Ergebnisse eines F+E-Projekts in Sachsen
Maßnahmen zur Förderung der Insektenvielfalt
von: Dipl.-Ing. Doreen Schoenfelder, Dipl.- Ing. Tom KirstenAufgabe des Projektes war die Entwicklung eines Maßnahmenkonzepts zur Förderung von einheimischen, wildlebenden Insekten in Planung, Entwicklung und Pflege auf landeseigenen und auf schulischen Liegenschaften des Freistaates Sachsen. Die Auswahl der zu untersuchenden Liegenschaften erfolgte durch das LfULG in Zusammenarbeit mit dem Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement (SIB), welcher die landeseigenen Liegenschaften verwaltet. Die Bearbeitung des Projekts erfolgte durch zwei Planungsbüros. Freiraumplanung und naturschutzfachliche Expertise sollten sich ergänzen und gemeinsam umsetzbare Lösungen für die Erhöhung der Insektenvielfalt entwickeln. Beauftragt wurde das Landschaftsarchitektur-Büro Grohmann aus Dresden mit Schwerpunkt Freiraum- und Landschaftsplanung, welches das Projekt gemeinsam mit dem Professor-Hellriegel-Institut, einem Forschungszentrum der Hochschule Anhalt am Standort Bernburg, bearbeitet hat.
Das umfangreiche Untersuchungsprogramm umfasste 68 landeseigene und 30 schulische Liegenschaften in Sachsen. Die Insektenfreundlichkeit der Außenanlagen wurde 2021 und 2022 anhand von Freiraumkategorien erfasst, deren Merkmale und Ausprägungen wurden bewertet. Dazu wurde ein Erhebungsbogen zur einheitlichen Erfassung und Bewertung entwickelt. Ausgehend von den kartierten Ergebnissen und den ermittelten Defiziten der untersuchten Liegenschaften wurden Maßnahmenvorschläge zur insektenfreundlichen Gestaltung der Liegenschaften erarbeitet. Zu krautigen Wildpflanzen sowie zu nektar- oder pollenspendenden Gehölzen wurden Orientierungslisten zur Pflanzenverwendung erstellt. Ein weiteres Projektergebnis ist ein Werkzeugkasten, hinterlegt mit Angaben zu Kosten der vorgeschlagenen Maßnahmen, Muster-Positionstexten sowie einem Muster-Pflegeplan.
Die komplexen Bedürfnisse der Insekten erfordern Strukturvielfalt und angepasste Pflege
Insekten erfüllen viele Funktionen im Ökosystem unter anderem als Destruenten und Pflanzenbestäuber. Als essenzielle Glieder der Nahrungskette haben Insekten direkte Wirkungen auf beinahe alle Populationen der höheren Tiere (Vögel, Säugetiere, Amphibien, Reptilien, Fische), d.h. alle Artengruppen hängen direkt oder indirekt von den Insekten ab. Schwindet die Anzahl an Insekten, so verringert sich auch die Anzahl der davon abhängigen Arten in der Nahrungskette. Zu nennen sind zum Beispiel Raubinsekten, die sich von Schädlingen wie Blattläusen ernähren, oder Destruenten, welche totes tierisches und pflanzliches Material abbauen und daraus entstehende Nährstoffe in den Stoffkreislauf zurückführen. Unter den Bestäuberinsekten nehmen Wildbienen eine besondere Rolle ein, da sie neben Nektar in den Blütenpflanzen gezielt Pollen sammeln und dabei gleichzeitig als Bestäuber fungieren. Aufgrund dieser Wechselbeziehung haben sich im Laufe der Evolution etwa ein Drittel unserer Wildbienenarten auf eine einzige Pflanzenfamilie oder Pflanzengattung spezialisiert (oligolektische Arten). Nektar sammeln sie auch an anderen Pflanzen, die Pollen aber brauchen sie zur Versorgung ihrer Bruten.
Die Insekten haben speziell an ihre jeweiligen Lebensräume angepasste Lebenszyklen entwickelt, welche je nach Art an spezifische Parameter gebunden sind. Insbesondere die Komplexität der Lebensräume spielt neben ihrer Flächengröße für das Fortbestehen der meisten Insektenarten eine entscheidende Rolle. Dabei muss neben vielfältigen Lebensräumen immer auch ein ausreichendes Nahrungsangebot vorhanden sein. So ist zum Beispiel für fast alle Tagfalter die Struktur des Habitats mit seinen Nahrungspflanzen für Raupen und Imagines in Verbindung mit Stör- und Sonnstellen, Paarungs- und Balzplätzen ein entscheidender Faktor bei der Besiedlung von Lebensräumen. Bei den Heuschrecken wiederum beruht die Bindung an ein bestimmtes Habitat in erster Linie auf deren spezifischen Ansprüchen an das Mikroklima und die Vegetationsstruktur. Nahrungsansprüche spielen eine eher untergeordnete Rolle, sie ernähren sie sich in der Regel unspezifisch von Gräsern oder leben räuberisch. Wildbienen dagegen sind räumlich und zeitlich von ihren Futterpflanzen beziehungsweise geeigneten Nahrungshabitaten und einer ausreichenden Anzahl an Nistmöglichkeiten abhängig. Sie benötigen Pollenquellen in erreichbarer Distanz zu ihren Bruthabitaten. Im Gegensatz zu den polylektischen Arten (Arten mit breitem Blütenbesucherspektrum) finden oligolektische Wildbienenarten (= Arten, die auf Pollen einer einzelnen oder einer nah verwandten Pflanzenart angewiesen sind) in der Landschaft deutlich schwieriger geeignete Nahrungshabitate.
Maßnahmen zur Förderung der Insektenvielfalt können also nur dauerhaft positive Wirkungen entfalten, wenn die spezifischen Mindestanforderungen an die teils komplexen Bedürfnisse der Insektenarten erfüllt sind. Will man Insekten schützen, so ist eine hohe Lebensraum- und Strukturvielfalt sowie das Vorkommen insbesondere einheimischer Nahrungspflanzen von besonderer Bedeutung.
Untersuchungen der letzten Jahre zeigen sehr eindrücklich, dass grünflächenbezogene Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität verschiedene positive Wirkungen entfalten können.
NL-Stellenmarkt
Die meisten Liegenschaften bieten derzeit zu wenig für Insekten
Zunächst wurde im F+E-Projekt ein Erfassungs- und Bewertungsbogen zur Einschätzung der Insektenfreundlichkeit der Außenanlagen erarbeitet. Mit Hilfe dieses Bogens wurden die Liegenschaften untersucht. Die Auswertung zeigte, dass mehr als die Hälfte der Außenanlagen der Liegenschaften in Hinblick auf Lebensraum- und Nahrungsangebotsausstattung für Insekten als "nicht gut" eingeschätzt wird.
Häufige Gründe für diese Bewertung sind die fehlende Strukturvielfalt in Grün- und Gehölzflächen, kein durchgängig verfügbares oder gänzlich fehlendes Blühpflanzenangebot von krautigen Pflanzen und Nährgehölzen. Diese Defizite sind meist auf eine zu häufige Mahd beziehungsweise Pflege einförmiger Rasenflächen mit Einzelgehölzen und hohe Versiegelungsgrade in den Außenanlagen zurückzuführen. Damit fehlen Rückzugsräume in Form von "wilden" Bereichen, die Insekten als Nistplatz oder Überwinterungsmöglichkeit dienen. Vorhandene Pflanzbeete sind oft mit ungeeigneter Bepflanzung bestückt (Koniferen, Saisonbepflanzung, monotone Bodendecker, gefüllte Rosen, sonstige fremdländische und Formschnitt-Gehölze). Kleinstrukturen und offene Bodenstellen, Spalten und Ritzen, auch Gehölze mit Höhlungen und Totholz fehlen als Lebensraumstrukturen meist gänzlich.
Die meisten landeseigenen wie auch schulischen Liegenschaften weisen aber ein Potenzial zur Verbesserung der Insektenfreundlichkeit auf. Meist existieren bereits kleinräumig insektenfreundliche Strukturen, verbesserungsfähig sind und an die angeknüpft werden kann.
Maßnahmen zur Förderung der Insektenvielfalt
- Grundsätzlicher Verzicht auf den Einsatz von Pestiziden (Pflanzenschutzmittel, Insektizide) Nehmen unerwünschte Arten stark zu, so sind bevorzugt mechanische Verfahren, beispielsweise mittels Kehrgeräten, Besen, gegebenenfalls in Kombination mit thermischen Verfahren einzusetzen.
- Einsatz "insektenverträglicher" Außenbeleuchtung für alle Außenanlagen
Eine hohe Insektenvielfalt ist nur dann gegeben, wenn vielfältige natürliche Strukturen, die den unterschiedlichen Lebensweisen der Insekten angepasst sind, in einem eng verzahnten Mosaik auf nicht zu kleiner Fläche vorkommen. Die insektenfreundliche Umgestaltung muss daher immer darauf ausgerichtet sein, möglichst viele Insektengruppen in ihrem Lebens- als auch Nahrungsräumen zu begünstigen. Die meisten der erfassten Liegenschaften wiesen große Defizite in Bezug auf solche kleinräumig wechselnden und für Insekten wertvollen Strukturen auf.
Grundsätze, die für alle Außenanlagen der Liegenschaften inklusive aller Grün- und Freiflächen sowie Wegen gelten sind:
Wenn möglich, ist auf das nächtliche Ausleuchten gänzlich zu verzichten. Wenn sich die Ausleuchtung der Anlage nicht vermeiden lässt (z. B. aus Sicherheitsgründen) sind Dauer, regelbar über Zeitschaltuhren, Bewegungsmelder, Art des Leuchtmittels als auch Standort und Höhe der Beleuchtung zu prüfen.
Konkrete Maßnahmen wurden in Form von kompakten Steckbriefen beschrieben und sind auch für kommunale Grünflächen anwendbar. Die Steckbriefe werden in sechs Maßnahmenkomplexe gegliedert: Teil A – Grünflächen, Teil B – Pflanzflächen, Teil C – Kleinstrukturen und Nisthilfen, Teil D – Gehölzflächen, Teil E – Sonstige Maßnahmen auf Dächern und Freiflächen und Teil F – Umweltbildung und Öffentlichkeitsarbeit.
Die Eignung der Maßnahmen hängt im Einzelfall von einer Reihe von Aspekten wie Kontinuität, Standortverhältnisse, räumliche Lage, Maßnahmentyp, Maßnahmenkombination oder Pflegemanagement ab. Im Folgenden wird in Kurzform Maßnahmen-Teil A "Wiesen und Rasen" zusammengefasst.
Teil A: Wiesen und Rasen
Entwicklung von Rasenflächen zu artenreichen Wiesen durch angepasste Pflege
Die dominante Freiraumkategorie kommunaler Liegenschaften ist meist gemähter oder gemulchter Gebrauchsrasen. Sie werden in der Regel sehr tief und häufig (4 bis 6mal jährlich) gemäht, sind daher oft artenarm und bieten kaum Nahrung für Insekten, da die vorkommenden Blütenpflanzen nicht zur Blüte gelangen. Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass diese Flächen nur insektenfreundlich umgestaltet werden können, indem eine Neuansaat durchgeführt wird. Grundsätzlich ist vor jeder Maßnahme zu prüfen, ob eine Entwicklung von Rasenflächen zu artenreichen Wiesen auch durch angepasste Pflege in Kombination mit Initialsetzungen durch lücken- oder streifenweise Neueinsaat oder Pflanzung sowie weiteren Maßnahmen möglich ist.
Um die Flächen durch Umstellung der Pflege zu artenreichen Wiesen zu entwickeln, kann auf geringwüchsigen Standorten und bei ausreichendem Vorhandensein ausdauernder einheimischer Arten eine 1-schürige Mahd mit Rückschnitt der überständigen Vegetation im April ausreichend sein. Auf wüchsigeren Standorten erfolgen zwei bis drei Schnitte. Das Mahdgut sollte auf der Fläche abtrocknen nach einigen Tagen beräumt werden. Durch frühe Mahdtermine werden ausläuferbildende Gräser stärker unterdrückt und konkurrenzschwache Kräuter in ihrem Wachstum gefördert, die durch Blütenreichtum Nahrungsquellen bieten. Durch die frühe Mahd verzögert sich ihre Vegetationsperiode und die Kräuter blühen und fruchten etwa zwei Wochen später als in zuvor ungemähten Wiesen.
Neuanlage artenreicher Wiesen, Blühstreifen und Säume
Wenn die wie unter A1 beschriebenen häufig geschnittenen Gebrauchsrasen in einer sehr artenarmen Ausprägung vorliegen, was auch im vorliegenden Projekt die Regel war, müssen Maßnahmen ergriffen werden, die über die reine Anpassung der Pflege hinausgehen. Eine Neuanlage artenreicher Wiesen- und Saumstrukturen mittels Neuansaat, Mahdgut- oder Wiesendruschübertragung wird empfohlen. Um eine insektenfreundliche Gestaltung zu erzielen, sind je nach Standort, Flächengröße und -nutzung, entsprechend bodenvorbereitende Arbeiten und maßnahmenspezifische Pflegeanpassungen anzuwenden. Die Samenübertragung mittels Mahdgut oder Wiesendrusch ist dann sinnvoll, wenn artenreiche Spenderflächen in der Umgebung vorhanden sind. Eine gute Bodenvorbereitung ist immer essentiell für den Erfolg. Entwicklung und Erhaltung der betrachteten Zielbiotope artenreiche Wiese, Blühstreifen und Saum erfordern differenzierte Pflegemaßnahmen. Bei starkem Unkrautdruck nach der Ansaat sind gezielt ein oder mehrere Schröpfschnitte vor Samenreife der unerwünschten Arten durchzuführen.
Optionale Maßnahmenbausteine als Ergänzung oder Aufwertung der regulären Unterhaltungspflege
Zur Verbesserung der Akzeptanz von Wiesen und Säumen im urbanen Raum haben sich kurz gehaltene Bankette – sogenannte Akzeptanzstreifen – in Randbereichen bewährt, welche je nach Aufwuchs bis zu sechs Mal jährlich gemäht oder gemulcht werden. Diese Akzeptanzstreifen sollten entlang von Parkplatzflächen, Gehwegen und sonstigen häufig frequentierten Plätzen eingeplant werden. Große Wiesen können mit Mäh-Wegen zur besseren Erlebbarkeit versehen werden.
Altgrasstreifen, d. h. ungemähte Bereiche innerhalb der Grünflächen, stellen ideale Larval- beziehungsweise Überwinterungshabitate für Insekten dar und sollten daher entlang von Randstrukturen wie Gräben, Zäunen, Böschungen oder Gehölzstrukturen belassen werden. Je nach Grünfläche sollen 20 bis 30 Prozent als Fläche oder Streifen ungemäht über den Winter stehen bleiben, wobei eine Mindestbreite vom 3 m nicht unterschritten werden sollte. Um Verbuschung zu verhindern, wird eine jährliche Verschiebung der Altgrastreifen empfohlen. Auf etablierten Wiesenbeständen mit guter Artenzusammensetzung kann bestenfalls eine Heumahd etabliert werden.
Liegenschaften mit größeren Wiesenflächen, aber auch Liegenschaften mit mehreren kleinen Grünflächen sollten möglichst in ein Rotationsprinzip integriert werden. Die Staffelung der Mahd erfolgt bei der Rotationsmahd für die Teilflächen räumlich und zeitlich getrennt. Aus naturschutzfachlicher Sicht ist es sinnvoll, die Mahd an verschiedenen Terminen gestaffelt auszuführen, um verzögerte Blühaspekte und damit stetig Nahrung als auch Rückzugsmöglichkeiten für Kleintiere zu schaffen.
Teile B bis F: Von Pflanzflächen über Dachbegrünung bis Umweltbildung
Neben den Maßnahmensteckbriefen zu Wiesen und Rasen wurde eine Reihe weiterer Maßnahmen entwickelt. Maßnahmen zu Pflanzflächen in Teil B umfassen die Neuanlage und Umwandlung von Pflanzflächen sowie Hinweise zur insektenfreundlichen Pflege.
Teil C beinhaltet die Anlage und Erhaltung von Kleinstrukturen und Nisthilfen, die neben Nahrungshabitaten für Insekten essenziell sind. Sie können in Außenanlagen in vielen Formen Platz finden. Nisthabitate, zum Beispiel für Wildbienenarten, können als offene Sandlinsen, Sandbeete und Nisthügel errichtet werden. Vertikale Pflanzenstängel und Halme werden bei der Pflege im Herbst stehen gelassen oder gezielt eingebracht. Sie werden am oberen Ende angeschnitten und sollten trocken und markhaltig sein, zum Beispiel von Königskerze, Brombeere, Himbeere und Wildrosen. Damit wird die Ansiedelung von Hohlraum- und Markbewohnern gefördert. Wichtig ist, dass diese über mindestens zwei Winter stehen bleiben, da Wildbienen ihre Nester darin anlegen und die Folgegeneration erst nach dem darauffolgenden Winter ausschlüpft. Totholz bietet ebenso einer Vielzahl von Insekten Lebensraum. Mit Trockenmauern oder Lesesteinhaufen oder ähnlichen Elementen, welche als Ruhe- und Sonnenplätze, Überwinterungs- und Versteckmöglichkeiten genutzt werden, können strukturarme Flächen mit fehlenden Kleinstrukturen aufgewertet werden. Entsprechende Flächen sollten überwiegend besonnt sein. Mit dem Bau einer zweireihigen Trockenmauer mit Hinterfüllung und Begrünung mit einheimischen Pflanzen kann man mit einfachen Mitteln und insbesondere auf Flächen mit beengten Platzverhältnissen (z. B. Schulhöfen) kleine Biotope mit etlichen Nistmöglichkeiten schaffen. Bei der Pflege von Hecken, Sträuchern und Bäumen fallen regelmäßig Äste, Zweige und Totholz als Schnittmaterial an. Dieses Material sollte möglichst in Form von kleinen Haufen in besonnten Bereichen unter Bäumen und Gebüschen, vor Hecken und Sträuchern als Rückzugsraum für Insekten locker aufgeschichtet werden. Anfallende kleinere und größere Steine können ebenfalls eingebaut werden. Im Herbst anfallendes Laub soll immer auf der Fläche verbleiben, es kann auch unter Hecken als Streu oder zur Abdeckung von Staudenflächen verwendet werden. Verschiedenen Insektenarten dient das Laub als Unterschlupf. Nicht zuletzt profitieren davon Brutvögel und Kleinsäuger wie beispielsweise der Igel. Totholzäste oder Stammstücke sind in besonnten Bereichen möglichst stehend gelagert auf der Fläche zu belassen. Zahlreiche Insekten haben einen Aktionsradius von nur wenigen hundert Metern und sind auf Wasserquellen vor Ort angewiesen. Befinden sich keine größeren oder kleineren Gewässer in unmittelbarer Umgebung sollten für Insekten künstliche Wasserstellen geschaffen werden. Teil D handelt von Anlage und Erhalt wertvoller Gehölzstrukturen. Höhlen- und spaltenreiche Altbäume bieten einer Vielzahl an Insektengruppen Lebensraum und sind daher möglichst so lange wie möglich zu erhalten. An abgängigen Bäumen ist vor der Fällung immer zu prüfen, ob ein Kronensicherungsschnitt den Erhalt als Biotopbaum oder Hochstubben sichern kann. Ist dies nicht möglich, sollte das Stammholz auf der Fläche belassen werden. Mehrere Stammstücke können dazu in einer Art Totholzpyramide aufgestellt werden. Wurzelstubben gefällter oder zu fällender Bäume sind zu belassen und nicht auszufräsen. Sie dienen Insekten ebenfalls als Lebensraum und Materiallagerstätte (z. B. zum Nestbau von Wespen und Hornissen).
Grundsätzlich ist es zur Förderung der Insektenvielfalt sinnvoll, Grünflächen mit Strauch-, Hecken- und Baumpflanzungen zu strukturieren. Hierfür sollten vorrangig standortgerechte einheimische Nährgehölze Verwendung finden. Hierzu wurde eine Orientierungsliste nektar- oder pollenspendender Bäume und Sträucher entwickelt. Insbesondere in besonnten Bereichen sind ergänzende Unterpflanzungen von Bäumen sinnvoll. Sträucher und Hecken ohne Nutzen für Insekten, insbesondere Koniferen, sollten entfernt und durch blühende Sträucher einheimischer Nährgehölze ersetzt werden. Fremdländische, nicht invasive Arten können erhalten bleiben, wenn diese einen Mehrwert als Nährgehölz darstellen. Größere Ein-Art-Bestände sollten sukzessiv artenreicher gestaltet werden, um einen möglichst langen und nutzbaren Blühaspekt der Gehölzstruktur zu erzielen. Auf jährliche Pflegeschnitte an freiwachsenden Sträuchern und Hecken ist möglichst zu verzichten. Bei Formschnittgehölzen und Hecken, die jährlich geschnitten werden, sollte der Schnitt im Winterhalbjahr, also außerhalb der Vegetationsperiode erfolgen, so dass Blühaspekte für Insekten nutzbar bleiben.
Um naturnahe Mantel- und Saumstrukturen zu entwickeln, muss das häufige Ausmähen entlang von Gehölzen, insbesondere in ungenutzten Randbereichen unterbleiben, so dass sich Saumstreifen sukzessiv entwickeln können. Säume sollten etwa alle zwei Jahre im zeitigen Frühjahr gemäht werden. Die richtige Pflege von freiwachsenden Hecken erfolgt abschnittsweise nur etwa alle fünf bis zehn Jahre durch Verjüngung, indem sie im Winterhalbjahr auf Stock gesetzt, d. h. heruntergeschnitten werden.
In Teil E geht es um Dachbegrünung, Fugenbegrünung, Entsiegelung und Neophyten. Bei extensiver Dachbegrünung ist insbesondere auf die Auswahl von Arten aus verschiedenen Familien, die zu verschiedenen Zeitpunkten blühen, zu achten. So wird ein möglichst langer Blühaspekt von April bis Oktober gewährleistet. Ergänzend sollten sogenannte Biodiversitätsbausteine eingebracht werden. Diese erhöhen die Strukturvielfalt und schaffen zusätzliches Lebensraumangebot. Dafür eignen sich offene Sand- und Bodenflächen, Lößwände und -steine, stärkeres Totholz, Nisthilfen oder Regenwasser-gespeiste Senken und Mulden. Eine Absicherung gegen Wetterereignisse wie Sturm und Starkregen muss jedoch vorliegen. Extensivgründächer stellen im Gegensatz zu unbegrünten Dachflächen bereits eine deutliche Verbesserung dar. Sie können jedoch durch die aufgeführten Bausteine nochmals aufgewertet werden. Die Fugenbegrünung auf teilversiegelten, wenig bis mäßig stark frequentierten Flächen kann bei stark versiegelten Außenanlagen neben der Entsiegelung eine Methode zur Aufwertung darstellen. In den Zwischenräumen und Fugen, aber auch entlang von wassergebundenen Wegeflächen, kann mit insektenfreundlichen Pflanzen wie zum Beispiel Mauerpfeffer, Thymian, Hopfenklee oder Habichtskraut begrünt werden. Spontan aufkommende Blühpflanzen sollten möglichst erhalten bleiben. Grundsätzlich sollte immer geprüft werden, ob versiegelte Flächen, die wenig frequentiert oder gar ungenutzt sind, entsiegelt und in Pflanz- und Grünflächen umgebaut werden können.
Teil F befasst sich mit der Umweltbildung und Öffentlichkeitsarbeit. Das Wichtigste ist die Kommunikation, um in der Bevölkerung Akzeptanz zu schaffen. Daher sollte auf allen Flächen beziehungsweise Liegenschaften, auf denen insektenfreundliche Maßnahmen umgesetzt werden, eine gezielte Aufklärung stattfinden. Über die Informationstafeln hinaus, sind jegliche Arten der Öffentlichkeitsarbeit dafür nutzbar.
Beinahe alle vorgeschlagenen Maßnahmen bewirken neben ihrer grundsätzlichen Eignung auch einen positiven Effekt auf das Kleinklima im urbanen Raum – etwa Dach- und Fassadenbegrünungen, Strauch- und Baumpflanzungen sowie Wiesenstrukturen, welche Trockenheitsperioden besser überstehen als Gebrauchsrasen. Vor diesem Hintergrund finden viele Maßnahmen mehr Akzeptanz.
Darüber hinaus ist eine fachliche Begleitung bestenfalls mit einzuplanen, damit die Maßnahmen erfolgreich geplant und umgesetzt werden können.
Im Rahmen des Projekts zeigten viele Ansprechpartner an untersuchten Schulen sehr großes Interesse zur Umsetzung und Mitgestaltung insektenfreundlicher Maßnahmen. Neben dem Schulgarten-Unterricht sind unter anderem Maßnahmen im Rahmen von Ganztagsangeboten, Workshops und Projekttagen umsetzbar. Der Fokus sollte dabei nicht nur auf den Schulgärten liegen, sondern das gesamte Schulgelände sollte einbezogen werden. Der Vielfalt an Maßnahmen sind dabei keine Grenzen gesetzt. In schulischen Natur-Erlebnis-Räumen steht das Erfahren der Natur und das freie Spiel im Vordergrund. Durch naturnahe Umgestaltung des Schulgeländes, unter anderem mit Elementen wie Hügeln, Wasserspielplätzen, Matsch- oder Ruhebereichen mit Sitzecken, natürlichen Wegen und Grünstrukturen, werden zahlreiche Tier- und Pflanzenarten begünstigt. Zur Umsetzung wird auf zahlreiche einschlägige Veröffentlichungen verwiesen.
Fazit
Mit Umsetzung der insektenfreundlichen Maßnahmen auf landeseigenen und schulischen Liegenschaften wird der Freistaat Sachsen Liegenschaften hinsichtlich insektenfreundlicher Außenanlagen und Pflegemaßnahmen beispielhaft bewirtschaften. Kommunen, private und öffentliche Einrichtungen können ihre Bewirtschaftung daran orientieren.
Die Umsetzung der Maßnahmen hängt maßgeblich vom Engagement der Beteiligten ab. Grundsätzlich, und besonders bei den untersuchten Schulen, wird eine insektenfreundliche Umgestaltung als positiv gewertet. Eine überwindbare Hürde ist nach wie vor das etablierte Ordnungsbild für Freianlagen, welches eher "aufgeräumte", stark durchgepflegte Grünanlagen fordert. Auch einige der im Projekt vorgeschlagenen Maßnahmen, wie Säume, Blühwiesen oder Altgrasstreifen werden ab einem gewissen Zeitpunkt im Jahr als unästhetisch wahrgenommen. Insektenfreundliche Gestaltung, also mehr "Wildnis" zu schaffen, bedarf der Überzeugungsarbeit, Wissensvermittlung, Koordination und Mitwirkung durch alle Beteiligten.
Gut geplante und umgesetzte Maßnahmen zur Förderung der Insektenvielfalt können gestalterisch gut eingebunden werden, so dass die Akzeptanz für insektenfreundliche Maßnahmen bei der breiten Bevölkerung erhöht wird. So kann man bereits mit geringen finanziellen Mitteln, beispielsweise durch die Integration von Totholz in Staudenbeeten oder durch die Entwicklung von blütenreichen Wiesen mit randlichen "Akzeptanzstreifen" und über den Winter stehen gelassenen Saumstreifen in Randbereichen viel bewirken. Individuelle Informationstafeln zu den speziellen Maßnahmen und Zielen der Maßnahmen dienen der Aufklärung der Bevölkerung und können ablehnenden Haltungen frühzeitig entgegenwirken. Diese sind daher in jedem Fall vorzusehen. Kleinflächige Maßnahmen wie das Aussparen der Mahd unter Solitärbäumen oder das Belassen von Laub- und Asthaufen sollten auch ohne aufwändige Öffentlichkeitsarbeit und Maßnahmenplanung häufiger den Weg in die Praxis finden.
Die derzeit gängige Pflege von Außenanlagen steht der Insektenfreundlichkeit häufig entgegen, beispielweise beim Einsatz von Laubsaugern und Pflanzenschutzmitteln, Vielschnittrasen, nicht angepasstem Mahdzeitpunkt, unsachgemäßem Gehölzschnitt sowie beim Beräumen von Laub und Totholz aller Art. Auch die Pflege sollte in Zukunft stärker auf Insektenfreundlichkeit ausgerichtet werden.
Im F+E-Projekt wurden knapp 100 Liegenschaften in Sachsen begangen und bewertet. Objektspezifische Maßnahmen zur Förderung der Insektenvielfalt wurden vorgeschlagen. Ergänzend wurden für zehn Liegenschaften Objektplanungen zur einschlägigen Umgestaltung erarbeitet. Der Freistaat Sachsen erhielt mit dem Projektbericht eine umfangreiche Grundlage für die insektenfreundliche Ausrichtung von Bau und Betrieb sowie die insektenfreundliche Umgestaltung seiner Liegenschaften. Allen anderen Interessenten steht in der Schriftenreihe des LfULG die neue Veröffentlichung "Maßnahmen zur Förderung der Insektenvielfalt auf kommunalen Flächen" zum Herunterladen mit Maßnahmen, Steckbriefen und Orientierungslisten zur Pflanzenverwendung zur Verfügung.
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