Zur Beurteilung der Artenvielfalt bei innerstädtischen Straßenbaumbeständen

Vielfalt statt Einfalt

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Artenschutz Klimabäume
Typische Neubepflanzung einer neuen Straße mit nur einer Baumart bzw. -sorte. Foto: Andreas Plietzsch

Das "Ulmen-Sterben" innerhalb der letzten 100 Jahre hat den Stadtgärtnern eindrucksvoll aufgezeigt, dass es nicht besonders sinnvoll ist, bei der Bepflanzung von Parkanlagen und von Straßen nur wenige Baumarten oder gar nur eine Baumart zu bevorzugen. Nachdem die Ulmen am Anfang des 20. Jahrhunderts noch zu den wichtigsten Straßenbäumen in Berlin gehörten beträgt ihr Anteil am aktuellen Straßenbaumbestand nun weniger als 1 Prozent.

Straßenbaumbestände heute

Wir verfügen heute über so viele Informationen zu unseren Straßenbäumen wie niemals zuvor. Auf der Grundlage von regelmäßigen Kontrollen werden in nahezu allen Kommunen und von vielen anderen Baumeigentümern und Baumverwaltern aktuelle Baumlisten oder Baumkataster geführt. Die darin enthaltenen Angaben ermöglichen Aussagen zu den vorhandenen Baumarten, zur Vitalität und zum aktuellen Zustand bis zur Ebene des Einzelbaumes. Diese Baumkataster werden jedoch vorwiegend aus Gründen der Dokumentation geführt und weniger als Planungs- und Steuerungselemente zum Baummanagement eingesetzt (Plietzsch 2006).

Mehrere Untersuchungen zu Straßenbäumen kommen zu dem Ergebnis, dass es aus verschiedenen Gründen sinnvoll ist, die Vielfalt in den Straßenbaumbeständen zu vergrößern, um eventuelle Risiken für die Ausfälle von einzelnen Arten zu minimieren (Bassuk 1990, Santamour 1990, Raupp et al. 2006, Watson 2017). Diese Risiken ergeben sich vor allem aus sich verändernden Umweltbedingungen, durch neu oder massenhaft auftretende Krankheiten und Schaderreger sowie durch die zunehmende Bepflanzung von Standorten mit einer deutlichen Naturferne (bspw. zu geringer Wurzelraum).

Ziel des vorliegenden Beitrages ist es, einen Einblick in die Diskussionen um die Vielfalt bei Straßenbaumbeständen zu geben und Möglichkeiten für eine Beurteilung und für eine Erhöhung der Vielfalt zu benennen.

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Nachpflanzung von Lindensorten in eine bestehende Allee aus Lindenarten. Foto: Andreas Plietzsch
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Bei Straßenbaumpflanzungen innerorts können wir auf gebietsfremde Arten nicht verzichten. Foto: Andreas Plietzsch
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Wie viel genetische Vielfalt steckt in einer solchen Lindenallee? Wir wissen es nicht. Foto: Andreas Plietzsch

Was bedeutet Vielfalt innerhalb von Straßenbaumbeständen?

Die biologische Vielfalt (Biodiversität) wird üblicherweise auf drei Ebenen betrachtet: Erstens die Vielfalt der Ökosysteme, zweitens die Artenvielfalt und drittens die genetische Vielfalt innerhalb einer Art. Hier sind nur die beiden letztgenannten Ebenen von Interesse.

In der Vergangenheit wurden die Straßen außerorts in der Regel mit verschiedenen Baumarten bepflanzt und die Straßen innerorts mit Baumarten und Baumsorten. Es dürfte sofort ersichtlich sein, dass eine Anpflanzung von vielen verschiedenen Arten die Artenvielfalt in einem Bestand erhöht. Wenn man die Sorten einer Art, beispielsweise die Sorten der Winter-Linde (Tilia cordata), als innerartliche Vielfalt auffasst, dann wird auch klar, dass man durch die Verwendung möglichst vieler Sorten eine größere innerartliche Vielfalt im Bestand erreichen kann. Bei der Anpflanzung von reinen Baumarten kann man die innerartliche Vielfalt auch erhöhen, wenn das verwendete Saatgut aus möglichst vielen verschiedenen Herkünften stammt. Mit dieser Vielfalt lässt sich die Stabilität eines Straßenbaumbestandes erhöhen, weil die Risiken für Ausfälle durch negative äußere Einflüsse minimiert werden können.

Es gibt jedoch auch Stimmen, die betonen, dass eine Vielfalt allein um der Vielfalt willen nicht in jedem Fall zielführend ist. So sind in vielen Kommunen einzelne Baumarten bekannt, die sich als sehr gut angepasst an die jeweiligen Standortbedingungen erwiesen haben und die deshalb relativ lange ihre Funktionen sicher erfüllen konnten. Richards (1983, 1993) verweist darauf, dass es unlogisch wäre, die Artenvielfalt allein durch nummerische Erhöhung der neu zu pflanzenden Arten zu vergrößern. Denn damit wäre auch das Risiko verbunden, bisher bewährte Baumarten zu ersetzen und unbekannte, weniger erprobte Arten zu pflanzen, deren Anpassungsfähigkeit an den Standort sich erst noch beweisen muss. Er hält die erwiesene Angepasstheit einer Baumart an den Standort für wichtiger als das alleinige Ziel einer möglichst großen Vielfalt.

Die Vielfalt in einem Straßenbaumbestand betrifft jedoch nicht nur dessen Artenzusammensetzung, sondern auch seine Altersstruktur. Die meisten Funktionen (Ökosystemdienstleistungen) können erst von Bäumen erfüllt werden, die sich in der Reife- oder Altersphase befinden. Jungbäume können diese Funktionen noch nicht vollumfänglich erfüllen. Eine Vielfalt in der Altersstruktur bedeutet demnach ebenfalls mehr Stabilität sowie eine sichere und dauerhafte Funktionserfüllung im Bestand.

Wie groß sollte die Vielfalt sein?

Eine der ersten konkreten Empfehlungen zur Entwicklung der Artenvielfalt in einem Straßenbaumbestand liefert Barker (1975). Seine Empfehlungsliste schreibt fest, dass keine Baumart mehr als einen maximalen Anteil von 5 Prozent am Bestand beanspruchen sollte. Dieses Konzept wurde später ausgeweitet, indem Moll (1989) neben dem maximalen Anteil der Arten aus den oben genannten Gründen nunmehr auch einen maximalen Anteil der Baumgattungen empfiehlt. Nach seinen Ausführungen sollte keine Art mit mehr als 5 Prozent und keine Gattung mit mehr als zehn Prozent am Bestand vertreten sein.

Am bekanntesten dürfte in diesem Zusammenhang die sog. 10-20-30-Regel von Santamour (1990) sein. Er formuliert unter Verweis auf die amerikanischen Erfahrungen mit verschiedenen artspezifischen Krankheiten und Schaderregern bei Stadtbäumen, dass der Anteil einer einzelnen Art nicht größer als 10 Prozent, einer einzelnen Gattung nicht größer als 20 Prozent und einer Familie nicht größer als 30 Prozent sein sollte. Er erwähnt es als günstig, dass in mehreren Gattungen jeweils nur eine Art als geeigneter Straßenbaum zur Verfügung steht, so dass eine gewisse Vielfalt schnell zu erreichen wäre, beispielsweise mit der Pflanzung von Ginkgo biloba, Gleditsia triacanthos, Pyrus calleryana, Liquidambar styraciflua und Zelkova serrata. Schwieriger wird es dagegen auf der Ebene der Gattung, wenn die Gattungen jeweils mehrere taugliche Arten enthalten, beispielsweise bei Ahorn (Acer), Eichen (Quercus) und Linden (Tilia). Ebenso gibt es relativ große Familien, etwa die Hülsenfrüchtler (Fabaceae) und die Rosengewächse (Rosaceae), die gleich mehrere Gattungen mit geeigneten Baumarten enthalten.

Wie groß ist die Vielfalt?

Hierzu liefert Bassuk (1990) die ersten vergleichenden Informationen aus Straßenbaumerfassungen in mehreren US-amerikanischen Städten. Die aufgezeigte Spannweite der Anteile einzelner Baumarten in den Städten ist enorm groß. Während in der Stadt Worcester (Massachusetts) 65 Prozent des gesamten Straßenbaumbestandes von nur einer Art bestritten wurde, waren es in der Stadt Encinitas (Kalifornien) 26 Baumarten, die zusammen einen Anteil von 65 Prozent ergaben. Für die Stadt Syracuse (Bundesstaat New York) legt die Autorin Auswertungen aus zwei Jahren vor. Im Vergleich der Jahre 1978 und 1989 hatten sich die Anteile der Hauptbaumarten nicht wesentlich verändert, obwohl sich die gesamte Anzahl der Straßenbäume von etwa 39.000 Stück (1978) auf etwa 33 450 Stück (1989) verringerte. Die drei Hauptbaumarten waren Spitz-Ahorn (Acer platanoides) mit 31,2 Prozent beziehungsweise 31,6 Prozent, Silber-Ahorn (Acer saccharinum) mit 16,1 Prozent beziehungsweise 11,9 Prozent und Zucker-Ahorn (Acer saccharum) mit 7,8 Prozent beziehungsweise 7,1 Prozent (jeweils 1978 bzw. 1989). Damit hatten diese drei Baumarten der Gattung Ahorn zusammen einen Anteil von mehr als 50 Prozent am jeweiligen Straßenbaumbestand erreicht.

Zu sehr ähnlichen Ergebnissen kommen Raupp et al. (2006). Sie untersuchten die Artenvielfalt der Straßenbaumbestände in zwölf Großstädten im Nordosten der USA unter dem Aspekt des Risikos eines Befalls mit dem Asiatischen Laubholzbockkäfer (Anoplophora glabripennis) und dem Asiatischen Eschenprachtkäfer (Agrillus planipennis). Die hauptsächlich vorhandene Baumgattung war Ahorn (Acer) mit einem Anteil von 15 bis 57 Prozent am jeweiligen Straßenbaumbestand, gefolgt von Eschen (Fraxinus) und Eichen (Quercus). Die Autoren verweisen auf das Risiko für einen Befall mit den genannten Schadinsekten in den untersuchten Städten. In einigen der untersuchten Städte könnten deshalb mehr als 50 Prozent der Straßenbaumbestände verloren gehen oder erheblich geschädigt werden, wenn diese oder andere Schaderreger sich weiter ausbreiten.

Weitere Untersuchungen zur Verteilung der Artenvielfalt in Straßenbaumbeständen haben Cowett & Bassuk (2014, 2017) veröffentlicht. Sie werteten die Unterlagen aus den Straßenbaumerfassungen im Bundesstaat New York und aus Städten von drei weiteren nordöstlichen Bundesstaaten der USA aus. In New York war wiederum der Spitz-Ahorn (Acer platanoides) mit einem Anteil von 21 Prozent der häufigste Straßenbaum. Wenn die Autoren die 10-20-30-Regel von Santamour (1990) zugrunde legten, so überschritten in einigen Städten neben den genannten Arten weitere Baumarten den empfohlenen maximalen Anteil von 10 Prozent, beispielsweise Acer rubrum, Gleditsia triacanthos, Platanus x acerifolia, Pyrus calleryana, Quercus palustris und Quercus rubra. In fast allen untersuchten Städten übertraf der Anteil einiger Baumgattungen den empfohlenen maximalen Anteil von 20 Prozent, beispielsweise Gleditsia, Malus, Platanus, Pyrus, Quercus und Tilia.

Cowett & Bassuk (2017) verweisen außerdem auf einen weiteren Einflussfaktor, der für die mögliche Vielfalt in Straßenbaumbeständen eine bedeutsame Rolle spielt. Dabei handelt es sich um die Winterhärtezone, das heißt, um die jährliche mittlere minimale Lufttemperatur an einem Ort. Es bestand ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Anzahl der geeigneten Straßenbaumarten in einer Stadt und ihrer Zuordnung zu einer Winterhärtezone. Je kälter die Winterhärtezone, in der die Stadt liegt, desto kleiner war die Anzahl der geeigneten Baumarten und damit auch die mögliche Vielfalt an diesem Ort. Ein typisches Beispiel dafür liefern Sjöman et al. (2012). In der finnischen Hauptstadt Helsinki betrug allein der Anteil einer Baumart (Tilia x europaea) am Straßenbaumbestand etwa 44 Prozent.

Diese Aussagen werden auch durch die Ergebnisse einer weltweit durchgeführten Studie gestützt (Kendal et al. 2014). Die Autoren werteten Literaturangaben zu 151 Baumkatastern aus 108 Städten aus. Die Ergebnisse stellen sich wie folgt dar. Die relative Häufigkeit der jeweiligen Hauptbaumart betrug im Mittel 20 Prozent und der Hauptbaumgattung 26 Prozent - damit also mehr als der von Santamour (1990) empfohlene maximale Anteil am Bestand. Die Artenvielfalt in den Städten war außerdem signifikant vom Klima beeinflusst. In Städten mit einem warmen kontinentalen Klima ist die Vielfalt an Baumarten deutlich größer als in Städten mit einem kühlen gemäßigten Klima. Auch wenn durch spezielle Pflegemaßnahmen wie zusätzliche Bewässerungen die begrenzte Niederschlagsmenge als natürliche Barriere überwunden werden kann, so bilden doch tiefe Wintertemperaturen eine unüberwindliche Grenze für die Verwendung von weiteren Baumarten im Freiland.

Wie kann die Vielfalt ermittelt und verglichen werden?

Mit der Beurteilung der Artenvielfalt bei innerstädtischen Straßenbaumbeständen hat sich SUN (1992) beschäftigt. Nach seiner Auffassung beruht die Vielfalt hierbei auf zwei Faktoren: Erstens der Anzahl an Baumarten und zweitens der relativen Häufigkeit (Ausgeglichenheit) aller Arten im Bestand. Dabei stützt er sich auf den sogenannten Inversen Simpson Diversity Index (SDI - nach Simpson 1949):

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Hier ist Nj die Anzahl der Individuen in einer Gruppe (bspw. Anzahl der Bäume einer Baumart mit j = 1, 2, … n) wobei n die Anzahl der Gruppen (Baumarten) darstellt. Je größer der SDI ist, desto größer ist die Vielfalt.

Das soll an einem fiktiven Beispiel verdeutlicht werden. Die Anzahl der Straßenbäume einer Musterstadt beträgt 3000 Bäume. Diese Bäume verteilen sich in zehn Gruppen (Baumarten) wie folgt.

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Tabelle: Andreas Plietzsch
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In unserem fiktiven Beispiel beträgt der Artenvielfaltindex (SDI) 8,7. Das Beispiel erfüllt jedoch die Empfehlung von Santamour (1990) hinsichtlich der maximalen Obergrenze für die Gattungen von 20 Prozent nicht. Wenn man die drei Lindenarten zusammenzählt, dann ergibt sich ein Anteil von 33 Prozent für die Gattung Tilia am Bestand. Außerdem haben dort zwei Arten einen größeren Anteil als 10 Prozent am Bestand (Winter-Linde und Spitz-Ahorn).

Sjömann et al. (2012) haben für die Straßenbaumbestände in verschiedenen nordeuropäischen Städten diesen Artenvielfaltindex (SDI) berechnet und die folgenden Ergebnisse erhalten: Kopenhagen (3,64), Göteborg (11,14), Helsinki (2,15), Oslo (9,27) und Stockholm (4,25). Die Städte Göteborg und Oslo haben im Vergleich einen relativ vielfältigen Straßenbaumbestand; Kopenhagen, Helsinki und Stockholm dagegen nicht.

Wie kann man die Vielfalt vergrößern?

Eine Möglichkeit zur Erhöhung der Artenvielfalt bei innerstädtischen Straßenbaumpflanzungen besteht grundsätzlich auch in der Verwendung von gebietsfremden Arten. Dabei handelt es sich um Baumarten, die in dem betreffenden Gebiet nicht natürlicherweise vorkommen, jedoch aufgrund ihrer Eignung aus anderen Regionen Europas und aus anderen Teilen der Welt eingeführt und gepflanzt werden. Sie stammen oftmals aus Regionen, in denen die klimatischen Bedingungen bereits heute so ausgeprägt sind wie das für unsere Städte in den kommenden Jahren und Jahrzehnten erwartet wird (Roloff 2021, Sjöman et al. 2012, LWG 2019).

Sjöman et al. (2016) haben deshalb die Frage diskutiert, ob wir es uns leisten können, auf gebietsfremde Baumarten zu verzichten, wenn wir die Vielfalt bei Stadtbäumen und insbesondere bei Straßenbäumen erhöhen wollen. Dabei stehen vor allem zwei Aspekte im Mittelpunkt ihrer Betrachtungen: Erstens, ein potenzielles Invasionsrisiko und zweitens, eine mutmaßliche Überlegenheit von einheimischen gegenüber gebietsfremden Arten. Zum ersten Punkt: Nicht alle gebietsfremden Arten sind an einem anderen Ort invasiv. Oftmals werden in den Diskussionen sämtliche gebietsfremde Arten als invasiv bezeichnet, was sachlich nicht richtig ist. Die Autoren verweisen auf die positiven Effekte (Ökosystemdienstleistungen) von eingeführten gebietsfremden Arten als Straßenbäume. Sie empfehlen deshalb die Aufstellung von sogenannten "Grünen Listen" mit sicheren Arten, die kein Risiko einer invasiven Ausbreitung besitzen. Arten mit einem bekannten Invasionsrisiko sollten dagegen von der Pflanzung ausgeschlossen werden. Zum zweiten Punkt: Es gibt inzwischen zahlreiche Beispiele dafür, dass gebietsfremde Arten als innerstädtische Straßenbäume an vielen Standorten nicht nur besser, sondern überhaupt geeignet sind, die erwarteten Funktionen zu erfüllen. So enthält die Straßenbaumliste der Gartenamtsleiterkonferenz (GALK 2021) derzeit deutlich mehr gebietsfremde Arten als einheimische Arten. Eine Überlegenheit einheimischer Arten ist hier schwer zu erkennen.

Eine zunehmende Rolle spielt heute die innerartliche oder genetische Vielfalt in Straßenbaumbeständen. Es existieren gegenwärtig jedoch zu wenige Kenntnisse über die innerartliche Vielfalt von einheimischen Baumarten, die als reine Arten an Straßen gepflanzt werden können. Hier stehen die Untersuchungen erst am Anfang und fast immer fehlen exakte Informationen über die Herkunft des zur Aussaat verwendeten Saatgutes. Krabel (2014) erwähnt die Untersuchungen einer mehr als 250 Jahre alten Lindenallee in den Gärten von Hannover-Herrenhausen. Bei 199 Alleebäumen treten dort 104 unterschiedliche Genotypen auf. Das heißt, es wurde bei der Pflanzung ein sehr heterogenes Material verwendet und dieser Bestand hat bis heute alle Widrigkeiten am Standort überlebt. Neben der Pflanzung von "neuen" gebietsfremden Arten sollte zukünftig deshalb auch die Verwendung von speziellen Auslesen einheimischer Arten erfolgen, die gut genug angepasst sind. Diese Auslesen fehlen jedoch bisher.

Fazit und Ausblick

Die innerstädtischen Straßenbaumstandorte stellen aus pflanzenbaulicher Sicht Extremstandorte dar. Nur eine begrenzte Anzahl von Baumarten kann unter diesen Bedingungen die erwarteten Funktionen längerfristig und sicher erfüllen. Außerdem ergeben nicht alle an diesen Standorten geeigneten Bäume auch gute Straßenbäume (Wuchshöhe, Wuchsform, Lebensalter).

Eine große Bedeutung zum erfolgreichen Erhalt von Straßenbaumbeständen hat die Erhöhung der Vielfalt. Vielfalt bedeutet eine größere Stabilität durch die Streuung von Risiken. Dennoch scheint es nicht klug zu sein, die Vielfalt allein um der Vielfalt willen zu erhöhen, weil dadurch auch bisher gut geeignete und regional angepasste Baumarten verdrängt werden würden. Alle aus der Literatur bekannten Regeln für maximale Anteile von einzelnen Arten oder Gattungen am Bestand (5-10 bzw. 10-20-30) können nur zur Orientierung dienen. Sie sind bisher nicht genügend wissenschaftlich überprüft und begründet worden. Entscheidend ist die Angepasstheit der Arten an die jeweiligen Standorte.

Die Pflanzung von gleichartigen und gleichaltrigen Bäumen an Straßen innerorts erfolgt vorwiegend aus gestalterischen Gründen und geht zurück auf eine Idee aus dem 17. Jahrhundert (Couch 1992 in Cowett & Bassuk 2017). Solche Straßenbaumbestände sind heute in der Regel nicht mehr zeitgemäß. Bei der kompletten Neubepflanzung einer Straße innerorts sollten ebenso verschiedene Arten und Sorten verwendet werden wie bei der Nachpflanzung in vorhandene Bestände, wenn die Standorte eine sinnvolle Entwicklung des Einzelbaumes zulassen.

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Die Baumschulenstraße in Berlin führt zum Späth-Arboretum. Sie wurde bereits vor mehr als 20 Jahren mit unterschiedlichen Baumarten bepflanzt. Foto: Andreas Plietzsch

Die Vielfalt innerhalb von Straßenbaumbeständen lässt sich durch eine Verwendung von bewährten einheimischen Arten, ergänzt um gebietsfremde Arten einschließlich von Sorten erhöhen. Dabei kann man auf die Pflanzung von gebietsfremden Arten nicht verzichten. An vielen Standorten stellt sich inzwischen nicht mehr die Frage, welche der einheimischen Arten geeignet sind, sondern ob diese Arten überhaupt noch in Frage kommen können. Dort sind wir zwingend auf gebietsfremde Arten angewiesen. Allerdings müssen diese Baumarten dann auch in ausreichender Menge und Qualität am Markt verfügbar sein.

Damit auch weiterhin einheimische Baumarten als innerstädtische Straßenbäume gepflanzt werden können, benötigen wir deutlich mehr Informationen zu den Saatgutherkünften und eine Auslese von standortgeeigneten Individuen. Bisher erfolgte die Auslese von Sorten der einheimischen Baumarten ausschließlich nach ästhetischen Kriterien (Zierwerte), nach Wuchskriterien (Wuchsformen) und nach deren Anfälligkeit (Krankheiten, Schaderreger). Für die zukünftige Verwendung benötigen wir trockenheits- und hitzeverträgliche sowie frostharte Genotypen von einheimischen Baumarten. Diese Ressourcen müssen in den nächsten Jahren umfangreicher ausgelesen, geprüft und genutzt werden.

Aufgrund der unterschiedlichen klimatischen Bedingungen innerhalb von Deutschland sollten die Kommunen unter Berücksichtigung von allgemeinen Empfehlungen eigene regionale Straßenbaumlisten aufstellen. Hinweise darauf finden sich bereits in der Straßenbaumliste der GALK. Dort sind verschiedene Arten und Sorten als bedingt geeignet aufgelistet, weil sie beispielsweise eine unterschiedliche regionale Eignung besitzen.

Die vorhandenen Baumkataster sollten im kommunalen Rahmen nicht nur zu reinen Dokumentationszwecken, sondern auch stärker als Steuerungs- und Planungsinstrumente zum Management des Straßenbaumbestandes eingesetzt werden. Hierbei kommt der Aufstellung von Straßenbaumkonzeptionen mit den entsprechenden Baumlisten eine große Bedeutung zu. Unter der Berücksichtigung des anzustrebenden Einzelbaum-Alters und des Bestandsumfangs können die jährlichen Mengen und Arten zur Pflanzung dann besser geplant werden.

Literaturquellen
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  • Kendal, D., C. Dobbs & V.I. Lohr 2014: Global patterns of diversity in the urban forest: Is there evidence to support the 10/20/30 rule? Urban Forestry & Urban Greening 13, 411-417.
  • Krabel, D. 2014: Vielfalt statt Monotonie: Zur Problematik eines eingeschränkten Sortenangebotes von Stadtbäumen. In: Roloff, A. et al. Forstwissenschaftliche Beiträge Tharandt. Tagungsband Dresdner Stadtbaumtage, Beiheft 16, 21-32.
  • LWG 2019: Forschungsprojekt Stadtgrün 2021. Neue Bäume braucht das Land. Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau Veitshöchheim.
  • Plietzsch, A. 2006: Baumkataster fertig - was nun? AFZ - Der Wald 8, 409-411.
  • Raupp, M.J., A.B. Cumming & E.C. Raupp 2006: Street tree diversity in Eastern North America and its potential for tree loss to exotic borers. Arboriculture & Urban Forestry 32, 297-304.
  • Richards, N.A. 1983: Diversity and stability in a street tree population. Urban Ecology 7, 159-171.
  • Richards, N.A. 1993: Reasonable guidelines for street tree diversity. Journal of Arboriculture 19, 344-350.
  • Roloff, A. (Hrsg.) 2021: Trockenstress bei Bäumen. Ursachen, Strategien, Praxis. Quelle & Meyer Verlag Wiebelsheim.
  • Santamour, F.S. 1990: Trees for urban planting: Diversity, uniformity and common sense. Proceedings of the 7th Conference of the Metropolitan Tree Improvement Alliance, 57-65.
  • Simpson, E.H. 1949: Measurements of diversity. Nature 163, 688.
  • Sjöman, H., A. Gunnarsson, S. Pauleit & R. Bothmer 2012: Selection approach of urban trees for inner-city environments: Learning from nature. Arboriculture & Urban Forestry 38, 194-204.
  • Sjöman, H., J. Morgenroth, J. Deak Sjöman, A. Saebo & I. Kowarik 2016: Diversification of the urban forest - Can we afford to exclude exotic tree spechies? Urban Forestry & Urban Greening 18, 237-241.
  • Sjöman, H., J. Östberg & O. Bühler 2012: Diversity and distribution of the urban tree population in ten major Nordic cities. Urban Forestry & Urban Greening 11, 31-39.
  • Sun, W.Q. 1992: Quantifiying species diversity of streetside trees in our cities. Journal of Arboriculture 18, 91-93.
  • Watson, G. 2017: Are there practical limits to urban tree species diversity? In: Urban Forest Sustainability in the United States. International Society of Arboriculture.
Dr. Andreas Plietzsch
Autor

öbv Sachverständiger

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