GaLaBau und Recht: Fachanwalt Rainer Schilling empfiehlt

Nicht jeder umgestürzte Baum führt zur Haftung seines Eigentümers

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Die Herbst- und Winterstürme haben dieses Mal zu erheblichen Schäden geführt. Dächer wurden abgedeckt. Umstürzende Bäume haben Sach- und Personenschäden verursacht. Im schlimmsten Fall waren sogar Todesopfer zu beklagen. Mit Sicherheit werden auch dieses Mal eine Reihe Schäden wieder die Gerichte beschäftigen. Zu den Rechtsstreiten kommt es unter anderem auch, weil in der Bevölkerung die weit verbreitete Meinung vorherrscht, bei Schäden, die durch einen umstürzenden Baum verursacht wurden, hafte stets der Eigentümer.

Haftet der Eigentümer generell für von seinem Baum verursachte Schäden?

Wenn die Meinung zuträfe, könnte man jedem Eigentümer dringend raten, sich rechtzeitig von seinen Bäumen zu trennen, bevor sie zu groß werden und potenziell geeignet sind, Schäden anzurichten. Überprüft man die in den letzten Jahren ergangenen Urteile etwas genauer, wird man feststellen, dass der Eigentümer eines umgefallenen Baumes für die hierdurch entstandenen Schäden nur haftet, wenn ihn ein schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden kann, beispielsweise bei einem Verstoß gegen die ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht. Es ist herrschende Meinung, dass den Eigentümer eines Baumes - insbesondere wenn dieser größer und vielleicht schon etwas älter ist - eine Verkehrssicherungspflicht trifft, die recht weitgehend sein kann. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen muss man wegen der den Eigentümer treffenden Verkehrssicherungspflicht regelmäßig die eigenen Bäume überprüfen und ggf. Maßnahmen ergreifen, damit der Baum nicht Dritte schädigt.

Das Umfallen eines Baumes führt nicht automatisch zur Haftung

Auch wenn das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 15.04.2010 schon einige Zeit zurückliegt, zeigt es, dass selbst durch einen umstürzenden Baum verursachte schwerste Schäden nicht unbedingt zur Haftung des Eigentümers des Baumes führen. Der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Frau, die spätere Klägerin des Rechtsstreits, befuhr mit ihrem Pkw in Nordrhein-Westfalen eine Bundesstraße. Auf der einen Seite der Straße befand sich ein Wald. Auf das Fahrzeug der Klägerin stürzte aus dem Wald eine Birke.

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Die Klägerin erlitt bei dem Unfall schwerste, zum Teil nicht mehr herstellbare Verletzungen. Eigentümer des Waldstücks war eine Privatperson, die von der Klägerin auf erheblichen Schadenersatz verklagt wurde. Nur 15 Tage vor dem Unfallereignis hatte ein vom Eigentümer beauftragter Baumkontrolleur das Waldstück in Augenschein genommen. Die schadensverursachende umgestürzte Birke war bei dieser Kontrolle nicht beanstandet worden. Ursache für den Umsturz der Birke war eine äußerlich nicht sichtbare Wurzelfäule, die so weit fortgeschritten war, dass die Birke praktisch über keine Wurzel mehr verfügte und damit keinen Halt mehr im Boden hatte. In dem Rechtsstreit begehrte die Klägerin in erheblichem Maß Schadenersatz sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 80000 Euro.

Die Entscheidungsgründe des Oberlandesgerichts Hamm

In dem rechtskräftig gewordenen Urteil des Oberlandesgerichts Hamm hat das Gericht die Klage gegen den Eigentümer des Waldes in vollem Umfang abgewiesen. Das Gericht wies ausdrücklich darauf hin, dass als Haftungsgrund für den Verstoß gegen eine Verkehrssicherungspflicht nur in Betracht kommt, wenn den Eigentümer des Baumes ein Verschulden trifft. Die Haftung wegen Verstoßes gegen eine Verkehrssicherungspflicht ist stets verschuldensabhängig. Da die umgestürzte Birke äußerlich keinerlei sichtbare Faulstellen zeigte und das befallene Wurzelwerk erst nach Umsturz in seinem ganzen Ausmaß zu erkennen war, kam es nicht zu einer Verurteilung des Eigentümers. Nach den Feststellungen eines Sachverständigen waren keine sogenannten Defektsymptome an der Birke zu erkennen, die für den Eigentümer oder den kurz zuvor tätigen Sachverständigen zu erkennen waren. Auch ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger sah keine Veranlassung für den Eigentümer, die Birke aufgrund ihres Erscheinungsbildes innerhalb des Waldes einer näheren Untersuchung unterziehen zu müssen. In dem damaligen Rechtsstreit führte im Übrigen ein vom Gericht bestellter Sachverständiger aus, dass eine zweimalige Baumkontrolle im Jahr nur bei Straßenbäumen erforderlich sei, weil diese höheren Belastungen (u.a. Straßenbau, parkende Fahrzeuge, Emissionen) ausgesetzt seien. Für Bäume in einem Waldbestand reiche eine einmalige Kontrolle im Jahr völlig aus.

Dieser Meinung hat sich das Oberlandesgericht Hamm sodann auch in seiner Entscheidung ausdrücklich angeschlossen. In einem solchen Fall bleibt der Geschädigte weitgehend auf seinem Schaden sitzen. Er erhält zwar von seiner Krankenversicherung die Behandlungskosten erstattet. Nur wenn für das Fahrzeug eine Insassenunfallversicherung oder eine generelle Unfallversicherung besteht, könnte der Schaden ganz oder teilweise hierüber gedeckt sein. Der Schaden am Kfz wäre gegebenenfalls auch über eine Vollkaskoversicherung gedeckt.

Kommunale Verantwortung

Der Bundesgerichtshof hat sich in der Vergangenheit mehrfach mit Schäden befasst, die durch Bäume verursacht wurden, die auf öffentlichen Grundstücken standen. Schon in einer Entscheidung aus den 1960er Jahren verlangt der Bundesgerichtshof, dass die Kommunen Kontrollen in regelmäßigen Zeitabständen vornehmen und bei Feststellung von Gefahren alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen treffen. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2004 befasste sich der Bundesgerichtshof mit einem Schaden an einem Pkw des Klägers, der durch herabstürzende Äste einer im Gemeindeeigentum stehenden Pyramidenpappel verursacht wurde. Der Kläger des damaligen Rechtsstreits warf der beklagten Gemeinde vor, diese habe bezüglich der Pyramidenpappel, die eine Allee bildete, ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt, indem die Kommune die Bäume nicht habe hinreichend kontrollieren lassen. Der Bundesgerichtshof stellte damals fest, dass straßenverkehrssicherungspflichtige Gemeinden Bäume oder Teile von ihnen entfernen müssen, die den Verkehr gefährden, insbesondere wenn sie nicht mehr standsicher sind oder herabzustürzen drohen. Zwar stellte jeder Baum eine Gefahrenquelle dar, weil selbst gesunde Bäume durch Naturereignisse entwurzelt oder abgeknickt werden könnten. Der Bundesgerichtshof war damals der Meinung, dass eine sorgfältige äußere Gesundheits- und Zustandsprüfung von Straßenbäumen ausreicht, wenn sie zwei Mal im Jahr erfolgt, nämlich einmal im belaubten und einmal im unbelaubten Zustand. Weitergehende Pflichten wurden auch in späteren Urteilen nicht mehr vom Bundesgerichtshof als erforderlich angesehen.

Keine Haftung trotz fehlender Baumprüfung

In dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 4. 3. 2004 hatte die verkehrssicherungspflichtige Gemeinde gegen die vorstehenden Grundsätze, die der Bundesgerichtshof in seinem Urteil aufgestellt hatte, verstoßen. Die Gemeinde hatte schon längere Zeit keine turnusmäßige Baumüberprüfung mehr vorgenommen. Dennoch unterlag der Kläger beim Bundesgerichtshof. Das Gericht führte zu diesem Ergebnis wie folgt aus:

"Selbst wenn die Gemeinde ihre diesbezügliche Verkehrssicherungspflicht verletzt habe, scheide ein Amtshaftungsanspruch des durch herabfallende Äste geschädigten Verkehrsteilnehmers grundsätzlich aus, wenn dieser nicht nachweise, dass die ordnungsgemäße Überprüfung des Baumes zur Entdeckung der Schädigung des Baumes und zur Beseitigung der Gefahr geführt hätte."

Der Laie wird bei einem solchen Urteil an den Satz erinnert: "Recht haben und Recht beweisen ist zweierlei." Mit seiner Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof trotz eines Verstoßes der Gemeinde gegen die Verkehrssicherungspflicht zugunsten der Kommune entschieden. Das Gericht fordert vom Kläger bei Amtshaftungsansprüchen, dass die Amtspflichtverletzung kausal für den Schaden (hier Beschädigung des Pkw durch herunterfallenden Ast) gewesen ist. Wer als Anwalt in Amtshaftungssachen tätig ist, weiß wie schwer es ist, einen Beweis zu führen, der zu einer Verurteilung einer Kommune oder einer Behörde führen soll. Häufig ist dieser Beweis in dem Umfang, wie es die Gerichte nun mal verlangen, leider nicht zu erbringen.

Verantwortung von Privateigentümern

In einem neueren Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf, bei dem Gegenstand des Verfahrens das Umstürzen einer rund 200 Jahre alten Eiche während eines starken Sturmes war, ging es um Schäden an einem Gebäude der Klägerin, das durch die umstürzende Eiche beschädigt worden war. Der Versicherer des Gebäudes hatte zwar im Rahmen einer Elementarversicherung die Kosten für die Schadensbeseitigung übernommen. In dem vom Oberlandesgericht Düsseldorf entschiedenen Fall, versuchte die Versicherung beim Eigentümer des Grundstücks, auf dem die alte Eiche stand, Regress zu nehmen. Auch hier entschied schließlich das Oberlandesgericht Düsseldorf, dass die tatsächlich vorhandene Erkrankung der alten Eiche für einen Laien äußerlich nicht erkennbar war. Das Gericht war allerdings dort der Meinung, dass im Falle von Bäumen im privaten Bereich, die Untersuchung durch den Eigentümer selbst erfolgen durfte und er einen Fachmann nur hinzuziehen muss, wenn er Zweifel an der Verkehrssicherheit seines Baumes hat. Diese sehr weitgehende Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf führt dazu, dass in vielen Fällen rein vom Sachverhalt her es schwierig sein dürfte, den Eigentümer von nicht standfesten Bäumen haften zu lassen.

Übertragung von Verkehrssicherungspflichten auf Dritte

In der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf macht das Gericht auch Ausführungen zu der Frage, ob man die Verkehrssicherungspflicht für Bäume auf Dritte (bspw. eine Firma) übertragen könne. Das Gericht sieht die Situation so ähnlich wie bei der Übertragung von Verkehrssicherungspflichten im Winterdienst. Es bejaht die Möglichkeit, Verkehrssicherungspflichten von Bäumen auf Dritte wirksam übertragen zu können. Man wird deshalb wohl ohne weiteres annehmen können, dass ein qualifizierter GaLaBau-Betrieb geeignet ist, vom Eigentümer die Verkehrssicherungspflicht übertragen zu bekommen.

Die Störereigenschaft des Baumeigentümers

Die wenigsten Urteile befassen sich näher mit der Störereigenschaft des Eigentümers eines umgefallenen Baumes. In Betracht kommt in erster Linie die sogenannte "Zustandsstörung". Vermutlich liegt es daran, dass der Zustandsstörer in den wenigsten Fällen in Anspruch genommen wird, weil für ihn sich die Rechtslage recht günstig darstellt. Zustandsstörer ist der Eigentümer, dessen Baum sich nach dem Umfallen auf dem Nachbargrundstück befindet und dort gegebenenfalls Schäden angerichtet hat. Wenn den Zustandsstörer keinerlei Verschulden trifft, wird man vom Eigentümer des Baumes nur dessen Beseitigung verlangen können, nicht jedoch ohne Verschulden Schadenersatz oder Schmerzensgeld. Die durch die Beseitigung eines Baumes entstehenden Kosten, sind zumeist das Wenigste, was als Gesamtschaden bei umgefallenen Bäumen anfällt. Meistens sind die Eigentümer eines Baumes auch bereit, sofort den Baum selbst zu beseitigen, so dass dieser Streitpunkt nicht mehr Gegenstand eines Rechtsstreits werden musste.

Besonderheiten beim nachbarlichen Grenzbaum

Den wenigsten dürfte die Vorschrift des § 923 BGB bekannt sein. Ein Baum ist immer dann ein Grenzbaum im Sinne der Vorschrift des BGBs, wenn sein Stamm dort wo er aus dem Boden heraustritt, von der Grundstücksgrenze durchschnitten wird. Die Besonderheit bei einer Grenzbaumsituation ist die, dass der jeweilige Grundstückseigentümer für die Hälfte des Baumes verkehrssicherungspflichtig ist, die auf sein Grundstück hineinragt, das heißt jeder der beiden Grundstückseigentümer muss den Bereich des Grenzbaumes zur Erfüllung seiner Verkehrssicherungspflichten überprüfen, der in sein Grundstück hineinragt. Es gibt bei einem Grenzbaum dementsprechend im Zweifel immer zwei verkehrssicherungspflichtige Parteien, die einem Geschädigten gegenüber in die Haftung geraten können. Diese Haftung gilt auch zwischen den Nachbarn als Eigentümern des Grenzbaums untereinander. Wegen des gegebenen Streitpotenzials sollten Nachbarn nach Möglichkeit dafür sorgen, dass es zu keiner Grenzbepflanzung durch Bäume kommt und jeder Baum alleine einem Eigentümer zugeordnet werden kann.

Fazit

Entgegen landläufiger Meinung ist es in vielen Fällen gar nicht so leicht, den Eigentümer eines schadensverursachenden umgestürzten Baumes in die Haftung zu nehmen. Wegen der vielfältigen Probleme sollte bei einem Schadensfall der Geschädigte unverzüglich sich um Rechtsrat bemühen, damit von vornherein die Weichen für eine erfolgreiche Inanspruchnahme des Eigentümers des Baumes richtig gestellt werden können.

 Rainer Schilling
Autor

Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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