GaLaBau und Recht: Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Immer wieder Streit wegen Vertragsstrafen

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In letzter Zeit habe ich in meiner Kanzlei wieder häufiger mit Streitigkeiten zu tun, bei denen die Auftraggeberseite vom Unternehmer eine Vertragsstrafe beansprucht. Auftraggeber rechnen zum Beispiel in einem Rechtsstreit, in dem der Unternehmer eine Vergütungsforderung aus seiner Schlussrechnung geltend macht, wegen verspäteter Fertigstellung der Arbeiten mit einer Vertragsstrafe auf, um so die Vergütungsforderung ganz oder teilweise zu Fall zu bringen.
Vertragsstrafe Recht und Normen
Vorsicht vor Streit im Baustellenalltag: Auftraggeber treffen gerne Regelungen zu Vertragsstrafen, weil man bei Verzug des Unternehmers in der Höhe der wirksam vereinbarten Vertragsstrafe keinen tatsächlich entstandenen Schaden nachweisen muss. Foto: fefufoto, Adobe Stock

In der Juli-Ausgabe, hatte ich bereits auf die neue wegweisende Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Vertragsstrafe hingewiesen. Es lohnt sich für die Vertragsparteien, sich mit den Vertragsstrafenregelungen näher zu beschäftigen.

Wo ist die Vertragsstrafe geregelt?

In erster Linie gilt die vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien. Ohne eine entsprechende Vereinbarung gibt es keine Vertragsstrafe! Die gesetzliche Grundlage für eine Vertragsstrafe bilden die §§ 339 bis 345 BGB. Bei einem VOB-Vertrag, bei dem die VOB wirksam vereinbart ist (was nicht selbstverständlich ist), kommt noch ergänzend § 11 VOB/B zur Anwendung. Die Vertragsstrafe ist nach § 339 BGB ein Versprechen des Unternehmers gegenüber dem Auftraggeber für den Fall, dass er seine Verbindlichkeiten nicht oder nicht in gehöriger Weise erfüllt, eine Geldsumme als Strafe zu zahlen. Dies gilt in der Praxis insbesondere bei vereinbarten aber vom Unternehmer nicht eingehaltenen Fristen.

Schaden des Auftraggebers als Voraussetzung?

Auftraggeber treffen insbesondere gerne Vertragsstrafenregelungen, weil man bei Verzug des Unternehmers in der Höhe der wirksam vereinbarten Vertragsstrafe keinen tatsächlich entstandenen Schaden nachweisen muss. Ein solcher Nachweis ist nur dann erforderlich, wenn ein Auftraggeber einen über die Vertragsstrafe hinausgehenden Verzugsschaden geltend machen will. Die Vertragsstrafe stellt demnach keine Obergrenze für den vom Auftraggeber geltend gemachten Verzugsschaden dar. Sie ist auch zu zahlen, wenn der Auftraggeber durch die vom Unternehmer verzögerte Fertigstellung gar keinen oder nur einen geringeren Schaden erlitten hat. Will der Auftraggeber allerdings einen höheren Betrag, als die angefallene Vertragsstrafe geltend machen, so muss er den Verzugsschaden im Grunde und der Höhe nach beweisen. Bei einem über die Obergrenze der Vertragsstrafe hinausgehenden Betrag, muss sich der Auftraggeber aber die angefallene Vertragsstrafe stets anrechnen lassen. Zur Problematik der Vertragsstrafe gibt es eine Fülle Rechtsprechung, die nicht immer einheitlich ist. Es gibt aber einige Grundsätze, die man auf alle Fälle beachten muss.

Wichtige Voraussetzungen für eine Vertragsstrafe

Eine Vertragsstrafe fällt prinzipiell nur an, wenn der Unternehmer in Verzug gerät, d. h. er die Verzögerung der Fertigstellung tatsächlich verschuldet hat. So gilt deshalb eine Verzögerung aufgrund eines Erdbebens oder Naturgewalten nicht als Grund, eine Vertragsstrafe verlangen zu können. Einem Unternehmer ist zur Vermeidung des Anfalls unnötiger Vertragsstrafen stets zu raten, während der Ausführung der Baumaßnahme nicht verschuldete Einflüsse auf die Bauzeit zu dokumentieren und gegebenenfalls rechtzeitig eine Behinderung anzumelden. Insbesondere sind für einen Unternehmer all die Fakten wichtig, die der Auftraggeber geschaffen hat und die Verzögerungen herbeigeführt haben. Darunter zählen auch vom Auftraggeber nachträglich angeordnete Änderungen, zusätzliche Leistungen oder nachträglich reduzierte Leistungen, die Auswirkungen auf die Bauzeit haben können. Macht der Unternehmer keine Behinderungen geltend oder erklärt er sich nicht für die Anordnung von Mehr- oder Minderleistungen, so wird regelmäßig angenommen, dass er seine Arbeiten in der vorgesehenen Zeit fertigstellen kann, ohne dass dies Auswirkungen auf die Vertragsstrafe hat. Dem Unternehmer sei dringend angeraten, derartige Gründe nicht erst dann anzubringen, wenn es um die Bezahlung der Schlussrechnung geht. Je früher man Änderungen oder Behinderungen geltend macht, die Einfluss auf den Anfall der Vertragsstrafe haben, desto leichter hat man es bei der Ermittlung der endgültigen Zahlung, die der Auftraggeber noch zu leisten hat.

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Ein Unternehmer, der größte Sorgfalt walten lässt und deshalb mehr Zeit benötigt, um mängelfrei zu leisten, ist unter Umständen der Dumme, weil er in die Gefahr gerät, eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen. Foto: Tomasz, Zajda, Adobe Stock

Höhe der Vertragsstrafe

Nahezu jede Vereinbarung einer Vertragsstrafe erweist sich in der Praxis, dass die Regelung aus vorformulierten Texten stammt und damit als Allgemeine Geschäftsbedingung anzusehen ist. Nach der Rechtsprechung kann eine Vertragsstrafe durchaus in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbart werden. Die maximale Höhe einer solchen Vertragsstrafe in Allgemeinen Geschäftsbedingungen beträgt 5 Prozent der Abrechnungssumme, wobei man im Vertrag darauf achten soll, ob die 5 Prozent von der Netto- oder der Bruttoabrechnungssumme verlangt werden kann. Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Auftraggeber die Vertragsstrafe nicht mehr an die Auftragssumme, sondern nur noch an die Abrechnungssumme knüpfen. Auf diese neue Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 15.02.2024, Az. VII ZR 42/22) hatte ich besonders in Heft 7/2024 hingewiesen, weil nach Meinung des Bundesgerichtshofs wohl zurecht die Anknüpfung an die Auftragssumme im Einzelfall zu äußerst ungerechten Ergebnissen führen kann. Insbesondere dann, wenn die Auftragssumme wesentlich höher ist, als die später abgerechnete Vergütung. In einem solchen Fall wird die Obergrenze von 5 Prozent mit Sicherheit gerissen. Das Gericht hält die Anknüpfung an die Auftragssumme unter Bezugnahme auf § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB für unwirksam. Eine Anknüpfung an die Abrechnungssumme begegnet dagegen keinen rechtlichen Bedenken. Der guten Ordnung halber sei noch darauf hingewiesen, dass man in individuellen Vereinbarungen auch jederzeit höhere Vertragsstrafen als die 5 Prozent vereinbaren kann. Nur in den allerseltensten Fällen wird aber der Bundesgerichtshof eine Vereinbarung als individuell ansehen. Meines Erachtens hat dies auch etwas mit dem Gerechtigkeitsempfinden zu tun, da man die Höhe der Vertragsstrafe schließlich ohne den konkreten Nachweis eines Schadens verlangen kann.

Wie sollte man den Vertragsstrafentext formulieren?

Leider findet man in der Praxis immer wieder vertragliche Regelungen, bei denen Vertragsstrafen an Werk- oder Arbeitstage geknüpft sind. Zu Bedenken ist, dass der Samstag regelmäßig ein Werktag, aber kein Arbeitstag ist. Wie ist zu verfahren, wenn ein Unternehmer versucht Zeit aufzuholen und samstags arbeitet. Eine Arbeit am Samstag erfüllt die Voraussetzungen eines Arbeitstages, so dass ein Unternehmer so ohne weiteres nicht in jedem Fall einen Verzug aufholen kann. Zu Bedenken ist auch, dass Feiertage und Werktage in den Bundesländern zum Teil unterschiedlich geregelt sind. Ich rate deshalb immer meinen Mandanten, die Vertragsstrafe stets an Kalendertage zu knüpfen, wobei bei einer Vertragsstrafe, die nach Kalendertagen bemessen ist, die Vertragsstrafe nicht höher als 0,2 Prozent der Abrechnungssumme pro Kalendertag sein sollte. Ein Tagessatz von 0,5 Prozent der Abrechnungssumme ist selbst bei Einhaltung der Obergrenze von 5 Prozent nach höchstrichterlicher Rechtsprechung unangemessen hoch und damit unwirksam.

Vertragsstrafenvorbehalt bei Abnahme

Will ein Auftraggeber eine Vertragsstrafe vom Unternehmer beanspruchen, muss er die Spielregeln des Gesetzgebers beziehungsweise von § 11 Abs. 4 VOB/B einhalten. Nach § 341 Abs. 1 BGB bzw. nach § 11 Abs. 4 VOB/B ist eine Vertragsstrafe vom Auftraggeber bei Abnahme vorzubehalten. Der Auftraggeber kann nur eine Vertragsstrafe verlangen, wenn er sich die Vertragsstrafe bei der Abnahme ausdrücklich vorbehält. Versäumt er dies, so verliert er den Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe. Derartige Fälle kommen häufiger vor, als man denkt. Der Vorbehalt ist auch ausdrücklich zu erklären (Schriftform nicht erforderlich). Ein stillschweigender Vorbehalt ist nach der Rechtsprechung mit Sicherheit nicht ausreichend. Nach herrschender Meinung wird auch größten Wert draufgelegt, dass der Vorbehalt bei der Abnahme der Bauleistung direkt erfolgt, d. h. nicht vorher und auch nicht hinterher. Zu früh oder zu spät erklärte Vorbehalte sind unwirksam und führen zum Verlust der Vertragsstrafe. Den Parteien sei auch empfohlen, den Vertragsstrafenvorbehalt in das Abnahmeprotokoll ausdrücklich aufzunehmen. Auf einen solchen Vorbehalt im Abnahmeprotokoll sollte allerdings nur der Auftraggeber drängen. Man wird vom Unternehmer kaum verlangen können, dass er ohne Not einen solchen Vorbehalt in das Abnahmeprotokoll aufnimmt und sich damit selbst schadet.

Vertragsstrafe Recht und Normen
Bei größeren Bauvorhaben kommt es immer wieder vor, dass die Parteien Zwischenfristen für die Fertigstellung gewisser Bauabschnitte vereinbaren. Eine solche Vereinbarung ist durchaus wirksam. Foto: Jacob Lund, Adobe Stock

Fiktive Abnahme, was nun?

Neben der förmlichen Abnahme gibt es die fiktive Abnahme: eine Leistung nach Fertigstellung und nach Ablauf einer bestimmten Frist gilt als abgenommen, ohne dass es von den Parteien eine tatsächliche Erklärung bedarf. Insbesondere § 12 Abs. 5 VOB/B sieht eine fiktive Abnahme vor, d. h. eine Leistung gilt bereits nach Ablauf von sechs Werktagen nach Beginn der Benutzung als erfolgt beziehungsweise nach Ablauf von 12 Werktagen nach schriftlicher Mitteilung über die Fertigstellung der Leistung. In einem solchen Fall muss innerhalb der sechs beziehungsweise 12 Werktagsfrist der Vorbehalt vom Auftraggeber gegenüber dem Unternehmer wirksam erklärt werden. Geschieht dies nicht, verliert der Auftraggeber seinen Vertragsstrafenanspruch, wobei zu beachten ist, dass auch in diesem Fall der Samstag als Werktag mitzählt und es auf den Zugang des Vorbehaltes beim Unternehmer ankommt.

Vertragsstrafen an Zwischenfristen

Bei größeren Bauvorhaben kommt es immer wieder vor, dass die Parteien Zwischenfristen für die Fertigstellung gewisser Bauabschnitte vereinbaren. Eine solche Vereinbarung ist durchaus wirksam. Schwierigkeiten macht in einem solchen Fall oft die Ermittlung der Höhe der Vertragsstrafe. Dies insbesondere, als nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die Vertragsstrafe nicht mehr an die Auftragssumme, sondern nur noch an die Abrechnungssumme geknüpft werden kann. Der Auftraggeber muss deshalb aufpassen, dass der Unternehmer in seinen Abschlagsrechnungen die von der Vertragsstrafe erfassten Bauabschnitte so abrechnet, dass man anhand der Abrechnung überhaupt die Vertragsstrafe ermitteln kann. Bei der Anknüpfung von Vertragsstrafen an vertragliche Zwischenfristen, sollten die Parteien juristischen Rat einholen, weil in einem solchen Fall der Teufel im Detail steckt und der Streit über den Anfall einer Vertragsstrafe allzu leicht schon vorprogrammiert ist. Ebenso kommt ein Auftraggeber nicht umhin, größte Sorgfalt walten zu lassen, wenn er durch zusätzliche Aufträge oder andere Dispositionen eine ganz oder teilweise Neuordnung des Bauzeitenplanes vornimmt. Wenn ein Unternehmer aufpasst, wird er in einem solchen Fall fast immer um eine Vertragsstrafe herumkommen.

Fertigstellung als Maßstab für die Vertragsstrafe

Da die meisten vereinbarten Vertragsstrafen an die Fertigstellung der Leistung geknüpft sind, fragt sich nur, wann eine Leistung fertiggestellt ist oder nicht. Ein Unternehmer, der größte Sorgfalt walten lässt und deshalb mehr Zeit benötigt, um mängelfrei zu leisten, ist unter Umständen der Dumme, weil er in die Gefahr gerät, eine Vertragsstrafe zahlen zu müssen. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine ältere Entscheidung des Oberlandesgericht München vom 21.03.2006, Az. 13 U 5102/05. Das Gericht stellte in seinem Urteil fest, dass eine Vertragsstrafe, die an die Fertigstellung einer Leistung geknüpft ist, nicht anfällt, wenn die vom Unternehmer als fertiggestellt betrachtete Leistung noch mangelhaft ist, aber keine wesentlichen Mängel aufweist. D. h. solange keine wesentlichen Mängel vorhanden sind, fällt bei einer zwar fertiggestellten, aber noch mit Mängeln behafteten Leistung, keine Vertragsstrafe an. Hier lohnt sich ausnahmsweise Pfusch am Bau. Es sollte eigentlich Ziel der Parteien sein, einen Vertrag gehörig zu erfüllen, so dass es überhaupt nicht zum Anfall oder zur Geltendmachung einer Vertragsstrafe kommt. Vertragsstrafen sind immer ein Streitpotenzial, das die Parteien vermeiden sollten.

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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