbeitern, sodass die Technisierung gezwungenermaßen weiter voranschreiten und damit Arbeitsplätze ersetzen wird. Mähroboter haben schon den Hausgarten erobert und werden sich auch auf hochwertigen Rasenflächen an Hotels, auf Golfplätzen oder anderen gepflegten Flächen durchsetzen. Wenn diese Geräte heute in der Wohnungswirtschaft noch zu teuer sind, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Löhne so hoch sind, dass es sich lohnt, Mähroboter auch hier einzusetzen.
Überspitzt könnte man sagen, dass sich die Arbeitnehmer selber durch ihre hohen Löhne ihrer Arbeit berauben. Tatsächlich ist aber der Bedarf an gewerblichen Arbeitnehmern immer weiter gestiegen. Auch weil es einen unaufhaltsamen Trend zu akademischen Berufen gibt. Es gibt also nicht nur weniger Menschen, die handwerklichen Berufen nachgehen, immer mehr Menschen können oder wollen in Haus und Garten auch immer weniger selber machen.
Wenn das so weitergeht, werden am Ende der Entwicklung vielleicht die "green collar worker" die hoch bezahlten Arbeitskräfte sein. Zu wünschen wäre es ihnen.
Ihr Martin Thieme-Hack