Wissenschaftlich fundierte Schätzungen anhand von Baumkatasterdaten

Kohlenstoffspeicherung und CO2-Senkenleistung im urbanen Baumbestand

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Kohlendioxid Klimabäume
Abbildung 1: Wachsende urbane Baumbestände entziehen der Luft Kohlenstoff und speichern diesen in ihren Holzkörpern. Foto: TreeConsult Gauting

Im städtischen Baumbestand wird fortlaufend Kohlenstoff gespeichert - aber in welcher Größenordnung und wie dauerhaft? Mit neuen, auf das städtische Umfeld angepassten Biomassefunktionen kann die CO2-Senkenleistung auf Basis von Baumkatasterdaten einfach rechnerisch abgeschätzt werden. Exemplarisch wird die Entwicklung für die Liegenschaften einer Wohnungsbaugesellschaft im Raum München zwischen 2007 und 2019 dargestellt.

Bäume sind wichtige Kohlenstoffspeicher. Ohne Zutun des Menschen speichern sie Kohlenstoff und binden damit CO2. Ein klimapolitisches Ziel ist es daher, Bäume als natürliche Kohlenstoffspeicher zu fördern. Aufforstungsprojekte in aller Welt und auch in Deutschland sollen einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz liefern, in dem die wachsenden Bäume den Kohlenstoff aus der Luft in ihren Holzkörpern zumindest für einige Jahrzehnte speichern und damit der Atmosphäre entziehen.

Obwohl das kommunale Grün in seiner Bedeutung pro Flächeneinheit im Vergleich zu Waldbeständen weniger Speicherleistung aufweist (vgl. Kändler et al. 2011), können doch auch kommunale Gehölzbestände einen Beitrag zum Klimaschutz leisten, sofern das hier gebundene CO2 in der Tendenz zunimmt oder zumindest konstant bleibt. Wenn aber, wie in den letzten Jahren, Hitze, Trockenheit und Kalamitäten zu geringeren Zuwächsen und großflächigen Ausfällen in den Beständen führt und das anfallende Holz nicht substituierend dem Kohlenstoffkreislauf entzogen wird, können Baumbestände zur CO2-Quelle werden.

Auch wenn andere Funktionen des kommunalen Grüns, wie die Erholungsfunktion, die Temperatur- und Feuchteregulierung oder auch die Lebensraumfunktion der Bäume durchaus als bedeutender angesehen werden können, sollte ein modernes Grünflächenmanagement vor dem Hintergrund des Klimaschutzes auch eine positive Entwicklung des CO2-Speichers in den Grünbeständen anstreben.

Um die Entwicklung in den Beständen zu überprüfen, bieten sich Baumkatasterdaten an, geben sie doch genaue Auskunft über die Dimension, Anzahl und Art der Bäume und damit die bestimmenden Größen für eine Schätzung der Biomasse und CO2-Speicherleistung der Bäume. Ein digitales Baumkataster bietet mit entsprechend hinterlegten Biomassefunktionen die Möglichkeit, "auf Knopfdruck" die aktuell gespeicherte Biomasse- beziehungsweise Kohlenstoffmenge zu bestimmen und ab einer Zweitinventur die CO2-Senkenleistung eines Bestands qualifiziert abzuschätzen.

Im Rahmen der Fortentwicklung und Neuprogrammierung der Baumkatastersoftware IsIman wurde diese Möglichkeit in Zusammenarbeit mit der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg geprüft und umgesetzt (Vonderach & Kändler 2020, unveröff.), nachfolgend implementiert und wird derzeit in einer Beta-Version von TreeConsult bereits angewendet. Die CO2-Bindung auch großer Bestände kann damit wissenschaftlich fundiert abgeschätzt werden.

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Abbildung 2: Beprobungsschema des Randomized Branch Sampling Verfahrens (RBS). Es wurden drei Pfade vom Stammfuß bis zu jeweils einer Endknospe segmentweise vermessen. An jeder Verzweigung wird auf Basis der Astbasisdurchmesser Zufall gesteuert entschieden, welcher Pfad weiterverfolgt wird. Für die Erfassung von Stadtbäumen wurden Baumkletterer für eine nicht-destruktive Beprobung eingesetzt. Abbildung: G. Kändler

Daten und Methodik

Der Habitus eines Stadtbaumes unterscheidet sich in der Regel von dem eines Waldbaumes. Auch Vorkommen und Häufigkeit der einzelnen Baumarten in Stadt und Wald weichen deutlich voneinander ab. Eine einfache Übertragung von Biomassefunktionen, die für Waldbäume entwickelt wurden, auf die urbane Situation, ist eher problematisch und nur mit Einschränkungen gültig. Gleichzeitig ist die Entwicklung von speziellen Stadtbaumbiomassefunktionen nicht ohne weiteres machbar. In der Regel ist im urbanen Raum eine destruktive Beprobung der Bäume, also eine Entnahme, nicht möglich. Tatsächlich ausscheidende Bäume sind in der Regel für eine Untersuchung nicht geeignet, da sie oftmals aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht entnommen werden, d. h. da sie aufgrund von Krankheit oder Faulstellen eine Gefahr darstellen beziehungsweise sie nicht die Anforderungen für eine Beprobung hinsichtlich Gesundheitszustand, Habitus und Vitalität erfüllen.

Der hier genutzte Datensatz entstammt einer aufwändigen, nicht-destruktiven Beprobungskampagne, die in der Stadt Karlsruhe durchgeführt wurde (Kändler et al. 2011). Dazu wurden 164 Bäume 14 verschiedener Laubbaumarten (Berg-Ahorn, Birke, Eiche, Esche, Feld-Ahorn, Hainbuche, Krim-Linde, Platane, Robinie, Roßkastanie, Rot-Eiche, Spitzahorn, Vogel-Kirsche, Winter-Linde) untersucht. Die Datenaufnahme wurde mit Baumkletterern realisiert, die die Bäume entsprechend dem Randomized Branch Sampling (RBS)-Protokoll vermessen haben (Gaffrey und Saborowski, 1999). Diese Methodik erlaubt eine präzise Schätzung des Gesamtvolumens eines Baumes auf Basis einer dreifachen Vermessung der Schaft- und Astsegmente vom Stammfuß bis zu zufällig gewählten Endknospen. Dabei wird an jeder Verzweigung proportional zu den abgehenden Astbasisdurchmessern zufallsbasiert ein sogenannter Pfad weiterverfolgt (Gaffrey und Saborowski, 1999). Die Berechnung der Biomasse erfolgt über das geschätzte Volumen und im Idealfall baumindividuelle Raumdichten; Kändler et al. (2011) haben in ihrer Stadtbaumstudie aus naheliegenden Gründen Literaturwerte genutzt.

Die genutzte Datengrundlage weist für einige Baumarten sehr geringe Stichprobenzahlen auf (Nmin=4, Nmax=37), weshalb einzelne, baumarten-spezifische Modelle für alle untersuchten Baumarten nicht zu erstellen sind. Stattdessen wurde ein gemeinsames Modell für alle Baumarten entwickelt und die einzelnen Baumarten in Form von zufälligen Effekten in das Modell integriert. Dadurch profitieren insbesondere die Baumarten mit geringen Fallzahlen von der über alle Baumarten abgeleiteten Mittelwertsfunktion, gleichzeitig erlaubt das Modell aber baumarten-spezifische Abweichungen von dieser gemeinsamen Erwartungswertfunktion.

In einem ersten Schritt wurden mit diesem Datensatz mehrere allometrische Biomassemodelle, wie sie auch für Waldbäume genutzt werden, mit den Baumkenngrößen D1 (Durchmesser in 1 Meter Höhe über Grund), Baumhöhe, Kronenansatzhöhe und Kronendurchmesser entwickelt. Zur Auswahl des "besten" Modells (im folgenden Modell S1) wurden statistische Gütemaße wie das Akaike Information Criterion (AIC), RMSE¹ und Bias² und Ergebnisse einer Kreuzvalidierung, aber auch inhaltliche und praktische Gründe herangezogen. Zu letzteren zählt die Anwendbarkeit, Variablenverfügbarkeit, Vorhersagegüte und das Paradigma einfache Modelle bei gleicher Eignung zu bevorzugen.

Da mit diesem Datensatz keine Nadelbaumarten berücksichtigt sind, diese aber ebenfalls im urbanen Raum vorhanden sind, und auch keine entsprechenden Daten vorliegen, wurde ein statistisches Verfahren herangezogen mit dem - auf Basis von Baumarten mit beiderlei Herkunft - der Unterschied hinsichtlich Biomasseallokation zwischen Stadt und Wald bestimmt werden kann. Für diesen Zweck wurde zusätzlich ein Datensatz mit Waldbäumen hinzugezogen, die ebenfalls per RBS (Laubholz) beziehungsweise sektionsweise Vermessung (Nadelholz) im Rahmen der Bundeswaldinventur 3 erfasst wurden (Kändler und Bösch, 2012).

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Tab. 1: Zahl der Liegenschaften, Anzahl der Stämme und Bäume (ohne Sträucher) + eine Liegenschaft wurde in zwei aufgeteilt, * Stämme entsprechen nicht Baumindividuen, da diese aus mehreren separat vermessenen Stämmen bestehen können
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Abbildung 3: Veränderungen im Baumbestand zwischen 2007 und 2019.

Im zweiten Schritt wurde ein gemeinsames Biomassemodell für Wald- und Stadtbäume entwickelt, dass sowohl die einzelnen Baumarten als auch die Herkunft der Beobachtungen berücksichtigen kann (Modell S2). Das ist möglich, da (i) die gleiche Modellform für beiderlei Herkunft geeignet ist und (ii) die gleichen Prädiktoren genutzt werden können. Damit ist es möglich, Schätzungen für in der Stadt nicht-beobachtete Baumarten (hier: Nadelholz) abzuleiten.

Die Ergebnisse der Kreuzvalidierung zwischen allen getesteten Modellen in Form des RMSE und Bias variieren leicht von Modell zu Modell, die besten Kennwerte weist das Modell S2 auf. Eine Differenzierung nach Baumarten zeigt, dass keines der getesteten Modelle für alle Baumarten die besten Ergebnisse liefert, aber auch hier zeigt das Modell S2 sehr gute Ergebnisse. Insbesondere liegt die größte relative mittlere Abweichung (relativer Bias) bei -9,7 Prozent (Robinie) und der mittlere Fehler in Relation zum beobachteten Mittelwert bewegt sich zwischen 10 und 36 Prozent. Ähnlich gut schneidet auch das Modell S1 ab, allerdings liegt der maximale Bias leicht höher (Berg-Ahorn resp. Birke). Zudem kann dieses Modell nur auf Laubhölzer angewandt werden. Dieser Punkt ist ein markanter Vorteil des S2-Modells, da hier durch die Integration der Waldbaum-Daten und der gewählten Methodik auch Nadelbaumarten abgebildet werden können. Leider ist - da hierzu aktuell keine Daten vorliegen - eine Evaluierung der Güte für diese zusätzlichen Baumarten in der Stadt nicht möglich.

Die Umrechnung der Biomasse in gebundenen Kohlenstoff geschieht entsprechend den Richtlinien des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) mit den Faktoren 0,48 Kilogramm C/kg Trockenmasse für Laubholz und 0,5 Kilogramm C/kg Trockenmasse für Nadelholz (Paustian et al, 2006; Lovelock et al, 2019).

Die Anwendung der Modelle auf Katasterdaten verlangt aufgrund der im Vergleich limitierten Baumartenliste der Modelle (Berg-Ahorn, Birke, Douglasie, Eiche, Esche, Feld-Ahorn, Fichte, Hainbuche, Kiefer, Krim-Linde, Platane, Robinie, Rosskastanie, Rot-Eiche, Spitzahorn, Vogel-Kirsche, Weiß-Tanne, Winter-Linde) eine Zuordnungsvorschrift zu den Kataster-Baumarten. Dafür wurde insbesondere die Gattung genutzt, zudem die verwandtschaftliche Nähe, in wenigen Fälle Habitus, Holzdichten und Expertenwissen. Da bei der Zuordnung gelegentlich Baumarten mit geringer Dichte durch eine Modell-Baumart mit höherer Dichte verknüpft wurden, wurde bei der Biomassebestimmung zudem in einigen Fällen eine Dichtekorrektur ergänzt. Im Ergebnis ist es möglich auf Basis des entwickelten Modells Vorhersagen für alle Bäume eines Baumkatasters vorzunehmen.

Vergleichende Abschätzung der CO2 Bindung eines kommunalen Bestands in 2007 und 2019

Die Auswertung der Baumkatasterdaten einer größeren Wohnungsbaugesellschaft im Raum München zeigt exemplarisch die Entwicklung des Kohlenstoffspeichers in den Liegenschaften.

Es handelt sich vorwiegend um relativ junge Bestände in verschiedenen Orten und Grünflächen rund um München; die Ersterfassung des Bestands wurde im Jahr 2007 durch Brudi & Partner TreeConsult durchgeführt. Anschließend erfolgte die jährliche Baumkontrolle und Durchführung baumpflegerischer Maßnahmen inklusive zahlreicher Fällungen. In 2019 wurden alle Stammdaten der Bäume aktualisiert, d. h. es wurden alle relevanten Daten für die Berechnung der Biomasse beziehungsweise der Kohlenstoffspeicherung neu erhoben. Mit einem Vergleich der beiden Datenbestände, kann die Veränderung der Speicherleistung zwischen 2007 und 2019 abgeschätzt werden.

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Abbildung 4: Die Altersgruppenverteilung in 2007 und 2019 (Altersklassen gemäß Baumkontrollrichtlinien der FLL, 2010: 1 = Jungbäume, bis 15 Jahre, 2 = Reife-/Maturationsphase, 16 bis 50 beziehungsweise 80 Jahre (je nachBaumart), 3 = Adult-/Alterungsphase ab 50, beziehungsweise 80 Jahre (je nach Baumart).

Die folgenden Auswertungen beziehen sich auf den Baumbestand übereinstimmender Grünflächen in 2007 und 2019. Alle in 2019 nicht mehr im Besitz der Wohnungsbaugesellschaft befindlichen Flächen beziehungsweise auch diejenigen Flächen, die 2007 noch nicht im Besitz der Wohnungsbaugesellschaft waren, wurden in die Auswertungen nicht einbezogen. Der ausgewertete Datenbestand besteht aus circa 80 Liegenschaften mit etwa 2000 Bäumen (vgl. Tab. 1). Sträucher wurden in der Auswertung nicht berücksichtigt, da hierfür bisher keine Modelle vorliegen.

Im Zeitraum 2007 bis 2019 sind mit 505 circa 18 Prozent der Stämme beziehungsweise circa 15 Prozent der Bäume entnommen und bisher nicht ersetzt worden (vgl. Fußnote Tab. 1) .

Die Kohlenstoffspeicherung des Baumbestands hat im selben Zeitraum trotzdem um 41,6 Tonnen zugenommen (Abb. 3). Bezogen auf die CO2-Senkenleistung ist eine Zunahme von rund 152 Tonnen zu verzeichnen. Für den von (Wald-) Bäumen unterirdisch gespeicherten Biomasseanteil können jeweils noch circa 10 bis 20 Prozent hinzugerechnet werden (vgl. z. B. Harris 1992, Dieter und Elsasser, 2002). Durch einen vollständigen Ersatz der entnommenen Bäume wäre diese positive Entwicklung noch klarer ausgefallen.

Die Senkenleistung des Baumbestands überrascht im ersten Moment in seiner Deutlichkeit. Bei genauerer Betrachtung der Baumartenverteilung der Bestände und der Altersstruktur zeigt sich das Ergebnis jedoch als konsistent und plausibel. So war der Bestand in 2007 noch zu über 40 Prozent durch Jungbäume geprägt, bis 2019 verringerte sich der Anteil auf etwa 31 Prozent (vgl. Abbildung 4 mit Definition der Altersphasen). Auffallend ist im konkreten Fall der nur geringe Anteil alter Bäume, der sich bis 2019 noch reduziert hat. Der Hauptteil der Gehölze ist also immer noch vergleichsweise jung.

Während der gemittelte Durchmesser aller berücksichtigten Baumstämme in 2007 bei 22,6 Zentimeter lag, liegt der Durchschnitt in 2019 um 3,4 Zentimeter höher und beträgt 26 Zentimeter. Analog dazu erhöhte sich die CO2-Bindung von 681 Kilogramm pro Baum in 2007 auf durchschnittlich circa 887 Kilogramm pro Baum in 2019. Dabei sind gefällte und neu gepflanzte Bäume mitberücksichtigt.

Da Bäume in der Jugendphase besonders kräftig zuwachsen, ist hier auch eine überdurchschnittliche Zunahme der Speicherleistung zu verzeichnen. In den Liegenschaften der Wohnungsbaugesellschaft hat im Hinblick auf die CO2-Speicherung der natürliche Zuwachs der Bäume den Wegfall von über 15 Prozent des Bestands überkompensiert.

Für eine nachhaltige Bewirtschaftung und die Förderung der Kohlenstoffspeicherung im Bestand wäre im konkreten Fall neben einer kontinuierlichen Erhöhung der Baumartenzahl durch Neupflanzungen in den nächsten Jahren vor allem die Verbesserung der Wuchsbedingungen der Bäume zu empfehlen, um den Zuwachs und vor allem die Langlebigkeit der Gehölze zu erhöhen.

Die baumartenspezifische Abschätzung der CO2-Sequenzierung lässt auch Vergleiche zwischen Baumarten oder -gattungen zu. Im konkreten Beispiel wurde ein Vergleich häufiger im Bestand vorkommender Baumgattungen im Hinblick auf die konkrete CO2-Bindung im untersuchten Bestand und Zeitraum durchgeführt.

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Abbildung 5: Vergleich häufiger Baumgattungen im Hinblick auf die CO2-Bindung im Bestand zwischen 2007 und 2019.

Die linke Balkengruppe in Abbildung 5 zeigt, dass die absolute CO2-Bindung im Bestand hauptsächlich durch die Gattungen Acer und Tilia geleistet wird. Die meisten Bäume entfallen auf diese beiden Gattungen. Bezogen auf den Ausgangswert in 2007 wurde im untersuchten Zeitraum im konkreten Bestand dagegen die höchste prozentuale CO2-Bindung im Bereich der Gattungen Salix, Malus und Tilia erreicht. Bei den beiden zuerst genannten Gattungen ging die Anzahl der Bäume gleichzeitig leicht zurück, der Bestand an Linden (Tilia) blieb im betrachteten Zeitraum konstant. Besonders geringe Werte wurden im Bereich der Gattung Betula festgestellt. Hier nahm die Anzahl der Bäume stark ab, sodass die Gattung im untersuchten Zeitraum eine Nettoquelle für CO2 darstellt. Im konkreten Bestand zeigten die Gattungen Quercus, Prunus und Fagus eine mittlere, die Gattungen Acer, Carpinus und Fraxinus eine geringe Senkenleistung, zum Teil auch aufgrund größerer Ausfälle/Entnahmen im Bereich dieser Gattungen (v. a. Acer, Fraxinus).

Dieses Ergebnis muss im Kontext des untersuchten Bestands und Zeitraums sowie weiterer Faktoren (Gründe für Baumentnahmen) eingeordnet werden. Bei einer längerfristigen Betrachtung oder auch unter anderen Wuchsbedingungen sind andere Ergebnisse zu erwarten. Die subjektiven Eindrücke aus der Region werden durch diese Ergebnisse bestätigt: die Birken leiden unter der Trockenheit der letzten Jahre, die Eschen stark unter dem Eschentriebsterben, während Linden relativ stabil in den Beständen verbleiben. Im Hinblick auf ein bestandsbezogenes CO2-Management liefert diese Betrachtung nützliche Hinweise, zum Beispiel für die Auswahl von Baumarten bei Neupflanzungen.

Ausblick

Durch die baumartenspezifische, rechnerische Abschätzung der Biomasse und davon abgeleitet der Kohlenstoffspeicherung beziehungsweise CO2-Bindung von freistehenden Bäumen, kann künftig auch dieser Aspekt im Rahmen der Bauminventarisierung und des Managements kommunaler Baumbestände berücksichtig werden. Anhand baumartenspezifischer Parameter und der erhobenen Katasterdaten wird die CO2-Bindung zum Zeitpunkt der Datenerhebung wissenschaftlich fundiert abgeschätzt. Mit Auswertungen aktueller Daten im Vergleich zu früheren Zeitpunkten wie auch zu späteren, simulierten Zuständen erhalten die Notwendigkeit von Nachpflanzungen, von Schutz- und Pflegemaßnahmen sowie auch die Schaffung guter Wuchsbedingungen ein weiteres nachvollziehbares Argument.

Im konkreten Beispiel wurde dargestellt, wie sich der Kohlenstoffspeicher und die CO2-Bindung in einem konkreten durch Jungbäume geprägten Bestand einer Wohnungsbaugesellschaft über zwölf Jahre hinweg entwickelt hat. In diesem Fall hat sich trotz Rückgang der Baumzahl die CO2-Bindung im Bestand insgesamt erhöht.

Mit den entwickelten Berechnungsgrundlagen kann die aktuelle oberirdische Kohlenstoffspeicherung und CO2-Bindung eines beliebig großen Bestands aus Katasterdaten ermittelt werden. Dabei handelt es sich um eine baumindividuelle Abschätzung auf aktueller wissenschaftlicher Grundlage. In der Zusammenschau einer großen Anzahl von Bäumen ergibt sich damit eine realistische Einschätzung der tatsächlichen, aktuellen Kohlenstoffspeicherung städtischer Bäume und ihrer CO2-Senkenleistung.

Literatur

Dieter, M. and P. Elsasser (2002). "Carbon Stocks and Carbon Stock Changes in the Tree Biomass of Germany's Forests." FORSTWISSENSCHAFTLISCHES CENTRALBLATT 121: 195-210.

Gaffrey, D. and J. Saborowski (1999). "RBS, ein mehrstufiges Inventurverfahren zur Schätzung von Baummerkmalen; I. Schätzung von Nadel- und Asttrockenmassen bei 66-jährigen Douglasien." Allgemeine Forst und Jagdzeitung 170 (10-11): 177-183.

Harris, R. W. (1992): Root-Shoot Ratios. Journal of Arboriculture 18(1): 39-42.

Kändler, G. and B. Bösch (2012). Methodenentwicklung für die 3. Bundeswaldinventur: Modul 3 Überprüfung und Neukonzeption einer Biomassefunktion - Abschlussbericht. Im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Zusammenarbeit mit dem Institut für Waldökologie und Waldinventur des Johann Heinrich von Thünen-Instituts, FVA-BW: 71.

Kändler, G., P. Adler und A. Hellbach (2011). Konzept zur Erfassung der Kohlenstoff-Speicherleistung von Stadtbäumen am Beispiel der Stadt Karlsruhe, Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt, Baden-Württemberg: 58 S.

Lovelock, C. E., N. Barros, Y. Prairie, J. Alm, D. Bastviken, J. J. Beaulieu, M. Garneau, A. Harby, L. M. Harrison, D. Pare, H. L. Raadal, B. Sherman, C. Zhang, S. M. Ogle, A. Grinham, B. Deemer, S. Kosten, M. Peacock, Z. Li and V. Stepanenko (2019). Agriculture, Forestry and other Land Use: 2019 Refinement to the 2006 IPCC Guidelines for National Greenhouse Gas Inventories.

Paustian, K., N. H. Ravindranath and A. R. v. Amstel (2006). 2006 IPCC Guidelines for National Greenhouse Gas Inventories.

Vonderach, C. und Kändler, G. (2020): Biomassefunktionen für Stadtbäume. Forschungsarbeit im Auftrag von TREECONSULT. Bericht, 55 S. ,31. Januar 2020.

¹ RMSE = Root Mean Square Error; ein statistisches Maß für den mittleren Restfehler zwischen Beobachtung und Modellvorhersage.

² Bias = Verzerrung; ein statisches Maß für die mittlere Abweichung zwischen Beobachtung und Modellvorhersage.

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