Branchen-Mismatch und Finanzierungshürden erschweren Übergabe
Unternehmensnachfolge: Rund jeder Vierte macht sein Unternehmen dicht
Stiftung oder Enkel? Verkauf oder Übernahme durch die Mitarbeiter? Die Unternehmensnachfolge kann auf vielfältige Art und Weise erfolgen und sie betrifft irgendwann jedes der etwa 1,6 Millionen Familienunternehmen in Deutschland, das Angestellte beschäftigt (Grafik):
Allein zwischen 2022 und 2026 stehen laut Institut für Mittelstandsforschung Bonn rund 190.000 Betriebe in der Bundesrepublik aufgrund ihrer Eigentümerstruktur, des Alters des Eigners und der Unternehmensgröße zur Übergabe an.
Fast die Hälfte dieser Firmen offeriert unternehmensbezogene Dienstleistungen wie Versicherungen, Transporte oder Immobilienservices. Die zweitgrößte Gruppe sind rund 50.000 Unternehmen des Produzierenden Gewerbes, gefolgt von annähernd 35.000 Handelsbetrieben.
In genau dieser Branchenverteilung offenbart sich eine der vielen Hürden für eine gelungene Firmenübergabe: Denn diejenigen, die gerne von außerhalb des Unternehmens als Nachfolger einsteigen möchten, suchen oftmals Betriebe anderer Branchen. Die bundesweit 79 Industrie- und Handelskammern (IHK), die sowohl für übergabewillige Senior-Unternehmer als auch für Interessenten kompetente Ansprechpartner sind und gegebenenfalls den Nachfolgeprozess begleiten, haben im vergangenen Jahr 2760 Übernahmeinteressierte beraten. Fast 40 Prozent von ihnen gaben an, kein passendes Unternehmen gefunden zu haben.
Eine Ursache dafür dürfte sein, dass rund ein Drittel von ihnen ein Industrieunternehmen übernehmen wollte – diese stellten in den IHK-Beratungen bei den Übergabewilligen jedoch nur einen Anteil von 19 Prozent. An Betrieben, die unternehmensnahe Dienstleistungen anbieten, waren in den IHK-Beratungen wiederum nur 14 Prozent der potenziellen Käufer interessiert. In der Logistikbranche suchten viermal mehr Senior-Unternehmer als potenzielle Nachfolger die IHK auf, im Gastgewerbe überstiegen die Angebote die Nachfrage sogar um das Fünffache.
Doch dieses Branchen-Mismatch zwischen Übergebenden und Übernehmenden ist nicht der einzige Stolperstein bei einer anstehenden Unternehmensnachfolge. Es gibt auch rein zahlenmäßig deutlich mehr übergabereife Unternehmen als Nachfolgeinteressenten:
Die IHK haben im Jahr 2023 mit 8.276 abgabewilligen Senior-Unternehmern gesprochen, das waren dreimal mehr, als es Nachfolgeinteressenten gab.
Vor wenigen Jahren war das Verhältnis noch fast ausgeglichen. Hinzu kommen die derzeit verschlechterten Übernahmebedingungen. Neben der schleppenden Konjunktur und vielen bürokratischen Hürden wie zunehmenden Berichtspflichten ist es für potenzielle Nachfolger in den vergangenen Jahren aufgrund des gestiegenen Zinsniveaus deutlich teurer geworden, sich Kapital zu leihen, um den Kaufpreis für ein zu übernehmendes Unternehmen zu bezahlen. Auch Beteiligungskapital sowie Darlehen der Alt-Inhaber stehen den potenziellen neuen Firmenchefs seltener zur Verfügung. Insgesamt berichten vier von zehn an einer Unternehmensübernahme Interessierten von Finanzierungsproblemen.
All das führt dazu, dass immer weniger Unternehmensnachfolgen gelingen. Im vergangenen Jahr erwogen 28 Prozent der von den IHK beratenen Unternehmen, die einen Nachfolger suchten, die Schließung – im Jahr zuvor waren es 25 Prozent.
Einfach weitermachen ist für viele Senior-Unternehmer schlicht keine Option: Fast drei Viertel der beratenen übergabewilligen Unternehmer wollen ihr Lebenswerk aus Altersgründen in neue Hände geben. Wirtschaftliche oder persönliche Gründe sind nur für jeweils 12 Prozent derjenigen, die einen Nachfolger suchen, ausschlaggebend.
Somit ist es auch kein Wunder, dass es einen ganz klaren Hauptgrund aus Sicht der beratenden IHK-Experten gibt, warum so viele unternehmerische Lebenswerke nicht fortgeführt, sondern abgewickelt werden (Grafik): Die Unternehmensnachfolge scheitert in erster Linie daran, dass kein geeigneter Nachfolger gefunden werden konnte.
Aber auch der Fachkräftemangel, die Unsicherheit bezüglich der geschäftlichen Zukunft sowie die gestiegenen Kosten für Arbeitskräfte, Material und Energie erschweren die Unternehmensnachfolge massiv. Und immerhin 17 Prozent der IHK-Berater führen die Schließung von eigentlich zu übergebenden Betrieben auf die gesellschaftlich zu geringe Akzeptanz des Unternehmertums zurück – im Jahr 2022 nannten dies nur 7 Prozent als Grund. iwd