GaLaBau und Recht: Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Was tun, wenn die Auftragskalkulation nicht stimmt?

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Auch dem besten Unternehmer passiert es, dass er einen Auftrag erhalten hat, den er bei nachträglicher Betrachtung lieber doch nicht bekommen hätte. Dies mag aus den unterschiedlichsten Gründen der Fall sein. Man war zum Beispiel bei einer öffentlichen Ausschreibung als günstigster Bieter viel zu billig und hat den Auftrag erhalten, der nur Kapazitäten bindet.
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Nach Möglichkeit sollte man ein Angebot so kalkulieren, dass man nicht noch gutes Geld hinterherschmeißt. Foto: Liubomir, Adobe Stock

Dabei wird im günstigsten Fall bei einem Auftrag nur Geld gewechselt oder sogar bei weniger Glück noch kräftig draufgelegt. Nach Möglichkeit sollte man ein Angebot so kalkulieren, dass man nicht noch gutes Geld hinterherschmeißt.

Noch ärgerlicher ist es in der Regel, wenn ein Unternehmer sich verkalkuliert und deshalb mit nicht auskömmlichen Preisen den Auftrag erhalten hat. Interessant ist dazu eine schon etwas ältere Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg (Urteil vom 17.03.2016, Az. 12 U 76/13). Dieses Urteil des Gerichts ist recht unternehmerfreundlich.


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Kalkulationsirrtum: Bei fehlerhaften Kalkulationen ist die Rechtsprechung uneinheitlich. Das Oberlandesgericht Brandenburg urteilte in einer älteren Entscheidung (Urteil vom 17.03.2016, Az. 12 U 76/13) unternehmerfreundlich. Foto: Gregor Rom, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Unternehmer beteiligt sich an einer öffentlichen Ausschreibung von Bauleistungen. Im Eröffnungstermin stellt er fest, dass sein Angebot in Höhe von 284 494,31 Euro um 7,3 Prozent für den Auftraggeber günstiger ist, als das des Zweitgünstigsten (305 298,39 Euro). Die übrigen Bieter lagen sogar noch wesentlich höher mit ihren Angeboten.

Nach Überprüfung seiner Kalkulation stellt er fest, dass ihm ein Fehler unterlaufen ist. Er weist den Auftraggeber unverzüglich darauf hin, dass sein Angebot einen Kalkulationsfehler enthält, der zu einem Fehlbetrag von 90 027,38 Euro geführt hat. Der Auftraggeber erteilt dem Unternehmer gleichwohl den Auftrag. In seiner Not erklärt der Unternehmer die Anfechtung seines Angebots wegen Irrtums und weigert sich, den Auftrag auszuführen. Der öffentliche Auftraggeber ist der Meinung, dass eine Abweichung des Angebotes um weniger als 10 Prozent gegenüber dem zweitgünstigsten Angebot kein Grund sei, die Ausführung zu verweigern. Er kündigt deshalb dem Unternehmer den Auftrag und vergibt ihn an den zweitplatzierten Bieter. Von dem Unternehmer, der die Ausführung der Leistung verweigert hat, verlangt er Schadensersatz, der jetzt Gegenstand des Rechtsstreits vor dem Oberlandesgericht Brandenburg gewesen ist.

Hat der öffentliche Auftraggeber Anspruch auf Schadenersatz?

Hier ist die Rechtsprechung sehr uneinheitlich. Die für den Unternehmer wohl günstigste Entscheidung ist die des Oberlandesgerichts Brandenburg. Das Gericht lehnt in seinem Urteil vom 17.03.2016 einen Schadenersatzanspruch des Auftraggebers gegen den Unternehmer ab. Das Gericht ist zwar der Meinung, dass mit der Auftragserteilung trotz Kenntnis des Kalkulationsirrtums ein wirksamer Vertrag zustande gekommen sei. Wenn lediglich dem Auftraggeber das Ergebnis seiner Berechnung innerhalb der Kalkulation mitgeteilt wird, so handele es sich bei dem Berechnungsfehler lediglich um einen unerheblichen Motivirrtum. Dieser berechtige nicht zur Anfechtung des Vertrages.

Das Gericht kommt im speziellen Fall zum Ergebnis, es läge eine sogenannte unzulässige Rechtsausübung gemäß § 241 Abs. 2 BGB vor, wenn der Auftraggeber trotz Kenntnis des Kalkulationsirrtums auf die Durchführung des Vertrages bestehe. Dies gelte allerdings nur, wenn eine "Massivität des Irrtums" vorliege. Eine solche Massivität nimmt das Gericht an, wenn ein "auffälliges Abweichen des Endpreises des Angebots von den Endpreisen der Angebote der anderen Mitbewerber" gegeben sei.

Im vorliegenden Fall liegt die Abweichung des Endpreises zum nächst günstigen Bieter zwar nur 7,3 Prozent. Die von der Rechtsprechung oft angenommene Mindestdifferenz von 10 Prozent ist im vorliegenden Fall aber nicht gegeben. Dennoch meint das Gericht wegen der Höhe des Betrages und nach einer Gesamtbetrachtungsschau, dass die Durchführung des Auftrags für den Unternehmer nicht mehr zumutbar sei.

Nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg führt die Verweigerung der Ausführung durch den Unternehmer dazu, dass der Auftraggeber berechtigt ist, den Auftrag an den nächst günstigeren Unternehmer zu vergeben, ohne dass im speziellen Fall dem Auftraggeber ein Schadenersatzanspruch zusteht.


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In einem nahezu vergleichbaren Sachverhalt zu dem des Oberlandesgerichts Brandenburg hat das Oberlandesgericht Bamberg (Baurechtsreport 2016, Seite 2) gegenteilig entschieden. Foto: Bubo, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0

Gegenteilige Meinung des Oberlandesgerichts Bamberg

In einem nahezu vergleichbaren Sachverhalt zu dem des Oberlandesgerichts Brandenburg hat das Oberlandesgericht Bamberg (Baurechtsreport 2016, Seite 2) gegenteilig entschieden. Das Gericht war der Meinung, dass selbst bei einer Unterdeckung von 15 Prozent infolge eines Kalkulationsirrtums noch kein Grund gegeben sei, die Ausführung der Leistung zu verweigern.

Das Oberlandesgericht Bamberg stellt darauf ab, ob der Bieter aufgrund seines Kalkulationsirrtums in "erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten" geraten wird. Dies hat das Oberlandesgericht Bamberg in seiner Entscheidung verneint und dem Auftraggeber in vollem Umfang Recht gegeben, d. h. einen Schadensersatzanspruch dem Auftraggeber zugesprochen.

Generell unterscheidet man beim Kalkulationsirrtum zwei spezielle Alternativen:

a. Verdeckter Kalkulationsirrtum

Gibt der Unternehmer bei seinem Angebot lediglich das Ergebnis einer Berechnung bekannt, d. h. er füllt zum Beispiel nur ein LV mit einzelnen Zahlen aus, liegt ein interner oder verdeckter Kalkulationsirrtum vor. Dieser wird rechtlich als Motivirrtum angesehen und soll unbeachtlich sein. Bei einem verdeckten Kalkulationsirrtum trägt der Unternehmer das alleinige Risiko für den verlangten Preis. Dies soll sogar gelten, wenn der Auftraggeber den Irrtum des Unternehmers hätte erkennen können, aber nicht erkannt hat.

In einer älteren Entscheidung meint der BGH, dass dies sogar gelten soll, wenn der Auftraggeber den Kalkulationsirrtum positiv kannte (BGH, Urteil vom 07.07.1998, Az. X ZR 17/97).

Die Rechtsprechung hilft dem Unternehmer allenfalls beim verdeckten Kalkulationsirrtum, wenn der Unternehmer infolge des Kalkulationsirrtums in ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten oder sogar in Insolvenz gerät. Dies war wohl auch bei dem vom Oberlandesgericht Brandenburg entschiedenen Rechtsstreit der Fall.

b. Offener Kalkulationsirrtum

Besser sind die Erfolgsaussichten für einen Unternehmer beim sogenannten offenen (externen) Kalkulationsirrtum. Von einem solchen spricht man, wenn die Kalkulation erkennbar zum Gegenstand der Vertragsverhandlungen gemacht wurde, d. h. der verlangte oder angebotene Preis wurde beispielsweise im Einzelnen zwischen den Parteien besprochen und gegebenenfalls erläutert, wie er sich errechnet.

Ergibt die Auslegung des Sachverhalts, dass die Parteien nicht auf einen Endbetrag, sondern auf eine Berechnungsmethode oder auf einen Einzelpreis abstellen wollten, sind die Chancen für den Unternehmer gut. Geht man davon aus, dass die Kalkulation Grundlage der Willenserklärungen der Vertragspartner gewesen ist, besteht für den Unternehmer eine gute Aussicht, wegen seines Kalkulationsirrtums entweder vom Vertrag loszukommen oder zumindest eine Anpassung an den eigentlich gewollten Preis zu erhalten.

Es kann sich also lohnen, vor Vertragsabschluss dem Auftraggeber die Kalkulation offenzulegen und mit ihm über die Kalkulation zu verhandeln.

Aus meiner persönlichen Erfahrung heraus muss ich feststellen, dass die Chancen aufgrund eines Kalkulationsirrtums Recht zu bekommen umso größer ist, als der angebotene Preis im Missverhältnis zur Leistung steht.

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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