Junge Landschaft

Der Garten am Wegesrand

von:

Autor der Serie ist Uwe Bienert, Landschaftsgärtner-Meister und Ausbilder. Er hat sich bereits mit AuGaLa-Begleitheften für Kurse der überbetrieblichen Ausbildung einen Namen gemacht. Bienert arbeitet zurzeit bei der Stadt Kassel, Abteilung "Kommu

115. FOLGE

Unsere Serie für den Nachwuchs erläutert das wichtigste GaLaBau-Grundlagenwissen vom Abstecken bis zum Zaunbau: Diesmal geht es um das Thema Wildkräuter.

Im Rahmen eines Projektes der Stadt Kassel hatte ich seit langem mal wieder die Gelegenheit mich dem Unkraut, oh sorry, den Wildpflanzen buchstäblich auf Augenhöhe zu nähern. Dabei kam mir der Gedanke zu diesem Beitrag. Warum nicht mal die Sinne schärfen und bei einer so ungeliebten Aufgabe wie dem Unkrautzupfen, das Schöne entdecken und nutzen. Also begab ich mich, bewaffnet mit Kamera und Notizblock, auf Schnüffelkurs in Richtung ungeliebtes Wildkraut.

Warum muss es wild sein?

In der Geschichte des Gartenbaues gab es immer schon Trends und unterschiedliche Gestaltungsstile, die zum einen vom Geschmack der Menschen oder von einer bestimmten Philosophie beeinflusst wurden. Ohne dies Schwankungen wären uns sicher große Gartenbaustile völlig verborgen geblieben. Denken wir nur an die strengen Gärten der Franzosen, die bewusst die Natur unterordneten und sie fast völlig aus ihren Gärten ausschlossen. Die großartigen Schlösser der Loire mit ihren Gärten sind ein belegtes Zeugnis dieser Zeit. Oder denken wir an die Landschaftsgärtner der Engländer und der Deutschen, die ihre Gärten der Natur regelrecht öffneten und aus denen solch berühmte Gartenanlagen wie Sanssouci in Potsdam, Bad Muskau und Wilhelmshöhe in Kassel hervorgegangen sind.

Nun scheint die Zeit wieder reif für eine Veränderung zu sein und der Trend "Zurück zur Natur" hält wieder einmal Einzug in die Gestaltung von Gartenanlagen. Wer jetzt denkt: Prima Aktion - man lässt einfach alles wachsen und fertig ist der Lack, ist gewaltig auf dem Holzweg.

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Mit der Einladung für Wildstauden den Garten wieder mit zu gestalten, treten wir die berühmte Lawine los. Zuerst kommen die vom Gärtner gepflanzten Wildstauden. Danach halten, wenn der Gärtner nicht aufpasst, die nicht so geliebten Wildstauden Einzug, ich denke da vor allem an Giersch und Brennnessel. Denen folgt wiederum ein riesiger Tross von tierischen Aktivisten, die sich im Garten nützlich oder unbeliebt machen. Die Artenvielfalt wird ein imposantes Ausmaß annehmen. Auch für den Gärtner ist diese Form der Gartengestaltung nicht unbedingt eine der pflegeleichtesten, denn dort ist richtig Arbeit angesagt. Ich finde der Gärtner wird dort erst wieder richtig zum Gärtner, wie man sich ihn so vorstellt. Er pflanzt und pflegt nicht nur, sondern Wildstaudengärten zwingen den Gärtner geradezu wieder sich intensiver mit dem Boden, der Pflanzenkenntnis und den Klimabedingen zu beschäftigen.

Drei Dinge sollte man wissen

Bevor man sich ins vielbesagte Abenteuer stürzt, sollte man sich folgende Fragen stellen:

1.) Warum mehr Artenvielfalt?

2.) Warum heimische Pflanzen und was bedeutet das eigentlich?

3.) Was sind überhaupt Wildstauden und wo bekommen wir die her?

Artenvielfalt - Wozu das denn?

Stellen wir uns ein Auto mal von der technischen Seite vor. Da gibt es eine Unmenge von Baugruppen, die aus einer unübersehbaren Anzahl von Klein- und Kleinstteilen bestehen. Keinem Autofahrer würde es in den Sinn kommen aus dem Getriebe ein bis zwei Zahnrädchen heraus zu nehmen und weiter zu fahren. Wer da jetzt lacht, hat den Ernst der Lage nicht erkannt, denn genau das machen wir seit geraumer Zeit mit unserer Umwelt. Wir entfernen die Großraubtiere aus unserer Landschaft und wundern uns, dass der Rehbestand und das Schwarzwild uns die Ernten wegfressen. Wir benutzen Gifte zur Bekämpfung verschiedener Schädlinge und wundern uns, dass Greifvögel sterben und damit Mäuseheere übers Land ziehen. Und wir entfernen bewusst Wildschaden (Feldraine, Ödland usw.) und wundern uns darüber, dass die Insekten, unter ihnen an erster Stelle die Bienen, verschwinden. Sind wir eigentlich wirklich die intelligenteste Spezies auf dem Globus?

Für unsere Gärten holen wir uns Pflanzen aus vielen Ländern der Erde und unsere ökologisch wichtigen, einheimischen Wildstauden vergessen wir völlig. Sehr viele dieser "Neophyten" verdrängen nicht nur heimische Arten, sondern auch die auf darauf angewiesenen Tierarten. Im Durchschnitt sind auf eine einheimische Wildpflanze circa zehn Insektenarten angewiesen. Insekten halten aber den Motor Natur am Laufen, sie sind im Wesentlichen für die Bestäubung und damit primär für den Fortpflanzungserfolg verantwortlich.

Hinzu kommt noch der Fakt, dass verwilderten nicht heimischen Pflanzen die Feinde fehlen, um sie im Zaum zu halten. Damit wird der Ausbreitungsdrang der Pflanzen unterstützt - als Beispiel: Fallopiajaponica (Japanischer Knöterich).

Heimische Pflanzen - ein Quiz?

Dafür gibt es eine klare (?) Definition:

"Zu den heimischen Pflanzen zählen alle Arten, die sich ohne Einfluss des Menschen in einem Gebiet ausbreiten, dort dauerhaft vorkommen und sich reproduzieren."

Allein an dieser Definition sieht man, dass dieses Thema schwierig ist. Ein kleines Licht bringt vielleicht folgende Herangehensweise ins Dunkel: Die Botaniker unterscheiden zwischen drei Gruppen von heimischen Pflanzen.

  • Indigene Arten - Pflanzen auf die die erwähnte Definition zutrifft und die bei uns die letzte Eiszeit überlebt haben oder danach sich wieder selbst angesiedelt haben oder von Tieren eingeschleppt wurden.
  • Archäophyten - Pflanzen auf die auch die Definition zutrifft, die aber vor 1492 vom Menschen eingeführt wurden.
  • Neophyten - Pflanzen die nach 1492 durch den Menschen zu uns gelangten.
  • Unser Begriff "heimische Pflanzen" umfasst alle indigenen Arten und einige Archäophyten.

Viele der heute verwendeten Garten- und Zierpflanzen kamen als Neophyten (eingeschleppt von Sammlern und reisenden Botanikern) im 18. und 19.Jahrhundert nach Mitteleuropa und wurden sehr schnell in Parks und Gärten verteilt. Dabei verdrängten sie die bis zu diesem Zeitpunkt verwendete Zierpflanzen aus den Parks und Bauerngärten.

In Deutschland gibt es rund 3000 Arten heimischer Wildpflanzen, davon sind der größte Teil tatsächlich Stauden (Gräser und nichtblühende Farne eingeschlossen). Wildstauden sind natürlich vorkommende Arten, die nicht vom Züchter bearbeitet wurden. Über Jahrtausende haben sie sich an die vorherrschenden Umweltbedingungen angepasst und kommen mit vielen Veränderungen zurecht. Der natürliche Feind der Wildstaude ist der Mensch. Durch seinen unersättlichen Drang die Umwelt für sich zurechtzubiegen, schafft er Standort- und Umweltbedingungen in einer Geschwindigkeit, die es den Pflanzen nicht mehr ermöglicht, sich sicher anzupassen. Davon abgesehen sind ausgeräumte Agrarlandschaften, überdüngte Böden, versiegelte Flächen und übersichtliche Garten- und Parkanlagen mit viel Rasen, Kies, Schotter und den bereits erwähnten Konkurrenten für ein geruhsames Pflanzenleben nicht von Vorteil.

Strategen im Überleben

Pflanzen sind, wenn es ums Überleben geht, wahre Künstler. Sie haben verschiedene Wege gefunden, in unseren Breiten unbeschadet über den Winter zu kommen. Diese Überlebensstrategien bestimmen im Wesentlichen den Lebenszyklus der verschiedenen Arten (siehe nebenstehende Tabelle).

Ideen muss man haben

Woher nimmt man die Ideen für ein Beet oder einen ganzen Garten mit Wildstauden? Augen auf in der Natur - sehr hilfreich ist hier bei der Auswahl und der Ideengebung die Kategorisierung von Stauden nach Prof. J. Sieber (siehe Tabelle) .

Woher, wenn nicht stehlen…

Ja hallo, allen dürfte wohl klar sein, dass Pflanzen nicht aus der Natur entnommen werden dürfen. Viele Pflanzen sind sehr selten geworden und stehen unter strengem Schutz. Also woher? In Mitteleuropa gibt es wenige Fachbetriebe, die sich mit der Anzucht von Wildstauden beschäftigen. Sie werden nach strengen Auflagen zertifiziert und müssen die Herkunft ihrer Mutterpflanzen lückenlos nachweisen. Sie müssen den strengen Richtlinien bei der Zucht dieser Pflanzen gerecht werden, welche ihnen der Verein Naturgarten vorgibt. Vorteilhaft ist für die günstige Auswahl immer ein regionaler oder der Region naher Betrieb.

Uwe Bienert


Nächsten Monat lesen Sie:

"Mit dem Essen spielt man nicht!", (Teil 1).


Quellen:

Schön wild (Brigitte Kleinod, Friedhelm Strickler; palaverlag),
Der Gärtner 1 (Martin Degen, Karl Schrader; Ulmer-Verlag),
Schädlinge & Krankheiten (Pippa Greenwood, Andrew Halstead;
Dorling Kinderley Verlag), Einheimische Laubgehölze (Hecker, Quelle & Meyer Verlag Wiebelsheim),
Grundkurs Gehölzbestimmung (Lüder, Quelle & Meyer Verlag Wiebelsheim),
Taschenlexikon der Gehölze (Schmidt / Hecker, Quelle & Meyer Verlag Wiebelsheim),
International standard ENA 2010-2015 (M.H.A. Hoffmann, ENA's European Plant Names Working Group),
www.hortipedium.de

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