GaLaBau und Recht: Bau-Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt
Wichtige Urteile für GaLaBau-Unternehmer
von: Rainer SchillingIm letzten Vierteljahr gab es wieder zahlreiche Entscheidungen vom Bundesgerichtshof und den deutschen Obergerichten, die für die GaLaBau-Unternehmer von besonderem Interesse sein können. Auf die für die Praxis besonders wichtigen möchte ich heute mit meinem Beitrag eingehen.
1. Immer wieder Probleme mit dem Text von Gewährleistungsbürgschaften
IIn der Vergangenheit mussten wir uns schon häufig mit Texten von Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften beschäftigen, die nicht das Wohlgefallen der Richter gefunden hatten. In der Vergangenheit hat sich dabei das Oberlandesgericht München mit mehreren Urteilen hervorgetan. So auch jetzt wieder mit einer Entscheidung vom 10.12.2019 (OLG München, Az. 4 U 4413/18 Bau).
Worum ging es bei dem Rechtsstreit?
In einem Bauvertrag, dessen Text wegen Mehrfachverwendung durch den Auftraggeber als Allgemeine Geschäftsbedingung angesehen wurde, war für die Dauer der Gewährleistung eine fünfprozentige Sicherheit als Einbehalt vorgesehen, der durch eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer Bank abgelöst werden durfte. Soweit so gut. Eine solche Klausel wird von der Rechtsprechung wohl allgemein akzeptiert und ist in der Praxis üblich. Die Sicherungsabrede des vom Auftraggeber verlangten Bürgschaftstextes enthielt allerdings noch die zusätzliche Klausel, wonach die Rückgabe der Gewährleistungsbürgschaft seitens des Auftraggebers davon abhängig gemacht wird, dass der Auftraggeber keine Ansprüche aus Gewährleistung mehr geltend macht.
Nach wohl richtiger Ansicht des Oberlandesgerichts München wird mit einer solchen Klausel der Unternehmer als Auftragnehmer unangemessen benachteiligt. Der Auftraggeber hätte es bei Wirksamkeit einer solchen Klausel in der Hand, durch bloße Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen die Rückgabe der Bürgschaftsurkunde hinauszuzögern. Das lässt das Oberlandesgericht München zu Recht nicht zu.
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Mit Beschluss vom 07.10.2020, Az. VII ZR 1/20 hat zwischenzeitlich der Bundesgerichtshof die von Auftraggeberseite eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen und damit die Rechtsmeinung des Oberlandesgericht München im speziellen Fall gebilligt.
Bei der Gelegenheit sei noch darauf hingewiesen, dass viele Bauverträge hinsichtlich des Sicherheitseinbehaltes schlecht beziehungsweise äußerst nachlässig formuliert werden. Es reicht eigentlich nicht die Formulierung, dass "eine Sicherheitsleistung ablösbar durch eine Bürgschaft vereinbart wird". Bei einer solchen Formulierung könnte praktisch jedermann Bürge sein. Die Parteien sollten darauf achten, dass stets der Bürge näher bezeichnet wird, wie zum Beispiel "ablösbar durch eine Bürgschaft eines Kreditinstituts oder Kreditversicherers".
2. Wann kann ein Auftraggeber eine Vertragsstrafe geltend machen?
Es gibt immer wieder Streit zwischen den Vertragsparteien, ob bei einem Bauvorhaben eine Vertragsstrafe verwirkt ist oder nicht. Mit einer Vertragsstrafe versuchen Auftraggeber zumeist gegen die Restvergütungsforderung des Auftragnehmers aufzurechnen. Der Anfall der Vertragsstrafe ist praktisch immer an die Fertigstellung der Werkleistung geknüpft und nicht an die Abnahme. Dies ist auch vernünftig, weil es ansonsten ein Auftraggeber in der Hand hätte, die Abnahme hinauszuzögern, um damit die Höhe der Vertragsstrafe zu beeinflussen. Den Streit, ob eine Vertragsstrafe angefallen ist oder nicht, macht ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Az. 5 U 124/16 vom 07.12.2017) deutlich. Gegen das Urteil des Oberlandesgerichts hatte der Auftraggeber Nichtzulassungsbeschwerde zum Bundesgerichtshof eingelegt, der erst am 17.06.2020 zu Gunsten des Auftragnehmers entschieden hat (Az. VII ZR 294/17). Der Entscheidung des Oberlandesgerichts lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Bei einem Bauvorhaben wurde vertraglich zwischen "Geschäftsräumen" und "dem restlichen Geschäftshaus" unterschieden. Der zu errichtende Aufzug befand sich dabei im "restlichen Geschäftshaus". Auch die im Vertrag enthaltene Vertragsstrafenregelung machte die Unterscheidung zwischen den Gebäudeteilen. Der einzige Aufzug des Gebäudes befand sich im sogenannten "restlichen Gebäude" und ist erst zwei Monate nach Übergabe der "Geschäftsräume" für die Mieter betriebsbereit gewesen. Das Gericht sah die Geschäftsräume trotz des Vorliegens von Mängeln (z. B. noch nicht betriebsbereiter Aufzug) als nutzbar an und hielt den Auftraggeber für nicht berechtigt, gegen den Auftragnehmer eine Vertragsstrafe geltend zu machen. Das Gericht verlangt im Sinne einer Vertragsstrafenregelung, dass das Werk lediglich abnahmereif, aber nicht mängelfrei sein muss. Dabei soll nicht jede Nutzungsbeeinträchtigung aus mietrechtlicher Sicht einer Abnahmereife entgegenstehen.
Über die Richtigkeit der recht weitgehenden Entscheidung des Oberlandesgerichts kann man durchaus streiten. Das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf und die Meinung des Bundesgerichtshofs zeigen allerdings, dass nicht eine mangelhafte Leistung die Verwirkung der Vertragsstrafe unbedingt auslösen muss. Die für den Auftragnehmer günstige Entscheidung des Oberlandesgerichts lässt die Feststellung zu: "Lieber mit Pfusch fertig werden, als mit ordentlicher Arbeit zu spät sein."
In der Rechtsprechung erkennt man eine gewisse Tendenz, eher den Anfall einer Vertragsstrafe zu verneinen, als dem Auftraggeber eine solche zuzusprechen. So hat das Oberlandesgericht Dresden (IBR 2015, Seite 181) bestätigt durch den Bundesgerichtshof den Anfall einer Vertragsstrafe verneint, wenn dem Auftragnehmer bauzeitverlängernde Nachträge erteilt werden. Auch ein gestörter Bauablauf soll dazu führen, dass keine Vertragsstrafe verwirkt wird (Oberlandesgericht Brandenburg, IBR 2013, Seite 407 oder Kammergericht Berlin, IBR 2014, Seite 468).
3. Wie ist die Fristsetzung zur Stellung einer Bauhandwerkersicherheit zu bemessen?
In letzter Zeit muss ich immer häufiger feststellen, dass Werkunternehmer bei Bauvorhaben von ihrem Recht Gebrauch machen, eine Bauhandwerkersicherheit zu verlangen. Dabei liegen dem Verlangen die unterschiedlichsten Motive zugrunde. Gedacht ist sie in § 650f BGB (früher § 648a BGB) eigentlich dazu, den Auftragnehmer vor finanziellen Risiken - insbesondere Insolvenz des Auftraggebers - zu schützen. Wie ich aus meiner Praxis als Rechtsanwalt berichten kann, wird die Bestimmung des § 650f BGB immer häufiger von Auftragnehmern dazu genutzt, zu versuchen, um aus einem misslichen Bauvertrag auszusteigen. Insbesondere Auftraggeber, die keine Erfahrung mit § 650f BGB haben, ziehen allzu leicht den Kürzeren.
So hatte ich in meiner Praxis einen Fall, bei dem der von mir vertretene Unternehmer sich ganz erheblich verkalkuliert hatte und bei der Durchführung des übernommenen Auftrages ein ganz kräftiges Minus erwirtschaftet hätte. Der Mandant wollte unter allen Umständen aus dem Vertrag aussteigen, ohne sich allerdings schadenersatzpflichtig zu machen. Obwohl an der Bonität des Auftraggebers - ein betuchter Kaufmann - keine Zweifel bestanden, unternahmen wir den Versuch, mit dem Verlangen einer Bauhandwerkersicherung aus dem Vertrag herauszukommen.
Wir forderten den Auftraggeber auf, eine Sicherheit von einer Million zu stellen und setzten ihm zur Beibringung der Sicherheit eine Frist von zwölf Tagen, wobei wir auf das Kündigungsrecht hinwiesen. Der Kaufmann schrieb empört zurück, er sei für einen solchen Betrag "allemal gut". Mein Mandant solle schleunigst weiterarbeiten und keine Zeit verlieren. Als die gesetzte Frist zur Stellung der Sicherheit abgelaufen war und alle Voraussetzungen erfüllt waren, kündigte mein Mandant den Vertrag und ersparte sich so einen erheblichen Verlust. Erst nach der Kündigung schaltete der überraschte Auftraggeber einen Rechtsanwalt ein, der ihn über die im Gesetz vorgesehene Bauhandwerkersicherheit und ihre Folgen aufklärte.
Da mein Mandant lediglich seinen befürchteten erheblichen Verlust vermeiden wollte, kam es später zu einem Vergleich, mit einem für beide Seiten noch erträglichen Ergebnis. Es ist erstaunlich, wie wenig manche Auftraggeber sich der Situation bewusst sind, in die sie nach § 650f BGB geraten können, insbesondere dann, wenn die Finanzierung des Bauvorhabens auf Kante genäht und die Hausbank des Auftraggebers nicht mehr bereit ist, sich weiter zu engagieren beziehungsweise eine Bürgschaft zu stellen.
Oft werden vom Auftraggeber die gesetzten Fristen als zu kurz empfunden. In einem Beschluss des Berliner Kammergerichts vom 05.01.2021 (Az. 27 B 1054/20) wird eine Frist von zehn Tagen durchaus als ausreichend angesehen. Dies sei auch die Vorstellung des Gesetzgebers bei Erlass des Gesetzes gewesen. Wer als Auftragnehmer mit der Bemessung der Frist kein Risiko eingehen will, sollte die Frist sicherheitshalber auf 14 Tage bemessen. Wenn keine außergewöhnlichen Umstände gegeben sind (z. B. große Anzahl von Auftraggebern bei einer Bauherrengemeinschaft) ist man als Auftragnehmer mit einer gesetzten Frist von 14 Tagen für das Beibringen der Sicherheit auf der sicheren Seite.
Bei der Gelegenheit sei nochmals darauf hingewiesen, dass § 650f BGB stets nur von einer Sicherheit spricht, die vom Auftraggeber verlangt werden kann. In der Praxis wird zumeist vom Auftraggeber eine Bürgschaft eines Kreditinstituts oder eines Kreditversicherers gestellt. So ist es falsch und äußerst riskant, wenn man als Auftragnehmer vom Auftraggeber als Sicherheit eine Bürgschaft verlangt. Der Auftraggeber hat die Wahl, zu entscheiden, mit welcher Sicherheit er dem Verlangen des Auftragnehmers nachkommt. Dies könnte durchaus auch eine Verpfändung von Wertpapieren oder die Einrichtung eines Sperrkontos oder ähnliches sein.
Wie es sich aus den drei vorstehend behandelten Themen und den hierzu ergangenen Urteilen ergibt, kommen GaLaBau-Betriebe heutzutage nicht mehr umhin, sich mit baurechtlichen Themen zu befassen. Wenn es sich nicht um reine Lieferverträge handelt, auf die Kaufrecht anzuwenden ist, sind nahezu alle Verträge im GaLaBau-Bereich Werkverträge, bei denen der GaLaBau-Unternehmer zumindest gut beraten ist, wenn er die Grundzüge des zivilen Baurechts kennt.