Sonderorganisation der Vereinten Nationen
IWF nennt Hebel gegen Deutschlands Wirtschaftsschwäche

Der IWF wiederspricht der These, dass die hohen Energiepreise an der schlechten wirtschaftlichen Lage des Landes Schuld seien. Außerdem stehe fest: "Deutschlands Wachstumsmodell ist nicht irreparabel kaputt." Und so gebe es auch keine fortschreitende Deindustrialisierung.
Die bisher diskutierten Probleme seien eher temporärer Art gewesen. Deutschlands Produzenten hätten sich inzwischen jedoch der Energiekrise und der Lieferkettenstörungen angepasst, indem sie Produkte mit höherem Mehrwert erzeugten und weniger Zwischenprodukte einsetzten, heißt es in dem IWF-Papier. So sei der in der Produktion geschaffene Mehrwert stabil geblieben, obwohl die industrielle Produktion gesunken sei. Für Deutschland noch ungelöst sei allerdings die Verschiebung der globalen Nachfrage weg von Industriegütern hin zu Dienstleistungen.
Fundamentale strukturelle Faktoren
Die eigentliche Schwäche der deutschen Wirtschaft sieht der IWF vor allem in fundamentalen strukturellen Faktoren. Deutschlands Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter sei in den letzten zehn Jahren nur durch Einwanderung gewachsen. Mit dem Abebben der Flüchtlingswelle und der Pensionierung der Babyboomer in den kommenden fünf Jahren werde das Wachstum der Erwerbsbevölkerung in Deutschland stärker zurückgehen als in den übrigen Ländern der G7, prognostizieren die Analysten. Das werde einen Abwärtsdruck auf das Bruttoinlandsprodukt pro Person ausüben, denn auf jeden Rentner kämen weniger Erwerbstätige.
Eine stärkere Zuwanderung könnte ein wirksames Mittel sein, um diesen Faktoren entgegenzuwirken. Deutschland könne sein Arbeitskräfteangebot aber auch erhöhen, indem es Frauen eine Ausweitung des Arbeitszeitvolumens erleichterte. "Es gibt 2,3 Millionen weniger erwerbstätige Frauen als Männer, und die Wahrscheinlichkeit, dass Frauen in Teilzeit arbeiten, ist fünf Mal höher", so das IWF. Ein verbesserter Zugang zu verlässlicher Kinderbetreuung und weniger Steuern für Zweitverdiener bei Ehepaaren könnte helfen, diese Lücken zu schließen.
Um öffentliche Investitionen anzukurbeln, könnte Deutschland die Planungskapazitäten der Kommunen durch Beratungsprogramme wie "Partnerschaft Deutschland" ausweiten.
Deutschland könnte die Finanzierung öffentlicher Investitionen durch die Umgestaltung anderer Ausgaben, die Mobilisierung zusätzlicher Einnahmen oder die Anpassung der Schuldenbremse für die Kreditaufnahme des Bundes erhöhen. Die Schuldenbremse könnte um rund 1 Prozent des BIP gelockert werden, ohne den Rückgang der öffentlichen Verschuldung im Verhältnis zum BIP zu verhindern.
Das IWF schlägt vor: "Die Produktivität könnte auch durch den Abbau von Bürokratie gesteigert werden, die ein Hindernis für Investitionen und Unternehmensgründungen darstellt". So dauere es beispielsweise etwa fünf bis sechs Jahre, bis die Genehmigung für den Bau eines Onshore-Windparks erteilt werde. Und es dauere 120 Tage, um eine Lizenz für den Betrieb zu erhalten. Das sei mehr als das Doppelte des OECD-Durchschnitts.
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Bereitstellung von Online-Diensten
Die Digitalisierung von Behördendiensten könnte ebenfalls zu einer Beschleunigung der Prozesse führen. Verglichen mit anderen EU-Ländern hinkt Deutschland bei der Bereitstellung von Online-Diensten für Unternehmen, einschließlich Registrierung und Steuererklärung, hinterher. So sind beispielsweise nur 43 Prozent der Online-Formulare für Behörden mit personenbezogenen Daten vorausgefüllt, während der EU-Durchschnitt bei 68 Prozent liegt.
"Deutschland steht vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen, aber es verfügt auch über politische Hebel, um diese zu bewältigen und eine bessere wirtschaftliche Zukunft zu schaffen", macht der Internationalen Währungsfonds den Deutschen Mut. Es sei an der Zeit, diese zu nutzen.
cm/IW