Auswirkungen wandgebundener Fassadenbegrünung auf das Mikroklima
Grüne Klimafassaden für die Stadt der Zukunft
Die positive Wirkung von Pflanzen im urbanen Raum rückt in Folge des Klimawandels stärker in den öffentlichen Fokus. Zunehmend werden auch Gebäudefassaden zur Begrünung genutzt. Das Projekt Klima-Forschungs-Station greift die Frage auf, inwiefern wandgebundene Begrünung in Kombination mit innovativen Fassadentechnologien als grüne Klimafassade das städtische Umfeld bereichern kann.
In unseren Städten wird es immer heißer. Starke Flächenversiegelung verhindert eine natürliche Temperaturregulierung. Vor allem an sommerlichen Hitzetagen strahlen erwärmte Gebäudefassaden und asphaltierte Straßen bis weit in die Nacht hinein Wärme ab. Auch können Starkniederschläge zu Überschwemmungen führen, da Flächen zur Versickerung fehlen. Diese Effekte werden durch den Klimawandel verstärkt, können aber durch Stadtgrün abgemildert werden. Die Vegetation sorgt durch Verschattung und Verdunstung für Abkühlung und ist oftmals in der Lage beträchtliche Mengen Wasser aufzunehmen und zu speichern. Da in Stadtquartieren Freiflächen knapp sind, ist es sinnvoll, auch die Gebäudeoberflächen als Grundlage für Grün in der Stadt zu nutzen.
Wandgebundene Vertikalbegrünung
Neben der bewährten bodengebundenen Fassadenbegrünung mit rankenden oder schlingenden Pflanzen gibt es in den letzten Jahren einen neuen Trend bei der vertikalen Begrünung: wandgebundene Systeme, die sogenannten "Living Walls". Während die Projekte des wegbereitenden französischen Botanikers Patrick Blanc eher als Kunstinstallationen einzuordnen sind, rückt heutzutage der naturwissenschaftliche Aspekt von wandgebundener Begrünung in Form einer natürlichen Städte- und Gebäudekühlung mehr in den Vordergrund. Um diese mikroklimatischen Effekte optimal zu nutzen und in praktikable Begrünungsvarianten umzusetzen, ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Planern, Bauphysikern und Begrünungsexperten unerlässlich.
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Entwicklung grüner Klimafassaden
An dieser Stelle setzt die Klima-Forschungs-Station (KFS) an. In einem gemeinsamen Forschungsprojekt haben es sich das Institut für Stadtgrün und Landschaftsbau der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) und das Bayerische Zentrum für Angewandte Energieforschung (ZAE Bayern) zum Ziel gesetzt, grüne Klimafassaden zu entwickeln und zu optimieren. Im Jahr 2018 konnte man die gemeinsame Forschungsarbeit auf der Landesgartenschau in Würzburg live miterleben. Zwei Klimahäuser wurden eigens errichtet, um an Fassadenprüfständen das optimale Zusammenspiel von Pflanze und Bauwerk zu untersuchen. Dabei soll nicht nur das Potential zur Verbesserung des Stadtklimas sondern auch zur Kühlenergieeinsparung von Gebäuden ermittelt werden. Umgeben werden die Klimahäuser von Klimagärten, welche die grüne Infrastruktur moderner Stadtplanung in Form von Klimabäumen, pflegereduzierten und dennoch artenreichen Pflanzflächen, begrünten Versickerungsmulden sowie versickerungsaktivem Pflaster beispielhaft abbilden. Durch die Einbindung in die Landesgartenschau wurde aktuelle Forschung für eine breite Öffentlichkeit erlebbar. Beim regelmäßigen Schulklassenprogramm wurden die Forschungsthemen einem jüngeren Publikum altersgerecht vermittelt. Auch nach Abschluss der Landesgartenschau besteht weiterhin die Möglichkeit die KFS - auch im Rahmen von Führungen - zu besuchen.
Fassadenprüfstände
Ganz entscheidend für eine funktionierende grüne Klimafassade ist die Vernetzung von Gebäude und vorgehängter Begrünung. Um neben unterschiedlichen Wandbegrünungssystemen und Staudenarten auch verschieden große Hinterlüftungsabstände testen zu können, wurden die Fassadenprüfstände in Form von beweglichen Rahmengestellen konzipiert. Darin lassen sich unterschiedliche Begrünungssysteme einhängen und in variablem Abstand zum Gebäude arretieren. Diese flexible Konstruktion ermöglicht den Forschern eine differenzierte Bewertung einzelner Klimafassadenaufbauten.
Begrünungssysteme im Vergleich
Bei den eingehängten Begrünungssystemen wird ein flächiges Vliessystem einem trogförmigen Rinnensystem gegenübergestellt. Beide Systeme haben sich in den letzten Jahren als wandgebundene Fassadenbegrünung bewährt und gute Ergebnisse erzielt - sowohl unter ästhetischen als auch unter versorgungstechnischen Aspekten. Die Fassadenprüfstände werden durch eine automatische Tropfschlauchbewässerung mit Düngeeinspeisung versorgt. Hierbei variieren je nach eingehängtem System die Anzahl und Dauer der einzelnen Bewässerungsgänge.
Versuchspflanzenarten
Beide Begrünungssysteme wurden mit den gleichen Versuchsarten bepflanzt. Die Auswahl berücksichtigt sowohl an der Fassade bereits erprobte als auch neue Arten, deren vertikales Potenzial bisher noch nicht getestet wurde. Besonderes Augenmerk wurde auf die erwartbare Verdunstungsleistung gelegt. Ein üppiges Wachstum mit genügend großer Blattfläche wurde hierbei als Voraussetzung festgesetzt. Eine Übersicht der zwölf ausgewählten Versuchsarten inklusive Sortenbezeichnung findet sich in Tabelle 2. Die Arten wurden nach den bisherigen Erfahrungen von sehr gut bis leider ungeeignet sortiert. Da der Versuch noch läuft, können bisher unerkannte Aspekte noch zu einer Anpassung der Gesamtbewertung führen.
Sonne und Schatten
Oftmals sind Pflanzen in wandgebundenen Systemen stark der Sonneneinstrahlung ausgesetzt, vor allem in südlicher Exposition. Deshalb wurde Nepeta (Katzenminze) als hitze- und strahlungs- sowie trockenheitsverträgliche Gattung getestet. Die Sorte 'Walker's Low' wächst besonders üppig. Als Nahrungsquelle für verschiedene Insekten trägt sie dazu bei, die Biodiversität an Fassaden zu erhöhen. Jedoch führt eine mehrtägige Trockenheit schneller zu irreversiblem Absterben als bei anderen Versuchsarten. Wie dauerhaft Nepeta in der Wand ist, lässt sich noch nicht abschätzen. Tendenziell gedeiht die Versuchsart im Vliessystem deutlich besser als in der Rinne.
Um die kühlenden Effekte durch Verdunstung für das Mikroklima am Gebäude nutzen zu können, sollte der Wasserumsatz der Bepflanzung insgesamt nicht zu niedrig sein. Deshalb wurden auch Arten getestet, die sonst eher in schattigen Bereichen verwendet werden. Vor allem Waldsteinia geoides (Ungarwurz) neigt bei direkter Sonnenexposition zu Sonnenbrand und kann bei Trockenheit ihre Blätter vorzeitig verlieren. Sie treibt aber bei entsprechender Wasserversorgung wieder nach. Auch die gewählten Funkien kommen an den Wänden relativ gut zurecht. Teilweise verfärben sich die Blätter etwas gelblich, aber zu direktem Sonnenbrand kommt es speziell bei der Art Hosta lancifolia (Lanzenblatt-Funkie) kaum. Die Ausfallquoten sind äußerst gering.
Knapper Wurzelraum
Letztendlich dürfen die Arten ihrem Standort gegenüber nicht zu anspruchsvoll sein. Die Wasserversorgung wird durch die Tropfschlauchbewässerung sichergestellt, doch der Wurzelraum ist knapp bemessen. Die Versuchsart Aster divaricatus (Weiße Wald-Aster) fühlt sich tendenziell in der Rinne wohler, neigt aber durch ihre Ausläufer dazu ihre Pflanzennachbarn zu bedrängen. Sie sollte dementsprechend nur neben konkurrenzstarke Pflanzen gesetzt werden. Bistorta amplexicaulis (Kerzen-Wiesenknöterich) ist im ersten Versuchsjahr sehr stark gewachsen und hat dadurch in beiden Systemen für ein gewisses Tiefenprofil im Gesamtbild gesorgt. Eine Kombination aus Sonnenbrand und Herbstfärbung ist an der Wand im Vergleich zu Bodenstandorten verhältnismäßig früh eingetreten. Nach dem Winter hat Bistorta leider nur sehr schwach ausgetrieben. Die auffällig langen Triebe bis zu 1 m im Jahr 2018 wird sie 2019 definitiv nicht mehr ausbilden. Möglicherweise reicht dieser Art der beengte Wurzelraum in Rinne und Vliespflanztasche nicht aus. Zur mehrjährigen Verwendung kann sie nicht empfohlen werden.
Auch Gräser können in einer wandgebundenen Begrünung reizvoll aussehen. Sesleria heufleriana (Grünes Kopfgras) und Hakonechloa macra (Japangras) blieben bezüglich ihrer Wüchsigkeit leider hinter den Erwartungen zurück. In der Rinne wachsen sie zwar an, bilden aber keine gute Deckung aus. Im Vliessystem funktionierten die Gräser weniger gut: über den Winter sind dort knapp 60 Prozent Sesleria und gut 70 Prozent Hakonechloa ausgefallen.
Vorbild Steinanlage für die Fassade
Bezüglich des eingeschränkten Wurzelraums ist die Fassade teilweise mit Steinanlagen zu vergleichen. Mit den beiden Heuchera-Sorten 'Amethyst Myst' und 'Chantilly' (Purpurglöckchen) und Chrysogonum virginianum (Goldkörbchen) wurden Pflanzen getestet, die auch mit geringerem Substratvolumen zurechtkommen könnten. Die Heuchera-Sorten erweisen sich bisher als äußerst vital und widerstandsfähig mit sehr geringen Ausfallquoten. Im Vliessystem hat ihre Wüchsigkeit 2019 im Vergleich zu 2018 noch einmal deutlich zugenommen. Vom gefürchteten Dickmaulrüssler-Befall ist die Versuchsanlage bisher verschont geblieben. Chrysogonum scheint sich hingegen allgemein nicht für die Vertikale zu eignen. Über 90 Prozent der Versuchspflanzen waren im Frühling des zweiten Versuchsjahres ausgefallen. Nur im Rinnensystem haben einzelne Pflanzen überlebt. Durch einen zweiten Versuch per Nachpflanzung soll eine mangelhafte Ausgangsware als Ursache ausgeschlossen werden.
Flachgründige Standorte mit geringem Substratvolumen sollten auch für die verbliebenen beiden Versuchsarten Campanula poscharskyana (Hängepolster-Glockenblume) und Geranium macrorrhizum (Balkan-Storchschnabel) kein Problem darstellen. Campanula wächst in beiden Systemen, reagiert aber empfindlich auf kurzzeitige Wasser-Unterversorgung und zu direkte Sonneneinstrahlung. Im Winter sieht diese Art oftmals sehr schön aus, weil sie auch in den kalten Monaten ein sattes Grün aufweist. Es ist allerdings schwierig bei Frostgefahr die entsprechende Wasserversorgung zu gewährleisten. In der Rinne funktioniert das aufgrund des höheren Speichervolumens tendenziell besser als im Vlies. Geranium hat sich neben den Heuchera-Sorten bisher als am widerstandsfähigsten erwiesen. Es wächst in beiden Varianten, gedeiht aber im Vlies noch besser, während es in der Rinne verstärkt zu Sonnenbrand neigt. Keine einzige Versuchspflanze der Gattung Geranium ist bisher ausgefallen.
Klimatische und energetische Bewertung
Besonders im Fokus stehen an der KFS die Auswirkungen der begrünten Fassaden auf das unmittelbare Mikroklima und den Energiehaushalt des Gebäudes. Dazu misst die LWG kontinuierlich in einem 15-minütigen Messintervall Temperatur und relative Luftfeuchte an, vor und hinter den grünen Wänden, während das ZAE Bayern unmittelbar an den Fassaden und im Gebäudeinneren Temperaturen und Wärmeflüsse erfasst. Der Abstand der Rahmengestelle zur Gebäudefassade wurde ab Juni 2018 regelmäßig variiert (Klimahaus Süd: 5/10/15 cm, Klimahaus West: 20/25/30 cm). Die Begrünungssysteme wurden dabei mit verschiedenen Dämmsituationen kombiniert.
Relative Luftfeuchte
Die 2018 erhobenen Klimadaten wurden zuerst hinsichtlich ihrer Tagesmittelwerte verglichen. Unterschiede zwischen den einzelnen Faktorstufen (Exposition, Begrünungssystem und Hinterlüftungsabstand) wurden statistisch durch mehrfaktorielle Varianzanalysen überprüft. Die Exposition (Süd/West) als Einzelfaktor hatte keine signifikante Auswirkung auf die relative Luftfeuchte an den Fassaden. Insgesamt war die Feuchtigkeit am Rinnensystem tendenziell niedriger. Bei beiden Systemen blieb die Feuchtigkeit zwischen Begrünung und Fassade im Vergleich zur Begrünungsebene und 15 cm davor gering. Man kann also schlussfolgern, dass die Hinterlüftung bei allen getesteten Abständen ausreicht, um die Bausubstanz vor übermäßiger Feuchte zu schützen. Je größer der Zwischenspalt gewählt wird, desto trockener ist es hinter der Begrünung, was vermutlich vor allem mit der Luftbewegung und der dadurch begünstigten Verdunstung zusammenhängt. Bei Einzelbetrachtung der Fassadenprüfstände fiel auf, dass an Klimahaus West bezüglich der relativen Luftfeuchtigkeit kein signifikanter Unterschied zwischen den Systemen bestand. An Klimahaus Süd war es allerdings am Rinnensystem deutlich trockener, was neben der Südexposition auch auf die häufigeren Bewässerungsgänge am Vliessystem zurückzuführen ist. Bei beiden Fassadenprüfständen nahm die Gesamt-Feuchtigkeit mit zunehmendem Hinterlüftungsabstand signifikant ab.
Lufttemperaturen
Die Temperaturmessungen wurden zuerst an Klimahaus West ausgewertet, weil dort beide Systeme von Juni bis Oktober 2018 parallel unter gleichen Rahmenbedingungen untersucht werden konnten. Hinsichtlich der gemessenen Tagesmittelwerte haben sich die Begrünungssysteme nicht signifikant voneinander unterschieden. Der Abstand hatte allerdings auch hier einen signifikanten Einfluss: je größer der Zwischenraum, desto niedriger die Temperaturen. Der Kühleffekt ist also dementsprechend stärker.
Die gesammelten Daten werden im nächsten Schritt auch hinsichtlich des Tagesgangs an verschieden strahlungsintensiven Tagen ausgewertet, um die kurzfristige Auswirkung der wandgebundenen Begrünung genauer zu untersuchen. Im interdisziplinären Austausch mit dem ZAE Bayern wird das Zusammenwirken der Fassadenkomponenten zusätzlich bewertet, indem auch die Messwerte innerhalb der Gebäude in die Analysen einbezogen werden. Im Frühling 2019 wurden die Temperatursensoren zudem mit Strahlungsschutzhülsen ausgestattet, um das Risiko einer Messwertverfälschung durch direkte Einstrahlung zu minimieren.
Schaltbare Wärmedämmung und Messboxen
Am Klimahaus Süd wurde im Sommer 2018 eine Schaltbare Wärmedämmung (SWD) getestet. Schaltbar bedeutet in diesem Fall, dass die Dämmwirkung bei Bedarf durch eine elektrische Steuerung deutlich reduziert werden kann. Hierdurch kann die durch pflanzliche Verdunstung verfügbare Kühlenergie hocheffizient als natürliche Klimaanlage im Gebäudeinnern genutzt werden. Die SWD ist auf einer der Fassadenhälften verbaut. Direkt daneben ist die zweite Hälfte als Massivwand mit konventioneller Dämmung installiert, sodass beide Wandtypen in Kombination mit Begrünung unter den gleichen Rahmenbedingungen getestet werden können. Zudem werden alle Klimafassadenaufbauten von der Gebäudeinnenseite aus vom ZAE Bayern bewertet. Hierzu wurden auf der Innenseite der Klimahäuser unmittelbar hinter den Fassadenprüfständen Messboxen aufgebaut. Dabei handelt es sich um voll wärmegedämmte, temperierte Räume. Diese sind somit für die einzelnen Messungen thermisch von den Umgebungsbedingungen entkoppelt. Indem die Lufttemperatur in den Messboxen konstant gehalten wird, können Fassadensysteme mit Vergleichsfassaden bei gleichen Rahmenbedingungen innen (Messboxen) und außen (Begrünungssysteme) energetisch bewertet werden. Die Bestimmung von Luft- und Oberflächentemperaturen sowie Wärmeströmen dient dabei als Basis für die energetische Bewertung.
Passive Erdwärme
Des Weiteren wurden Wärmerohre mit jeweils einer Länge von 5 m in den im Winter gedämmten und abgeschlossenen Luftspalt hinter dem Begrünungssystem des Klimahauses West installiert. Diese sind 4 m tief im Erdreich versenkt und transportieren in der kalten Jahreszeit vollkommen passiv die vom Sommer im Erdreich eingespeicherte Wärme in den Luftspalt. Bei genügend kalter Außenlufttemperatur entsteht automatisch ein Kreislaufsystem: ein Fluid in den Wärmerohren verdampft, steigt auf, kondensiert und läuft wieder nach unten. Dadurch wird die Erdwärme vom Erdreich nach oben in die verhältnismäßig kühlere Außenluft transportiert und erwärmt somit den eingehausten Luftspalt zwischen Fassade und Begrünung. Die Funktionsweise ist passiv, der Wärmetransport in den Wärmerohren erfolgt im Winter also von selbst ohne weiteren Pumpenergiebedarf. Folglich ist dadurch auch eine frostsichere winterliche Bewässerung denkbar.
Die andere Fassadenhälfte, neben den Erdwärmerohren, wird als Referenz verwendet. Im Winter 2018/19 wurde die passive Erdwärmenutzung in Verbindung mit dem Vliessystem getestet, im folgenden Winter 2019/20 ist das Rinnensystem an der Reihe. Die Erdwärmerohre sorgten für eine Erwärmung der Lufttemperatur im Zwischenspalt um bis zu 2 °C. Dadurch wird die Gebäudeaußenhülle weniger kalt und Heizwärmeverluste werden verringert, da die Temperaturunterschiede zwischen Innen- und Außenwand abnehmen. Im Substrat, sozusagen auf der anderen Seite des Begrünungssystems, war diese Erwärmung allerdings nicht mehr messbar. Die Pflanzen wurden somit nicht direkt beeinflusst. Grundsätzlich lässt sich das Vliessystem bisher leichter als Dämmmaterial in die grüne Klimafassade integrieren als das Rinnensystem, welches zu großen Teilen aus Metall besteht. Die Kombination mit SWD und Erdwärmerohren scheint bisher leichter umsetzbar, die Tests werden im kommenden Winter fortgeführt. Die Pflanzen gedeihen bisher allerdings tendenziell besser im Rinnensystem, vor allem weil ihnen dort ein größeres Substratvolumen zur Verfügung steht.
Bewässerung
Wandgebundene Begrünungen sind sehr stark auf ein funktionierendes Bewässerungssystem angewiesen, idealerweise als Kreislaufsystem mit Regenwassernutzung konzipiert. Ein Ausfall der Bewässerung kann schnell zu Pflanzenverlusten führen. Deshalb ist es umso wichtiger, dass die Anlagen regelmäßig kontrolliert werden. Grundsätzlich genügt eine Steuerung per Zeitschaltuhr, wobei ein Bewässerungsgang bei starker Hitze verlängert werden sollte. Eine Kopplung an Wetterprognosen mag verlockend erscheinen, birgt aber zusätzliche Risikofaktoren für das Gesamtsystem. Eine Frostsensorik ist hingegen sehr sinnvoll. An der KFS muss das Wasser aufgrund von temporären Sommerleitungen im Winter abgestellt werden, aber bei entsprechendem Anschluss kann auch an strahlungsintensiven Wintertagen eine Bewässerung erfolgen. Es ist allerdings unbedingt darauf zu achten, dass die Leitungen im Anschluss komplett entleert werden, um Frostschäden zu vermeiden.
Bisheriges Fazit
Abschließend lässt sich festhalten, dass wandgebundene Fassadenbegrünung das Mikroklima durchaus signifikant beeinflusst. Da wandgebundene Begrünungssysteme verhältnismäßig teuer in Anschaffung und Wartung sind, lohnt sich der Einsatz nur bei multifunktionalem Nutzen. Damit ist zum Beispiel die Erhöhung der Biodiversität, der kühlende Effekt, eventuelle Nahrungsmittelproduktion, Lärmschutz, mögliche Gebäudeenergieeinsparung in Sommer und Winter oder die ansprechende, öffentlichkeitswirksame Optik gemeint. Weitere Forschungsarbeiten an Klimafassaden wären auf jeden Fall wünschenswert und notwendig, um Kommunen eine entsprechende Entscheidungshilfe für eventuelle Förderprogramme zu bieten. Die Datengrundlage ist nach wie vor eher gering und aufgrund unterschiedlicher Versuchsaufbauten schwer vergleichbar, sodass genauere, standardisierte Forschung für eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse und die Implementierung in aktuelle Leitfäden und Normen nötig wäre. Wer in der Praxis eine wandgebundene Begrünung umsetzen möchte, sollte eine frühe Integration in die Hochbauplanung anstreben und auch in ein späteres Pflege- und Wartungskonzept investieren. Dann kann die grüne Klimafassade die erwünschten Leistungen dauerhaft erbringen.
Weiterführende Literatur
Brune, M., Bender, S. und Groth, M. (2017): Gebäudebegrünung und Klimawandel. Anpassung an die Folgen des Klimawandels durch klimawandeltaugliche Begrünung. Report 30. Climate Service Center Germany, Hamburg.
Pfoser, N., Jenner, N., Henrich, J., Heusinger, J. und Weber, S. (2014): Gebäude Begrünung Energie: Potenziale und Wechselwirkungen (Forschungsbericht), Leitfaden z. B. bei der Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. (FLL) Bonn erhältlich.